Ein neuer Sommer 2015?
Über die Ungleichbehandlung ukrainischer Geflüchteter und die Möglichkeiten der Gewerkschaften, für die Rechte aller Geflüchteten zu kämpfen.
Der Krieg in der Ukraine hat eine Massenflucht ausgelöst. Die Bilder von Menschen, die an deutschen Bahnhöfen ankommen, erinnerten an den Sommer 2015, den sogenannten „Sommer der Migration“, bevor die Balkanroute geschlossen wurde. Damals kamen ebenfalls viele Geflüchtete aus Kriegs- und Krisengebieten – vor allem aus Syrien – nach Deutschland und wurden an Gleisen und Busbahnhöfen von ehrenamtlichen Helfer:innen willkommen geheißen. Es gibt aber auch große Unterschiede zur jetzigen Situation.
Geflüchtete Menschen aus der Ukraine erhalten elementare Rechte, die anderen Geflüchteten vorenthalten sind, aber allen zustehen sollten: Sie können visumfrei nach Deutschland einreisen und werden nicht dem schikanösen und oft langwierigen Asylverfahren unterzogen. Sie erhalten ohne bürokratisches Verfahren einen Aufenthaltstitel und haben einen wesentlich schnelleren Zugang zu Arbeit und Bildung.1 Seit dem 1. Juni 2022 sind sie zudem berechtigt, Grundsicherung für Arbeitslose nach SGB-II zu beantragen und erhalten hierdurch Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung, anstatt die wesentlich geringeren Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes beziehen zu müssen.2 Es gibt zahlreiche weitere Beispiele der Ungleichbehandlung zwischen ukrainischen und anderen Geflüchteten. Doch wie sind sie zu erklären und wie lässt sich für eine Verallgemeinerung der Rechte für alle Geflüchtete kämpfen?
Systematische Ungleichbehandlung im Migrations- und Asylregime
Alle Geflüchteten sind von unerträglichen Zuständen betroffen, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß. Um über die spezifische Ungleichbehandlung Geflüchteter anhand der Ukrainekrise zu sprechen, ist eine allgemeine Feststellung nötig: Diese diskriminierende Ungleichheit ist keine Abweichung im Asylprozess, sondern die Regel. Denn das Migrations- und Asylregime – also das System der Ungleichheit vor dem Gesetz, der chauvinistischen Verordnungen, der bürokratischen Praxen, der bürgerlichen Berichterstattung und der imperialistischen Überlegenheit – ist eine Säule des strukturellen Rassismus. Unter dem Deckmantel, in humanitäre Notfälle auf der einen Seite und „Armutsflüchtlinge“ auf der anderen Seite einzuteilen, findet stets eine politische und wirtschaftliche Segregation von Menschen statt: außenpolitisch wünschenswert, kapitalistisch wertvoll oder nicht nützlich. Diejenigen, die den Bedürfnissen deutscher Konzerne nach Fachkräften und/oder den außenpolitischen Vorstellungen der Regierung nicht entgegenkommen, bleiben außen vor. So müssen viele geflüchtete Menschen aus afrikanischen Ländern – ebenso viele Rom*nja aus Serbien, dem Kosovo und Mazedonien – jahrelang in Massenunterkünften leben, dürfen nicht arbeiten und sind ständig von Abschiebung bedroht. Auf deren rassistischen und gewaltvollen Charakter weisen seit dem vergangenen Herbst Geflüchtete aus Sierra Leone in ihrem Protest hin.
Zwar bekommen ukrainische Geflüchtete gegenüber vielen anderen Geflüchteten mehr Rechte zugestanden, aber gleichzeitig sind sie einem System zur Disziplinierung von Leben und Arbeitskraft unterworfen, während ihre Heimat gerade zerbombt, besetzt und zum Opfer eines Stellvertreterkriegs zwischen Russland und der NATO wird. Und auch wenn der erleichterte Zugang zum Arbeitsmarkt zu begrüßen ist, müssen auch Geflüchtete aus der Ukraine für das eigene Dasein ihre Arbeitskraft verkaufen und das unter oftmals prekären Bedingungen im Niedriglohnsektor. Auch viele von ihnen müssen zunächst in menschenunwürdigen Lagern leben. Denn es gibt aufgrund des profitorientierten Wohnungsmarkts, des fehlenden sozialen Wohnungsbaus und der Weigerung der Regierung Berlins mit Beteiligung der Linkspartei, ein Volksbegehren zur Vergesellschaftung von Wohnraum umzusetzen, längst nicht genug Wohnungen.
