Erklärung: Für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid!
Wir spiegeln die Erklärung der Fraktion in Solid - Gegen die Logik des geringeren Übels: Für den Aufbau einer unabhängigen revolutionären sozialistischen Kraft der Arbeiter:innen, der Jugend, der Frauen, LGBTQIA+ und Migrant:innen!
Update: Die Fraktion für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid ruft für das Wochenende der Luxemburg-Liebknecht-Demo 2023 in Berlin zu einer Konferenz auf, um angesichts von Inflation und Krise, anhaltendem Ukrainekrieg und Klimakatastrophe über die Aufgaben von Revolutionär:innen und einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid zu diskutieren. Hier geht es zum Aufruf zur Konferenz.
1. Aufruf zu einer Konferenz: Für einen Bruch mit der LINKEN und Solid
Krieg, Wirtschaftskrise, Klimakatastrophe, Pandemie: Die Welt steht in Flammen und die Herrschenden haben uns keine Lösungen anzubieten. Der Ukrainekrieg ist nur ein Vorgeschmack auf schärfere Konflikte zwischen den Großmächten. Die Ampelregierung will Deutschland in eine der größten Militärmächte des Planeten verwandeln, um die Interessen des deutschen Kapitals auf der ganzen Welt auch mit Waffengewalt durchzusetzen. Die Regierung bietet nur unzureichende Antworten auf die Inflation. Isbesondere die Jugend, die Arbeiter:innen und ihre Familien sowie gesellschaftlich marginalisierte Gruppen leiden besonders unter der Teuerung. Wir können nicht länger abwarten und zusehen, wie unsere Zukunft und die des Planeten zerstört wird. Deshalb müssen wir das kapitalistische System stürzen, das für diese Zerstörung und das Elend von Milliarden im Dienste der Profite von Wenigen verantwortlich ist. Stattdessen brauchen wir eine sozialistische Wirtschaftsweise, mit demokratischer Planung durch die Arbeiter:innen selbst, um die Bedürfnisse der breiten Mehrheit zu befriedigen.
Wir, Mitglieder und Sympathisant:innen der Linkspartei und ihres Jugendverbandes Solid, haben in den vergangenen Jahren immer wieder feststellen müssen, dass DIE LINKE keinen Ausweg aus den Krisen des Kapitalismus anzubieten hat. Auch in der aktuellen Situation ist die Partei kein Anziehungspunkt für soziale Proteste, der von ihr ausgerufene “bundesweite Aktionstag zum heißen Herbst” am 17. September war alles andere als ein Massenprotest. Ganz zu schweigen davon, dass DIE LINKE keinen schlagkräftigen Protest gegen den Krieg und die Aufrüstungspolitik der Bundesregierung organisieren konnte und wollte.
Dass die Linkspartei nicht als gesellschaftliche Alternative zur Politik der Regierung und des Kapitals angesehen wird, liegt aber nicht einfach an innerer Zerstrittenheit, sondern ist Resultat der Anpassung und Integration in den bürgerlichen Staat durch Regierungsbeteiligungen und Minister:innenposten. Dagegen haben wir in der Vergangenheit in verschiedenen Formen innerhalb der LINKEN gekämpft; nun ist es an der Zeit, Konsequenzen zu ziehen.
Mit diesem Text rufen wir eine Fraktion für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und Solid aus. Damit wollen wir all jene innerhalb und auch außerhalb der LINKEN und Solid ansprechen, die ebenfalls zur Schlussfolgerung kommen, dass die Partei nicht reformierbar ist, und nicht länger der Hoffnung hinterherlaufen wollen, dass sie in einer unbestimmten Zukunft eine sozialistische Partei oder ein Anziehungspunkt für die Massen sein kann.
Wir laden dazu ein, mit uns in einen Diskussionsprozess zu treten und bis zum Ende des Jahres eine Konferenz zur Bilanz der Linkspartei 15 Jahre nach ihrer Gründung zu organisieren. Wir werden einen Schlussstrich ziehen und über den Aufbau einer unabhängigen revolutionären sozialistischen Kraft der Arbeiter:innen, der Jugend, der Frauen, LGBTQIA+ und Migrant:innen diskutieren.
