Dutzende trotzkistische Organisationen bei Lateinamerika- und USA-Konferenz der Front der Linken

06.08.2020, Lesezeit 15 Min.
Übersetzung:
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Vom 30. Juli bis zum 1. August fand eine Virtuelle Lateinamerika- und USA-Konferenz statt, zu der die Gruppen der argentinischen Front der Linken – Einheit aufgerufen hatten. Nachstehend präsentieren wir die Resolutionen, über die am Ende der Konferenz abgestimmt wurde.

Die Organisationen, Parteien, Anführer*innen und Aktivist*innen, die an der Virtuellen Lateinamerika- und USA-Konferenz teilnehmen, schließen sich den folgenden politischen Definitionen an und verpflichten sich, die unten aufgeführten Resolutionen und Kampagnen voranzutreiben:

1. Wir erheben als unser wichtigstes Banner die politische Unabhängigkeit der Arbeiter*innen von den Kapitalist*innen, ihren Staaten, Regierungen und Parteien. Wir lehnen die Klassenkollaboration und alle ihre politischen Fronten und Organisationen ab, die nur der Weg sind, um die politische Unterordnung der Arbeiter*innenklasse unter die Interessen der Kapitalist*innen und ihrer Staaten voranzutreiben. Wir definieren den Kampf für eine Arbeiter*innenregierung, für die sozialistische Einheit Lateinamerikas und für den internationalen Sozialismus als unser strategisches Ziel. Im ersten Aufruf zu dieser Konferenz heißt es: „Der Interessensausgleich und die „Zusammenarbeit“ zwischen Kapital und Arbeiter*innen, den der bürgerliche Nationalismus und die Mitte-Links-Bündnisse verkünden, sind nichts anderes als eine reaktionäre Utopie, die darauf abzielt, die Arbeiter*innen im Schlepptau der Bourgeoisie in die Falle zu locken. Im Gegensatz dazu schlagen wir den Kampf für einen antikapitalistischen Ausweg und eine umfassende Transformation des Kontinents unter der Führung der Arbeiter*innenklasse vor.“ Für diese Ziele treiben wir die breiteste Organisierung der Arbeiter*innen und der Massen voran, mit dem strategischen Ziel des Kampfes für die Perspektive der sozialen Revolution. Wir lehnen den Wettbewerb und die Rivalität ab, die die Kapitalist*innen und die Staaten unter den Arbeiter*innen der verschiedenen Nationen schüren. Wir streben die Einheit und internationale Solidarität der Arbeiter*innenklasse an und sagen: Arbeiter*innen aller Länder, vereinigt euch!

2. Wir unterstützen, entwickeln und fördern in allen Bereichen und in jedem Land, auch in den Vereinigten Staaten, den antiimperialistischen Kampf. Der US-Imperialismus ist in Lateinamerika und in der Welt der Ausdruck der Überausbeutung und der Hauptunterdrücker der Völker – eine Rolle, die auch von verschiedenen imperialistischen Staaten der Europäischen Union und Japan gespielt wird. Die imperialistische Politik und Unterdrückung, die vom US-Staat und der US-Regierung und dem internationalen Finanzkapital gegenüber den lateinamerikanischen Ländern ausgeübt wird, kommt nicht nur im wirtschaftlichen Bereich zum Ausdruck, sondern auch in den Verschwörungen des Imperialismus mit den Marionettenregierungen des Subkontinents sowie in Interventionsversuchen und militärischen Drohungen. Wir lehnen die Offensive und die Drohungen des US-Imperialismus gegen Venezuela und Kuba (wo er immer noch eine kriminelle Blockade aufrechterhält), unterstützt von der venezolanischen Rechten und den exilkubanischen „gusanos“, ab und verurteilen sie. Gleichzeitig betonen wir unsere Unabhängigkeit und unsere linke Opposition gegen die Regime beider Länder, gegen die wir kämpfen und denen wir keine politische Unterstützung geben. Wir verurteilen den Bau der von Trump an der Grenze zu Mexiko errichteten Grenzmauer und die Massendeportationen. Wir lehnen die bolivianische Putschregierung ab und kämpfen gegen sie. Diese hat erneut die Wahlen ausgesetzt, um an der Macht zu bleiben. Genauso lehnen wir den Versuch des Verbots der MAS ab, ohne dabei diese politische Kraft politisch zu unterstützen, die versucht hat, sich mit den Putschistenführern zu versöhnen, und die an der Regierung Verrat an der Oktober-Agenda beging. Wir rufen zum Kampf für die Nichtzahlung der Schulden der Länder Lateinamerikas und der Karibik und der unterdrückten Völker in der ganzen Welt auf. Wir treiben die Mobilisierung „Bolsonaro und Mourao Raus“ voran und rufen dazu auf, das gesamte Regime der Herrschaft zu beenden. Wir prangern die Unterwerfung der lateinamerikanischen Regierungen, einschließlich der linksnationalistischen, unter die Gebote des Imperialismus an und sagen: Raus mit dem IWF! Nein zur Bezahlung der Auslandsschulden! Raus mit dem Imperialismus! Die Kapitalist*innen sollen für die Krise bezahlen! Wir sind für den Rauswurf aller multinationalen, imperialistischen und Rohstoffkonzerne, die unsere Gemeingüter ausplündern und das Leben und unser Territorium verseuchen und zerstören. Für die entschädigungslose Verstaatlichung der Bankensysteme und der natürlichen und strategischen Ressourcen jedes Landes unter der Kontrolle der Arbeiter*innen!

