Ein Münchner in der Miethölle: Ausspekuliert hat sich’s

29.10.2018, Lesezeit 3 Min.
1

Ausspekuliert: Unter diesem Motto gingen im September über 10.000 Münchner*innen auf die Straße, um gegen hohe Mietpreise und Verdrängung zu demonstrieren. Ein Kommentar der marxistischen jugend münchen.

Illustration: Ravioli

Zu „Ausspekuliert“ Aufgerufen hatte keine Partei, die Mobilisierung ging von Mieter*innen-Initiativen aus. Die politischen Parteien waren zwar zu Reden geladen, doch schon seit Jahrzehnten unternehmen SPD, Grüne, CSU und FDP in Stadt, Land und Bund nichts gegen die Mietpreisspirale. 
Im Gegenteil: Die Bayerische Staatsregierung privatisierte wie im Fall der GBW-Gruppe sogar zehntausende Wohnungen, davon über 8.000 in München. Deshalb waren die Versprechungen von der Bühne wenig glaubwürdig. Und auch die SPD verwaltet in München nur den Notstand, anstatt Wohnen als Recht anzuerkennen und für alle zugänglich zu machen.

An der Wohnungsfrage zeigt sich das Versagen des Marktes. Der kapitalistisch organisierte Wohnungsmarkt ist nicht in der Lage, die Bevölkerung mit bezahlbaren Wohnungen zu versorgen. Die „Mietpreisbremse“ der SPD ist ein stumpfes Schwert, das niemandem wehtun soll, der mit Wohnungen Geld verdient. Um Wohnraum für alle zur Verfügung zu stellen, muss er zunächst dem Markt entzogen und unter Kontrolle der Bewohner*innen und Arbeiter*innen vergesellschaftet werden. Unser Ziel ist dabei ein Recht auf Wohnen für alle. Diese Forderung ist eine Kampfansage an Investor*innen. Es ist aber auch eine Ansage an die Regierungen von München bis Berlin, die in Sachen Wohnen nicht uns – Beschäftigte, Studierende, Schüler*innen – vertreten, sondern die Kapitalist*innen, die mit uns Gewinne machen.

Dazu zählen wir auch unsere neuen Mitbürger*innen, die aus verschiedenen Regionen vor Armut, Krieg und Verfolgung geflüchtet sind. Sie haben ebenso ein Recht auf lebenswerten Wohnraum. Geflüchtete Menschen werden in Massenunterkünften und Ankerzentren untergebracht. Zäune und Securities sondern die Bewohner*innen, die weniger in Wohnungen leben als vielmehr in Haftanstalten, von der Nachbarschaft ab. Arbeiter*innen aus Bulgarien und Rumänien bekommen in München nicht einmal Zugang zu Notunterkünften, geschweige denn Sozialwohnungen – zum Arbeiten sind sie der Stadt gut genug, aber nicht zum Wohnen. Deshalb organisieren sie sich in der Initiative „Wir wollen wohnen“.

Und auch Fachkräften fällt es, selbst wenn sie das nötige Kleingeld mitbringen, immer schwerer, in München eine Wohnung für sich und ihre Familien zu bekommen. Der Notstand betrifft alle, außer die Reichen. Eine Wirtschaftsform, in der immer schneller produziert werden kann, aber immer weniger Menschen eine bezahlbare Wohnung finden, erklärt ihren Bankrott. Deshalb ist für uns der Kampf um bezahlbares Wohnen untrennbar verbunden mit dem Kampf gegen den Kapitalismus schlechthin, der diese Zustände erzeugt.

Wir wollen über die dringende Frage des Wohnraums in nächster Zeit mehr schreiben und diskutieren. Auf KlasseGegenKlasse.org veröffentlichen wir einen Dreiteiler zu dem Thema.

Dieser Beitrag erscheint am 26. Oktober in der zweiten Ausgabe der Zeitung marxistische jugend, erhältlich in München (majumuc [at] gmail.com).

Mehr zum Thema