Du bist Ausnahme!

06.06.2014, Lesezeit 5 Min.
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// Der Mindestlohn genügt nicht als Antwort auf die Prekarisierung, die unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen immer unsicherer macht. Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass er nicht weiter ausgehöhlt wird. Dabei dürfen wir aber nicht stehen bleiben, sondern müssen auch weiter für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen kämpfen – gemeinsam mit kämpfenden Arbeiter*innen. //

2015 kommt er: der Mindestlohn, eingeführt von der Großen Koalition und begleitet von einer Offensive sozialer Heilsversprechungen. Man könnte fast meinen die CDU und insbesondere die SPD würden sich ernsthaft bemühen, die von ihnen angeführten Angriffe auf die Rechte der Arbeiter*innenklasse zurückzunehmen – diesen Eindruck wollen sie zumindest erzeugen. Man kommt aber nicht umhin zu bemerken, dass im gleichen Atemzug mit der Einführung des Mindestlohns die Debatte um Ausnahmen von ihm begann. In einer Übergangsphase dürfen die Löhne für Erntehelfer*innen und Zeitungsaussteller*innen den Mindestlohn wahrscheinlich unterschreiten, Branchen mit niedriger liegenden Tariflöhnen haben zwei Jahre Zeit sich anzupassen. Und völlig vom Mindestlohn ausgenommen sind Menschen unter 18 Jahren, Praktikant*innen, die ein Praktikum als Teil ihrer Ausbildung absolvieren, Auszubildende und Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach der Neueinstellung. Und wahrscheinlich wird es bei diesen Ausnahmen nicht bleiben: Die CDU fordert weiter die Anhebung der Altersgrenze. Der flächendeckende Mindestlohn ist so flächendeckend also gar nicht, vor allem nicht für junge Menschen, die besonders oft von prekären Arbeitsbedingungen betroffen sind und so potentiell vom Mindestlohn profitieren könnten. Außerdem öffnen diese Ausnahmen Tür und Tor für die geschickte Umgehung des Mindestlohns durch Kapitalist*innen.

Auch in der bürgerlichen Wirtschaftswissenschaft wird der Mindestlohn heiß debattiert: Während die einen versuchen zu zeigen, dass ein Mindestlohn Arbeitslosigkeit verursacht, argumentieren die anderen, dass er die Nachfrage ankurbelt und so sogar potentiell für mehr Arbeitsplätze und höhere Gewinne sorgt. Beiden gemeinsam ist die Vorstellung der Ewigkeit kapitalistischer Verhältnisse. Arbeiter*innenrechte haben in dieser Welt nur solange Platz, wie sie nicht den Bedingungen der Kapitalakkumulation und -verwertung in der Volkswirtschaft schaden.

Einerseits verbessert der Mindestlohn die Einkommen von Millionen von Menschen. Nach Berechnungen des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) werden 17 Prozent derer, die statistisch als „Arbeitnehmer*innen” bezeichnet werden, einen höheren Stundenlohn erhalten, ebenso wie 43 Prozent der Schüler*innen, Studierenden, Rentner*innen und Arbeitslosen und 44 Prozent der unter 24-Jährigen, die als „Arbeitnehmer*innen“ geführt werden (abhängig Beschäftigte ohne Auszubildende oder Menschen in arbeitsmarktpolitischen Beschäftigungsmaßnahmen). Andererseits lässt die Höhe des Mindestlohns – 8,50 Euro – einiges zu wünschen übrig. Denn er ist immer noch ein Lohn, der Menschen in Armut leben lässt. Selbst mit dem Mindestlohn müssen viele noch aufstocken – die Subvention der Profite von Kapitalist*innen durch den Staat geht also weiter.

Studierende und junge Menschen betrifft der Mindestlohn also ganz besonders – einerseits weil sie besonders oft im Niedriglohnsektor beschäftigt sind, andererseits weil Ausnahmen gerade sie treffen. Er genügt nicht als Antwort auf die Prekarisierung, die unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen immer unsicherer macht. Deshalb müssen wir gemeinsam dafür kämpfen, dass der Mindestlohn nicht weiter ausgehöhlt wird. Dabei dürfen wir aber nicht stehen bleiben, sondern müssen auch weiter für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen kämpfen – gemeinsam mit kämpfenden Arbeiter*innen.

Gerade in Kämpfen gegen die Prekarisierung zeigen sich die Wichtigkeit und der Wert eines Bündnisses der Studierenden mit den Arbeiter*innen. Jeder Kampf für bessere Arbeitsbedingungen ist ein Kampf auch für unsere heutigen und zukünftigen Arbeitsbedingungen und ebenso ein Kampf für die Einheit der Arbeiter*innenklasse und damit für unsere Zukunft.

Wir haben deswegen beispielsweise in den dreizehn Wochen andauernden Streik der Charité Facility Management Ende 2011 interveniert und regelmäßig studentische Solidelegationen organisiert. Auch als die Beschäftigten im Einzelhandel im letzten Jahr über Monate hinweg ihren Tarifvertrag verteidigt haben, unterstützten wie sie dabei. Wir verstärkten ihre Streikposten und betrieben Aufklärung unter den Kund*innen. Für die Verteidigung des Mindestlohns brauchen wir diese Einheit umso dringender.

Gemeinsam müssen wir Druck auf die Gewerkschaften aufbauen, dass sie sich nicht auf dem Mindestlohn ausruhen, sondern ihn verteidigen, für seine Ausweitung kämpfen und Arbeiter*innen dabei unterstützen Arbeitskämpfe zu führen – gerade in prekarisierten Sektoren. Lasst uns beispielsweise gemeinsam studentische Solidarität für die sich abzeichnenden Arbeitskämpfe bei Amazon und der Charité organisieren.

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