Ein erzwungenes Ja zum teuren Semesterticket

02.11.2016, Lesezeit 5 Min.
Gastbeitrag

Schon drei Jahre nach seiner Einführung steht das Semesterticket für die Münchner Hochschulen vorm Aus. Nach der gewaltigen Preiserhöhung von über 15 Prozent dieses Semester sollen nun die Studierenden über den Erhalt des Tickets abstimmen. Diese Urabstimmung dient aber dazu, dass die Studierenden die höheren Preise, die gegen ihr Interesse sind, abnicken sollen. Wir müssen mit Ja stimmen, weil die Alternative unbezahlbar ist.

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Das Semesterticket, das erst 2013 als einer der Erfolge der Bildungsstreikbewegung eingeführt wurde, war schon immer von der Abschaffung bedroht: Dem Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) war es nie teuer genug. Dieses Jahr gab es nach zähen Verhandlungen zwischen dem Studentenwerk und dem MVV einen Kompromiss, wie das Ticket doch noch weitergeführt werden soll. Es ist ein fauler Kompromiss, der ohne demokratische Beteiligung der Studierenden ausgehandelt wurde. Die Verkehrsunternehmen forderten eine saftige Preiserhöhung und sogar das Studentenwerk wehrte sich nicht – es wünschte sich selbst ein etwas teureres Semesterticket. Diesem Kompromiss sollen die Studierenden in einer undemokratischen Abstimmung Legitimation verleihen.

Bei einer Wahl zwischen überteuertem Semesterticket und noch teureren Zeitkarten gibt es nur eine sinnvolle Abstimmungsmöglichkeit: Ja zum Semesterticket! Die Abstimmung ist aber nicht dazu gedacht, dass es an der Uni demokratischer zugeht. Durch die Auswahlmöglichkeiten, die nur eine Entscheidung zulassen, kann der MVV leicht seine Preiserhöhung durchdrücken – ohne mit Protest rechnen zu müssen, es gab ja immerhin die Abstimmung.

Bei einem negativen Ausgang der Abstimmung können die Verkehrsunternehmen auf den Willen der Studierenden verweisen und sich so aus der Verantwortung stehlen, dass sie einen erheblichen Beitrag am Scheitern des Tickets leisteten. Dabei ist die Abstimmung so aufgebaut, dass sie leicht scheitern kann: Wenn nicht an jeder der teilnehmenden Hochschulen die Mehrheit mit Ja stimmt und nur an einer Hochschule die Wahlbeteiligung unter 25 Prozent liegt, fällt das Ticket durch.

MVV: So teuer wie alles in München

Der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) ist unglaublich teuer, eine Fahrt durch München kostet 2,70 Euro, ab dem 11. Dezember sogar 2,80 Euro. Eine Fahrt aus dem näheren Umland in die Innenstadt ist doppelt so teuer. Auch die Preise für Monatskarten steigen kontinuierlich. Für die meisten Studierenden, also alle, die nicht Justus heißen, ist das Semesterticket ein großartiges Angebot, um einigermaßen erschwinglich den öffentlichen Verkehr legal nutzen zu können.

Großzügig sind die Verkehrsunternehmen allerdings nicht. Sie haben uns bereits jedes Semester tiefer in die Taschen gegriffen. Das Semesterticket besteht aus zwei Teilen: dem Solibeitrag, der zum Wintersemester 2016/17 von 62,50 Euro auf 65 Euro und der IsarCardSemester, die für dieses Semester von 157 Euro auf 189 Euro erhöht wurde. Zusammen also 254 Euro – weitere Preissteigerungen nicht ausgeschlossen. Nur zur Erinnerung: Bei der Einführung 2013 hat das ganze „nur“ 200 Euro gekostet, ein Teuerung von 28 Prozent.

Das Semesterticket ist den Verkehrsunternehmen ein Dorn im Auge. Freiwillig wollten sie es nicht einführen – ansonsten hätte es das Ticket wohl vor 2013 gegeben. Mit Argumenten wie: „mindestens 70 Prozent aller Studierenden müssten es sich kaufen, damit es sich rentiert“, haben die Bonz*innen der Verkehrskonzerne versucht, die Einführung und Beibehaltung zu sabotieren. Die Beibehaltung lässt sich der MVV nun teuer von den Studierenden erkaufen.

Eine Abstimmung: Die Demokratie pulsiert

Die Studierenden schließen den Vertrag nicht selbst mit dem MVV, sondern an ihrer Stelle das Studentenwerk, das hierfür die Studierenden lediglich „befragt“. Das Votum ist also nicht bindend, sondern eine Art Empfehlung. Ein weiteres Problem der Abstimmung ist, dass nur LMU, TU und HM an der Abstimmung teilnehmen. Studierende an anderen Münchner Hochschulen (u. a. die Akademie der bildenden Künste, die Filmhochschule, die Hochschule für Musik und die KSFH) dürfen überhaupt nicht abstimmen, obwohl sie genauso von der Entscheidung betroffen sein werden.

Dass eine Abstimmung überhaupt in dieser Form stattfindet, ist ein Ausdruck davon, dass es keine Demokratie an der Uni gibt. In die Gremien brauchen wir keine Illusionen zu setzen. Sie sind höchstens minimal demokratisch legitimiert und haben uns diese undemokratische Abstimmung eingebrockt. Illusionen in die Abstimmung müssen wir auch nicht haben. Ein positives Ergebnis wird das Semesterticket nicht dauerhaft retten können. Schon nach fünf Jahren wird neu verhandelt werden müssen. Dazwischen wird eine Preiserhöhung die nächste jagen.

Für einen bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr!

Es ist wichtig, das Semesterticket zu sichern. Allerdings muss es bezahlbar sein. Darüber hinaus brauchen nicht nur Studierende günstige Tickets, auch Azubis müssen ein bezahlbares Ausbildungsticket erhalten. Viele andere Personen, wie Geflüchtete oder Arbeitslose, sind vom Nahverkehr fast ausgeschlossen. Der öffentliche Nahverkehr muss daher kostenlos für alle zur Verfügung gestellt werden. Dafür wird es keine Abstimmung geben – dafür müssen wir kämpfen.

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