Eine Chronologie des Scheiterns: Gasumlage und Gaspreisbremse

20.10.2022, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Ha-nu-man/Shutterstock

Als Ersatz für die gekippte Gasumlage soll nun die Gaspreisbremse eingeführt werden. Doch auch dieses Vorhaben gleicht einer unzureichenden Entlastungsmaßnahme mit erheblichen technischen und rechtlichen Problemen.

Energiekonzerne und ihre Ideen – die Gasumlage

Ende Juli 2022 verkündete die Bundesregierung, die Gasversorgung in Deutschland mittels einer Gasumlage zu stützen. Mit der Umlage sollten bis zu 90 % der Mehrkosten der Konzerne ausgeglichen werden, die diese aufgrund der Sanktionen gegen Russland und dem daher notwendig gewordenen anderweitigen Kauf von Gas zu höheren Preisen zu verzeichnen hatten. Für die Verbraucher:innen war ein Aufschlag von 2,4 Cent netto pro kWh auf den regulären Preis vorgesehen, insofern sie die Mehrkosten der Konzerne tragen sollten. Die von Anfang an umstrittene Gasumlage war Teil eines Hilfspakets in Höhe von 15 Milliarden Euro, in dessen Zentrum der Energiekonzern Uniper stand: Im ersten Halbjahr 2022 vermeldete Uniper einen Nettoverlust von 12,4 Milliarden Euro. Und so entstand in langen Verhandlungen unter Beteiligung von Politiker:innen, Beamt:innen, Jurist:innen und Manager:innen das besagte Hilfspaket. Die Idee der Gasumlage allerdings stammte laut Recherchen von Business Insider von Ratingagenturen und zwei Energiekonzernen sowie aus dem Uniper-Umfeld. Letztlich wurde die Gasumlage kurz vor der geplanten Umsetzung zum 01. Oktober gekippt. Ausschlaggebend waren wohl rechtliche Bedenken, insofern Uniper mit Gesamtkosten von rund 30 Milliarden Euro vom Staat übernommen wurde. Durch die Prüfung hätte sich die Einführung der Umlage deutlich verzögert.

Gedeckelte Preise, nur nicht im Winter – die Gaspreisbremse

In einer Pressekonferenz Ende September teilten Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck mit, dass sie zusätzliche 200 Milliarden Euro zur Rettung von Unternehmen und für eine Energiepreisbremse bereitstellen werden. In einem Zwischenbericht vom 10. Oktober präsentierte die Expert:innen-Kommission für Gas und Wärme den Ersatz für die gescheiterte Gasumlage: die Gaspreisbremse (auch als Gaspreisdeckel bezeichnet).
Für den Dezember ist darin eine Einmalzahlung in Höhe des Abschlags von September 2022 vorgesehen, wobei der Abschlag jeden Monat gleich ist, d.h. auch bei monatlich unterschiedlichem Gasverbrauch. Eine deutliche Differenz zwischen Industrie und privaten Verbraucher:innen ergibt sich bei Betrachtung der tatsächlichen Gaspreisbremse:
So soll diese für die Industrie, worunter Gasverbraucher:innen mit mehr als 1,5 Millionen kWh Gasverbrauch pro Jahr gefasst werden, ab Januar 2023 greifen. Vorgesehen ist eine Deckelung von 70 % des angenommenen jährlichen Gasverbrauchs mit 7 Cent pro kWh, für die restlichen 30 % des Verbrauchs müssen die dann geltenden Preise gezahlt werden.
Für private Verbraucher:innen hingegen ist die Gaspreisbremse erst ab März 2023 geplant. Vorgesehen ist eine Deckelung von 80 % des angenommenen jährlichen Gasverbrauchs mit 12 Cent pro kWh, sodass die restlichen 20 % analog der Regelung für die Industrie zu den dann geltenden Preisen berechnet werden.
Der gedeckelte Preis für die privaten Verbraucher:innen beinhaltet bereits die staatlichen Preisbestandteile, die beim ausgegebenen Preis für die Industrie dagegen nicht eingerechnet sind. Daraus ergeben sich annähernd ähnliche, endgültige Preise, was so beim ersten Blick auf die Zahlen jedoch nicht ersichtlich ist. Trotz Deckelung bleiben die Summen hoch: Im Durchschnitt lag der Preis pro kWh im Vorjahr 2021 bei 6,6 Cent, der aktuelle reguläre Preis liegt bei etwa 15 Cent pro kWh bzw. bei 24 Cent pro kWh, wenn es sich um Neuverträge handelt. Als Begründung, weshalb die Gaspreisbremse für private Verbraucher:innen erst ab März 2023 gelten soll, wird die technische Umsetzung genannt, die schneller nicht möglich sei. Unklarheit besteht bzgl. der Monate Oktober, November, Januar und Februar – also dem Zeitraum, in dem Heizkosten in der Regel anfallen.
Außen vor bleibt auch die Einführung einer Übergewinnsteuer, die die Übergewinne der betroffenen Unternehmen zusätzlich zur Steuer auf die primären Gewinne besteuern würde. Einer Studie zufolge erwirtschafteten große Energiekonzerne rechnerisch betrachtet einen Übergewinn von ca. 110 Milliarden Dollar in einem Jahr. In Italien wird beispielsweise die lokale Wertschöpfung von Stromerzeugern und Mineralölkonzernen besteuert, in Rumänien werden Übergewinne abgeschöpft und Großbritannien erhob bereits vor der Krise eine Sondersteuer. Durch eine 100-prozentige Übergewinnsteuer auf alle Krisengewinne und eine höhere Vermögenssteuer würde eine Umverteilung erreicht werden, sodass weder private Verbraucher:innen für die Kosten einstehen, noch eine Verschuldung erfolgen müsste.

