[Dossier] 8. Mai: 75 Jahre Niederlage des deutschen Faschismus – Wer kann heute den rechten Terror bezwingen?

08.05.2020, Lesezeit 10 Min.
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Heute vor 75 Jahren kapitulierte die Wehrmacht. Anlässlich der Niederlage des deutschen Faschismus ist der 8. Mai dieses Jahr in Deutschland ein Feiertag - und der Tag antirassistischer Mobilisierungen. Verschiedene Initiativen haben einen Tag des Zorns ausgerufen, um auf die Kontinuität der faschistischen Ideologie in Bezug des rassistischen Anschlags in Hanau aufmerksam zu machen.

Mit diesem Dossier wollen wir einen Beitrag dazu leisten, eine revolutionär-marxistische Sicht auf den Faschismus zu stärken, die als Werkzeug für die kommenden Kämpfe dienen kann.

Rechte Tendenzen sind seit Jahren auf dem Vormarsch

Die Welt befindet sich mit der COVID-19 Pandemie in einer noch nie zuvor gesehenen Krise. Alle Regierungen stellen hierbei die Profite der Unternehmen vor die Leben und Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung. Die rechten Regierungen handeln besonders kriminell, leugnen das Virus und lassen Arbeiter*innen sterben, um Profite zu sichern. Die sozialen Folgen des Virus könnten somit einen Boden für eine Stärkung der rechten Demagogie werden.

Schon vor der raschen Verbreitung des Virus sahen wir über die letzten Jahren ein Aufkommen rechter Regierungen in vielen Regionen der Welt: In Ungarn und Polen regieren rechtskonservative, rassistische und antisemitische Kräfte, in Lateinamerika haben wir mit Brasiliens Bolsonaro ein Paradebeispiel für einen rassistischen Rechtsradikalen im Dienste des US-Imperialismus. Und dann wären da natürlich noch Donald Trump und sein “kleiner Bruder” Boris Johnson.

Und der Rechtsruck geht über die Regierungswechsel hinaus: auch in vielen anderen Ländern entstanden als Antwort auf die Folgen der der Finanzkrise von 2008 rassistische und rechtsradikale Parteien mit faschistischen Elementen, wie Rassemblement National in Frankreich, die Lega Nord in Italien – und hierzulande die AfD.

Der Faschismus in Zeiten von Corona

Seit der Ausbreitung der Pandemie erreichen uns erschreckende Nachrichten aus den USA: faschistische Milizen stürmten das Parlament in Michigan, um gegen die Quarantäne zu protestieren, in Denver stellten sich Pfleger*innen heroisch gegen rechtsradikale Demonstrationen.

Diese rechte Radikalisierung während der Pandemie ist kein Zufall, sondern Produkt der kapitalistischen Krise, die in den USA bereits 26 Millionen Arbeitsplätze kostete und Kleinunternehmer*innen die Existenzgrundlage entzieht. Zerfressen von Rassismus und Nationalismus, und ohne echtes Gegengewicht in der US-amerikanischen Arbeiter*innenbewegung, die zwar in den letzten Jahren grandiose Streiks durchführte, aber immer noch fest in der Hand der bürgerlichen Parteien (und deren linken Vermittler*innen wie Bernie Sanders oder AOC) ist, wendet sich das Kleinbürger*innentum gegen die rassistisch und sexistisch Unterdrückten und die Arbeiter*innen.

Dabei müsste die Arbeiter*innenklasse die berechtigte Wut der Bevölkerung gegen den Staat und das Großkapital kanalisieren, und dabei dem Rassismus und anderen verächtlichen Ideologien keinen Fußbreit geben. Nur so kann der Rechtsruck bekämpft und der Faschismus verhindert werden. Um das schaffen zu können, ist ein Programm der Arbeiter*innenklasse notwendig, für das die Gewerkschaften und andere Organisationen in den Kampf treten können, um den verarmten Massen zu zeigen, wer ihre Verbündete und wer ihre Feind*innen sind.

Faschismus in Deutschland

Aktuell haben wir in der BRD aufgrund der relativen Stabilität noch keine bewaffneten faschistischen Milizen auf der Straße. Das liegt jedoch in erster Linie daran, dass Deutschland nicht so stark von der Pandemie betroffen ist wie die USA. Die Arbeitslosigkeit steigt zwar, doch bei weitem nicht so rasant wie in den Vereinigten Staaten. Außerdem existieren Subventionen für kleine Unternehmen, die das Kleinbürgertum momentan noch ruhig stimmen können.

Dennoch hören die faschistischen Attentate und alltägliche rassistische Gewalt in Deutschland nicht auf. Der deutsche Staat definiert die faschistischen Attentate als Einzelfälle, doch besonders seit der kapitalistischen Krise 2007/08 gibt es allerdings einen Anstieg an rassistischen Gewalttaten, die die Verstrickung faschistischer Zellen in deutschen Behörden und Repressionsorganen an die Oberfläche bringen.

