Ein „linker Plan B“ für Europa?

29.01.2016, Lesezeit 8 Min.
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In Paris ging am Sonntag die Konferenz für einen „Plan B“ zu Ende. Zwei politische Linien zeichneten sich ab. Die erste, die „Linke des Plan B“, sammelt sich um die Forderung nach dem Austritt aus der Eurozone als erste notwendige Etappe hin zu einer Restauration der „Demokratie“ und einem Ende der Austeritätspolitik. Der zweite, „europäistische“ Flügel, gruppiert diejenigen, die einen „demokratisierten Euro“ wollen, und spielt – mit gewissen Variationen – die Melodie des „Plan A“.

Das Treffen in Paris versammelte Ökonom*innen und politische Persönlichkeiten der „Linken der Linken“, die an drei runden Tischen über Fragen der Währung, der öffentlichen Schulden und des Welthandels diskutierten. Vor allem um die Frage der Eurozone haben sich Debatten und Unstimmigkeiten herauskristallisiert.

Der Aufruf von Lordon an die „Linke des Plan B“

Während Jean-Luc Mélenchon (Front de Gauche) es lieber gesehen hätte, wenn es „mehrere Plan B“ gäbe, scheint Fréderic Lordon derjenige zu sein, der am konsequentesten die Notwendigkeit einer klaren politischen Linie zur Definition eines einheitlichen „Plan B“ vertritt, damit die „radikale Linke“ nicht länger „Illusionen“ verbreitet. Dieser Plan B müsste – um einen „Unterschied“ machen zu können, um die „demokratische Souveränität“ wiederherzustellen und einen „realen Internationalismus“ zu etablieren –, die Frage des Austritts aus der Eurozone klären.

Angesichts der Kapitulation von Tsipras zieht Lordon folgende Bilanz: „Die Versprechen, keine Austerität mehr zu haben und trotzdem im Euro zu bleiben, den Euro und die Demokratie zu haben, sind unhaltbar, denn sie sind widersprüchlich – und noch mehr, sie sind miteinander unvereinbar.“ Er entscheidet sich so unzweifelhaft für die Notwendigkeit, aus dem Euro auszutreten, und gegen jeden Versuch der „radikalen Linken“ und Mélenchons, in dieser Frage vage zu bleiben.

Lordon schloss seine Intervention mit einem Aufruf an die „Linke des Plan B“: Wenn sie den „Geschmack wirklicher Politik“ wiederfinden und nicht „inkonsequent“ bleiben will, muss sie sich für den Euro-Austritt entscheiden. Lordon geißelte im gleichen Atemzug auch diejenigen, die versuchen, „den Moment herauszuzögern, wo die Widersprüche offengelegt werden“, also die „Rechte“ des Plan B, die Verfechter*innen des „Euro-Parlaments“ oder des „demokratischen Euro“. Doch es sind gerade die „Europäist*innen“, die aktuell im Aufschwung sind, besonders mit der greifbaren Möglichkeit einer Allianz von Podemos mit der PSOE im Spanischen Staat.

Der Appell von Costas Lapavitsas zur Rückkehr zur „linken“ kompetitiven Abwertung

Nachdem die Debatte über eine Vereinigung der „Plan-B-Linken“ rund um die Frage des Austritts aus der Eurozone beendet war, nahmen es die Ökonomen Cédric Durand (Mitglied von Ensemble! in der Front de Gauche), Costas Lapavitsas (Volkseinheit/LAE in Griechenland) und Fabio de Masi (Europaabgeordneter der Linkspartei) auf sich, die Praxis des Plan B „bis zum Ende“ zu definieren. In diesem Plan, der in jedem Land je nach Wichtigkeit angepasst werden müsste, gilt der Austritt aus der Eurozone als erste Etappe eines Prozesses der Wederherstellung der nötigen „Manövrierfähigkeit“ im Innern des Nationalstaats, um ein Ende der Austeritätspolitik zu erreichen.

Costas Lapavitsas führte sodann diesen Plan des Euro-Austritts Schritt für Schritt aus, den er als „progressiven Ausweg“ definierte, im Gegensatz zum „konservativen Ausweg“. Dieser erstere sei in letzter Instanz eine Variante des „linken Austritts“, im besten Fall „geordnet“, und im schlimmsten Fall „aufgezwungen“. Der Zahlungsausfall wird so als erster widerständiger Akt definiert. Die zu lösenden Aufgaben wären je nach wirtschaftlichem und geopolitischem Gewicht des Landes andere – handele es sich um ein Land im Herzen der EU wie Frankreich oder Deutschland, oder ein Land der „Peripherie“ wie Griechenland oder der Spanische Staat.

Dieser Austritt aus der Eurozone erlaube laut Lapavitsas eine Rückkehr zur nationalen Souveränität, einen „linken Souveränismus“. Links, weil sie von einer linken und progressiven Regierung angeführt wäre. Nach diesem Rückkehr zur „Demokratie“ würden die Einführung einer Parallelwährung, einer Kapitalkontrolle, die Verstaatlichung der Zentralbank, sowie die Abwertung für periphere Länder oder die Aufwertung für Deutschland folgen.

Aber der griechische Ökonom wusste realistisch zu bleiben. Die Gesamtheit seiner Maßnahmen würde zwangsweise eine starke Rezession implizieren. Diese wäre also ein geringeres Übel für Lapavitsas: Dank der kompetitiven Abwertung würde sich die Wirtschaft in wenigen Monaten wieder erholen. Um diese wunderhafte und mechanische Wendung zu illustrieren, erklärte Lapavitsas, dass die Geschichte dies schon mehrfach gezeigt hätte. Eine etwas leichtfertige Analyse für einen „marxistischen Ökonomen“!

