Dritte Stellungnahme der Besetzer*innen der HU

19.01.2017, Lesezeit 3 Min.
Gastbeitrag

Das Institut für Sozialwissenschaften (ISW) der Humboldt-Universität zu Berlin bleibt bis auf Weiteres besetzt. Hunderte Studierende, Angehörige des Instituts und Unterstützer*innen protestieren damit gegen die Entlassung von Andrej Holm durch HU-Präsidentin Sabine Kunst (SPD). Die Besetzer*innen verabschieden folgende Stellungnahme.

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Wir lehnen die Entscheidung von Präsidentin Kunst vehement ab. Kunst begründet ihre Entscheidung mit vermeintlichen juristischen Sachzwängen und gibt vor – entgegen der Einschätzung verschiedener Jurist*innen –, bei der Entscheidung keinen Spielraum gehabt zu haben. Wir sind der Ansicht, dass es sich bei der Entlassung Holms eindeutig um eine politische Entscheidung handelt. Ohne den Vertrauensentzug durch den rot-rot-grünen Senat, insbesondere durch den regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD), hätte das Präsidium wohl kaum die Notwendigkeit gesehen, Holms Arbeitsverhältnis zu beenden. Wir fordern deshalb, dass die Kündigung Holms zurückgenommen wird, oder alternativ am Institut eine neue unbefristete Stelle für ihn geschaffen wird.

Die Vollversammlung der HU-Studierenden am 19. Januar solidarisierte sich mit der Besetzung und schloss sich den Forderungen an. Außerdem rief sie die Vertreter*innen der Gewerkschaften an der HU auf, sich für den Verbleib von Andrej Holm einzusetzen. Auch von anderen Universitäten in Berlin und ganz Deutschland kamen solidarische Botschaften.

Holm steht exemplarisch für eine kritische Forschung, die sich auch außerhalb der Universität in stadt- und wohnungspolitische Angelegenheiten einmischt. Die Auswirkungen der neoliberalen Stadtpolitik bekommen auch Studierende tagtäglich durch steigende Mieten, Wohnungsmangel und Verdrängung zu spüren. Eine kritische Auseinandersetzung damit im akademischen Bereich ist genauso essenzieller Teil wissenschaftlicher Forschung wie das Aufzeigen politischer Interventionsmöglichkeiten.

Aus diesem Grund setzen wir uns für eine Ausweitung, nicht Einschränkung, kritischer und unabhängiger Lehre ein. Wir schließen uns deshalb der Forderung der Vollversammlung nach einer Ausfinanzierung der Hochschulen statt martkabhängigen Drittmitteln, prekärer Lehre und elitärer Exzellenzinitiative an.

Die Entlassung von Andrej Holm steht auch für Entscheidungsprozesse innerhalb hierarchischer Universitätsstrukturen, die gegen den expliziten Willen der Studierendenschaft getroffen werden. Auch die Abwicklung des Lehrbereichs „Diversity Politics“ von Prof. Dr. Ina Kerner am ISW im vergangenen Jahr zeugt von einer Hochschulpolitik gegen die Interessen der Studierenden und gegen eine emanzipatorische Wissenschaft. Wir sprechen uns mit unserem Protest deshalb für eine stärkere Einbindung von Studierenden in universitäre Entscheidungen aus.

Die Besetzung des Instituts ist Protest gegen die Entlassung von Andrej Holm und steht darüber hinaus für unsere Vorstellung selbstverwalteter Lehre als Gegenentwurf zu herkömmlichen, hierarchischen Lehrstrukturen. Während der Besetzung wird deshalb basisdemokratisch ein Programm aus Workshops und Vorträgen organisiert und eine Vernetzungsplattform für Universitätsangehörige, stadtpolitisch Aktive und Interessierte geschaffen. Wir rufen alle interessierten Studierenden, Dozent*innen und Universitätsbeschäftigten, Mieter*innenverbände, soziale Organisationen, Gewerkschaften und Einzelaktivist*innen auf, die Besetzung zu unterstützen und mit uns in einen Austausch zu treten.

Wir schätzen Andrej Holm als Forscher, Lehrenden und als Aktivisten, und stellen unseren Protest in den Kontext eines Engagements für kritische Wissenschaft und soziale Stadtpolitik für alle.

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