Enteignet die Krisengewinner
Die meisten von uns ächzen seit Monaten unter den gestiegenen Preise bei Energie, Lebensmitteln oder Benzin. Bei den Energiekonzernen sprudeln die Gewinne hingegen. Deshalb müssen diese Konzerne entschädigungslos unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlicht werden.
Die Prognosen für den Winter sind düster: Krise bei der Gasversorgung und eine drohende Verdrei- oder Vervierfachung der Nebenkosten für private Haushalte könnten Millionen Menschen vor riesige Probleme stellen. Erste Städte planen bereits Wärmehallen für Menschen, die sich das Heizen nicht mehr leisten können. Begleitet wird das ganze von gebetsmühlenartigen Predigten herrschender (Ex-)-Politiker:innen, dass wir für die Freiheit auch mal ertragen müssen zu frieren.
Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck hat zuletzt die Priorisierung von Privathaushalten gegenüber der Industrie im Falle einer Krise der Gasversorgung in Frage gestellt, entgegen des Plans einer europäischen Notfallversorgung.
Die europäische Notfallverordnung Gas sieht vor, dass kritische Infrastruktur und Verbraucher geschützt sind und Industrie und Wirtschaft nicht. […] Das ist aber nicht das Szenario, das wir jetzt im Moment haben, […]. Wir reden hier möglicherweise von einer monatelangen Unterbrechung von Gasströmen.
Auch die Privathaushalte müssten seiner Meinung nach “ihren Anteil” leisten, als ob wir schon eh schon am stärksten unter den steigenden Preisen leiden. Auch der FDP-Finanzminister Christian Lindner kündigt eine lange Phase der Entbehrung für die Menschen an und hat sogar die Dreistigkeit uns vorzuschlagen, gegen die drohende Krise einfach mehr Überstunden zu machen. Sein neuester Vorschlag, die Pendlerpauschale zu erhöhen, ist darüber hinaus nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die pastorale Oberpfaffe und Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, nie darum verlegen seine neoliberalen Vorstellung ungefragt mit der Welt zu teilen, hat zuletzt sogar noch die drohende Armut im ZDF verharmlost. Nachdem er im März das “Frieren für die Freiheit” predigte, hat er nun noch einen draufgesetzt. Seiner Meinung gehe es nicht um ernsthafte Existenzängste von Menschen, sondern nur darum “ob wir nur in eine Phase hineingehen, wo die schönsten Träume nicht verwirklicht werden können, wo wir vielleicht nur einmal in den Urlaub fahren anstatt zweimal.”
All das wirkt umso zynischer, wenn man bedenkt, dass die Energiekonzerne fleißig Extraprofite durch den Krieg in der Ukraine einfahren. Dabei ist die Behauptung, dass die Preiserhöhungen automatisch aufgrund der Krise notwendig sind, eine glatte Lüge. Vielmehr haben viele Konzerne die Krise schlichtweg genutzt, um die Preise stärker zu erhöhen, als es die Einkaufspreise für die Konzerne selbst nötig gemacht hätten. Die Ankündigung Habecks, die Priorisierung von Privathaushalten zugunsten der Industrie zu überdenken, ist wohl als zusätzliche Belohnung für dieses Praxis zu verstehen. Die Ampel-Koalition weigert sich beharrlich, die Konzerne wirklich zur Kasse zu bitten und setzt nur auf laue Maßnahmen, wie den Tankrabatt, das Neun-Euro-Ticket oder einmalige Zuschüsse für ärmere Haushalte. All das berührt hat gemeinsam, dass es die Profite der großen Konzerne überhaupt nicht berührt. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die relevantesten Parteispenden für die großen Parteien seit Jahren vor allem aus der Industrie kommen. Ihre Wahlkämpfe von 2017 beispielsweise haben sich die Parteien von Süd-West-Metall, Metall NRW, dem Verband der chemischen Industrie, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie oder Evonik Industries bezahlen lassen. Diese Spenden hat der Bundestag im Übrigen erst 2019, also zwei Jahre später, öffentlich gemacht.
Statt dieser Politik im Interessen der Konzerne, brauchen wir einen Kampfplan gegen die Abwälzung der Krise auf unsere Rücken. Der DGB muss alle seine Mitglieder mobilisieren und zu Streiks aufrufen. Die Hafenarbeiter:innen in Norddeutschland zeigen gerade, dass es nicht an ihrer Entschlossenheit mangelt, um solch einen Kampf aufzunehmen, sondern die Bosse und ihre eigene Gewerkschaftsführung im Weg stehen. Sie wollen sich nicht auf Kompromisse zwischen ver.di-Führung und Konzerne, sondern fordern Lohnerhöhungen oberhalb der Inflation. Unter anderem in Belgien und Großbritannien gab es bereits massenhaft Streiks von Beschäftigten gegen die Abwälzung der Kosten auf uns.
Diese Streiks müssen verbunden mit einem Programm für allgemeine Preisstopps unter Kontrolle der Gewerkschaften und Beschäftigten sowie die Öffnung der Geschäftsbücher großer Konzerne, damit ihre Krisengewinne öffentlich werden. Sollten sich Konzerne weigern, müssen sie dazu gezwungen werden, indem sie sofort und entschädigungslos unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlicht werden. Die drohende Krise im Winter macht diese Forderungen für Millionen Menschen dringender denn je. Denn eine verstaatlichte Energieversorgung könnte demokratisch geplant werden. Das würde ermöglichen demokratisch zu entscheiden und zu kontrollieren, dass keine Privathaushalte unter einer drohenden Krise leiden.