Die Gewalttaten, die Hetze von AfD und Co., sowie die rassistische Gesetzgebung fördern in der Öffentlichkeit das Bild, die Migration sei der Hauptfeind der “Deutschen”. Die Entrechtung von migrantischen und nicht-weißen Menschen sei also im Interesse deutscher Arbeiter*innen und die Kosten für die Krise der Kapitalist*innen sollten demnach die “Nicht-Deutschen” tragen.

Gegen dieses Bild möchten wir mit diesem Dossier eine Perspektive für einen proletarischen Antirassismus vorstellen, um den Rechtsruck in Deutschland zu bezwingen.

Entnazifizierung: Warum es sie nicht gab und wie sie durchgesetzt werden kann

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Auf die Kontinuität zwischen der fehlenden “Entnazifizierung” nach der Niederlage des deutschen Faschismus und dem rechten Terror heute gehtAnja Bethaven hier ein.

Was ist Faschismus?

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Mit dem Rechtsruck und dem Aufstieg der AfD ist auch eine Welle brutaler rechtsextremer Anschläge über das Land gezogen. Dabei wird auch immer wieder der Begriff „Faschismus“ verwendet. Doch was verstehen Marxist*innen eigentlich unter Faschismus? Robert Samstag analysiert die historischen Ursprünge und die Entwicklung des Faschismus bis zum zweiten Weltkrieg.

Demokratie und Faschismus

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Anlässlich des 75. Jahrestages der Niederlage des deutschen Faschismus veröffentlichen wir diesen Text von Leo Trotzki, in dem er die Strategien der Arbeiter*innenparteien zur Bekämpfung des aufsteigenden Nationalsozialismus bewertet.

Partei und Unterdrückung: Warum organisieren wir uns nicht separatistisch?

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Rassismus ist allgegenwärtig, doch in seiner Bekämpfung tauchen unterschiedliche Konzeptionen auf. Wie sollten sich vom Rassismus betroffene Menschen in Deutschland organisieren, um sich gegen Rassismus und Kapitalismus zu wehren? Wie soll in der Hinsicht die Beziehung zwischen Partei und Unterdrückten aussehen? Baran Serhad erklärt in diesem Text, warum der erfolgreiche Kampf gegen Rassismus eine parteiische Einheit mit den weißen deutschen Arbeiter*innen voraussetzt.

Waren die deutschen Arbeiter*innen Schuld am Faschismus?

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Die Deutschen als Ganzes sind am Nationalsozialismus Schuld? Liegt es vielleicht sogar in unseren Genen, oder zumindest in unserer Kultur? In diesem Artikel debattieren Andrea Robles und Gabriela Liszt mit der herrschenden Position, die die Schuld des deutschen Volkes am Nationalsozialismus feststellt und erklären, woher diese These kommt, und wem sie nützt.

Der 8. Mai und der deutsche Staat: Eine kurze Geschichte

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Gastautor Max van Beveren macht eine Bestandsaufnahme des 8. Mai über die BRD-Geschichte: vom letzten Tagesordnungspunkt zum offiziellen Gedenken, von der „Gnade der späten Geburt“ zu Bitburg. Ein Plädoyer für antifaschistischen Kampf.

 

Artikel zum Weiterlesen

Rassistische Gewalt in Deutschland wird vom Staat verharmlost und als “Einzelfälle” dargestellt, wie unter anderem die Attentaten in Halle und Hanau zeigen. Währenddessen haben faschistische Zellen in Polizei und Bundeswehr freie Hand und der Verfassungsschutz verdeckt das rechte Auge. Einige unserer älteren Artikel sind eine gute Ergänzung zu diesem Dossier, auf die wir hier hinweisen wollen:

#Hanau: Über die Anatomie des rechten Terrors und die antifaschistische Antwort

Der faschistische Anschlag in Hanau steht exemplarisch für den Ausnahmezustand von Migrant*innen in Deutschland. Die bisherigen Versuche des Staates, die Anschläge als bloße Einzelfälle darzustellen, haben die Entwicklung des rechten Terrors verharmlost. Was braucht die Empörung nach Hanau für einen politischen Ausdruck?

Rechtsruck, Imperialismus und Klassenkampf

Baran Serhad diskutiert in diesem Beitrag, warum Rechtsruck und Imperialismus miteinander zusammenhängen, und warum eine konsequente Antwort auf den rechten Terror eine antiimperialistische Politik gegen den Staat und gegen die ihn stützenden Bürokratien entwickeln muss. Dafür muss die Arbeiter*innenklasse ihre von der Bourgeoisie aufgezwungene Fragmentierung politisch und im Kampf überwinden.

Wie ist ein Generalstreik gegen Rassismus möglich?