2. Eine kritische Bilanz nach 15 Jahren die LINKE und Solid
Das letzte Jahr der Linkspartei war katastrophal. Begonnen hat es damit, dass sich die Linkspartei im Bundestagswahlkampf noch massiver an die anderen Parteien angepasst hat, um endlich für die BRD regierungsfähig zu werden. Es folgte Wahlniederlage auf Wahlniederlage. DIE LINKE verliert Wähler:innen und Mitglieder an die Regierungsparteien, aber auch an die AfD und die Nichtwähler:innen.
In Zeiten von Krieg und Inflation hoffen verschiedene Teile der LINKEN, aus der historischen Krise der Partei herauszukommen. Doch trotz vollmundiger Ankündigungen eines “heißen Herbstes” bleibt die Mobilisierung auf der Straße, in den Betrieben, Schulen und Unis bisher minimal. Und das Programm der Partei gegen die Krise ist kaum mehr als das, was auch der linke Flügel der SPD fordert. Sie bietet keine grundsätzliche Alternative zur Regierungspolitik, die die Kapitalist:innen zur Kasse bittet und für eine vollständige Vergesellschaftung der Energieversorgung streitet.
Mit Beginn des Ukrainekriegs ist die Parteiführung immer mehr auf die Linie des deutschen Imperialismus eingeschwenkt, unterstützt arbeiter:innenfeindliche Sanktionen und begrüßt die Aufnahme weiterer Länder in die NATO. Diesen Weg hatte sie schon 2021 vorbereitet, indem sich der Großteil der Fraktion im Bundestag bei der Abstimmung über die Fortsetzung der Bundeswehrmission in Afghanistan enthalten hat, um sich als regierungsfähig zu präsentieren. Und der Bundessprecher:innenrat von Solid hat Auszüge aus einem Papier über “feministische Außenpolitik” beworben, das eines seiner Mitglieder für das Auswärtige Amt verfasst hat – unter diesem Begriff rechtfertigt Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ihre kriegstreiberische Politik. Auch beim letzten Bundesparteitag konnte die Ablehnung aller Sanktionen keine Mehrheit finden, womit die Partei dem Wirtschaftskrieg gegen Russland grundsätzlich zugestimmt hat. Währenddessen stellt sich der Flügel um Sahra Wagenknecht zwar gegen Sanktionen und gegen die NATO, jedoch um den Preis einer Anbiederung an Putin und mit der Hoffnung auf diplomatische Verhandlungen, die letztendlich nur auf einen Kompromiss zwischen westlichen und russischen Kapitalfraktionen hinauslaufen. Sie stellen keine Lösung für die ukrainischen Arbeiter:innen dar, denn egal ob Russland oder NATO, beide versuchen die Ukraine in ihre Abhängigkeit zu bringen. Insofern ist die Forderung von Diplomatie eine Anpassung an die Interessen der Machtblöcke und kein Garant für Stabilität, Sicherheit und Frieden in der Region. Stattdessen wäre es notwendig, für eine Anti-Kriegs-Bewegung in Russland zu werben, die der Ausgangspunkt für ein revolutionäres Ende von Putins reaktionärer Regierung wird, und zugleich in den NATO-Staaten gegen die Aufrüstungspolitik und den Militarismus der imperialistischen Mächte zu kämpfen. In der Ukraine selbst braucht der Widerstand gegen die russische Besatzung eine Perspektive, die unabhängig von der von Selenskyj gepredigten Unterordnung unter die NATO ist.
Ohne sichtbare und glaubwürdige Alternative von links, die sich der Krisen- und Kriegspolitik des deutschen Imperialismus entgegenstellt, ist die Gefahr groß, dass nationalistische und rechtsextreme Kräfte die aktuellen Proteste demagogisch vereinnahmen. Tatsächlich versuchen AfD, “die Basis”, Compact und andere ultrarechte Kräfte schon jetzt, in den aufkommenden Demonstrationen immer stärker den Ton anzugeben. Dass sie eine solche Stellung erlangen konnten, liegt in nicht unwesentlichem Maße an der Linkspartei. Denn nicht nur ist sie in den vergangenen Jahren in zentralen Fragen wie dem Pandemiemanagement oder der Haltung zur NATO und zu Wirtschaftssanktionen im Ukrainekrieg auf die Linie der Regierung eingeschwenkt. Sondern insbesondere in Ostdeutschland, wo die rechten Kräfte besonders stark sind, ist sie seit 15 Jahren – und noch länger, nimmt man ihre Vorgängerin PDS als Maßstab – als Regierungspartei für Kürzungen in Bildung und Gesundheit, Outsourcing, Abschiebungen und Polizeigewalt selbst mit verantwortlich.