Ein gutes Leben für ukrainische Geflüchtete?
Der Soziologe und Fluchtforscher Albert Scherr fasst eine populäre These in Worte, wenn er die „soziale Nähe“ als Erklärung für die Ungleichbehandlung Geflüchteter aus der Ukraine heranzieht. Kurz gesagt erleichtern europäische, weiße Geflüchtete, die vor dem Krieg eines Diktators fliehen, Mitgefühl, Sympathie und Solidarität im Zielland Deutschland.
Was diese Perspektive ausblendet, ist dass die „Nähe“ und das „Europäischsein“ selbst nichts Natürliches sind, sondern politisch hergestellt werden: Dass die Ukraine „europäischer“ ist als die Türkei, hat vor allem eine politische Bedeutung, nämlich dass sie sich nicht in der russischen Einflusssphäre befinden sollte, sondern in der EU. Sicher gibt es sozialpsychologische Effekte in der Bevölkerung und zum Beispiel bei kommunalen Entscheidungsträger:innen, die auf einer gefühlten „sozialen Nähe“ beruhen, und damit auch auf rassistischen Stereotypen. Diese mögen bewusst oder unbewusst sein. Solche Effekte erklären jedoch noch nicht staatlich-kapitalistisches Handeln insgesamt, das eben nicht bloß affektgeleitet ist, sondern auf wirtschaftlichen Kalkulationen und politischen Interessen beruht.
Ebenso ist es eine politische Erwägung, die prekären Lebensbedingungen der ukrainischen Geflüchteten auszunutzen, um sie als billige Arbeitskräfte auszubeuten, indem sie zur Behebung des kapitalistisch verursachten Fachkräftemangels eingesetzt werden. Diese beiden Elemente bestimmen nicht alleine den Rassismus in den Lagern und an der Grenze, besonders gegenüber Schwarzen, PoC, Sinti*zze und Rom*nja, der auch tiefere historische Wurzeln im Kolonialismus und Faschismus hat. Aber sie geben den materiellen und institutionellen Rahmen des heutigen Migrationsregimes vor, innerhalb dessen die Ungleichbehandlung stattfindet – dieses Regime, das zum „System Moria“ führte, haben wir in einem früheren Artikel genauer besprochen.
Die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey begründete beispielsweise die große Aufnahmebereitschaft von ukrainischen Geflüchteten damit, dass diese – im Gegensatz zu anderen geflüchteten Menschen – arbeitswillig seien und damit auch eine Antwort auf den bestehenden Fachkräftemangel darstellen. Damit reproduzierte sie nicht nur die rassistische Ungleichbehandlung, sondern gestand ein, dass es ein objektives Interesse deutscher Kapitalist:innen und des Staats gibt, Ukrainer:innen als günstige Arbeitskräfte auszubeuten. Besonders der Fachkräftemangel im Gesundheitssektor soll damit ausgeglichen werden. Aber es findet auch prekäre Ausbeutung in anderen Sektoren statt, wie die Rekrutierung ukrainischer Geflüchteter für den Skandal-Kapitalisten Tönnies, der schon während der Corona-Pandemie durch seine rassistische Ausbeutungspraxis besonders auffiel und endlich enteignet werden muss.
Abschottung und geopolitische Interessen
Hinzu kommt, dass das Migrationsregime immer auch gleichzeitig ein außenpolitisches Instrument ist. Denn bei der Gewährung von Asyl geht es auch darum, welche Beziehung die BRD zu bestimmten Herkunftsstaaten hat oder anstrebt. Die gleiche strategische Erwägung, warum Geflüchtete aus der Ukraine relativ besser behandelt werden, führt paradoxerweise auch dazu, dass Geflüchtete an den europäischen Außengrenzen immer wieder in die Türkei abgeschoben werden: Im Fall der Türkei tut man Erdogan einen Gefallen, damit er im Rahmen der schmutzigen Deals die europäische Grenze frei hält und ein wirtschaftlicher sowie militärischer Verbündeter der EU und NATO bleibt.