3. Wir unterstützen vorbehaltlos die gigantische und außergewöhnliche Rebellion der amerikanischen Massen und verurteilen die kriminelle Militarisierung von Seiten Trumps. Wir setzen uns für die Weiterentwicklung, Ausweitung und Vertiefung der Rebellion in den USA ein. Wir verurteilen den Versuch der Demokratischen Partei, die enorme Unzufriedenheit der Massen mit der Trump-Regierung als Versuch zu kanalisieren, die Rebellion zu unterdrücken, der direkten Aktion der Massen ein Ende zu setzen und jeden Versuch einer von den Ausgebeuteten unabhängigen politischen Organisation umzuleiten. Wir wissen, dass diese eine weitere kapitalistisch-imperialistische und kriegerische Variante des Machtwechsels ist und einen Ausweg anbietet, der gegen die Interessen derer gerichtet ist, die heute noch auf den Straßen der Vereinigten Staaten kämpfen. Um die rassistische Unterdrückung, die Gewalt und polizeiliche Repression zu beenden, um eine umfassende Antwort auf die Gesundheitskrise zu geben und um zu verhindern, dass die kapitalistische Krise weiterhin auf die amerikanischen Massen abgewälzt wird, müssen wir einen unabhängigen Ausweg für die Arbeiter*innen in den Vereinigten Staaten, in Allianz mit allen unterdrückten Sektoren, wie z.B. PoC (Schwarze, Latinos), Frauen und Jugendlichen, vorantreiben.

4. Ebenso heben wir die Wiederbelebung der enormen Rebellion in Chile hervor, verurteilen die aufeinander folgenden Pakte der Kollaboration der so genannten „Opposition“ der Bosse und der Mitte-Links-Opposition mit der Regierung, und mehr denn je sagen wir „Fuera Piñera“( Piñera Raus)! Für Chile ist das, was wir im ersten Aufruf zu dieser Konferenz gesagt haben, nach wie vor voll und ganz relevant: „Wir prangern die Verfassungsreform an, die derzeit ausgeheckt wird, und den manipulierten Verfassungskonvent, der aus diesem Pakt hervorgegangen ist. Wir rufen dazu auf, den Kampf für den Rücktritt von Piñera durch die Förderung massiver Mobilisierungen auf den Straßen und eines politischen Generalstreiks zu verstärken und soziale Forderungen zu stellen. Wir treten für eine freie und souveräne Verfassungsgebende Versammlung ein, die ein Programm zur Reorganisation des Landes auf anderen sozialen Grundlagen diskutiert, mit der Perspektive, eine Regierung der Arbeiter*innen und des ausgebeuteten Volkes zu erkämpfen, die die grundlegenden Veränderungen garantiert, die das Volk auf den Straßen fordert. In Chile ist es notwendig, alle Formen der Koordination und der demokratischen Selbstorganisation der Sektoren der Arbeiter*innenklasse, der Studierendenbewegung und der Frauen im Kampf zu fördern (eine Tendenz, die in den Volks- und Territorialversammlungen oder in den Notstands- und Schutzkomitees zu beobachten ist). Wir setzen damit darauf, dass die Arbeiter*innenklasse aufgrund ihrer Fähigkeit, das Funktionieren der Wirtschaft und des kapitalistischen Staates zu lähmen, die Führung übernimmt.“ Wir fordern Freiheit für die Gefangenen der Rebellion und Freiheit für die politischen Gefangenen der Mapuche, die für die Rückgewinnung ihres historischen Territoriums und gegen staatliche Repression kämpfen. Wir schließen uns der Kampagne zur Abschaffung des privaten Rentensystems AFP an und treten für ein solidarisches umlagefinanziertes Rentensystem ein, das von Arbeiter*innen und Rentner*innen verwaltet wird.