Suphi Toprak erklärt in diesem Artikel, warum und wie ein Generalstreik gegen den rechten Terror möglich ist:Wer heute an der Aufklärung der Morde und an der Verhinderung zukünftiger rassistischer Anschläge interessiert ist, muss den Generalstreik anwenden, weil er nicht bloß an die Moral der Menschen appelliert, er nicht nur ein unbedeutender parlamentarischer Antrag unter tausenden ist, während die AfD in Thüringen sich durch ihre Verbindung zu FDP und CDU auf eben dieser Ebene zu legitimieren begann. Umgekehrt zeigt der Generalstreik, welche mächtigen Mittel die arbeitenden Menschen selbst haben, um konkrete Entwicklungen in Deutschland zu ermöglichen.

Podcast: Generalstreik gegen Rassismus und Kampf gegen Faschismus

Die Angriffe der Regierung und rechter Terror gegen die Arbeiter*innenklasse und Migrant*innen anhand der kapitalistischen Krise verschärfen sich. Anlässlich der Niederlage des deutschen Faschismus vor 75 Jahren am 8. Mai, stellen wir ein Dossier für den Kampf gegen Faschismus vor. Hier ist ein Radiobeitrag von unserer Genossin Inés bei Kanak Attak Leipzig zum Thema.

Antisemitismus, Antizionismus und Revolution

Antisemitische Ideologien sind in Krisenzeiten populär: Pegida und Co. zeugen davon. Viele Linke setzen dem wenig entgegen, ja selbst innerhalb der Linken haben antisemitische Ideen Einfluss. Welche Funktion Antisemitismus im heutigen Kapitalismus erfüllt und wie wir ihn bekämpfen können, wollen wir in einem insgesamt vierteiligen Artikel erklären. Die Artikelreihe Antisemitismus, Antizionismus und Revolution beschäftigt sich mit den historischen Grundlagen und aktuellen Ausformungen des Antisemitismus und mit welchem Programm er bekämpft werden kann. Im vierten Teil präsentieren wir ein Programm für einen revolutionären Antizionismus.

Trotzkist*innen im Kampf gegen den Faschismus

Bereits mehrere Jahre vor der Machtergreifung Hitlers warnten Trotzki und die von ihm angeführte Linke Opposition vor den Gefahren einer falschen Politik gegenüber des Faschismus. Der zweite Weltkrieg war kein Krieg zwischen Faschismus und Demokratie, sondern ein Krieg zwischen imperialistischen Mächten um die Neuaufteilung der Welt. In vielen Ländern kämpften Trotzkist*innen dafür, dass der Krieg durch eine sozialistische Revolution beendet wird.

Die Befreiung von Buchenwald und die Erklärung der internationalistischen Kommunist*innen

Die Internationalen Kommunist*innen Buchenwalds, Mitglieder der Vierten Internationale, setzen nicht etwa auf das Bündnis mit dem „demokratischen“ Imperialismus, sondern auf die unabhängige Organisierung der Arbeiter*innenklasse in ganz Europa, mit der Perspektive eines „Räte-Deutschlands in einem Räte-Europa“. Die Buchenwalder Trotzkist*innen, die sich auch im Lager vor Stalins Anhänger*innen in Acht nehmen müssen, bekommen von einigen Häftlingen Zuspruch.

Buchempfehlung: Arbeiter und Soldat, Wladek Flakin

“Arbeiter und Soldat” war eine deutschsprachige Zeitung für Wehrmachtssoldaten im besetzten Frankreich. Die “Werktätigen in Uniform” wurden aufgefordert, sich in geheimen Zellen zu organisieren, “Kurs auf die Revolution” zu nehmen und ihre Waffen gegen die Nazis zu drehen. Mehrere Dutzend Soldaten am Kriegshafen von Brest bildeten solche Soldaten-Komitees. Der Redakteur dieser Zeitschrift war ein Berliner Jude, den seine Genossen “Viktor” nannten. Kurz vor der Befreiung von Paris wurde Viktor von der Gestapo ─ gleich zweimal ─ erschossen.

Unser Genosse Wladek Flakin erzählt in dieser Biografie von einem anfänglich zionistischen Jugendkader in Berlin, der im belgischen und französischen Exil zu einem führenden Mitglied der trotzkistischen Vierten Internationale wurde. Selbst sein genauer Name war bis vor Kurzem noch unbekannt. Inzwischen weiß man, dass sein Name Martin Monath war. In Berlin-Kreuzberg erinnert nun ein Stolperstein an ihn.

In der Tradition der Revolutionär*innen wie Martin Monath und Abraham Léon kämpfen wir dafür, in Deutschland und international eine revolutionäre Kraft aufzubauen, die sich gegen jegliche Unterdrückung und faschistische Reaktion, sowie gegen deren Ursache – den Imperialismus und Kapitalismus stellt. Mit unserer Zeitung wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dieses Erbe wiederzubeleben.

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