Im Fall der Ukraine ist die Aufnahme Geflüchteter von geopolitischem Interesse gegen Putin. Die Sanktionen gegen Russland und die militärische Aufrüstung mit dem Sondervermögen sind die entsprechenden Mittel der deutschen Politik, um unter dem Deckmantel der Verteidigung der Demokratie ihren Einflussbereich zu vergrößern. Die Ampel-Regierung nutzt den Krieg in der Ukraine vor allem als Anlass, um Deutschland zur führenden Militärmacht in Europa zu machen. Um im Narrativ der Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten zu bleiben, hat die Regierung dabei nicht den Luxus, die Aufnahme und Integration ukrainischer Geflüchtete zu verweigern. Die ukrainische Bevölkerung und die Geflüchteten werden für militärische Propaganda des deutschen Imperialismus instrumentalisiert.
Sowohl das außenpolitische als auch das innenpolitische Element waren auch 2015 schon zu finden – wenn auch in abgeschwächter Form. Das betraf besonders die Aufnahme Geflüchteter aus Syrien: Auch sie wurden gegenüber Geflüchteten aus anderen Herkunftsländern bevorzugt, indem schneller über ihre Asylanträge entschieden wurde und sie damit schneller Arbeit aufnehmen und zumindest kurzzeitig Familiennachzug beantragen konnten. Gründe hierfür liegen zum einem an der hohen Ausbildungsquote der Syrer:innen, mit denen man ebenfalls dem Fachkräftemangel entgegensteuern wollte. Doch es bestand auch ein außenpolitisches Interesse, Geflüchtete aus Syrien aufzunehmen, denn die Bundesregierung stand in diesem Konflikt auf der Seite der USA und der Freien Syrischen Armee (FSA). Auch hier war also die relativ liberale Aufnahmepolitik mitunter ein verlängerter Arm der Außenpolitik. Dass sich dieses Interesse derzeit verändert und erste diplomatische Annäherung an das Assad-Regime zu erkennen sind, drückt sich auch darin aus, dass die Bundesregierung zum Jahresende 2020 den Abschiebungsstopp nach Syrien auslaufen ließ.
Kein Vertrauen in den Reformismus
Zu Recht entsteht in der Debatte um die Ungleichbehandlung von ukrainischen Geflüchteten die Frage, wieso diese Rechte nicht für alle geflüchteten Menschen gelten. Wie wir gezeigt haben, passiert diese Ungleichbehandlung nicht zufällig, sondern basiert auf der Verknüpfung des Migrations- und Arbeitsregimes sowie auf außenpolitischen Erwägungen. Dieses Regime wird aktuell von der reformistischen Ampel-Regierung umgesetzt. Und tatsächlich besteht keine Hoffnung, dass Appelle an diese ausreichen, um gleiche Rechte für alle Geflüchteten zu erlangen. Denn alle Reformen dieser Regierung, die zwar kleine Verbesserungen für die einen Geflüchteten bedeuten mögen, bewirken gleichzeitig eine noch stärkere Disziplinierung anderer Teile. Ihr Ziel besteht gerade darin, die Hierarchie und Spaltung unter Geflüchteten zu präzisieren und zu verfestigen.
Hierfür steht auch das kürzlich geplante Chancen-Aufenthaltsrecht, das einerseits Verbesserungen für manche geduldete Geflüchtete mit sich bringt, die sich gut nach der kapitalistischen Verwertungslogik ausbeuten lassen. Sie werden als billige Arbeitskräfte schnellstmöglich in den Arbeitsmarkt integriert, wobei sie weiterhin unter unsicheren aufenthaltsrechtlichen und prekären Bedingungen in Deutschland leben und arbeiten werden. Diese Praxis führt zu einer Fragmentierung und Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Neben den Verbesserungen werden aber auch Verschärfungen eingeführt wie eine konsequentere Abschiebepraxis von illegalisierten Menschen. Und die politische Debatte um das neue Verfahren an den EU-Außengrenzen verspricht eine noch gewaltvollere und menschenverachtendere Abschottung der Festung Europa. Mit all diesen innen- wie außenpolitischen Mitteln treibt die Ampel-Regierung die Fragmentierung der Arbeiter:innenklasse voran, indem sie Geflüchtete zur untersten und entrechtetsten Schicht der Klasse degradiert. Gegen diese Fragmentierung und den damit einhergehenden institutionellen und alltäglichen Rassismus müssen sich gewerkschaftliche Kämpfe formieren.