5. Wir unterstützen und fördern alle Kämpfe der Arbeiter*innen und armen Massen gegen die Sparpläne und die Regierungen des Kapitals. Wir prangern die Anpassungspläne und die Offensive des Kapitals im internationalen Maßstab gegen die sozialen Errungenschaften der Arbeiter*innen an. Die Regierungen als Vertreterinnen des Kapitals nutzen die Pandemie-Krise, um in Anpassungsmaßnahmen, Entlassungen und Lohnkürzungen, in der Flexibilisierung der Arbeit, in der Zerstörung der sozialen Versicherungssysteme und in der Ausbeutung der prekären Jugend voranzuschreiten. Wir prangern auch die Komplizenschaft der Gewerkschaftsbürokratien in allen Ländern an, die als Zwangsjacke fungieren, um die kämpferische Kraft der Arbeiter*innen einzudämmen und so das Vorankommen arbeiter*innenfeindlicher Reformen zu ermöglichen und die jeweiligen Regierungen zu unterstützen. In diesem Sinne bekräftigen wir, dass „der Kampf um die Rückgewinnung der Massenorganisationen, in erster Linie der Gewerkschaften, aus denen wir die kapitulierenden Bürokratien vertreiben müssen, einen strategischen Charakter hat. Das bedeutet, alle Arten von Organen (Streikkomitees und all jene, die sich in Frankreich, Chile und Bolivien in embryonaler Form herausgebildet haben) im Laufe der Massenaufstände zu ermutigen, die die Koordination des Kampfes ermöglichen und ihn zum Sieg führen werden. Das konvulsive Szenario Lateinamerikas verleiht der Stärkung der demokratischen Räume der kämpferischen Gewerkschaftsbewegung, der Forderung nach Kongressen oder Koordinatoren der Basisdelegiert*innen der Gewerkschaften – sowohl der Beschäftigten (einschließlich des gesamten Spektrums der Prekären) als auch der Arbeitslosen – und der kämpfenden Massen, die mit dem Kampf für eine neue Klassenführung in der Arbeiter*innenbewegung einhergeht, besondere Gültigkeit. Dies zielt darauf ab, dass die Arbeiter*innenklasse als unabhängiger Faktor in der Krise auftaucht und sich zu einer Machtalternative entwickelt, die ein Bündnis aller Ausgebeuteten und Unterdrückten anführt. Wir erheben das Banner des Kampfes für den Sieg über die laufenden Reformen im Bereich der Arbeit und der sozialen Sicherheit. Wir schlagen vor, der Arbeitslosigkeit ein Ende zu setzen, indem wir die Frage der Verteilung der Arbeitszeit ohne Lohnkürzungen, der universellen Versicherung der Arbeitslosen, der Erhöhung der Gehälter und Renten bis zur Erreichung der Kosten für für den Familienlebensunterhalt aufwerfen. Wir schlagen die Besetzung jeder Fabrik oder Betriebs vor, die schließt oder Entlassungen vornimmt, sowie ihre Verstaatlichung unter Kontrolle der Arbeiter*innen. Raus mit den Gewerkschaftsbürokratien, für neue klassenkämpferische Führungen in den Gewerkschaften. Wir unterstützen und fördern den internationalen und koordinierten Kampf der prekär Beschäftigten der App-Economy. Der Aufbau revolutionärer Parteien auf nationaler und internationaler Ebene ist eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung dieses Programms.

6. Die enorme Kampfbewegung der Frauen war und ist eine sehr wichtige Protagonistin der Kämpfe in der Region, mit enormen Gewicht in Chile, in Argentinien und in verschiedenen Ländern und Prozessen. Wir unterstützen und fördern den Kampf der Frauenbewegung, die mit ihren außerordentlichen und massiven Mobilisierungen das Recht auf legalen Schwangerschaftsabbruch, ein Ende von Frauenmord, Missbrauch und gegen machistische Gewalt fordert. Wir prangern die Verantwortung der Regierungen, des Staates und des gesellschaftlichen Regimes der Ausbeutung bei der Unterdrückung von Frauen an. Die Förderung dieser Forderungen hat die tiefgreifende Einmischung der Kirchen in die staatlichen Angelegenheiten und die Unterordnung der kapitalistischen Regierungen unter die verschiedenen klerikalen Lobbies offenbart. Wir kämpfen für die Forderungen der arbeitenden Frauen. Wir kämpfen für die Ausrottung der machistischen und patriarchalen Kultur innerhalb der Arbeiter*innenklasse, und wir fördern einen gemeinsamen Kampf unserer Klasse, der jede Art von Spaltung nach Geschlecht oder Sexualität überwindet, für das Recht auf legale, sichere und kostenlose Abtreibung, für Verhütungsmittel und für eine umfassende Sexualerziehung, für die Trennung der Kirchen von den Staaten, für die Beendigung der machistischen Gewalt und der Hassverbrechen, für alle Forderungen der LGTBI-Bewegung und insgesamt für ein Ende des Kapitalismus, der das soziale Bauwerk ist, auf dem die verschiedenen Unterdrückungen aufbauen und reproduziert werden.

