Erklärung: Der Staat und die AKP-Regierung sind verantwortlich
// Angesichts des brutalen Attentats von Ankara veröffentlichen wir eine Erklärung von Nicolás del Caño, Präsidentschaftskandidat, Myriam Bregman und Christian Castillo, Abgeordnete für die FIT in Argentinien und Anführer*innen der PTS und der Trotzkistischen Fraktion – Vierte Internationale. //
Der doppelte Anschlag am vergangenen Samstag gegen den „Marsch für die Arbeit, den Frieden und die Demokratie“ in Ankara ist der bisherige Höhepunkt der eskalierenden Angriffe gegen die kurdische Bewegung und linke Sektoren in der Türkei.
Diese unglaubliche Gewalt kostete mindestens 97 Menschen das Leben und verletzte Hunderte. Zur Demonstration hatte ein breites Bündnis von gewerkschaftlichen und politischen Organisationen aufgerufen. Dazu gehörten die beiden wichtigsten linken Gewerkschaftsverbände DISK und KESK, fortschrittliche Anwält*innenvereine und die wichtigsten Presseagenturen, die die ansteigende Welle von Verhaftungen und Verfolgungen von Journalist*innen anprangerten, sowie die „Demokratische Partei der Völker“. die HDP, eine Front aus linken und fortschrittlichen Kräften, die von der kurdischen Linken angeführt wird. Mit der Demonstration sollte gegen die staatliche Gewalt gegen die Kurd*innen protestiert werden, die seit Juli entfesselt wurde, als die Erdogan-Regierung den Friedensprozess mit der Arbeiter*innenpartei Kurdistans PKK, der zwei Jahre lang in Kraft war, für beendet erklärte.
Dieses Attentat gegen die Organisationen der Arbeiter*innen und der Massen wurde von einer großen Menschenmenge verurteilt, die am Sonntag auf die Straße ging und sich in den wichtigsten Städten des Landes der Polizeirepression entgegenstellte. Gleichzeitig riefen die Gewerkschaften ab Montag, den 12. Oktober, zu einem zweitägigen Generalstreik auf. Außerdem gab es in verschiedenen europäischen Städten Demonstrationen gegen das Massaker.
Der Angriff am vergangenen Samstag ist der Höhepunkt einer eskalierenden Gewalt, die im Juli begann, als ein Attentat in der Stadt Suruc an der Grenze zu Syrien gegen eine Jugendorganisation der kurdischen Linken das Leben von 33 Aktivist*innen kostete und mehr als 100 Menschen verletzte.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan von der „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung“ (AKP) machte im gleichen Atemzug den reaktionären „Islamischen Staat“ und die PKK für die Anschläge verantwortlich. Damit lancierte er eine weitere grausame Verfolgung gegen diesen radikalsten Sektor der kurdischen Bewegung in der Türkei sowie im Irak und in Syrien und warf ihnen Terrorismus vor. Die Angriffe auf die Stellungen der PKK von Seiten der türkischen Armee haben in den letzten drei Monaten zum Tod von mehr als 400 Menschen geführt.
Erdogan besitzt die Unterstützung und die Deckung der US-Regierung für seinen schmutzigen Krieg gegen die kurdischen Organisationen und die türkische Linke. Im Gegenzug hat er Obama angeboten, seine Luftwaffenstützpunkte gegen den „Islamischen Staat“ in Syrien und im Irak zur Verfügung zu stellen.
Gleichzeitig wird er von der Europäischen Union unterstützt, die der türkischen Regierung kürzlich nicht weniger als eine Milliarde Euro angeboten hat, um die mehr als zwei Millionen Geflüchteten aus Syrien, Irak und Afghanistan auf türkischem Territorium zu behalten. In diesen Tagen wird Merkel die türkische Regierung besuchen, um angesichts der „Flüchtlingskrise“ ein Abkommen mit der Türkei zu schließen.
Noch sind die direkten Verantwortlichen für diese brutalen Attentate noch nicht bekannt. Viele beschuldigen den „Islamischen Staat“. Aber unabhängig davon, wer die Bomben ausgelöst hat, besitzt die Regierung von Erdogan die hauptsächliche politische Verantwortung dafür. An ihren Händen klebt kurdisches Blut. Das hörte man auch von Beginn an bei den Demonstrationen, die das Attentat von Ankara am Samstag verurteilten: „Erdogan ist der Mörder.“
Seitdem sie entschieden hat, den Waffenstillstand mit der PKK zu brechen, hat die Regierungspartei die Gewalt und den türkischen Nationalismus gegen das kurdische Volk und gegegn linke Organisationen geschürt. Insbesondere hat sie eine systematische Attacke gegen die HDP lanciert, die bei den vergangenen Wahlen am 7. Juni die restriktive 10%-Hürde zum Eintritt ins Parlament überwunden hatte. Damit hatte die HDP dem Projekt von Erdogan und der AKP, eine Parlamentsmehrheit zur Verschärfung des bonapartistischen Kurses hin zu einem Regime, welches auf der Autorität des Präsidenten basiert, einen Dämpfer versetzt.
Vorläufer dieser Wahlschlappe für Erdogan und die AKP waren die Jugendrevolte vom Gezi-Park in Istanbul im Jahr 2013 und zahlreiche Streiks der Arbeiter*innen, wie derjenige, der dieses Jahr die Automobilindustrie lahmlegte.
Das Scheitern der AKP, eine Regierungskoalition zu bilden, führte dazu, dass zum 1. November Neuwahlen geplant sind.
Die konzertierte Gewalt gegen die HDP beinhaltete mehrere Angriffe auf Parteilokale und eine Schmutzkampagne gegen ihre Anführer*innen, Parlamentarier*innen und Stadträt*innen. 1500 von ihnen wurden verhaftet und des „Terrorismus“ beschuldigt. Damit will Erdogan die nächsten Wahlen gewinnen, indem er sich als der einzige positioniert, der einen Schutz vor einem möglichen Bürger*innenkrieg bieten kann, während er selbst gerade einen solchen schürt.
Wir verurteilen energisch das gegen die Arbeiter*innen und die Massen gerichtete Attentat vom Samstag. Wir fühlen uns solidarisch verbunden sowohl mit dem Schmerz der Organisationen der Arbeiter*innen und der Jugend, die Mitstreiter*innen verloren haben, als auch mit den Familien der Opfer. Unabhängig davon, wer die Anschläge ausgeführt hat, ist die Regierung Erdogans und der AKP durch ihre Politik der Verfolgung zur Aufrechterhaltung der Unterdrückung gegen das kurdische Volk und durch ihre Verweigerung, ihr legitimes Recht auf nationale Selbstbestimmung anzuerkennen, verantwortlich dafür.
Nicolás Del Caño, Präsidentschaftskandidat, aktueller Abgeordneter im argentinischen Parlament für die FIT, Anführer der Partei Sozialistischer Arbeiter*innen
Myriam Bregman, Vizepräsidentschaftskandidatin, aktuelle Abgeordnete im argentinischen Parlament für die FIT, Anführerin der Partei Sozialistischer Arbeiter*innen
Christian Castillo, Kandidat für das Provinzparlament, Abgeordneter im Provinzparlament von Buenos Aires für die FIT, Anführer der Partei Sozialistischer Arbeiter*innen