Die Rolle und Verantwortung der Gewerkschaften
Stefan Dietl beschreibt in seinem Artikel in analyse & kritik die positive Reaktion der Gewerkschaften auf den erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt für Ukrainer:innen. Tatsächlich fordert der DGB eine „unkomplizierte und schnelle Integration der ukrainischen Geflüchteten in den Arbeitsmarkt“ durch Anerkennung der im Herkunftsland erworbenen beruflichen und akademischen Abschlüsse. Gleichzeitig bestehe, so Dietl, auch auf Seiten der Gewerkschaften die naheliegende Befürchtung, dass ukrainische Geflüchtete in prekäre Arbeitsverhältnisse mit schlechter Bezahlung abgedrängt werden. Die ukrainischen Geflüchteten stehen unter Druck, den Personalmangel in der Pflege, der Gastronomie, der Fleischindustrie und der landwirtschaftlichen Saisonbeschäftigung aufzuwiegen. So warnte auch die Gewerkschaft IG BAU davor, dass ukrainische Geflüchtete als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden.
Diesen Warnungen und Appellen an Regierung und Konzerne fehlen zwei Aspekte. Zum einen wird die gewerkschaftliche Verantwortung der IG BAU, IG Metall und ver.di, vernachlässigt, die Ukrainer:innen als neue Kolleg:innen zu organisieren und mit ihnen Arbeitskämpfe zu führen, sollten Löhne und Arbeitsrechte unterlaufen werden. Tatsächlich zeigt sich aber, dass sich die Gewerkschaftsbürokratien keine Mühe geben, stärker prekarisierte Bereiche zu organisieren. Dies liegt nicht etwa an dem viel beschworenen Mythos, dass Arbeiter:innen dieser Sektoren quasi per Naturgesetz schlecht zu organisieren wären. Vielmehr sind hier weniger Mitgliedsbeiträge einzusammeln, welche den bürokratischen Apparat der Gewerkschaften finanzieren. Die Gewerkschaften zeigen in diesen Bereichen kaum Präsenz, was die Organisierung und das Vertrauen von Arbeiter:innen nicht befördert. Neben der Organisierung der prekären Sektoren selbst hätten die DGB-Gewerkschaften zudem die Möglichkeit, Verbindungen und Strukturen der Solidarität zu stärker organisierten Bereichen aufzubauen. Doch auch diese Mittel werden kaum ausgeschöpft.
Warum widmen sich die Gewerkschaften diesen Bereichen und Aufgaben nicht konsequent? Die Gewerkschaften werden von einer bürokratischen Kaste gefangen gehalten, deren Ideologie und Struktur die „Sozialpartnerschaft“ ist. Teil dieser Sozialpartnerschaft ist, dass Herkunft, Nationalität, Ethnizität, Geschlecht, Sexualität, Religion, Bildung, Behinderung und Alter – meist in Kombination, teils formell und teils informell wirksam – über die Stellung im Arbeitsprozess entscheiden, damit über den Wert der Arbeitskraft und letztlich über die Stellung in der Gesellschaft. Geflüchtete, aber auch viele andere prekär Beschäftigte in feminisierten und migrantisierten Berufen, werden schlecht bezahlt und sind hohen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Denn Bestandteil der „Sozialpartnerschaft“ ist auch, dass von der Gewerkschaftsbürokratie vor allem die Interessen der höheren, „aristokratischen“ Schichten der Arbeiter:innenklasse sowie eigene Interessen der verwaltenden Bürokratie vertreten werden, anstatt die Interessen der Arbeiter:innenklasse als Ganzes gegen das Kapital.
Diese spalterische Vertretung von Sonderinteressen findet ihren politischen Ausdruck in der Regierung Scholz, aber auch in Yasmin Fahimi als DGB-Vorsitzende, die unmittelbar aus der SPD-Führung kommt. Dass die überparteiliche Gewerkschaft ein Märchen ist, dürften alle wissen, die einmal versucht haben, echte Kampfmaßnahmen gegen eine SPD-geführte Regierung durchzusetzen. Das relative Stillhalten der DGB-Mitgliedsgewerkschaften sowohl in Bezug auf die Inflation als auch auf das gigantische Bundeswehr-Sondervermögen lässt sich nur so erklären: Bürokrat:innen in den DGB-Gewerkschaften vertreten keineswegs das allgemeine Interesse von Arbeiter:innen, sondern halten „ihrer“ Regierung den Rücken frei, auf Kosten der Arbeiter:innenklasse insgesamt, die dann höhere Preise bezahlen muss und weniger Geld in Pflege, Bildung oder Erziehung erwarten kann.
