Ehrenkodex der CDU ist ein Witz – Für ein Ende der Privilegien der Abgeordneten!

15.03.2021, Lesezeit 9 Min.
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Mirko Kuzmanovic / shutterstock

Korruptionsfälle sind keine Ausnahmen, sondern nur die Spitze des Eisberges: Unternehmensspenden, Nebeneinkünfte, Lobbyismus. Warum ein Lobbyregister nicht genug ist und was wir gegen die korrupte politische Kaste in Deutschland machen können.

Nach dem großen Masken Skandal, in den vor allem die Abgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU) verwickelt sind, wird diese Korruption nun innerhalb der Parteien und in der breiten Öffentlichkeit debattiert. Klar ist: das Thema ist nicht neu. Die CDU blickt auf eine reichhaltige Korruptionsgeschichte mit einer Vielzahl von Skandalen zurück – man denke an die Spendenaffäre in den ‘90ern unter Helmut Kohl oder an die aktuellen Kontroversen um Philipp Amthor. Aber auch andere Parteien, wie die SPD, verzeichneten in den letzten Jahren ähnliche offensichtliche Korruptionsskandale.

An Ideen mangelt es nicht: Die CDU selbst sieht sich in Anbetracht der Wahlen im Zugzwang. Ihr Vorschlag ist ein Verhaltenskodex. Dieser besagt: „Entgeltliche Beratungs- oder Vermittlungstätigkeiten, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Aufgabengebiet, das in der Fraktion betreut wird, stehen, sind auszuschließen“. Besagte Vorlage wird jedoch nichts an weiteren Korruptionsskandalen ändern, denn Forderungen nach Kontrolle, Verpflichtung oder Rechenschaft werden gar nicht erst erhoben.

Schon vor 7 Jahren führte die CSU nach einer Affäre einen ähnlichen Verhaltenskodex ein, der jener Korruption vorbeugen und CSU Mitglieder dem Gemeinwesen verpflichten sollte. Zu diesem Kodex verpflichtete sich auch Nüßlein, dessen Beraterfirma dann 660.000 Euro Honorar für die Vermittlung von Masken einkassierte und zusätzlich damit noch Steuern hinterzog.

Zwar konnte sich die CDU nun mit der SPD auf ein Lobbyregister einigen, dies war aber erst nach jahrelanger Blockade und den jüngsten Korruptionsvorwürfen möglich. Bei dem Lobbyregister handelt es sich um ein zentrales, öffentlich zugängliches Register. Hier sollen nur Lobbyist:innen eingetragen werden, die auf Ministerebene Kontakte knüpfen. Die SPD feiert dies als Erfolg, obwohl nicht einmal ihre eigene Forderung zur einfacheren Nachvollziehbarkeit von Lobbyarbeit erfüllt wurde.

Die Korrupten bekommen immer noch Diäten und genießen Immunität

Echte Konsequenzen, die Forderung nach Kontrolle und die vollständige Transparenz nach diesen korrupten Machenschaften in der Politik bleiben weiterhin aus.

Sowohl Nüßlein als auch Löbel sind noch Teil der Partei und zogen sich aus dem Bundestag zurück. Ernsthafte Folgen wird es für die beiden wohl nicht geben: trotz alledem werden sie weiterhin hohe Übergangsgelder und auch ihre Pensionen erhalten. Ein Mitglied des Bundestags erhält 9.542 Euro Brutto im Monat – fast das Sechsfache des Bruttoeinkommens von Mindestlohnbeschäftigten. Dazu kommen 4.318 Euro als sogenannte “Aufwandspauschale”, die nicht versteuert werden muss. Eine Unmenge an Geld, die für die meisten von uns unvorstellbar ist.

Kein Wunder, dass Parlamentarier:innen der Bezug zur Realität der Arbeiter:innen fremd ist. Ein Jens Spahn, der 416 Euro hartz-IV für ausreichend findet, während er selbst 15.000 Euro verdient, ist offensichtlicherweise kein Einzelfall, sondern Teil einer politischen Kaste, die fernab von unseren Lebens- und Arbeitsrealitäten Entscheidungen über uns trifft.

Es sind die gleichen Abgeordneten, die während ihrer Amtszeiten Angriffe auf die Arbeitenden gefahren haben. Trotz Korruption streichen sie noch immer Steuergelder ein, die weit über dem durchschnittlichen Gehalts- und Rentenniveau liegen.

“Böse” und “normale” Korruption – Der Lobbyist Spahn und Altmaiers Wirtschaftsgipfel

Korruption wird laut der NGO Transparency International definiert als “Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil”. Es wäre also selbst mit dieser sehr allgemeinen Definition gefährlich und verkürzt, Nüsslein und Löbel als Einzelfälle zu betrachten; als ein paar Korrupte in einer ansonsten doch ehrlichen Partei. Denn diese skandalösen und illegalen Korruptionsfälle sind nur die Spitze des Eisbergs aus Einflussnahme von Kapital auf die Politik.

Einen “privaten Vorteil anvertrauter Macht” erhalten viele Politiker:innen. So zum Beispiel Gerhard Schröder, der nach seiner Tätigkeit als Bundeskanzler zum Gasriesen Gazprom ging. Oder um ein aktuelleres Beispiel zu nennen: Jens Spahn wird seit Jahren vorgeworfen, private Nebeneinkünfte durch die von ihm gegründete Lobbyagentur Politas erhalten zu haben. Die Beratungsfirma soll beispielsweise Druck gemacht haben für die Liberalisierung des Apothekenmarkts, während Spahn an gesundheitspolitischen Debatten beteiligt war. Das klingt für uns nach einer skandalösen Korruption für die Pharmakonzerne seitens eines gesundheitspolitischen Sprechers – war jedoch alles legal. Spahn hatte nämlich nur 25% der Stimmanteile der Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, die Politas verwaltet – sein Freund und Partner Markus und ihr Kumpel Max haben den Rest. Bei mehr als 25 Prozent der Stimmrechte hätte er die Einkünfte angeben müssen und konnte dem so entgehen. Auch in Sachen Wohnung wird Spahn wohl keine weiße Weste haben: er gab seinem alten Freund, dem Pharma-Manager Dieken einen “Top-Job” im Gesundheitswesen und erhielt von eben diesem Manager eine Wohnung in Berlin.

