Ein Putsch für die Märkte – CDU fordert Sanktionen gegen Venezuela

06.03.2019, Lesezeit 6 Min.
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In Venezuela versucht sich seit Januar der selbsternannte Interimspräsident Juan Guaidó an die Macht zu putschen. Deutschland erkannte ihn bereits an – nun fordert ein Politiker der CDU Sanktionen gegen Venezuela. Die venezolanische Regierung hat auf die anhaltenden Provokationen reagiert und den deutschen Botschafter des Landes verwiesen.

Andreas Nick ist ein Vorzeigepolitiker des deutschen Kapitals. Der 51-jährige Parlamentarier ist zwar als Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sowie Lateinamerikaberichterstatter der Union im Auswärtigen Ausschuss weitgehend unbekannt. Nun aber hat er den andauernden Putschversuch in Venezuela genutzt, um sich hervorzutun. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk am gestrigen Tag behauptete er, dass „die persönlichen Nadelstiche gegen die Träger dieses Regimes (…) noch weiter gesteigert werden“ könnten. Drohungen wie diese kommen nicht aus dem Nichts: Die Vereinigten Staaten haben bereits Wirtschaftssanktionen gegen die Maduro-Regierung verhängt. Der Hintergrund liegt in den geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der imperialistischen Mächte.

Am 22. Januar hatte der Vizepräsident der USA, Mike Pence, eine Videobotschaft an die venezolanische Bevölkerung gerichtet, in der er mit den klassischen Argumenten der „Freiheit“ und „Demokratie“ den Präsidenten der Nationalversammlung, Juan Guaidó, zur Machtübernahme als Interimspräsidenten ermutigte. Es dauerte keine 24 Stunden, bis dies geschah: Am Tag darauf ernannte sich der 35-jährige Politiker der sozialkonservativen Voluntad Popular auf einer Massendemonstration der Opposition zum Präsidenten. Kurz darauf bekannten sich viele reaktionäre Regierungen der Region und imperialistische Mächte zu ihm.

Im Falle Deutschlands dauerte es etwas länger: zwar hatte Bundesaußenminister Heiko Maas bereits am 24. Januar seine Unterstützung für die Opposition kundgetan und Neuwahlen gefordert, jedoch erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel erst am vierten Februar, dass Guaidó der „legitime Interimspräsident aus deuscher Sicht“ sei. Noch am selben Tag folgten ähnliche Aussagen seitens anderer europäischer Regierungen, darunter die Frankreichs, Großbritanniens und Spaniens.

Von Beginn an war klar, dass es der Bundesregierung im Falle Venezuelas nicht um Demokratie und Menschenrechte geht. Als der protofaschistische Exmilitär Jair Bolsonaro die manipulierten Wahlen in Brasilien gewann, beglückwunschten ihn die Bundeskanzlerin, während die Deutsche Bank ihn zuvor als „Wunschkandidaten der Märkte“ bezeichnet hatte. Hier, so wie im Falle des Nachbarlands, geht es dem deutschen Imperialismus viel mehr um wirtschaftliche und geopolitische Interessen, nicht um ein Ender der Notlage der venezolanischen Bevölkerung. Nicht zuletzt die Forderung nach Sanktionen macht dies deutlich. Egal wie „gezielt“ diese seien sollten, treffen solche Maßnahmen doch zuerst die Ärmsten.

Die deutsche Einmischung erreichte am Montag einen vorläufigen Höhepunkt, als der deutsche Botschafter in Venezuela, Daniel Kriener, gemeinsam mit anderen Diplomaten aus den USA, Lateinamerika und Europa den Putschisten Guaidó bei seiner Einreise nach Venezuela am Flughafen in Caracas begrüßte. Angeblich wollten sie damit eine Festnahme Guaidós verhindern, der sich mit seiner Lateinamerikarundreise einer Ausreisesperre widersetzt hatte.

