TVöD-Einigung rechnet sich nicht: Wir müssen sie ablehnen!

23.04.2023, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Yunus (Klasse gegen Klasse)

Die Bundestarifkommission hat in ihren Verhandlungen über den TVöD den Schlichtungsvorschlag weitgehend akzeptiert. Stimmen wir mit "Nein" in der Mitgliederbefragung und organisieren uns gegen das Ergebnis!

Am späten Samstagabend kam es bei den Verhandlungen in Potsdam zwischen der Bundestarifkommission (BTK) und Bund und Kommunen zu einer Einigung. Der Vorschlag aus der Schlichtung wird fast 1 zu 1 übernommen: Ab 1. März 2024 gibt es eine tabellenwirksame Erhöhung der Entgelte um 200 Euro plus 5,5 Prozent. Davor eine Reihe von Einmalzahlungen, beginnend im Juni diesen Jahres mit 1.240 Euro, ab Juli bis Februar 2024 monatlich 220 Euro netto. Studierende, Auszubildende und Praktikant:innen erhalten die Hälfe der Einmalzahlungen und ab März 2024 eine Erhöhung von 150 Euro monatlich brutto.

Das Ergebnis bedeutet für die letzten beiden Jahre einen Reallohnverlust. Für dieses Jahr keine tabellenwirksame Erhöhungen. Die Vertragslaufzeit von 24 Monaten verhindert eine Korrektur und erneute Streiks im Falle einer weiter hohen Inflation. Das Ergebnis liegt weit unter den Forderungen von 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro. Die Bundestarifkommission hätte sich nicht darauf einlassen dürfen. Es wäre nötig und möglich, alle Mittel des Streiks voll auszunutzen, um ein besseres Ergebnis zu erzielen. Das forderten auch die TVöD Teamdelegierten aus Berlin. Es ist abzulehnen, dass Einmalzahlungen in der Tarifpolitik zu eingesetzt werden, während andere Firmen von sich aus Inflationsprämien zahlen.

Vom 4. bis 14. Mai wird nun eine Mitgliederbefragung stattfinden. Wir rufen alle Mitglieder auf, mit NEIN zu stimmen. Dies allein reicht aber nicht aus, denn die Mitgliederbefragung ist nicht bindend. Es braucht daher weiter Druck in Versammlungen der Basis, um die ver.di-Führung dazu zu bringen, das Verhandlungsergebnis doch noch auszuschlagen.

Die Enttäuschung, die es nun bei vielen Mitgliedern gibt, ist verständlich, aber sie darf nicht dazu führen, aus der ver.di auszutreten. Damit überlassen wir die Zukunft der Gewerkschaft nur der Führung, die Erzwingungsstreiks scheut. Im Gegenteil: Noch viel mehr Kolleg:innen müssen Teil der Gewerkschaft werden, um eine starke Basis zu haben. Es ist jetzt nötig, Betriebsversammlungen einzuberufen, an allen Orten über das Ergebnis zu diskutieren und für ein „Nein“ in der Mitgliederbefraung zu werben. Wenn 75 Prozent gegen das Ergebnis stimmen (dem Quorum, das für einen Erzwingungsstreik in der Urabstimmung nötig ist), wird die ver.di-Führung dies nicht ohne weiteres ignorieren können.

Erste Schlussfolgerungen

Folgend teilen wir einige Schlussfolgerungen, die unser Kollege Yunus, Pflege-Auszubildender an einem Berliner Krankenhaus und Mitglied von ver.di, aus der Tarifrunde zieht:

  1. Konfrontativer werden.Wir müssen aufhören, wohlwollend gegenüber der ver.di-Führung aufzutreten und anfangen zu sagen was ist: diese ganze Schlichtung und der Abschluss sind ein Geschenk an die Ampel-Regierung und den Arbeitgeberverbände seitens der Gewerkschaftsführung, im Sinne der „Sozialpartnerschaft“. In der Krise ist es nicht haltbar, dass die Reichen entlastet werden und wir für die ganze Inflation mit unseren Löhnen zahlen.
  2. Die Gewerkschaft ist nicht neutral und homogen. Der Einfluss der Regierungsparteien in der Gewerkschaft muss weg.Je nachdem, wer die politische Führung in der Gewerkschaft hat, verfolgen die Spitzen eine andere Politik. Gerade ist es die SPD, die den Ton angibt. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi ist die ehemalige SPD-Generalsekretärin. Der ver.di-Bundesvorstand besteht auch aus Mitgliedern der Regierungsparteien (Frank Werneke ist in der SPD). Ein großer Teil der Personen, die an der Schlichtung und den Verhandlungen beteiligt waren (Arbeitgeber/Regierungsvertreter, Schlichter, Werneke) sind SPD Mitglieder. Sie haben kein Interesse daran, die SPD in der Ampel-Regierung durch Erzwingungsstreiks in große Schwierigkeiten zu bringen.
  3. Wir müssen um die Gewerkschaftsdemokratie kämpfen.In Berlin haben wir mit den Versammlungen der Streik- und Teamdelegierten vorbildliche demokratische Strukturen. Das ist aber in anderen Bundesländern nicht so. Die Mitglieder der Bundestarifkommission aus anderen Bundesländern stimmen oft ohne ein Votum der streikenden Basis ab. Es braucht in der Praxis ein imperatives Mandat. Das heißt, dass alle BTK Mitglieder nur so abstimmen dürfen, je nachdem, wie ihre Basis in Versammlungen abstimmt. Sie müssen wähl- und abwählbar sein. Nur so kann die große Masse der Gewerkschaftsmitglieder die Verhandlungen kontrollieren. Das ist aktuell nicht der Fall (außer in Berlin).
  4. Bundesvorstand und Co. müssen von Mitgliedern kontrolliert werden.Dasselbe gilt auch für die hauptamtlichen Posten oder die Leitungsgremien in der Gewerkschaft. Es gibt eine große materielle Trennung zwischen den Führungsetagen und betrieblich Aktiven in der Gewerkschaft. Werneke und der Bundesvorstand werden nicht von Mitgliedern gewählt oder von uns kontrolliert. Die Tarifverhandlungen haben auch keine Einflüsse auf deren Löhne. Wenn wir einen Reallohnverlust im Öffentlichen Dienst haben, spüren sie das nicht in ihrer Tasche. Das nennt man auch „Bürokratisierung“ der Gewerkschaft, wogegen wir kämpfen müssen. Es ist undemokratisch, dass die zentrale Arbeitskampfleitung und Verhandlungsführung nur bei Werneke und Co. liegt, die nicht demokratisch kontrolliert sind.
  5. IN der Gewerkschaft eine Opposition gegen Sozialpartnerschaft aufbauen. NEIN zu Austritten.Es wird leider Austritte geben, da die Kolleg:innen ihre Kritik bemerkbar machen wollen. Das passiert aber dann, wenn wir für sie keine Kampfperspektive INNERHALB der Gewerkschaft gegen die Politik der Führung öffnen. Wenn alle kritischen Leute austreten, dann freut sich der Bundesvorstand, der eben weitere Streiks bremsen will. In Berlin sind wir gut aufgestellt und kritische Stimmen haben eine große Basis. Es braucht eine linke Opposition in ver.di, mit Hunderten, wenn nicht tausenden Mitgliedern, die jetzt wütend sind. Das bedeutet, sich bundesweit zu koordinieren und in der Öffentlichkeit die Politik des Bundesvorstandes als Mitglieder zu kritisieren. Es braucht eine NEIN-Kampagne für den Mitgliederentscheid. Gegebenenfalls müssen wir vor der ver.di Zentrale demonstrieren.

Was wir jetzt tun können

Komm zum Online-Vernetzungstreffen für Kolleg:innen im öffentlichen Dienst

Nein zur Schlichtungsempfehlung!

Ja zu Urabstimmung und Erzwingungsstreik!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

hiermit laden wir euch herzlich zum dritten Online-Treffen ein, welche aus der Initiative um die Petition „Tarifrunden 2023 – Chance nutzen“ gestartet wurden:

Montag, 24. April um 18 Uhr
Der Zoom Link ist wie beim letzten Mal:
https://us02web.zoom.us/j/82721484387

Es wird hier vor allem um die Tarifrunde im öffentlichen Dienst gehen. Davor werden die Verhandlungen über die Schlichtungsempfehlung stattfinden. Entsprechend werden wir über eine Einschätzung und gegebenenfalls Stellungnahme zu dem Abschluss sprechen, zu dem dann eine Mitgliederbefragung stattfindet.

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