Entlassung nach Stimme für NSU-Untersuchungsausschuss: Grüne verwalten Rassismus mit

02.05.2023, Lesezeit 4 Min.
1
Bild: Mo Photography Berlin / Shutterstock.com

Die Fraktion der Grünen in der Hamburger Bürgerschaft enthob vergangene Woche die Abgeordnete Miriam Block teilweise ihrer Ämter. Zuvor hatte diese als Einzige für einen NSU-Untersuchungsausschuss in Hamburg gestimmt.

Block hatte am 13. April als einziges Mitglied der Grünen-Fraktion für den Antrag der LINKEN in der Hamburger Bürgerschaft zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses, der sich dem NSU widmen soll, gestimmt. Am vergangenen Montag stimmten 22 Abgeordnete der Grünen, auf Vorschlag der Parteispitze, für die Enthebung Blocks von ihrem Posten als Sprecherin für Wissenschaft und Hochschulen und ihrer Mitgliedschaft im Innen- und Wissenschaftsausschuss. Die Fraktionsspitze verwies dabei lediglich auf Blocks Verhalten, sich nicht an Absprachen innerhalb der Fraktion zu halten.

Die Fraktion der Grünen votierte zusammen mit ihren Koalitionspartner:innen von der SPD gegen eine Politisierung des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds, der rechten Terrorgruppe, die zwischen 2001 und 2006 mindestens zehn Menschen aus rassistischen Motiven tötete. Zu den Opfern gehört Süleyman Taşköprü, der 2001 in Hamburg vom NSU ermordet wurde.

Stattdessen soll sich eine Studie der Angelegenheit annehmen, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss wegen einer rassistischen Mordserie scheint der rot-grünen Koalition nicht nötig. Die Fraktion stellt die Studie als einen Kompromiss dar, in dem sich kein:e Koalitionspartner:in über den Tisch gezogen fühlen würde. Dass es jedoch nicht um die Befindlichkeiten einzelner Parlamentarier:innen gehen sollte, sondern um die Sicherheit von migrantischen Menschen, scheint den Grünen entfallen zu sein.

Die Verstrickung von Politik, Polizei und Verfassungsschutz bei der Mordserie wird seitens der Angehörigen und Aktivist:innen seit vielen Jahren angeklagt. So war zum Beispiel der Verfassungsschützer Andreas T. beim Mord an Halit Yozgat 2006 in Kassel am Tatort anwesend.

Keinen Untersuchungsausschuss einzuleiten, deutet an, welchen Wert migrantisches Leben in der BRD trotz der „Fortschrittskoalition“ im Bund hat. Dabei ist das favorisierte Mittel der Grünen, der parlamentarische Untersuchungsausschuss, bereits im schwarz-grün geführten Hessen eingesetzt worden. Dies ist nicht nur ein Armutszeugnis für die SPD, die mit ihrer Verweigerung in Hamburg bei der Frage weiter rechts als die CDU steht. Vielmehr zeigt der Untersuchungsausschuss in Hessen, der nach vier Jahren und 66 Sitzungen keinen gemeinsamen Abschlussbericht liefern konnte, wie abhängig dieses Aufklärungsmittel von den herrschenden Parteien ist.

Die Entscheidung, Miriam Block von ihren politischen Ämtern zu entbinden, scheint innerhalb von links-liberalen Kreisen eine Welle der Empörung ausgelöst zu haben. Die Empörung beruhte jedoch darauf, die Fraktion zu kritisieren, die mit ihrer Strafe gegen Block ein unsensibles Verhalten gegen die Betroffenen an den Tag gelegt hätte.

Die Tatsache zeigt aber vor allem, wie sehr die Grünen bemüht sind, den Staat mitzuverwalten. Waren es 1970 noch die Grünen, die sich von Polizei und Wasserwerfer jagen ließen, sind sie es heute, die diese Politik fortführen. Sei es unter dem Deckmantel des Girlboss-Feminismus Panzer in die Ukraine oder nach Saudi-Arabien zu schicken, Wälder für Autobahnen zu roden oder die NSU-Akten für die nächsten 30 Jahre unter Verschluss zu halten.

Eins wird jedoch klar: Im Zweifelsfall schützen bürgerliche Parteien den bürgerlichen Staat. Sie schützen Bullen und den Verfassungsschutz, den es als integralen Teil des bürgerlichen Regimes zu erhalten gilt, auch wenn es bedeutet, faschistische Verbrechen zu relativieren und dabei Opfer und Angehörige zu hintergehen. Diesen Kräften, für die Regierbarkeit und Parteidisziplin wichtiger sind als eine stringente Aufarbeitung des rechten Terrors, können wir kein Vertrauen schenken.

Für eine Aufarbeitung und vor allem im Kampf gegen den rechten Terror können wir nur auf unsere Selbstorganisierung setzen. Dies bedeutet auch im ersteren Falle für unabhängige Untersuchungskommissionen, die sich aus Betroffenen, Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften zusammensetzen, zu kämpfen.

Mehr zum Thema