In diesem Sinne liest sich auch die Bilanz der aktuellen Regierungsbeteiligungen: In Berlin wird gerade die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen ausgebremst. In einer früheren Regierung war die Linkspartei für die Privatisierung zehntausender Wohnungen erst mit verantwortlich. In Bremen werden im dreistelligen Ausmaß Stellen in den Krankenhäusern gestrichen. Abschiebungen sind in Thüringen und allen Landesregierungen mit Linkspartei-Beteiligung alltäglich. Im Jahr 2021 wurden 959 Menschen aus Berlin, 226 aus Thüringen und 23 aus Bremen abgeschoben.
Von Beginn an hat die Linkspartei auf Regierungsbeteiligungen und Integration in den bürgerlichen Staat gesetzt. Dies betrifft alle wichtigen Flügel der Partei, auch den von Wagenknecht, der sich aktuell gegen Regierungsbeteiligungen ausspricht, aber noch bei der vorletzten Bundestagswahl und verschiedenen Landtagswahlen dafür war.
3. Warum weder Wagenknecht noch Bewegungslinke Antworten auf die brennenden Fragen haben
Der Wagenknechtflügel und die Bewegungslinke stehen sich seit Jahren innerhalb der Partei gegenüber. Sie geben unterschiedliche Antworten auf die wachsende Bedeutungslosigkeit der Linkspartei. Für Wagenknecht liegt das Problem darin, dass DIE LINKE sich an die “Marotten” von “skurrilen Minderheiten” angepasst habe, wie sie in ihrem Buch “Die Selbstgerechten” schreibt. Sie propagiert eine Rückkehr zu mehr “Klassenpolitik”, meint damit aber die Ignoranz oder Geringschätzung von Fragen des Sexismus, Rassismus und LGBTQIA+-Feindlichkeit. Während der Migrationskrise 2015 beklagte sie die Politik der offenen Grenzen und auch danach äußerte sie sich wiederholt rassistisch und queerfeindlich. Wagenknechts Strategie ist darauf ausgelegt, die Interessen der “weißen deutschen Arbeiterklasse” mit den Interessen der imperialistischen deutschen Bourgeoisie zu vereinen. Sie spricht davon, die Interessen der kleinen Leute zu unterstützen, aber für sie bedeutet das keine Politik in den Betrieben oder gewerkschaftliche Kämpfe, sondern sozialdemokratische Kompromisse in den Parlamenten. Auch die NATO lehnt sie nicht ab, weil sie imperialistisch ist, sondern weil sie ein stärkeres, von den USA unabhängiges Deutschland fordert. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der deutschen Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.
Gegen diesen “linken” Konservatismus stellt sich die Bewegungslinke, die stattdessen den Zusammenfluss der LINKEN mit verschiedenen sozialen Bewegungen für die Rechte von Nicht-Weißen, Frauen und Queers, gegen die Klimakatastrophe usw. vorschlägt. Dies klingt erstmal gut, aber in der Praxis geht es darum, die Bewegungen in den bürgerlichen Staat zu integrieren und ihnen ihre Radikalität zu nehmen. Ihren Führungsfiguren vermittelt sie Listenplätze und Jobs, während die Arbeiter:innenklasse für sie nur eine von vielen Bewegungen ist, und ihre gesellschaftliche Macht somit unterbewertet wird.
Dabei ist es die multiethnische Arbeiter:innenklasse die einzige soziale Kraft, die in der Lage sein könnte antisexistische und antirassistische Forderungen, aber auch Forderungen der Klimabewegung tatsächlich umzusetzen, indem sie die kapitalistische Produktion lahmlegt. Wir sind dabei nicht der Meinung, dass “Bewegungen” oder “Identitäten” einem abstraktem Begriff von Klasse entgegenstehen, sondern dass im Gegenteil die Fragen von Unterdrückung drängende Fragen der Arbeiter:innen sind. Doch weder die Strategie der Bewegungslinken, in der die Arbeiter:innenklasse keine zentrale Rolle spielt, noch die sozialchauvinistische Politik à la Wagenknecht, konfrontieren entscheidend den bürgerlichen Staat.