Odyssee der Entlastungsmaßnahmen

Nicht nur die technische Umsetzung der Gaspreisbremse scheint problematisch zu sein. So gab der Bundesrechnungshof am Dienstag (18.10.2022) bekannt, dass er das Sondervermögen in Höhe von 200 Milliarden Euro, mit dem auch die Kosten in Zusammenhang mit der Gaspreisbremse beglichen werden sollen, für verfassungswidrig halte. Es verstoße gegen das Grundgesetz, insofern hier der Grundsatz der Jährlichkeit vorgesehen sei, d.h. Kredite können nicht auf Vorrat aufgenommen werden. Der Haushaltsplan wird jeweils für ein Jahr aufgestellt, sodass Kredite nur für den Ausgleich eines Haushaltsminus im gleichen Jahr genutzt werden können. Der Rechnungshof schlägt daher vor, den Schutzschirm aus dem normalen Bundeshaushalt zu finanzieren.
Neben den technischen und rechtlichen Schwierigkeiten muss festgestellt werden, dass sich die Gaspreisbremse in die Odyssee vollkommen unzureichender Entlastungsmaßnahmen einreiht. Betont wird zudem immer wieder, dass der Anreiz zum Sparen nicht verloren gehen dürfe. Dies erscheint mehr als zynisch, wenn man bedenkt, dass es wohl eine Vielzahl an Menschen geben dürfte, die aufgrund der hohen Energie-, Miet-, und anderweitigen Lebenshaltungskosten schon in den vergangenen Jahren frieren mussten und das ganz ohne ideologisches Framing im Sinne von „Frieren gegen Putin“. Währenddessen können Villenbesitzer:innen weiterhin ihren Pool beheizen und Rüstungskonzerne Waffen produzieren, mit denen im Ausland beständig Menschen angegriffen und getötet werden. Auf Putins Angriffskrieg antworten die deutsche Regierung und die übrigen NATO-Staaten mit einem eskalativen Wirtschafts-, und Energiekrieg. Daher muss die Position „Weder Putin noch NATO“ unbedingt aufrechterhalten werden, zusammen mit Forderungen nach der sofortigen Beendigung der Sanktionen gegen die russische Bevölkerung sowie nach einer demokratischen Planung von Energiewirtschaft und Produktion durch Beschäftigte und Verbraucher:innen in entschädigungslos verstaatlichten Betrieben orientiert am täglichen Verbrauch anstelle der Profitinteressen der Konzerne.

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