Eine Welt ohne Männer oder eine Welt ohne Kapitalismus?

17.09.2024, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Maxi Schulz

Vor zwei Tagen erschien im Spiegel ein Artikel, der Männern die Schuld an Klimakrise, Diktaturen und Kriegen zuschiebt – weil sie Männer sind. Warum niemand aufgrund seines Geschlechts verantwortlich für Krise und Rechtsruck ist und wer eigentlich daran die Schuld trägt.

„Die Welt könnte so schön sein ohne euch“ lautet der Titel des Artikels von Elisa von Hof, den mindestens 30 Personen, denen ich auf Instagram folge, geliked oder geteilt haben. Mit „euch“ sind Männer gemeint. Die Autorin beschreibt darin ihre Wut über Femizide und sexualisierte Gewalt.

Was ich verstehe und was ich teile, ist die unglaubliche Wut auf Sexismus. Gerade in den letzten Wochen waren die Medien voll von grausamen Meldungen sexistischer Gewalt. Der schreckliche Fall in Frankreich, wo Gisèle Pelicot von ihrem Ehemann hunderte Male sediert und von ihm und anderen Männern vergewaltigt wurde. Der Fall der olympischen Marathon-Läuferin Rebecca Cheptegei aus Uganda, die von ihrem Expartner mit Benzin übergossen und angezündet wurde. Der Femizid einer angehenden Ärztin in Indien, die an ihrem Arbeitsplatz vergewaltigt und ermordet wurde. All diese Meldungen, zusammen mit dem, was wir täglich auf der Straße, im öffentlichen Nahverkehr und bei der Arbeit erleben, macht auch mich zutiefst wütend.

Doch die Schlussfolgerung der Autorin, Männer wären verantwortlich für all das, was in unserer Welt schief läuft, ist falsch. Von Hof schreibt: „Weil sich Klimakrise, Kriege, Despotie und Diktatur, fast jedes große Problem auf eine gemeinsame Ursache zurückführen lassen: Männer.“

Ich denke an Nancy Faeser, die letzte Woche umfassende Grenzkontrollen eingeführt hat und die die rassistische Abschottung Deutschlands vorantreibt, ich denke an Alice Weidel, die als queere Frau ganz vorne bei der rassistischen Hetze mit dabei ist. Oder Annalena Baerbock, die die Waffen für einen Genozid liefert, der so unendlich vielen Menschen, darunter zehntausende Frauen und Kindern das Leben nahm und es immernoch tut. Oder Kamala Harris mit ihrem angekündigten rassistischen Vorgehen gegen Geflüchtete. All diese Frauen haben die Welt nicht zu einem besseren Ort gemacht. Im Gegenteil: Sie alle befeuern genau das, was im Spiegel-Artikel angeklagt wird.

Denn die Ursache von Gewalt, Kriegen, Krisen, Klimawandel und Rechtsruck sind nicht Männer, sondern der Kapitalismus, der genauso von Frauen aufrechterhalten werden kann und wird. Wir brauchen nicht mehr Frauen an der Macht, die dann genauso abschieben, hetzen und Waffen liefern und das als vermeintlich „feministisch“ verkaufen, weil sie anders sozialisiert seien als Männer. Wir brauchen eine Bewegung, die patriarchale Unterdrückung wirklich an der Wurzel packt, ihre Verschränkung mit diesem System anerkennt und sich mit erhobener Faust gegen ebendiese auflehnt.

Die Aussage im Artikel „Solange es Männer gibt, gibt es keine sicheren Orte“ würde Feminismus und den Kampf von uns allen dafür zu ewigem Widerstand verdammen, weil wir nur wegen unserem Geschlecht für immer Opfer wären. Doch wir sind keine Opfer – Wir sind die, die in der ersten Reihe für eine Gesellschaft ohne Unterdrückung kämpfen können und müssen. Dazu müssen wir aber erkennen, was die wirklichen Ursachen unserer Probleme sind:
Fehlende Frauenhausplätze, horrend hohe Mieten, Kürzungen in Bereichen wo hauptsächlich Frauen arbeiten, Abwertung weiblicher Arbeit und Outsourcing reproduktiver Tätigkeiten in die Familie, die Gender Pay Gap: All das sind Ursachen von patriarchaler Gewalt. Statt ausschließlich Selbstreflexion von Männern braucht es uns alle auf den Straßen und auf Streiks, um die Regierung für all das verantwortlich zu machen und ihr den Kampf ansagen.

Und natürlich, selbstverständlich muss sich so eine Bewegung auch klar gegen sexistisches Verhalten und besonders sexistische Männer stellen, aber nicht indem sie ihr Verhalten bloß auf das Geschlecht reduziert und individualisiert. Sondern indem sie es als Teil einer Kette der Gewalt und systematischer Strukturen begreift und bekämpft.

Weiterführende Artikel zu den Ursachen patriarchaler Gewalt und zu feministischer Strategie findest du hier:

Von der Belästigung zum Frauenmord: Die Kette der Gewalt

Über Theorie und Strategie im Kampf für eine nicht-patriarchale Gesellschaft

Wie kämpfen wir gegen patriarchale Gewalt?

Frauenbefreiung, Selbstorganisation und revolutionäre Strategie

Reaktionäre Invasion

„Kontinent ohne Gewalt an Frauen“: Zwischen Männerrechtlern und Bestrafungslogik

Frauen streiken gegen Sexismus in Argentinien – sollen Männer dabei sein?

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