Ende ohne Kampf?
// Es zeichnet sich ein Ende im Arbeitskampf des kommunalen Sozial- und Erziehungsdienstes ab. Die Urabstimmung über ein leicht verbessertes Ergebnis gegenüber dem Schlichterspruch wurde eingeleitet. Was bedeutet das für die Streikenden? //
So sehen sie also aus, die “unkonventionelle Streikmaßnahmen” des Herrn Bsirske. Nachdem er beim ver.di Bundeskongress noch große Töne spuckte, einigt er sich – nun als Vorsitzender wiedergewählt und dadurch gestärkt – schon gut vier Tage später mit dem Verband Kommunaler Arbeitgeber (VKA). Statt der geforderten 10 Prozent Lohnerhöhung für die Sozialarbeiter*innen und Erzieher*innen in kommunalen Einrichtungen, gibt man sich mit jetzt durchschnittlich 3,7 Prozent zufrieden. Am Freitag wurde die Urabstimmung eingeleitet – aufgrund der undemokratischen Regelungen müssen nur mindestens 25 Prozent der Streikenden für das Ergebnis stimmen, dann gilt es als angenommen. Die gesellschaftliche Aufwertung sozialer Berufe, um die es gehen sollte, ist damit aber wohl kaum erreicht. Und angesichts der 5-jährigen Laufzeit erscheint es auch schwierig von einem „Einstieg in die Aufwertung“ – wie die Bürokrat*innen es jetzt nennen – zu sprechen. Im Gegenteil hätte am Ende der Laufzeit die voranschreitende Verteuerung des Lebens die mageren Zugeständnisse aufgehoben.
Die Bundesdelegiertenkonferenz als Ort des Widerspruchs
Damit würde ein Arbeitskampf enden, in dem sich ein beeindruckender Kampfeslust unter den Streikenden entwickelte und in dem sie einige begrenzte Erfahrungen mit Streikdemokratie machen konnten. Nach einem Monat im unbefristeten Streik – an dem mehr als 50.000 der 240.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst teilnahmen – wurden die Kolleg*innen vor vollendete Tatsachen gestellt und in die Schlichtung gezwungen. Dagegen protestierten einige auf der von ver.di neu geschaffenen Bundesdelegiertenkonferenz. Und auch als die Gewerkschaftsbürokratie ihnen das Schlichtungsergebnis aufzwingen wollte, stellten sich die Delegierten quer. In einer Mitgliederbefragung, die bei ver.di, der GEW und dem Beamtenbund dbb stattfand, sprachen sich dann jeweils 70 Prozent gegen das Ergebnis aus.
Die Bundesdelegiertenkonferenz wurde von der Bürokratie sicherlich als ein Mittel gedacht, um die Basis zu motivieren. Die Kolleg*innen vor Ort sollten die notwendige Solidarität der Eltern und anderer gesellschaftlicher Sektoren organisieren. Sie ist aber immer wieder zu einem Ort geworden, an dem sich Widerspruch gegenüber den Manövern der Gewerkschaftsbürokratie artikulieren konnte. Diese Erfahrung ist wichtig und muss verteidigt werden. Sie hat es aber leider nicht geschafft, aus der Defensive zu gehen und offensiv eine eigenen Strategie zu entwickeln. Dazu war sie noch zu sehr unter der Vormundschaft der Bürokrat*innen. Um mehr als nur ein Ort des Widerspruchs zu sein und ein Organ der Arbeiter*innen zu werden, selbst über die Geschicke des Streiks zu entscheiden, müsste sie noch stärker mit der Basis verbunden sein und selbst Entscheidungen treffen können.
Was wurde erreicht?
Der jetzige Abschluss stellt eher eine Umverteilung gegenüber dem Schlichtungsergebnis dar, als eine tatsächliche Verbesserung. Neun Million legte die VKA nochmal auf die 306 Millionen des Schlichtungsvorschlags drauf. Im Gegensatz zu vorher profitieren jetzt auch Berufsanfänger*innen und Sozialarbeiter*innen, wenn auch nur wenig. Berufserfahrung wird bei einem Arbeitsplatzwechsel immer noch nicht anerkannt.
Begleitet wurde dieses Ergebnis von der Beteuerung der Bürokratie, dass „mehr nicht drin gewesen“ wäre. Auch Staat, Städte und Gemeinden – die ja letztendlich hinter der VKA stecken – lancierten eine Aussage nach der anderen, die ihre knappe Kassenlage betonen sollten – und das in den neuen Hochzeiten des Haushaltsüberschusses. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, und die Präsidentin des Städtetags, Eva Lohse, erdreisteten sich sogar, Erzieher*innen und Geflüchtete explizit gegeneinander auszuspielen. Das beweist erneut, das der Staat als ebenso gewinnorientierter „Arbeitgeber“ nicht die Interessen der Beschäftigten und der Bevölkerung vertritt, sondern die der Kapitalist*innen. Jeder hoffnungslose Appell an ihn als Vermittlungsinstanz schürt nur gegenteilige Illusionen und schwächt die Streikenden im Kampf.
Die Rolle der Bürokratie
10 Prozent zu fordern und 3,7 Prozent zu bekommen – das kann kaum ernsthaft als Erfolg verkauft werden. Das Ergebnis offenbart die Strategielosigkeit der ver.di-Bürokratie. Dass kaum direkter ökonomischer Druck auf die Arbeitgeberseite ausgeübt werden konnte, wird nun unter anderem als Begründung dafür genannt, warum nichts Besseres erreicht werden konnte. Aber diese Tatsache kann ja nicht überrascht haben. Die Forderung der Aufwertung, die sich in der Zahl 10 ausdrückte, war notwendig, um die Basis zu mobilisieren. Sie sprach den Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen aus der Seele und trug zu der beeindruckenden Mobilisierung bei. Aber auch bei vielen Eltern und breiten Teilen der Bevölkerung wurde der Kampf für gesellschaftliche Aufwertung als gerechtfertigt und Unterstützungswert wahrgenommen. Dabei gab es aber innerhalb der Grenzen der Gewerkschaftsbürokratie kaum die Möglichkeit, sie tatsächlich umzusetzen. Die jetzige Enttäuschung war geradezu vorprogrammiert.
Auch die Erzieher*innen anderer Träger zum Streik aufzurufen, die verschiedensten Arbeitskämpfe tatsächlich zu verbinden, den Staat ernsthaft herauszufordern und als Verantwortlichen zu benennen – all dies wäre notwendig gewesen. Es ist für die Bürokrat*innen aber nicht möglich gewesen, weil es ihre eigene Rolle als Vermittler*innen gefährdet hätte. Das Ergebnis wird sicherlich einige der Streikenden enttäuschen und demoralisieren. Um das zu verhindern, muss dringend darüber diskutiert werden, was alles notwendig gewesen wäre – und wie es in Zukunft auch gegen die Bürokratie durchgesetzt werden kann. Die unabhängige Organisierung aller klassenkämpferischen Arbeiter*innen und der Austausch mit anderen kämpferischen Sektoren wäre ein erster Schritt in diese Richtung.