Eine der wichtigsten sozialen Bewegungen weltweit ist die feministische. Wie steht DIE LINKE zu ihr? Um nur ein Beispiel zu nennen: Die Linkspartei fordert richtigerweise ein Ende des Gender Pay Gaps, aber in ihrer Regierungsbeteiligung setzt sie das Gegenteil um: So sorgt das Outsourcing an den öffentlichen Berliner Krankenhäusern in einem feminisierten Bereich weiter für deutlich ungleiche Bezahlung.
Diese Widersprüchlichkeit zeigte sich auch in dem verheerenden Umgang mit der massiven Anzahl von Vorfällen sexualisierter Gewalt, die im Rahmen von #LinkeMeToo aufgedeckt wurden. Entweder wurden die Vorfälle heruntergespielt, oder ihre Aufklärung auf eine Frage der Parteistrukturen verengt. Sexualisierte Gewalt kann in jeder Organisation auftreten. Besonders die bürokratische Struktur des Parteiapparats der Linkspartei fördert jedoch Seilschaften, in denen sexistische Vorfälle und sexualisierte Gewalt vertuscht werden, um gegenseitig Posten zu sichern. Doch für einen korrekten Umgang mit sexualisierter Gewalt benötigt es nicht nur interne Mechanismen, sondern auch eine klare Strategie zur Bekämpfung der patriarchalen Struktur der kapitalistischen Gesellschaft. Selbst was die internen Mechanismen angeht, waren die Reaktionen auf den #LinkeMeToo-Skandal auf dem Parteitag der Linkspartei ernüchternd. Anstatt Selbstorganisation von Betroffenen zu stärken und in unabhängigen Kommissionen Aufklärung voranzutreiben, wird ihnen eine Expert:innenkommission vor die Nase gesetzt, die die Probleme der sexistischen Gewalt eindämmen soll.
4. Warum Solid kein linker Druck auf die LINKE ist
Solid als Jugendverband schafft es regelmäßig, sich gegenüber den Positionen der Linkspartei rechts zu positionieren. Seit Jahren schon drängt Solid auf die Annäherung an die NATO. So hat man 2019 versucht, unter dem Deckmantel der Solidarität mit den Kurd:innen in Rojava, nicht nur den generellen Widerstand der Linkspartei gegen Waffenlieferungen aufzuweichen, sondern sogar auch die “größtmögliche Schwächung der türkischen Wirtschaft durch Sanktionen” gefordert, als würde dies nicht am härtesten die türkische und kurdische Arbeiter:innenklasse treffen. Auch die Nutzung der militärischen Kapazitäten des deutschen Staates gehört schon länger zu den Forderungen von Solid, und so ist kein Wunder, dass die Solid-Delegation beim letzten Bundesparteitag zusätzlich zum positiven Bezug auf Sanktionen auch eine Zustimmung zu Waffenexporten an die Ukraine durchdrücken wollte. Ein Thema, bei dem sich die Solid-Mehrheit als besonders reaktionär hervortut, ist der offen zur Schau gestellte Hass gegenüber Palästinenser:innen und die penetrante Verleugnung ihrer Unterdrückung. Schon 2015 hat der Bundeskongress der linksjugend beschlossen, dass es antisemitisch sei, Israel einen Apartheidsstaat zu nennen – eine Bezeichnung, die heutzutage selbst bei bürgerlichen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und der israelischen NGO B’Teselem, allgemein geläufig ist. Zusammen mit dieser desaströsen Beschlusslage kommt es immer wieder zu massiven rassistischen Ausfällen, wie Landesarbeitskreise, die islamfeindliche Karikaturenwettbewerbe veranstalten oder Äußerungen eines Bundessprechers vom Beginn von 2022, dass Palästina ein “Phantasialand” sei. Dies sind rassistische Positionen, die man sonst von der Alt-Right Bewegung kennt.
Während sich auf der Bundesebene hauptsächlich reaktionäre Positionen durchsetzen, ist die Basis der Solid in ihrer Zusammensetzung sehr unterschiedlich. Zu zentralen Fragen und Positionen wie zum Staat, wie man eine Partei aufbauen sollte und welche Klasse(n) und welche Gruppe überhaupt eine Revolution machen können, findet man, wenn man sich drei zufällige Ortsgruppen herausgreift, meist zehn und mehr verschiedene Meinungen. Dieser “Pluralismus” wird von vielen als Stärke begriffen. Tatsächlich ist er die entscheidende Schwäche: Unter dem Deckmantel, neu politisierte Jugendliche anzuziehen, wird der Verband zu einem Sammelbecken verschiedenster Einstellungen, die keine klare Strategie gegen den staatstragenden Kurs der Gesamtpartei organisieren können. So wird der Jugendverband kein wie auch immer geartetes linkes Gegengewicht zur Linkspartei, und trägt zum Teil sogar dazu bei, dass kritische Stimmen durch die Aussicht auf eine Parteikarriere zum Verstummen gebracht werden.