Was in den bürgerlichen Medien gerne als “Wirtschaftsnähe” formuliert wird, ist die ganz normale, legale Form der Korruption: Parteien erhalten Druck durch Unternehmen, um gewisse Politiken durchzusetzen oder das ein oder andere Auge zuzudrücken. Egal, um wie viel Geld betrogen wird, oder was die Kosten für die Bevölkerung sind: meist kommen die Akteure ungestraft davon. Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit war der “Wirtschaftsgipfel” des Bundesministers Peter Altmaier: Vor einem Monat traf sich der CDU-Politiker mit den großen Kapitalverbänden, um über ihre Besorgnis über pandemiebedingte Profiteinbußen zu diskutieren und Druck für Lockerungen zu machen. Und das, während eine dritte Welle sich weiterhin anbahnte. Das Rezept der Regierung wurde dann auf Wunsch der großen Kapitalist:innen durchgesetzt: wie gewohnt müssen Arbeiter:innen weiter in überfüllten Bahnen zur Arbeit, während die Infektionszahlen steigen und soziale Aktivitäten eingeschränkt werden.

Der absurde Kontrast von Hartz IV Sanktionen und Korruptionsfällen

Am Umgang mit solchen Korruptionsfällen zeigt sich einmal mehr der Charakter des Staates, vor allem im Vergleich zu der alltäglichen Schikane gegen Empfänger:innen von Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Menschen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten, werden vom Jobcenter zu Zwangsmaßnahmen gezwungen und dürfen von jedem Einkommen über 100 Euro nur 20 Prozent behalten – für jeden verdienten Euro sind das 20 Cent. Da Hartz IV nicht zum Leben ausreicht und ein solches Einkommen in Statistiken unter der Armutsgrenze liegt, werden Menschen auf diese Weise gezwungen, zu einem effektiven Lohn zu arbeiten – weit unter der Armutsgrenze. Wer bei diesem Spiel nicht mitspielt, bekommt Leistungen gekürzt.

Währenddessen bereichern Politiker:innen sich auf Staatskosten und müssen im schlimmsten Fall von ihren Posten zurücktreten, bekommen dann aber trotzdem noch Pensionen in Höhe von mehreren tausend Euro pro Monat. Im Normalfall allerdings ist diese Korruption völlig akzeptiert. Trotzdem werden Arbeitslosengeld II Empfänger:innen in der Öffentlichkeit als “asozial” gebrandmarkt, während Politiker:innen “wirtschaftsnah” sind.

Diese Politiker:innen bereichern sich persönlich an der Coronakrise, die für Millionen Arbeiter:innen buchstäblich ein Kampf um ihre Existenz ist. Wegen Kurzarbeit, weil sie gezwungen sind, trotz Ansteckungsgefahr arbeiten zu gehen, durch das Virus eine untragbare Mehrbelastung erfahren, wie zum Beispiel in der Pflege, oder weil ihre Betriebe einfach geschlossen werden.

Dieser heftige Kontrast ist kein Zufall, sondern entsteht in einem Staat, dessen politisches Ziel die Verteidigung der Interessen der Wirtschaft und damit der Interessen der Kapitalist:innen ist. Dafür braucht es Personal, dessen eigenes Leben und Karriere mit der Arbeit für dieses Ziel verknüpft ist, nicht mit den Lebensbedingungen der Arbeiter:innen. Das Problem für den Staat ist deshalb nicht so sehr die Korruption an sich, sondern wenn diese aufgedeckt wird und so den normalerweise versteckten Klassencharakter offenbart.

Daher können wir auch nicht erwarten, dass derselbe Staat, der die Bedingungen für diese Korruption überhaupt schafft, in der Lage ist, diese auch zu bekämpfen.

Für die Aufhebung der Immunitäten und Privilegien!

Die jüngsten Skandale haben nur einmal mehr klar gezeigt, dass wir umfassende Transparenz brauchen und uns nicht mit dem verabschiedeten Lobbyregister zufrieden geben dürfen.

Alle Parteispenden und alle wirtschaftlichen Zuwendungen an die Parteien und Abgeordneten müssen verboten werden. Abgeordnete dürfen nicht durch ihre persönliche Lebenssituation an die Interessen der Wirtschaft gebunden werden. Bisherige Spenden müssen genutzt werden, um sofort, unbürokratisch und sozial der Gesellschaft zu dienen, insbesondere den von der Coronapandemie betroffenen Arbeiter:innen und Kleinunternehmer:innen.

Alle Abgeordneten sollten nicht mehr verdienen dürfen, als einen durchschnittlichen Facharbeiter:innenlohn und dürfen darüber hinaus keine Nebeneinkünfte erhalten. Sie müssen außerdem jederzeit abwählbar sein.

Es braucht öffentliche und vom Staat unabhängige Untersuchungsausschüsse von Gewerkschaften, die diese Korruptionsfälle aufklären. Es ist wichtig, dass die Kontrolle über diese Ausschüsse nicht denen überlassen wird, die von der Verzahnung von Politik und Kapital profitieren. Die Immunitäten aller Abgeordneten, denen gegenüber Korruptionsvorwürfe existieren, sollten durch diese Kommission aufgehoben werden und ihre Diäten eingefroren.

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