Einigung für Entlastung: NRW-Klinikstreik endet

20.07.2022, Lesezeit 4 Min.
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Streikdemo von Notruf NRW am 21.6.2022 in Münster

Nach wochenlangen Streiks der Beschäftigten hat ver.di im Ringen um einen Entlastungstarifvertrag an den Unikliniken in NRW eine Einigung mit den Arbeitgebern erzielt. Jetzt gilt es die gewachsene Organisierung zu nutzen, damit die Verbesserungen auch wirklich umgesetzt werden.

Für die Beschäftigten der sechs Universitätskliniken in Nordrhein-Westfalen endet heute ein harter Kampf. 77 Tage haben sie durchgehalten, um einen Tarifvertrag Entlastung (TV-E) zu erreichen. Gestern hat die ver.di-Tarifkommission eine Einigung akzeptiert, die in der Nacht auf Dienstag ausgehandelt worden war. Zuvor hatten an den Streikorten Versammlungen der Beschäftigten über das Ergebnis diskutiert.

Im Kern sieht das Verhandlungsergebnis vor, dass Beschäftigte für Situationen, in denen sie mit zu wenig Personal arbeiten müssen, Punkte gutgeschrieben bekommen. Diese können sie dann gegen zusätzliche arbeitsfreie Tage eintauschen. Sieben Punkte für einen freien Tag. Für die Arbeiter:innen würde das wenigstens etwas mehr Zeit zur Erholung bedeuten, für die Arbeitergeber:innen ist es ein Ansporn, mehr Personal anzuwerben. Im ersten Jahr des Tarifvertrags können auf diese Weise bis zu elf weitere freie Tage zustandekommen, im zweiten 14 und ab dem dritten Jahr höchstens 18 zusätzliche freie Tage. Wie viel Personal zu wenig ist, legen dann feste Personalschlüssel fest.

Ab Anfang 2023 soll der Tarifvertrag gelten. Bis das System der Entlastungspunkte jedoch in Kraft tritt, vergehen jedoch weitere anderthalb Jahre. Für den Übergang gibt es wenigstens pauschal fünf zusätzliche freie Tage. Ein weiterer Wermutstropfen ist, für wen das System nicht gelten wird. Zwar sind neben der Pflege auch Bereiche wie die Radiologie und Therapeut:innen eingeschlossen. Technik, IT sowie die Ambulanzen profitieren jedoch nicht davon.

Verständlich also, dass nicht alle Beschäftigten begeistert sind. Auf der Streikversammlung in Düsseldorf lehnte die große Mehrheit der Beschäftigten das Verhandlungsergebnis ab. Vor Beschäftigten des Uniklinikums Köln sprach Verhandlungsführer Heinz Rech deshalb von einem Tarifvertrag, „der auch den Teil hat, der uns wehtut, weil es Dinge gibt, die uns eben nicht perfekt gelungen sind.“

Nun wird der genaue Text formuliert, dann folgt die Urabstimmung. Bis zum 5. August sind die betroffenen ver.di-Mitglieder dann aufgerufen, über die Annahme des Tarifvertrags abzustimmen. Mit einem positiven Votum ist zu rechnen, nachdem auf den Streikversammlungen die Mehrheit der Beschäftigten ihre Zustimmung zum Verhandlungsergebnis ausgedrückt hatten. Fünf Jahre soll er dann gelten. Es wäre der erste Flächentarifvertrag dieser Art.

Nicht alles gewonnen, aber ihr Streik ist ein Vorbild

Der Streik an den sechs NRW-Unikliniken hat nicht nur gezeigt, wie groß die Kampfbereitschaft der Kolleg:innen am Krankenhaus ist und dass es sich lohnt für Verbesserungen zu kämpfen. Dabei haben die Streikenden enorm große Solidarität von Kolleg:innen aus anderen Berufen und aus vielen Bereichen der Gesellschaft bekommen, was ihnen den Rücken sehr gestärkt hat.

Der Streik beweist jedoch vor allen Dingen, wie enorm wichtig es ist, eine starke Organisierung zu schaffen. Elemente wie ein Delegiertensystem und die Streikversammlungen haben dazu beigetragen und müssen unbedingt ausgeweitet werden.

Das gilt auch deshalb, weil die Organisierung in Zukunft wichtig bleiben wird. Nicht nur ist sie die Voraussetzung für weitere Kämpfe – schließlich bleibt viel zu tun. Die Arbeitgeberseite deutet außerdem bereits an, dass sie auf Zeit spielen will. Der Pflegedirektor des Universitätsklinikums Münster, der seinen Arbeitgeber am Verhandlungstisch vertreten hatte, bat „um Geduld und Vertrauen“. Es sei offensichtlich eine Aufgabe, „die uns vor Herausforderungen stellt.“ Die Organisierung und die Wachsamkeit der Beschäftigten wird also auch weiterhin nötig sein, um sicherzustellen, dass die Vereinbarungen auch tatsächlich umgesetzt werden.

Die Klinikbeschäftigten in NRW haben ein starkes Beispiel geschaffen, wie Verbesserungen im Gesundheitswesen gegen etliche Widerstände erkämpft werden können. Das sollte ihren Kolleg:innen im ganzen Land Mut machen und die ver.di-Führung unter Zugzwang bringen, die Bewegung auszuweiten. Vorbereitungen dieser Art gibt es bereits an mehreren Orten. Diese gilt es zusammenzuführen. Denn Kämpfe für Entlastung braucht es überall.

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