Ein Kampf gegen sexualisierte Gewalt und Missachtung im südkoreanischen Bildungssystem

Im vergangenen Jahr war Mo Gestrich in Südkorea bei unseren Genoss:innen von March To Socialism (MTS) zu Besuch. Aus dem Besuch entstand folgender politischer Reisebericht über den Kampf gegen sexualisierte Gewalt in Südkorea.
Als die südkoreanische Lehrerin Ji Hye-bok im Dezember 2023 Fälle von sexualisierter Gewalt an ihrer Schule öffentlich machte, wollte sie die Betroffenen schützen und ein Umdenken im Bildungssystem bewirken. Doch statt Unterstützung erfuhr sie Repressionen – bis hin zu ihrer Kündigung. Ihr mutiger Protest hat nicht nur das Schweigen über Missbrauch und Misogynie gebrochen, sondern auch eine landesweite Debatte über den Umgang mit sexualisierter Gewalt in Schulen entfacht.
Im Dezember 2023 begann eine Reihe von Ereignissen, die nicht nur die Aufmerksamkeit der südkoreanischen Öffentlichkeit auf sich zogen, sondern auch die tief verwurzelte Problematik sexualisierter Gewalt und Misogynie im Bildungssystem des Landes aufdeckten. Die Lehrerin Ji Hye-bok wurde zu einer Whistleblowerin, die den sexualisierten Missbrauch unter Schüler:innen anprangerte und für die Rechte der Betroffenen eintrat. Ihr Einsatz stieß jedoch auf Widerstand seitens der Bildungsbehörden und führte zu einem öffentlichen Protest, der landesweit für Schlagzeilen sorgte.
Ji Hye-bok, eine engagierte Lehrerin, deckte sexualisierten Missbrauch von weiblichen Schüler:innen durch männliche Mitschüler auf. Sie stellte fest, dass diese Fälle von sexualisierter Gewalt im Schulalltag nicht nur toleriert, sondern von der Schulleitung weitgehend ignoriert wurden. Als Whistleblowerin versuchte sie, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und forderte eine stärkere Aufarbeitung und Prävention von sexualisierten Übergriffen innerhalb der Schule.
Doch statt Unterstützung und Anerkennung erhielt sie die Aufforderung, sich an eine andere Schule versetzen zu lassen. Nachdem sie sich dieser Versetzung verweigerte, wurde sie gekündigt. Nach ihrer Kündigung entschied sich Ji Hye-bok zu protestieren und weiter Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Seit dem 4. März 2024 demonstriert sie vor dem Bildungsbüro Südkoreas in Seoul. Dabei wurde und wird sie von Lehrerkoleg:innen, Schüler:innen und anderen Aktivist:innen unterstützt, um gegen das Vorgehen der Schule und die MIssachtung von sexualisierter Gewalt im Bildungswesen zu kämpfen.
Nach ihrer Kündigung wurde Ji Hye-bok von Kolleg:innen unterstützt, die ihr zur Seite standen. Eine Pressekonferenz wurde organisiert, um auf die Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. In der Folge startete sie eine Kampagne, die das Bildungsministerium in Seoul unter Druck setzen sollte, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen. Es wurden öffentliche Proteste und Ralleys organisiert, und Plakate sowie Social Media Posts machten auf die Missstände aufmerksam. Das Thema fand auch Eingang in die Frauenbewegung des Landes, die die Forderungen nach einer besseren Aufarbeitung von sexualisierten Übergriffen in Schulen unterstützte.
Ein Interview mit Ji Hye-bok, das von der MBC (Anmerkung der Redaktion: einer der größten Fernsehsender Koreas) ausgestrahlt wurde, erreichte 800.000 Aufrufe auf YouTube und Twitter. In ihren öffentlichen Auftritten forderte sie, dass solche sexualisierten Übergriffe künftig verhindert werden und dass das Bildungssystem endlich aufhören sollte, sexualisierten Missbrauch zu vertuschen. Ihre Forderung nach einem Gespräch mit dem Vorsitzenden des Bildungsbüros blieb zunächst unbeantwortet, bis am 23. Dezember 2024 schließlich eine erste Unterredung stattfand.
Der Fall von Ji Hye-bok hat nicht nur das Thema sexualisierter Gewalt, sondern auch das schwerwiegende Problem von Mobbing und Schikane von Whistleblowern im Bildungssystem beleuchtet. Die betroffenen Schülerinnen, die den sexualisierten Missbrauch gemeldet hatten, erlebten daraufhin systematische Tortur durch ihre Mitschüler. Dies reichte von Drohungen über körperliche Angriffe bis hin zu Cybermobbing auf Plattformen wie Instagram. Die Opfer hatten großen Mut, die Taten öffentlich zu machen, doch sie wurden durch die Reaktionen der Mitschüler, die sie bedrohten und angriffen, weiter traumatisiert.
Die Schulleitung reagierte auf die Situation mit dem Vorschlag, dass männliche Schüler künftig nicht mehr mit weiblichen Mitschülerinnen sprechen dürften, um weitere Vorfälle zu vermeiden. Eine unzureichende Lösung, die die zugrundeliegenden Probleme von Missbrauch und sexualisierter Gewalt nicht ansprach. Die betroffenen Schülerinnen verloren das Vertrauen in das Schulsystem und zogen sich zunehmend zurück. Viele von ihnen berichteten von Angst und einem Gefühl der Isolation. Es zeigte sich, dass eine schlechte Aufarbeitung der Vorfälle und das fehlende Vertrauen in die Institutionen die Opfer weiter marginalisierte und deren Traumata verstärkte.
Die Eltern der betroffenen Schüler:innen reagierten empört auf das Vorgehen der Schule und die Entlassung von Ji Hye-bok. Sie organisierten eine Petition, um das illegale Verhalten der Schule zu kritisieren, doch ihre Beschwerden wurden von den Behörden und der Schule ignoriert. Viele Eltern äußerten Enttäuschung über die Haltung der Schule und des Bildungsministeriums. Besonders erschreckend war jedoch die Reaktion der Eltern der Täter: Sie versuchten, die Vorfälle zu vertuschen, und unterstützten das Vorgehen der Schulleitung.
Einige Eltern hatten Angst, gegen das System aufzutreten, da sie befürchteten, dass ihre Kinder aufgrund der Proteste weiteren Mobbingattacken und Benachteiligung in der Bildung ausgesetzt würden. Das Fehlen einer konsequenten Aufarbeitung und die Ignoranz gegenüber den Beschwerden zeigten einmal mehr, wie tief Misogynie und strukturelle Diskriminierung im Bildungssystem verankert sind.
Der Fall von Ji Hye-bok ist ein erschütterndes Beispiel für die systematische Missachtung von sexualisierter Gewalt und die Schwierigkeiten, mit denen Whistleblower im Bildungssystem konfrontiert sind. Die Proteste, die sie auslöste, sind ein Schritt in die richtige Richtung, doch sie werfen auch einen kritischen Blick auf die tief verwurzelten gesellschaftlichen Probleme in Südkorea, wie Misogynie und die Neigung, sexualisierte Gewalt zu verschweigen.
Der Fall hat auch gezeigt, wie wichtig es ist, dass Opfer von sexualisierter Gewalt Unterstützung erfahren und dass Whistleblower vor Repressionen geschützt werden. Der Kampf von Ji Hye-bok und die öffentlichen Proteste verdeutlichen die Notwendigkeit einer umfassenden Reform des Bildungssystems, um sexualisierte Gewalt zu verhindern und eine gerechte und respektvolle Umgebung für alle Schülerinnen und Schüler zu schaffen.