Ecuador: Der falsche Lenin gewinnt die Wahl

05.04.2017, Lesezeit 7 Min.
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In der Stichwahl zwischen Lenín Moreno, dem Nachfolger Rafael Correas, und dem Banker Guillermo Lasso konnte ersterer einen knappen Sieg erringen. Die neoliberale Opposition redet von Betrug und stützt sich auf verschiedene Meinungsforschungsinstitute. Die Situation im Land ist angespannt.

Vor dem ersten Wahlgang am 19. Februar befand sich das Land bereits in einer unterschwelligen politischen und wirtschaftlichen Krise. Wie kam es dazu?

Die letzte Regierung unter Präsident Rafale Correas weigerte sich die Auslandsschulden zu zahlen und verstaatlichte die Bodenschätze. Damit brachte sie vor allem nordamerikanische Konzerne um ihre Profite. Im Zusammenspiel mit damals hohen Erdölpreisen hatte sie die Möglichkeit, längst überfällige Reformen im Sozialwesen und der Infrastruktur anzugehen.

Die Regierung brachte Reformen wie einen Mindestlohn, Sozialversicherung für Arbeiter*innen, auch unbezahlten Hausfrauen, und eine neue Verfassung auf den Weg. Dies brachte dem Präsidenten Correa und seiner linksnationalistischen Bewegung Alianza PAIS (Allianz des Landes – Aufrecht und Souverän) sehr viel Unterstützung. Auf seiner Seite standen vor allem Arbeiter*innen und Bäuer*innen, aber auch Sektoren der nationalen Bourgeoisie, die an der Modernisierung des Landes Interesse haben.

Um die vermeintliche Unabhängigkeit vom Imperialismus zu erlangen, suchte Correa Bündnisse und Abkommen mit anderen lateinamerikanischen Ländern, unter anderem Venezuela und Bolivien. Doch auch mit der EU und vor allem China existieren enge Verbindungen. Mit diesem bürgerlichen Antiimperialismus ersetzte Correa eine ausbeutende Nation durch die andere. Statt einen Großteil des Erdöls in die USA zu exportieren, wurde nun nach China verkauft. Dadurch griff die Regierung in Naturschutzgebiete und Autonomiegebiete ein und baute zu einem großen Teil der indigenen Nationen und Bevölkerung eine Distanz und sogar Feindschaft auf.

Die rechte Opposition erwacht

Die öffentlichen Gelder wurden massiv in Straßenbau, Bildung- und Gesundheitswesen sowie die Modernisierung des Staatsapparats investiert. Nach dem weltweiten Verfall der Ölpreise wurde der Staatshaushalt mit Steuererhöhungen und hohen Zöllen aufrecht erhalten. Die Teuerungen, insbesondere von importierten Waren, erzeugte Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Aufgegriffen und kanalisiert wurde sie von der politischen Rechten und den alten Eliten. Dies zeigte sich in den Kommunalwahlen 2014, in denen die Alianza PAIS zum ersten Mal in sieben Jahren eine relative Niederlage an den Urnen erfuhr.

Die rechten Kräfte werden nun jedoch nicht von alten Oligarchen angeführt, die schon seit Generationen die Macht im Land haben, sondern vor allem von neuen Gesichtern mit vermeintlich weißen Westen. Anstatt mit dem Image der alten Ordnung anzutreten, präsentieren sie sich als „Revolutionäre“, die für Veränderung und gegen die „Diktatur“ kämpfen. Ähnlich wie bei venezolanischen und kubanischen Oppositionellen handelt es sich hierbei doch genauso um verbitterte Großkapitalist*innen und Sektoren der Bourgeoisie, die dem US-Imperialismus freundlich gegenüberstehen.

Vor einem Jahr war noch unklar, wer der Spitzenkandidat der Opposition sein würde. Letztlich setzte sich der Banker Guillermo Lasso gegen die Ablehnung von konservativen und populistischen Anführer*innen wie Cynthia Viteri und Jaime Nebot durch. Lasso strebte eine Allianz der Rechten an. Dabei verbündeten sich die beiden Parteien CREO und SUMA, die sich politisch als „in der Mitte“ stehend präsentieren, aber ein klar neoliberales Programm vertreten. Aufgrund der Zersplitterung in der politischen Landschaft traten acht Kandidat*innen zur Wahl an, von denen nur vier mehr als fünf Prozent der Stimmen gewinnen konnten. Der Großteil der Parteien rief dazu auf, in der zweiten Wahlrunde Lasso zu unterstützen.

Der Kandidat des Finanzkapitals

Guillermo Lasso ist Präsident des Banco Guayaquil, einer der größten Banken des Landes, und ein Vorbild für große Teile der Bourgeoisie: ein erfolgreicher Unternehmer, der aus einer kleinen Bank eine große Kreditinstitution machte, ein gläubiger, weißer Christ mit vielen Kindern, der kapitalistische und bürgerliche Werte in seiner Person vereinigt.