7. Wir verurteilen die kriminelle Unterdrückung der kämpfenden Völker und Arbeiter*innen in Lateinamerika und in den Vereinigten Staaten, die Kriminalisierung von Protesten, den Missbrauch durch die Polizei und Fälle von „Schießwütigen“ (Polizeimorde), und treten für das volle Recht auf Mobilisierung und Kampf ein. Wir lehnen die Verfolgung und Abschiebung zentralamerikanischer und karibischer Migrant*innen durch die Regierung von AMLO in Mexiko ab. Wir prangern an, dass die Sicherheitsapparate nichts anderes sind als ein Mechanismus des Zwangs und der Unterdrückung durch Regierungen und Staaten gegen die Menschen, die zur Verteidigung ihrer Lebensbedingungen rebellieren. Wir fordern: Nieder mit den Ausnahmezuständen, die die repressiven Maßnahmen verstärken und die Polizei und andere Sicherheitskräfte aufrüsten; nieder mit der Verfolgung von Migrant*innen in den Vereinigten Staaten; nieder mit den Morden an sozialen Anührer*innen in Kolumbien; nieder mit der kriminellen Repression in Chile und Bolivien; Gerechtigkeit für Marielle Franco und Bestrafung der Verantwortlichen für ihre Ermordung, Freiheit für die Hunderte von politischen Gefangenen; nieder mit der Verfolgung der Kämpfer*innen und Gewerkschaftsführer*innen in Venezuela, für die sofortige Freiheit der im Kampf inhaftierten Arbeiter*innen. Für das lebendige Auftauchen von Facundo Castro, Freiheit für Sebastian Romero und die Aufhebung der Anklage gegen Cesar Arakaki in Argentinien.

Wir beschließen:

  • Am 27. August Kundgebungen und Aktionen in den US-Botschaften aller Länder abzuhalten, um die Rebellion der US-amerikanischen Massen zu unterstützen, die imperialistische Einmischung in Lateinamerika abzulehnen und die Nichtzahlung der Auslandsschulden der Länder Lateinamerikas und der Karibik und aller unterdrückten Völker zu fordern.
  • Unterstützung des Kampfes der Arbeiter*innen und des chilenischen Volkes, die „Piñera Raus“ fordern; für die Einrichtung einer wirklich freien und souveränen verfassungsgebenden Versammlung. Wir fordern die Freiheit aller Gefangenen der Rebellion.
  • Unterstützung des Kampfes aller Arbeitner*innen gegen Entlassungen, Lohnkürzungen und andere Angriffe auf ihre Lebensbedingungen, die von Regierungen und Bossen durchgeführt werden
  • Beteiligung und Förderung an den bevorstehenden Mobilisierungen von App-Lieferant*innen in den verschiedenen Ländern
  • Vorantreiben der Mobilisierungen am 28. September zum lateinamerikanischen und karibischen Tag für legale Abtreibung, wo wir auch die Losung „Trennung der Kirchen vom Staat“ erheben.
  • Bekräftigung unseres Festhaltens an den 10 programmatischen Punkten, die im Dokument „Ein neues Szenario in Lateinamerika und die Notwendigkeit einer sozialistischen und revolutionären Lösung“ festgehalten sind, mit dem wir ursprünglich zur Lateinamerikakonferenz aufgerufen haben. Wir fügen ihnen die Punkte, die sich auf die Pandemie und den Aufstand in den Vereinigten Staaten beziehen und die in den nachfolgenden Dokumenten entwickelt wurden, hinzu, die die Grundlage für den Aufruf zu dieser Virtuellen Lateinamerika- Und USA-Konferenz bildeten.

Zum Weiterlesen

Schau dir alle Videos und Reden der Virtuellen Lateinamerika- und USA-Konferenz an (auf Spanisch):

Dossier zur Virtuellen Lateinamerika- und USA-Konferenz bei La Izquierda Diario

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