Auch wer ohne Aussicht auf Karriere Basisarbeit in den Ortsgruppen macht, um damit lokale Initiativen voranzutreiben, die in vielen Fällen durchaus sinnvoll sein können, führt meist keinen politischen Kampf gegen den Reformismus in und außerhalb der Partei. Statt die reformistischen Apparte zu konfrontieren, akzeptieren große Teile der Solid dessen Existenz. Selbst wer sich links der Apparate verortet, arrangiert sich meistens mit ihnen oder ignoriert sie und ihre Führungsrolle in Teilen der Arbeiter:innenbewegung.
Genauso wie bei der Linkspartei, sind diese politischen Defizite auch schon seit der Gründung der Linksjugend tief verwurzelt. Schon der Gründungskongress hat mit einem undemokratischen Manöver der Bürokratie begonnen, um WASG-Jugend, PDS-Jugend und Solid zu einem Bundesverband mit gleichen Teilen im Vorstand zu vereinigen, obwohl die Solid extrem viel mehr Mitglieder hatte als die anderen beiden Verbände. Der Grund für den Kompromiss mit der Bürokratie: Man wollte sich finanzielle Mittel der PDS sichern, auf Kosten der Radikalität des Programms.
5. Wir brauchen ein Notfallprogramm gegen Krieg und Inflation!
Die Bilanz von Solid und der Linkspartei ist umso verheerender, sieht man sich die aktuelle internationale Situation und die Situation in Deutschland an: Neben dem anhaltenden Ukraine-Krieg und geopolitischen Spannungen, in denen Deutschland mit der 100-Milliarden-Aufrüstung Schritte zur Etablierung als neue Militärmacht geht, erleben wir die höchste Inflation in den imperialistischen Zentren seit Jahrzehnten. Die Pandemie ist ebensowenig vorüber und droht im Winter erneut zu eskalieren. Währenddessen passt sich die Führung der Klimabewegung immer mehr der Regierung an und ist trotz partieller Kritiken keine Opposition mehr zu den Grünen in der Regierung.
In dieser Situation ist es zuallererst notwendig, ein Notfallprogramm gegen Inflation, Krise, Krieg und Kilmakatastrophe aufzustellen und mit einem Bündnis von Gewerkschaften, linken und sozialen Organisationen starke Mobilisierungen auf der Straße zu organisieren. Ein solches Programm muss von sofortigen Preisstopps für Energie, Lebensmittel und Mieten sowie einer automatischen Anpassung von Löhnen, Gehältern, Renten und Sozialleistungen an die Inflation ausgehen, finanziert durch hohe Steuern auf Gewinne und Vermögen. Die Geschäftsbücher der Konzerne müssen offengelegt werden, damit ihre Gewinnabsichten aufgedeckt werden können und die Preise am realen Bedarf ausgerichtet werden können.
Es braucht die entschädigungslose Verstaatlichung des Energiesektors unter Arbeiter:innenkontrolle, in der Perspektive der Verstaatlichung der wichtigsten Industrien und des Bankensektors.
Zugleich schreitet die Klimakatastrophe weiter voran. Wir sehen gerade deutlich am Beispiel von Pakistan, wie Kapitalismus, Klimakatastrophe und rassistische Migrationspolitik Hand in Hand gehen. Im Sommer herrschte dort eine starke Dürre, die zu Ernteausfällen und einer hohen gesundheitlichen Belastung für Menschen und Tiere führte. Aktuell steht durch hohe Regenfälle rund ein Drittel des Landes unter Wasser. Viele Menschen verlieren ihre Wohnungen und haben keinen Zugang mehr zu sauberem Trinkwasser. Imperialistische Länder, wie etwa Deutschland, tragen durch ihre Industrie einen großen Teil zu der Klimakatastrophe bei und führen sogar weiter Abschiebungen nach Pakistan durch.
