Eröffnung der Kotti-Wache: Ihr seid keine Sicherheit!
Zäune, Abschottung, Kontrollen. Das Wohnhaus, in dem die neue Polizeiwache am Kottbusser Tor eröffnet wurde, gleicht an diesem Tag einer Festung, die nur in wenigen Monaten errichtet wurde. Knapp 200 Protestierende rufen lautstark: „Ihr seid keine Sicherheit!“
Normalerweise müssen Berliner Projekte immer lange auf ihre Verwirklichung warten. Doch wenn es um die Aufrüstung der Polizei und ihrer Präsenz geht, ging es auch beim rot-grün-roten Senat, ganz ohne eine CDU-Regierung, diesmal schnell: Mit einer Finanzspritze von 3,75 Millionen Euro wurde in Windeseile die neue Polizeistation am Kottbusser Tor im ersten Stock des Zentrum Kreuzberg errichtet.
Die heutige Eröffnung zeigte symbolisch die Funktion dieser Wache: Wie in einem Panoptikum, einem militarisierten Überwachungsturm, standen heute 350 Cops auf den Dächern rund um die neue Kotti-Wache und machten genau das, wofür sie da sind: Sie beschützen ein Bestrafungssystem. Das Bündnis „Kotti für Alle“ hatte zu einer Gegendemonstration aufgerufen. 200 Protestierende stellten sich auf den Straßen gegen die Polizeigewalt und Abschottungspolitik vom R2G-Senat – umzingelt von Wannen.
Der Kotti war zuvor abgeschottet worden. Die Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hatte nur einzelne ausgewählte Journalist:innen eingeladen oder eine vorzeitige Akkreditierung gewährt, erklärte Jörg Reichel, Geschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Pressefreiheit ist so erneut nicht gegeben, wie es schon bei der ersten Begehung der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey mit Spranger der Fall gewesen war, als nur Polizeireporter:innen anwesend sein durften. Das neue Kotti-Wachen-Konzept schreibt sich Spranger selbst auf die Fahne. Die Eröffnung feierte sie bei der Schlüsselübergabe vor Ort, wie ein Journalist des nd berichtete, mit den Worten: „Ist das nicht toll geworden. Ich habe es euch gesagt.“
Diejenigen auf den Straßen waren jedoch hörbar anderer Meinung und begrüßten Spranger mit Buhruhfen, als sie den militarisierten Bereich bis zur Polizeistation durchquerte. Viele der Redebeiträge auf der Demonstration, unter Ihnen auch „Kreuzberg United“, stellten die Absurdität dieses Projekts fest und fassten zusammen, was die Wache für den Kiez bedeutet: Sie bringt Spaltung und treibt die Gentrifizierung voran.
Nicht nur der Standort war ein Streitpunkt. Der gesamte Planungsprozess fand über die Köpfe der Nachbarschaft hinweg statt, obwohl die Satzung der Genossenschaft explizit eine Teilhabe vorsieht. Für viele Anwohner:innen bedeutet die Polizei keine Sicherheit. Sie bedeutet eine gewaltsame Antwort auf die soziale Schieflage, die viele Obdachlose, psychisch erkrankte und rassifizierte Menschen betrifft.
Ihre Antworten: Abschiebungen, Aufrüstung sind ihre Antworten
Die krasse Aufrüstung der Polizei zeigt sich nicht nur an diesem heutigen Tag. Seit Jahren steigen die absoluten Ausgaben für die Polizei unter dem rot-rot-grünen Senat, genauso wie die Abschiebequoten. Auch die Redebeiträge betonten: Wir brauchen keine 100 Milliarden für die Aufrüstung oder eine Kotti-Wache, während in anderen Bereichen dieses Geld fehlt. So hat RRG etwa anstatt 20.000 neuer Wohnungen pro Jahr, wie es im Koalitionsvertrag steht, im Jahr 2022 gerade einmal 630 neue Wohnungen gebaut.
Nicht mal die Polizist:innen selbst scheinen den Job machen zu wollen. Der RBB berichtet, dass sich nur ein Beamter freiwillig für den Dienst dort gemeldet hatte. Die Innensenatorin konnte das aber nicht von ihrem Projekt abbringen. Gleichzeitig planen Rot-Rot-Grün das Abschiebezentrum am Flughafen BER. Vereinzelt gibt es innerhalb des Senats kritische Stimmen, die aus der Linkspartei stammen.
In seinem Redebeitrag betonte Ferat Koçak (DIE LINKE Neukölln) seine konsequente Haltung gegen rassistische Polizeigewalt und Abschottungspolitik. Als Teil der Regierungskoalition habe er sich mit anderen in der Linkspartei im Innenausschuss dafür eingesetzt, dass die Kotti-Wache nicht errichtet wird und sich dagegen ausgesprochen. Doch bleiben die linken Vertreter:innen der Linkspartei die Antwort schuldig, wie ein solches Vorgehen über den Innenausschuss jemals wirksam sein kann. Wir sehen: Ausgereicht hat es nicht.
Vielmehr gibt der Auftritt der Partei nach der Wahl Aufschluss darüber, welche konkreten Punkte sie vorschlagen. In einer RBB-Sendung nach der Wahl plädierte Anne Helm (DIE LINKE) für mehr Schulungen für Polizist:innen in Bezug auf Rassismus und den Umgang mit psychisch kranken Menschen. Gleichzeitig trägt sie die Aufrüstung der Polizei, die Abschiebungen und schließlich die Errichtung der Kotti-Wache weiter mit. Scharfe Kritik an der Polizei, die insbesondere gegenüber rassifizierten und armen Menschen offen gewalttätig ist, sieht – gerade in solchen aufmerksamkeitswirksamen Formaten – anders aus.
Erfolgreich gegen die politischen Vorhaben des Senats können wir nur sein, wenn wir uns zusammentun und nicht darauf vertrauen, dass eine Beteiligung der LINKEN an der Regierung oder Kritik in den Ausschüssen unsere Probleme löst. Dass das klappen kann, zeigt das beharrliche Engagement von Betroffenen und Aktivist:innen für einen Untersuchungsausschuss zur rechten Anschlagsserie in Neukölln. Wenn Sie unsere Bewegungsfreiheit einschränken, müssen wir sie auf der Straße zurückholen.