Einmal 150 Euro Hartz-IV-Bonus – dein Ernst, SPD?!
Ein mickriger einmaliger „Corona-Zuschuss“ für die Bezieher:innen von Hartz IV ist geradezu lachhaft. Die SPD lobt sich für eine angeblich soziale Tat, dabei ist es nur eine Maßnahme, um die Wirtschaft anzukurbeln.
„Mir ist wichtig, dass unsere Gesellschaft in dieser Krise auch sozial zusammenbleibt.“ Mit diesen noblen Worten hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor knapp zwei Wochen Sonderzahlungen für Bezieher:innen von Grundsicherung angekündigt. Was die Regierungskoalition am gestrigen Mittwoch nach fast fünfstündiger Sitzung nun in dieser Frage verkündete, ist kaum mehr als ein schlechter Witz. Einmalig sollen Empfänger:innen von Grundsicherung 150 Euro ausbezahlt bekommen. Wie im vergangenen Jahr soll es auch für Familien mit Kindern wieder einen Zuschuss geben. Der Zuschlag auf das Kindergeld soll ebenfalls 150 Euro betragen. Selbstständige und Beschäftigte mit kleinen Einkommen sollen zudem bis Ende 2021 weiterhin erleichterten Zugang zur Grundsicherung erhalten.
Dass die Pandemie Mehrkosten erzeugt, die vom ohnehin unzureichenden Hartz-IV-Satz kaum zu stemmen sind, ist nicht erst seit gestern bekannt: Masken, Desinfektionsmittel, ausgefallene Schulessen, geschlossene Secondhandläden, Lernmittel für den Distanzunterricht – ein „finanzieller Kraftakt“, wie auch Arbeitsminister Heil weiß. Nun dauert die Pandemie (und mit ihr die Mehrbelastung) jedoch schon ein gutes Jahr und ein Ende ist weiterhin nicht in Sicht. Rechnet man die 150 Euro auf diese Zeit, bleiben monatlich am Ende keine zehn Euro mehr. Die SPD-Spitze in Person von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans nennt dies ein „starkes Signal“ und „ein Stück Hilfe“.
Dass eine so mickrige Einmalzahlung nicht einmal ein Stückchen Hilfe gegen Armut sein kann, versteht sich von selbst. Das einzige Signal, das von dieser Entscheidung ausgeht, ist: Ihr seid uns egal.
Und trotz aller schönen Worte der SPD-Leute ist es auch nicht das Ziel der Bundesregierung, Armut zu bekämpfen. Vielmehr geht es darum, den Konsum anzukurbeln. Menschen mit geringem Einkommen sind bekanntermaßen gezwungen, den allergrößten Teil dieses Einkommens gleich wieder auszugeben. So darf die Bundesregierung hoffen, dass die 150 Euro unmittelbar z.B. dem Handel zugutekommen.
Der Charakter der Ankündigung wird noch deutlicher, wenn man betrachtet, was noch alles beschlossen wurde. Um die Wirtschaft zu stützen, erhalten Unternehmen, die in der Pandemiezeit Verluste zu verzeichnen hatten, Steuererleichterungen. Für Speisen in Cafés und Restaurants soll außerdem bis Ende 2022 weiterhin ein verringerter Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent gelten.
Die Ankündigung der Bundesregierung hat wenig überraschend bereits scharfe Kritik auf sich gezogen. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Ulrich Schneider nannte es „wirklich beschämend, wie die Bundesregierung die Not der Armen in dieser Krise monatelang ignoriert hat, die Menschen nun mit 150 Euro abspeist und im Regen stehen lässt“. Gemeinsam mit Gewerkschaften und anderen Sozialverbänden hatte der Paritätische Wohlfahrtsverband zuvor die Erhöhung der Regelsätze von Hartz IV und Grundsicherung auf 600 Euro sowie einen pauschalen Mehrbedarfszuschlag von 100 Euro gefordert.
Der Versuch der Bundesregierung, Menschen, die kaum über die Runden kommen, mit 150 Euro abzuspeisen, hat noch einmal überdeutlich werden lassen: Hartz IV muss weg. Es braucht ein unbefristetes, sanktionsfreies Arbeitslosengeld, das einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. Bezahlt werden kann es durch progressive Steuern auf große Vermögen. Allerdings dürfen die Forderungen dort nicht stehen bleiben. Angesichts der Massenentlassungen, die bereits im Gang sind oder bevorstehen, braucht es einen Kampfplan der Arbeiter:innen im Bündnis mit den Arbeitslosen, damit Entlassungen verboten und Betriebe, die die Krise nutzen, um zu entlassen, entschädigungslos enteignet werden. Dass sich in der Krise auf der einen Seite immer mehr Menschen kaputt schuften, während andere keine Arbeit haben, ist kein Naturschicksal. Niemand muss mehr von Hartz IV leben, wenn wir die gesellschaftlich notwendige Arbeit auf alle aufteilen – und gemeinsam darüber entscheiden, was wirklich notwendig ist.