Deshalb muss ein Notfallprogramm sich auch den Kampf gegen die Klimakatastrophe vornehmen, gegen die beispiellose Aufrüstung des deutschen Imperialismus, die Sanktionen und die Vorbereitungen zukünftiger Kriege, ebenso die Streichung der Schulden der abhängigen Länder. Angesichts der wachsenden humanitären Katastrophe der Kriege sowie der erzwungenen Migration durch die Klimakatastrophe und die Wirtschaftskrise braucht es die bedingungslose Aufnahme und volle Staatsbürger:innenrechte für alle Geflüchteten – inklusive der russischen Kriegsdeserteur:innen – und ein Ende aller Abschiebungen.
Die Bundesregierung setzt nun statt auf russisches Gas auf Gas aus Katar und die Weiternutzung von Kohle und Atomkraft. Wir wollen hingegen ein Energiesystem, das dem Profitstreben entzogen wird und verstaatlicht nach demokratischem erarbeiteten Plan durch die Beschäftigten auf soziale und ökologische Weise umgebaut wird. Dies kann nur ein erster Schritt sein für eine andere – sozialistische – Wirtschaftsform, die mittels Gemeineigentum unter demokratischer Kontrolle nach den Bedürfnissen der großen Mehrheit der Gesellschaft ausgerichtet ist.
Für uns ist klar, dass die gesellschaftliche Kraft, die ein solches Programm umsetzen kann, die Arbeiter:innenklasse ist. Dass die Fabriken weiter produzieren können, Menschenleben in Krankenhäuser gerettet werden, Kinder in der Kita und Schule betreut werden und die Menschen Bus und Bahn fahren können, ist von den Arbeiter:innen abhängig, die in diesen Sektoren tätig sind. Wenn sie streiken, steht die Wirtschaft still. Deshalb hat die Arbeiter:innenklasse die Kraft, das Kapital durch Streiks und Blockaden erheblich zu schwächen und letzten Endes ein Ende des Kapitalismus zu erkämpfen. Es braucht einen großen einheitlichen Kampf der Arbeiter:innenklasse und der Jugend. Die Spitzen der Gewerkschaften wollen aber lieber mit den Unternehmen und dem Staat zusammenarbeiten, als die Arbeiter:innenbewegung gegen die Regierungspolitik und das Kapital zu mobilisieren. Diese erzwungene Passivität gilt es zu durchbrechen und einen Kampfplan zur Verteidigung der Lebensbedingungen der arbeitenden Mehrheit und zur Konfrontation mit der imperialistischen Politik der „Fortschrittskoalition”, der EU und der NATO durchzusetzen.
6. Warum die LINKE nicht mehr zu retten ist
Das Programm und die Strategie der Linkspartei und der Linksjugend Solid sind einer solchen Perspektive entgegengesetzt. Dabei geht es nicht um einzelne Forderungen, die die Linkspartei in der ein oder anderen Form (z.B. Vermögenssteuern) durchaus erheben kann. Sondern um die Frage, wie und gegen wen dieses Programm erkämpft werden muss. Die Linkspartei ist eine strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtete Partei. Ihre Strategie besteht darin, an die Regierung des bürgerlichen Staats zu gelangen und die kapitalistische Misere mitzuverwalten. Genau deshalb ist eine von linkeren Teilen der Linkspartei beschworene “Rückkehr zum Erfurter Programm” von 2011 keine Perspektive für uns. Im Erfurter Programm findet sich keine Abgrenzung vom bürgerlichen Staat als Klassenstaat, der nur durch den Kampf der Massen auf der Straße und durch Streiks und Blockaden besiegt werden kann, in der Perspektive einer sozialistischen Revolution. Stattdessen bleibt die Strategie zur Veränderung offen, und das Paktieren und der Kompromiss mit den Kapitalist:innen in einer bürgerlichen Regierung wird nicht ausgeschlossen, ganz im Gegenteil. In den 15 Jahren ihrer Existenz war DIE LINKE an 13 Landesregierungen beteiligt und hat für die Einbindung tausender linker Aktivist:innen in die Strukturen des bürgerlichen Staates gesorgt.
