Erneut Toter nach Polizeigewalt in Mannheim

11.05.2022, Lesezeit 3 Min.
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Symbolbild: FooTToo / shutterstock.com

Nach einem Schuss in sein Bein starb in Mannheim gestern ein 31-Jähriger. Erst vor wenigen Tagen hatte es in derselben Stadt einen mutmaßlichen Polizeimord gegeben. Die Fälle müssen unabhängig aufgeklärt werden.

Nach Angaben des Landeskriminalamts (LKA) Baden-Württemberg ist in Mannheim erneut ein Mann nach einem Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Bislang liegt auch nur die Schilderung des LKA vor. Demnach seien Polizist:innen zu einem Notruf wegen häuslicher Gewalt gerufen worden. In einem Streit mit seiner Mutter habe der 31-Jährige gedroht sich selbst zu töten und sich bereits Verletzungen beigebracht. Die Beamt:innen hätten zuerst Reizgas eingesetzt. Nachdem diese Maßnahme wohl nicht zu einer Beruhigung der Situation führte, schossen sie ihm ins Bein. Reanimationsversuche des alarmierten Rettungsdienstes und des Notarztes scheiterten.

Die Todesursache ist noch nicht bekannt, eine Obduktion steht noch aus. Die Ermittlungen hat das LKA selbst übernommen. Verharmlosend spricht es derzeit von einem „Todesfall im Zusammenhang mit einem polizeilichen Einsatz“. Der Mann habe sich in einem psychischen Ausnahmezustand befunden.

Solche Fälle sind bedauerlicherweise beinahe alltäglich. Menschen in psychischen Ausnahmezuständen sind eine häufige Ursache für Polizeieinsätze. Nahezu ausnahmslos geht die Polizei dabei mit Gewalt vor, was wie in Mannheim die Situation nur weiter eskaliert. Gerade der Einsatz von Reizgas ist in dieser Hinsicht absolut kontraproduktiv und stellt im schlechtesten Fall nur eine weitere Provokation dar. Eine wirklich wirkungsvolle und gleichzeitig menschenwürdige Maßnahme wäre ein psychologischer Notdienst, der vor Ort eine professionelle Deeskalation gewährleisten könnte. Es ist gleichermaßen absurd wie tragisch, dass das LKA den Schusswaffeneinsatz als legitimen nächsten Schritt nach dem Einsatz von Reizgas betrachtet.

Erst am 2. Mai war ein Mann in Mannheim nach einer Polizeikontrolle umgekommen. Videos des Vorfalls zeigen, wie Polizisten den 47-Jährigen mit Pfefferspray angehen und dann auf den Kopf des am Boden Liegenden einschlagen. Auch er hatte sich in einer psychischen Notsituation befunden.

Die Häufung ähnlicher Fälle innerhalb kürzester Zeit ist bestürzend. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass die Polizei selbst keine ausreichende Aufklärung leisten wird. Der Verweis des LKA auf den angeblichen psychischen Zustand des Opfers lässt befürchten, dass dies als ein möglicher Rechtfertigungsgrund für die Gewaltanwendung betrachtet werden könnte. Umso dringender ist deshalb eine wirklich unabhängige Untersuchungskommission nötig, der Betroffene von Polizeigewalt und deren Angehörige, Menschenrechtsorganisationen sowie Gewerkschaften angehören sollten.

Nach dem Tod des 47-Jährigen hatte es bundesweit Demonstrationen gegen Polizeigewalt gegeben. Weitere Proteste werden nötig sein, um die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung durchzusetzen und für lückenlose Aufklärung zu sorgen.

Der Vorfall verdeutlicht, dass nicht die Polizei, sei sie auch noch so gut ausgerüstet, tatsächlich für Sicherheit sorgen kann. Während soziales und medizinisches Personal fähig ist Menschen in akuten Notsituationen zu beruhigen, greifen Polizist:innen allzu oft zur Gewalt. Für echte Sicherheit braucht es statt mehr Geld und besserer Ausrüstung für die Polizei umfangreiche Investitionen in Bildung, Gesundheit und Soziales.

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