Einheitsfrontdebatte statt bürgerlicher Lichterkette

23.10.2015, Lesezeit 5 Min.
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// In Zeiten von Pegida werden Rufe nach einer antifaschistischen Einheitsfront immer lauter. Doch woraus besteht diese und was zeichnet sie aus? //

Gerade einmal zwei Tage war es her. Die große Koalition verschärfte erneut das Asylrecht. Das bedeutet für Geflüchtete: Sachleistungen statt Bargeld, verlängerter Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen und jederzeitige Abschiebung ohne vorherige Ankündigung. Am Samstag riefen genau diese Parteien inklusive der Linkspartei und großen Gewerkschaftsverbänden dann zynischerweise zu einer Lichterkette in Solidarität mit Geflüchteten auf. Die Beteiligung von ca. 8.000 Menschen erreichte dabei nicht annähernd die Erwartungen.Am Montag darauf versammelten sich ca. 20.000 Rassist*innen zum „Geburtstag“ von PEGIDA in Dresden. Angesichts dieses rassistischen Normalzustands ist der Widerstand gegen Nazis und Staat umso notwendiger.

Deshalb diskutierten quasi parallel zur Lichterkette zahlreiche Aktivist*innen im Rahmen eines Workshops beim Trotzki-Tag über die proletarische und antifaschistische Einheitsfront. Mit dabei waren zahlreiche trotzkistische Aktivist*innen sowie Genoss*innen der Jugend-Antifa. Kontroversen waren somit vorprogrammiert.

Unterschiedliche Konzepte

Neben einer Einleitung zur Entstehung der Taktik der Einheitsfront entstanden schon hier die ersten Meinungsverschiedenheiten. Dabei ging es um die Gründung der „Antifaschistischen Aktion“ 1932 mit den bekannten gekreuzten Fahnen, die damals die Einheit zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Arbeiter*innen symbolisieren sollte. Die Gründung bedeutete jedoch keineswegs die Aufgabe der Sozialfaschismustheorie. Die Antifa wurde damals als sogenannte „rote Einheitsfront“ unter der Führung der KPD gegründet, d. h. unter Ausschluss von sozialdemokratischen Arbeiter*innen. Anstatt also die damals sechs Millionen Mitglieder der SPD zur Einheitsfront aufzurufen, schlossen sich durch die stalinistische Politik der KPD nur ein paar Tausend dieser Front an. Trotzki schrieb dazu folgendes: „Es geht nicht um die Arbeiter, die die Sozialdemokratie verlassen haben, sondern um jene, die in ihr verharren.[…] Es gibt und wird zweifellos sozialdemokratische Arbeiter geben, die bereit sind, Hand in Hand mit den kommunistischen Arbeitern gegen die Faschisten zu kämpfen, unabhängig vom Willen und sogar gegen den Willen der sozialdemokratischen Organisationen. Mit solchen fortschrittlichen Teilen muss man selbstverständlich möglichst enge Bindungen herstellen. Aber sie sind vorderhand nicht von großer Zahl.[…] Die überwiegende Mehrheit der sozialdemokratischen Arbeiter will gegen die Faschisten kämpfen, aber – vorwiegend noch – nicht anders als gemeinsam mit ihrer Organisation. Diese Etappe lässt sich nicht überspringen. Wir müssen den sozialdemokratischen Arbeitern helfen, in der Tat zu überprüfen, was ihre Organisationen und Anführer wert sind, wenn es um Leben und Tod der Arbeiterklasse geht.“

Die KPD war somit auch nicht in der Lage, die Weigerung der SPD-Führung zur Einheitsfront für sich nutzbar zu machen. Der Aufruf zum Generalstreik gegen die Machtergreifung Hitlers verhallte angesichts dieser bewussten Spaltung, die den Nazis letztlich ohne große Hindernisse den Weg ebnete.

Ein weiterer Diskussionspunkt war der konkrete Charakter heutiger antifaschistischer Bündnisse. Die Genoss*innen der Jugend-Antifa wiesen dabei auch ihre konkrete Arbeit in der Vorbereitung von Demonstrationen hin, die durch die Zusammenarbeit mit reformistischen Kräften massiv erschwert würde. So sei es unmöglich den legalen Boden zu verlassen. „Nazis trauen sich teilweise nicht mehr auf Demos, weil ihre Fotos von Antifas öffentlich gemacht oder sie vor Demos zusammengeschlagen wurden.“, sagte ein Aktivist. Auch das Bündnis Dresden-Nazifrei, das unkritisch als Beispiel einer Einheitsfront deklariert wurde, konnte demnach nur so erfolgreich Massenaktionen organisieren, weil es maßgeblich von autonomen Antifa-Gruppen angeführt wurde. Tatsächlich sind die taktischen Erfolge autonomer Antifa-Bündnisse nicht zu verleugnen. Dennoch ist es schon eine Ironie der Geschichte, dass sich wenige Jahre nach den erfolgreichen Massenblockaden gegen Nazis in Dresden, ausgerechnet dort wieder in Form von PEGIDA rechte Kräfte in Massen sammeln. Auch deshalb wurde während des Workshops klargestellt, dass eine Einheitsfront nur proletarisch sein kann und sich gegen die Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen seitens des Staates richten muss.. Die Einheitsfront nur als besseren Aktionismus zu verstehen greift dabei zu kurz. Die Bedeutung der proletarischen Einheitsfront ist vor allem eine Bekämpfung der Verelendung der proletarischen und kleinbürgerlichen Massen.

Diese Entwicklung haben wir in den letzten Jahren besonders in Griechenland durch die Spardiktate beobachten müssen. Aber auch der deutsche Staat hat mit der Agenda 2010 und dem Tarifeinheitsgesetz deutlich gemacht, welche Klasse er vertritt. Die Sozialdemokratie hat in all diesen Fällen ihren Charakter als Agentin des Kapitals offenbart. Umso zentraler ist die direkte Konfrontation der sozialdemokratischen Arbeiter*innen, die noch immer in der SPD ausharren, mit ihren Führungen. Dabei ist es an uns Revolutionär*innen die Unzulänglichkeiten der Führungen zu offenbaren. Denn Faschismus bedeutet letztlich nur eine zugespitzte Form der Klassenherrschaft. In der 30er-Jahren beinhaltete das konkret das Verbot der KPD und sämtlicher Arbeiter*innenorganisation sowie die Verfolgung von Jüd*innen und Juden. Im Zuge dieses Kampfes ist die gemeinsame Aktion aller Arbeiter*innen bei gleichzeitiger Freiheit der Propaganda für Revolutionär*innen unerlässlich. „Getrennt marschieren! Gemeinsam schlagen!“

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