Verallgemeinerung der Rechte als Anleitung gegen die Ungleichbehandlung
Aber die Gewerkschaften beinhalten auch die fortgeschrittensten Teile der Arbeiter:innenklasse selbst. Um sich durchzusetzen, brauchen sie innerhalb der Gewerkschaften eine antibürokratische Strömung. Wir müssen bei der Solidarität mit Geflüchteten innerhalb von Gewerkschaften nicht bei Null beginnen. Es gibt seit neun Jahren die Erfahrung der Arbeit von Teilen der ver.di Hamburg mit der Protestaktion Lampedusa in Hamburg zur Organisierung und politischen Unterstützung Geflüchteter durch die Gewerkschaften. Auch mit der ebenfalls selbst organisierten Geflüchteten-Gruppe Refugee Struggle for Freedom gab es gewerkschaftliche Solidarität, zum Beispiel 2016 in München mit gemeinsamen Demonstrationen gegen das sogenannte Bayerische Integrationsgesetz, das Geflüchtete besonders rassistisch angriff – und vom Staat gewaltsam reprimiert wurde.
Diese und viele weitere Initiativen sind bewusste Bemühungen einzelner Gewerkschafter:innen und Gliederungen, die 2015 das Recht zur Aufnahme Geflüchteter ohne Aufenthaltserlaubnis in ver.di erstritten haben. Diese haben jedoch trotz ihres Vorbildcharakters und ihrer lokalen Erfolge stets mit massivem Gegenwind aus der Bürokratie zu kämpfen. Damit es nicht bei einzelnen Initiativen bleibt, braucht es eine antibürokratische Strömung in den Gewerkschaften, die unter anderem für die Verallgemeinerung der demokratischen Rechte für alle in Deutschland lebenden Menschen eintritt und die rassistische Fragmentierung der Arbeiter:innenklasse bekämpft. Dabei muss sie sich sowohl gegen die neoliberale Logik der „Integration“ von geflüchteten Menschen in den Niedriglohn, als auch gegen die repressiven Form von Arbeitsverboten und Abschiebungen einsetzen.
Die Konfrontation der Regierung in den Gewerkschaften ist sowohl nötig, um unter einer Scholz-Regierung substanzielle Verbesserungen zu erreichen, wenn wir etwa auf die TVöD-Verhandlungen kommendes Jahr sehen. Aber sie ist auch ein notwendiges Mittel, um eine antibürokratische Strömung aufzubauen, da die Bürokratie, wie wir dargestellt haben, ein Bündnis mit der SPD (und regional auch der Partei DIE LINKE) zu Lasten der Arbeiter:innen bildet. Dazu gehört, dass wir uns als Gewerkschafter:innen auch gegen die Aufrüstung einsetzen. Das Sondervermögen muss abgeschafft und das Geld stattdessen in den Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge gesteckt werden, durch mehr Personal, höheren Lohn und Verstaatlichung des Gesundheitssystems unter Kontrolle der Beschäftigten, damit es keine Profitmacherei mehr gibt. Denn es sind diese prekären Sektoren, in denen viele Geflüchtete aus der Ukraine, aber auch hunderttausende bereits hier lebende Arbeiter:innen, ausgebeutet werden.
Fußnoten
1. Auf Geflüchtete aus der Ukraine wird nach § 24 AufenthG die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie angewandt, nach der humanitäre Aufenthaltstitel ohne Asylverfahren vergeben werden. Deutschland und die EU verweigerten 2015 die Anwendung dieser EU-Richtlinie, die 2001 nach der Fluchtbewegung aus Jugoslawien erlassen wurde. Mit diesem Aufenthaltstitel können sie nach AufenthG § 4a Absatz 2 selbstständige und nicht-selbstständige Arbeit aufnehmen.
2. Andere Geflüchtete erhalten innerhalb der ersten 18 Monate nach ihrer Ankunft nur eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung nach §§ 4, 6 AsylbLG.