Obwohl Lasso und die alten Eliten es leugnen, war seine Bank am „Bankenfeiertag“ („feriado bancario“) 1999 beteiligt. Damals nahmen sich die Banken in Zusammenarbeit mit dem Staat das Geld tausender Ecuadorianer*innen und trieben viele in Armut und Migration. Somit trägt er auch mit Schuld an der Dollarisierung des Landes, die von der Regierung gewählte Maßnahme zur Überwindung der Krise.

Lasso trat mit dem Ziel der „Millionen Arbeitsplätze“, der „Veränderung“ und dem „Schaffen von Möglichkeiten“ an. Sein Wahlprogramm zeigt, dass dies mit arbeiter*innenfeindlichen Maßnahmen wie Flexibilisierung, Privatisierung und Prekarisierung geschehen sollte. Trotzdem schaffte er es, fast 49 Prozent der Stimmen zu gewinnen (Anmerkung: die leeren und ungültigen Stimmzettel, die in einem Land mit Wahlpflicht einen großen Teil ausmachen, werden nicht mitgezählt). Der ehemalige Präsident Correa gab der Propaganda der „korrupten Presse“ und dem US-Imperialismus die Schuld dafür. Doch das wäre zu kurz gegriffen.

Die Sackgasse des Reformismus

Die Ursache liegt in der fehlenden Perspektive des linken Reformismus. Der Kandidat der regierenden Partei, Lenín Moreno, war von 2007 bis 2013 der Vizepräsident Rafael Correas. Da er seit einem Raubüberfall 1998 gehbehindert ist, startete er in seiner Amtszeit zwei wichtige Programme zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Behinderung und wurde dafür 2012 für den Friedensnobelpreis nominiert. Obwohl ihm das Charisma Correas fehlt, hat er den Rückhalt seiner Partei und großer Teile der Wähler*innenschaft. Programmatisch steht er für die Fortsetzung des Projekts der „Bürgerrevolution“ („Revolución Ciudadana“) und wirbt mit Sozialhilfe, Wohnungsbau und der Schaffung von Arbeitsplätzen.

Viele der Hoffnungen, die die Leute damals in die „Bürgerrevolution“ hatten, sind mittlerweile verschwunden. Die Lebenskosten im Land sind gestiegen, während der Mindestlohn mit 375 Dollar monatlich ziemlich niedrig liegt, wenn auch höher als früher. Gewerkschaften und Verbände von Indigenen sowie auch einige Jugendliche und Studierende wendeten sich gegen die Regierung. Die Situation der politischen Linken im Land ist desaströs, da sie entweder die Regierung unterstützt, oder sich opportunistisch an rechte, bürgerliche Bewegungen orientiert. Damit wird die berechtigte Kritik und Wut auf die Regierung von der Rechten kooptiert.

Letztendlich schaffte es Alianza PAIS doch, die Wahlen zu gewinnen. Jedoch steht sie jetzt vor einer schwierigen Periode, da das Land politisch gespalten ist und dies die Krise vertiefen könnte. Wenn Lenín Moreno seine Wahlversprechen halten will, braucht er mehr Gelder, die ohne Verstaatlichungen oder höhere Steuern schwer aufzutreiben sind.

Das Scheitern der „progressiven“ Regierungen

Im Gegensatz zu Argentinien und Brasilien, wo die „progressiven“ Regierungen abgewählt beziehungsweise geputscht wurden, schaffte es die Regierung Ecuadors, wie auch die Sandinistas in Nicaragua, dem Rechtsruck in der Region standzuhalten. Durch den Zickzackkurs der Regierung und die wirtschaftliche Sackgasse, in die das Land zu geraten droht, ist offen, wie lange dieses Projekt noch zu halten ist, ehe die alten Eliten das Land wieder dominieren.

Die gescheiterten Projekte des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ haben gezeigt, dass sie die falsche Strategie sind, um die Region von Fremdherrschaft und Armut zu befreien. Denn die Sozialpartnerschaft und Kooperation mit der nationalen Bourgeoisie stehen im Widerspruch zu den Interessen der Abeiter*innen und ausgebeuteten Massen.
Es bedarf einer antikapitalistischen Arbeiter*innenbewegung, die die unterdrückten Sektoren der Gesellschaft anführen muss, um die Führung nicht dem Reformismus oder dem Neoliberalismus zu überlassen. Indigene Nationen, LGBTI*, Jugendliche und Frauen können bei der Unterstützung dieser bürgerlichen Bewegungen nur verlieren.

Die deutsche und europäische Linke steht gegenüber Populist*innen wie Chávez oder Correa sehr solidarisch und unkritisch. Doch sie muss ihre Hoffnung in solche reformistische Projekte aufgeben und stattdessen ein Programm der Unabhängigkeit der Arbeiter*innenklasse vertreten.

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