Die links gefärbte kompetitive Abwertung…

Die Ökonom*innen der „Linken des Plan B“ ignorieren den Kontext einer der größten Weltwirtschaftskrisen seit den 1930er Jahren – die eine nie dagewesene Dauer aufweist, auch wenn sie sich durch weniger Brutalität als in den 30ern charakterisiert. Dabei versuchen sie in Wirklichkeit, die „kompetitive Abwertung“ zu rehabilitieren, die mechanisch zu einem wirtschaftlichen Aufschwung führen würde. Dieses wiedererlangte Wachstum würde es erlauben, die „Manövrierfähigkeit“ im Rahmen des Nationalstaats zurückzuerobern.

In letzter Instanz wäre also für diese Ökonom*innen die kompetitive Abwertung – abwechselnd in verschiedenen Staaten durchgeführt, die in Konkurrenz zueinander stehen, und die unterschiedliche Rhythmen des Wachstums und der Krisen haben – nicht länger eine beängstigende Waffe in den Händen der Regierung und im Dienst der Bosse, um den Arbeiter*innen durch Inflation der Preise der Importgüter die Austerität aufzuzwingen. Sie wäre „links“ und „progressiv“, weil sie von einer „linken“ Regierung durchgeführt werden würde, die „demokratisch“ von der Bevölkerung gewählt wäre, die die Austerität beenden möchte. Der fundamentale Unterschied wäre, dass diese „linke“ Regierung“ von nun an die „volle wirtschaftliche Kontrolle“ hätte, um öffentliche Investitionen im Interesse der Allgemeinheit durchzuführen.

… um ein Projekt des nationalen Wiederaufbaus zu maskieren

Unter dem Deckmantel eines „linken Souveränismus“ versteckt der Plan B in Wirklichkeit ein Projekt des nationalen Wiederaufbaus und der reaktionären Rückkehr zum Nationalstaat. Der Plan A hatte angesichts der Lohnsenkung durch die Austeritätspolitik der verschiedenen Regierungen der Eurozone das Ziel, die Austerität im Rahmen der Währungsunion neu zu verhandeln.

Der Plan B hingegen versucht sich aus der technokratisch-monetären Umzingelung durch einen Austritt aus der Eurozone zu befreien. Die Logik bleibt dennoch die gleiche, sei es innerhalb oder außerhalb der Eurozone. Für die peripheren Länder wird es trotzdem notwendig sein, die Austerität und den Tribut zu verhandeln, die die lokale Großbourgeoisie durchsetzt. Das läuft darauf hinaus, auch die Austerität zu „verhandeln“, die von den zentralen Ländern durchgesetzt wird, besonders durch Wechselkurse und ungleichen Handel, der sich auch außerhalb der Eurozone fortsetzen wird. Die reichen Länder des Zentrums werden sich weiterhin zum Nachteil der Länder des Südens bereichern. Ein Austritt aus der Eurozone würde für die zentralen Länder, besonders Frankreich und Deutschland, das Ende der Eurozone bedeuten, wie sie heute existiert. Dabei war diese für Deutschland durchaus sehr profitabel. Das würde in der Konsequenz eine tiefgründige Rezession bedeuten, sowie die Beschleunigung der strukturellen Reformen und einen Anstieg der Inflation, gekrönt von einer Rückkehr zur „kompetitiven Abwertung“.

Weder Plan A noch Plan B. Für einen internationalistischen Plan I!

In letzter Instanz wären diese „Anti-Austeritäts-Regierungen“ darauf beschränkt, die Austerität zu „verhandeln“, ja sie sogar in einer ersten Periode noch durch eine galoppierende Inflation zu verstärken, die die Lohnkürzungen beschleunigen würde. Ob innerhalb oder außerhalb der Eurozone: Der Neoreformismus ist eine Utopie, umso mehr, da die objektiven Bedingungen für die „Reform“ aktuell nicht gegeben sind. Schlussendlich befinden wir uns im Kontext einer tiefgründigen und strukturellen weltweiten Krise des Kapitalismus, und sind weit entfernt von den gehobenen Profitraten der „Goldenen Dreißig Jahre“ der Nachkriegszeit. Diese sehr hohen Profite in den dreißig Jahren ununterbrochenen Wachstums in den imperialistischen Ländern waren die objektive Bedingung für die Reformen, Resultat großer Kämpfe der Arbeiter*innenbewegung für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen.

Der Plan B ist nur eine weitere Variante der neoreformistischen Utopie. Der einzige Plan, der etwas wert ist, und dessen sich die Arbeiter*innen- und Jugendorganisationen annehmen sollten, begonnen mit der radikalen Linken, ist ein internationalistischer Plan I. Ein Plan gegen das Europa des Kapitals genauso wie gegen die falschen nationalen Lösungen. Ein Plan für die Verstaatlichung unter Arbeiter*innenkontrolle der Industrie und der strategischen Dienstleistungen, für den Rauswurf der Bosse, für ein einheitliches Bankensystem unter Kontrolle der Lohnabhängigen und der kleinen Sparer*innen, für eine vollständige Öffnung der Grenzen, um die Festung Europa niederzureißen und die Tragödie im Mittelmeer zu beenden.

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