Zahlreiche antikapitalistische Organisationen arbeiten in der ein oder anderen Weise direkt innerhalb der Linkspartei oder sind mit ihr eng verbunden. Trotz aller Unterschiede eint sie zwei Perspektiven: Zum Einen, dass DIE LINKE – oder eine ähnlich geartete große reformistische Organisation – in einer entfernten Zukunft zu einer sozialistischen Massenpartei werden oder zumindest die fortschrittlichsten Kräfte der Gesellschaft anziehen könne, und zum Anderen, dass dies eine politische Verbindung mit dieser Partei notwendig mache, um sich nicht von den Massen zu entfernen. Das ignoriert jedoch nicht nur die reale Rolle der mit den imperialistischen Staatsbürokratien verschmolzenen reformistischen Parteien heute und die gesamte historische Erfahrung der imperialistischen Epoche der Krisen, Kriege und Revolutionen. Es ignoriert auch die Lehren der in den vergangenen Jahren seit der Weltwirtschaftskrise 2007/8 neu entstandenen Phänomene des Reformismus wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise (LFI) in Frankreich. Die linke Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate der EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positionierte. Podemos setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Syriza und Podemos waren keine Ausdrücke des Klassenkampfes. Im Gegenteil: Sie lenkten den Klassenkampf in staatstragende Bahnen um. Der Grund dafür ist in der Vermittlungsrolle der reformistischen Bürokratien der Parteien zu sehen, die selbst Schritt für Schritt die Anbindung an den Staat fördern. Am Ende zähmen sie mit ihrer Tätigkeit politische Bewegungen.
Gleiches gilt für die Bürokratien der Gewerkschaften, die in den Aufsichtsräten der Unternehmen und Beratungsgremien des Staates sitzen und zwischen den Beschäftigten und den Bossen vermitteln und dafür auch Streiks ausbremsen. Wir hingegen wollen die vollständige demokratische Kontrolle der Basis über die Gewerkschaften und die Arbeitskämpfe. Deshalb ist es notwendig, die Bürokratien zu überwinden und sie auch aus den Organisationen der Arbeiter:innen hinauszuwerfen. Anders als die reformistischen Parteien organisieren die Gewerkschaften tatsächlich einen wichtigen Teil der Beschäftigten in ihren Betrieben, weshalb es notwendig ist, in ihnen zu arbeiten und gegen die Bürokratie um die Führung zu kämpfen.
7. Für den Aufbau einer revolutionär-sozialistischen Partei in Deutschland
Wir wollen eine ganz andere Organisation aufbauen: Eine Organisation, die nicht einfach in anderen Worten dasselbe lauwarme Programm vorschlägt wie die Linkspartei, das die Interessen und Profite der Kapitalist:innen nicht entscheidend berührt. Wir haben genug von der Logik des „geringeren Übels“, um die Perspektive weiterer Regierungsbeteiligungen zu rechtfertigen. Der Reformismus der Linkspartei und der Gewerkschaftsbürokratien führt uns nicht Schritt für Schritt zu einer besseren Gesellschaft, wie er verspricht, sondern in die sichere Niederlage. Im Herzen des deutschen Imperialismus macht die Ampelregierung eine Politik, die immer mehr Menschen die Lebensgrundlage nimmt, während sie jegliches – im Moment noch sanftes – Auflehnen als rechte Gefahr diffamiert. Davon zeugen schon jetzt die Streiks für einen tatsächlichen Inflationsausgleich, die Demonstrationen, auf denen Rufe nach Enteignungen der Energiekonzerne lauter werden, auch wenn sie bisher noch von den Gewerkschafts- und Parteibürokratien in Schach gehalten werden.
Wir möchten uns nicht in die Reihen derer begeben, die sagen, dass eine sozialistische Revolution nicht möglich sei, und dass wir versuchen müssten, das Beste aus dem bestehenden System herauszuholen. Wir sind nicht der Meinung, dass wir beim Kampf um Reformen, die unser Leben in der kapitalistischen Misere erträglicher machen, stehen bleiben müssten, weil alles andere utopisch sei. Im Gegenteil: Utopisch ist zu glauben, dass der Kapitalismus für uns einen Ausweg aus Krisen, Krieg und Klimakatastrophe bieten kann. Wir wollen deshalb eine Organisation aufbauen, die sich den Sturz des Kapitalismus vornimmt. Eine Organisation, die sich in den Betrieben, Schulen und Universitäten aufbaut, anstatt auf Minister:innenposten zu schielen. Dafür zentral ist ein Programm, welches die Enteignung der Großkapitalist:innen fordert, da sich dadurch viele gesellschaftliche Probleme wie zu hohe Mieten oder niedriger Lohn lösen ließen, in der Perspektive einer Arbeiter:innenregierung und der sozialistischen Revolution.