Die venezolanische Regierung hat darauf nun reagiert, indem sie Kriener zur Persona non grata erklärt. „Venezuela sieht es als inakzeptabel an, dass ein ausländischer Diplomat sich in seinem Territorium eher wie ein politischer Führer verhält“, ließ das Außenministerium am Mittwoch verlauten.

Der Putsch ist ins Stocken geraten – aber nicht verhindert

Wie wir an anderer Stelle bereits geschrieben haben, bedeutet der Putschversuch in Venezuela den Höhepunkt einer erneuten Offensive auf dem Subkontinent, motiviert durch den geopolitischen Fokus der Trump-Administration, sich nach den gescheiterten Stellvertreter*innenkriegen in Westasien wieder auf ihren „Hinterhof“ Lateinamerika zu konzentrieren. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass Venezuela immer noch von US-amerikanischem Kapital abhänig ist, obwohl es sich während der Regierungen von Hugo Chávez und seinem Nachfolger Nicolás Maduro China und Russland angenähert hat und beiden zusammen rund 15 Prozent der Ölreserven des Landes gehören.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Bundesregierung den Putschversuch unterstützt: Eine Regierung der Oppositionskoalition MUD, angeführt vom Großteil der venezolanischen Oligarchie (wobei ein kleiner Teil Maduro unterstützt), würde eine drastischere Unterordnung unter die Interessen Washingtons bedeuten. Dies beweist u.a. der von Guaidó vorgestellte Wirtschaftsplan, der eine Reprivatisierung der Bodenschätze vorsieht, die höchstwahrscheinlich von US-amerikanischen Konzernen aufgekauft werden würden.

Jedoch erweist sich die Offensive doch schwieriger als erwartet. Nach dem Fiasko des „D-Day“ am 23. Februar müssen der Imperialismus und die venezolanische Rechte den Druck auf die Regierung erhöhen. Eine wichtige Hürde für sie ist, dass es ihnen trotz aller Apelle nicht gelungen ist, die venezolanischen Streitkräfte oder auch nur einen bedeutenden Teil derer auf ihre Seite zu ziehen. Ihre Taktik ist nun, die ohnehin schon katastrophale Krise, in der sich die venezolanische Bevölkerung befindet, durch Santionen zu verstärken. Der Vorstoß des Unionspolitikers Nick reiht sich hier ein.

Die Hyperinflation, unter der die Arbeiter*innen und Armen im Land leiden, wird zwar durch das Handelsembargo des Imperialismus verstärkt, liegt jedoch letzten Endes in der Verantwortung der Regierung und der Zentralbank. Während ein Großteil der Bevölkerung Hunger leidet und die Löhne nicht zum Überleben ausreichen, betreiben sowohl die rechte Oligarchie als auch die „Bolibourgeoisie“, also diejenigen, die unter dem Chavismus reich geworden sind, weiterhin eine massive Kapitalflucht in Steueroasen, um ihren Reichtum zu bewahren.

Als Revolutionär*innen, Linke und Arbeiter*innen in Deutschland ist es unsere Aufgabe, die Interessen „unserer“ Politiker*innen zu entlarven und in voller Solidarität mit der venezolanischen Bevölkerung gegen den Putschversuch auf die Straße zu gehen. Wir tun dies, ohne die Regierung von Maduro politisch zu unterstützen.

Gegen die Versuche der Destabilisierung und des ökonomischen Boykotts gibt es Werkzeuge, die die Maduro-Regierung nicht zu benutzen bereit ist: eine Verstaatlichung der Banken unter Arbeiter*innenverwaltung und Kontrolle der Bevölkerung, sowie ein staatliches Außenhandelmonopol. Diese Schritte, verbunden mit der Durchsetzung eines Notprogramms für Arbeiter*innen und dem Kampf für eine freie und souveräne verfassungsgebende Versammlung, in der über die Zukunft des Landes entschieden werden kann, sind der einzige Ausweg aus der Katastrophe, in der die Arbeiter*innen nicht für die Krise bezahlen.

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