Wir sind der Meinung, dass die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die Krisen- und Kriegspolitik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, die Arbeiter:innenklasse ist. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Geschlecht, Sexualität, Hautfarbe usw., sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland multiethnisch ist und immer weiblicher und offen queerer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen, sondern kann die Gesamtheit aller ausgebeuteten und unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen, wenn sie sich ihre Forderungen zu Eigen macht und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jegliche Form von Unterdrückung stellt. Diese Perspektive nennen wir Hegemonie der Arbeiter:innenklasse (Gramsci). Um sie herzustellen, muss auch die Spaltung innerhalb unserer Klasse überwunden werden, die von Staat und Kapital vorangetrieben und von den Bürokratien der Gewerkschaften häufig reproduziert wird.
Eine solche revolutionär-sozialistische Perspektive ist für uns auch untrennbar mit einer Abrechnung mit dem Stalinismus und all seinen Varianten verbunden. Unser Sozialismus hat nichts gemein mit dem bürokratischen Regime des sogenannten Realsozialismus. Im Gegenteil sind wir davon überzeugt, dass nur eine sozialistische Planwirtschaft, die auf der breitestmöglichen Demokratie der Arbeiter:innen beruht, die sich in Räten organisieren, einen Ausweg aus den unzähligen Krisen zeigen kann, die uns der Kapitalismus anbietet.
Wir wollen noch einmal betonen: Uns geht es nicht um schöne Worte. Bei ihrer letzten Landesvollversammlung hat Solid Berlin auf Grundlage von Anträgen aus dem Kreis der Unterzeichner:innen dieser Erklärung eine Reihe von korrekten Übergangsforderungen beschlossen. In der tatsächlichen Praxis des Verbandes haben diese Beschlüsse aber keine Rolle gespielt. Wir wollen kein linkes Feigenblatt für die Perspektive von Rot-Rot-Grün sein. Wir brauchen eine Organisation, die nicht nur auf dem Papier fortschrittliche Forderungen aufstellt, sondern eine revolutionäre Strategie des Klassenkampfes besitzt, mit der die Arbeiter:innenklasse sich den Kapitalist:innen, ihrem Staat und den reformistischen Bürokratien entgegenstellen kann.
Erstunterzeichner:innen
Freddy Hölzer (Linksjugend Solid Nord-Berlin)
Tom Krüger (Linksjugend Solid Nord-Berlin, Revolutionäre Internationalistische Organisation / Klasse Gegen Klasse)
Valeria Siebert (Linksjugend Solid Nord-Berlin)
Lara Kirsch (Linksjugend Solid Nord-Berlin)
Julius Götz (Linksjugend Solid Nord-Berlin)
Leon Groß (Linksjugend Solid Friedrichshain)
Jonas Demke (Linksjugend Solid Aachen)
Lorenz Sand (Linksjugend Solid Kassel)
Sophie Lerch (Revolutionäre Internationalistische Organisation / Klasse Gegen Klasse; ehemalig Linksjugend Solid Kassel)
Jannika Ferner (Linksjugend Solid Nord-Berlin)
Achmed Zmero (Linksjugend Solid Nord-Berlin)
David Valentin (Linksjugend Solid Nord-Berlin)
Maximilian Baran (Linksjugend Solid Kreuzkölln)
Alex Kalteis ( AKL Bünde)
Revolutionäre Internationalistische Organisation / Klasse Gegen Klasse
REVOLUTION Berlin
Brokkoli Bittner (REVOLUTION Berlin, Linksjugend Solid Stadtrand Ost)
Leah Liebold (ehemalig Linksjugend Solid Bayern)
Noah Petersen (Linksjugend Solid Nordfriesland)
Stephie Goetz (Schatzmeisterin und Landessprecherin Solid Berlin, REVOLUTION Berlin und Linksjugend Solid Nord-Berlin)
Paul Laga (ehemaliger Landessprecher Linksjugend Solid Bayern)
Jona Ohe (REVOLUTION Berlin, Linksjugend Solid Kreuzkölln)
Mao Meier (REVOLUTION Berlin, Linksjugend Solid Stadtrand Ost)
Raphael Döring, (Linksjugend Solid Friedrichshain)
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