Die Welt im Jahr 2018 (Teil 1): Wirtschaftliche Spannungen und politische Instabilität
Bei der XI. FT-Konferenz haben wir in mehrtägigen Debatten die internationale politische und wirtschaftliche Situation betrachtet. In Teil 1 dieser dreiteiligen Analyse beschäftigen wir uns unter anderem mit den widersprüchlichen Tendenzen der Weltwirtschaft und der Bedeutung von Trumps Präsidentschaft.
Im vergangenen Jahr argumentierten wir, dass Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus und allgemeiner gesprochen der Aufstieg nationalistischer Tendenzen in den zentralen Ländern – Brexit, euroskeptische fremdenfeindliche Parteien, „Souveränismen“ – aufzeigt, das der Konsens der neoliberalen Globalisierung erschöpft ist. Dieser war nach den Prozessen der kapitalistischen Restauration in Russland und China hegemonial geworden. In den letzten Jahrzehnten hatten die Vereinigten Staaten mittels multilateraler Gremien wie die WTO die Führung inne, was dem amerikanischen Kapital maximalen Nutzen garantierte, aber auch Verbündeten und Konkurrent*innen der USA wie Deutschland, Japan und später China zugute kamen (wenn auch nicht ohne Streitigkeiten und Krisen). Diese (neoliberale) Ordnung geriet infolge der Großen Rezession von 2008 in eine Krise, die eine tiefe soziale und politische Polarisierung hinterließ.
Ungeachtet der Widersprüche bei der Umsetzung seines nationalistischen Programms hat Trump die internationale Agenda verändert, indem er den Konflikt zwischen „Nationalstaaten“ auf Kosten der Globalisierungstendenzen wieder ins Zentrum gerückt hat. Das bedeutet nicht, dass sich die USA innerhalb ihrer nationalen Grenzen zurückziehen würden, sondern im Gegenteil dass sie ihr nationales Interesse aggressiver zu Lasten anderer verfolgen.
Der Slogan „America First“, der diesen Positionswandel zusammenfasst, bedeutet, bilateralen Abkommen den Vorrang einzuräumen, um größere Zugeständnisse zu erringen und multilaterale Gremien wie die WTO zu modifizieren (oder letztendlich irrelevant werden zu lassen). Denn obwohl deren Regeln in erster Linie zugunsten des US-Kapitals aufgestellt wurden, hätten sie aus Trumps Position heraus letztlich für die USA „unfaire“ Handelspraktiken begünstigt. Damit hätten sie Chinas Aufstieg zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt erleichtert, ohne dass China zur Veränderung ihres staatsgelenkten Kapitalismus gezwungen worden wäre.
Es ist noch nicht klar, ob Trump diese nationalistische Politik durchsetzen kann und ob sie dem US-Imperialismus einen qualitativen Vorteil verschaffen wird. So wurde beispielsweise der Rückzug des Trans-Pazifik-Vertrags von China sofort ausgenutzt. Auch die Neuverhandlung der NAFTA mit Kanada und Mexiko steht noch aus. Und das Handelsdefizit der USA wuchs im Jahr 2017 um 12,1%. Aber es ist eine Tatsache, dass sich diese nationalistischen Tendenzen im letzten Jahr vertieft haben und nun in der internationalen Situation den Ton angeben. Diese ist durch wirtschaftliche Spannungen und geopolitische Instabilität gekennzeichnet, auch wenn sich die globalisierte Struktur der Wirtschaft und des Welthandels weiter entwickelt hat. Insofern stehen wir vor einem Szenario größerer Rivalitäten, wachsender Bedrohung durch Handelskriege und eskalierender regionaler Konflikte mit Beteiligung von Großmächten.
Die Einführung von Zöllen von 25% auf Stahlimporte und 10% auf Aluminiumimporte durch die Trump-Regierung scheint ein Sprung in diese Richtung zu sein, obwohl Mexiko und Kanada, mit denen das NAFTA neu verhandelt wird, neben anderen Staaten vorerst davon ausgenommen sind. Vor allem handelt es sich um einen riskanten Präzedenzfall, einen Handelsstreit zu einem „nationalen Sicherheitsproblem“ zu machen. Es ist nicht das erste Mal, dass ein US-Präsident einseitige Zölle erhebt, selbst der „multilaterale“ Obama hat dieses Instrument gegen China eingesetzt. Allerdings sind der Kontext und die allgemeine Ausrichtung der Regierung anders. Deshalb weckt diese protektionistische Maßnahme – im Gegensatz zu anderen kleinen Maßnahmen, die Trump im ersten Jahr seiner Regierung ergriffen hat – die Befürchtung, dass sie der Beginn einer Eskalation ist, die zu einem Zollkrieg führen könnte, wenn die Betroffenen mit Strafmaßnahmen auf US-Exporte reagieren, selbst wenn Trump diese Zölle nur als harte Verhandlungsmethode einsetzt.
Widersprüche und Instabilität in der Weltwirtschaft
In der Weltwirtschaft zeichnen sich zwei scheinbar widersprüchliche Tenzenden ab. Einerseits war das Wachstum im Jahr 2017 höher als in allen Jahren nach der Krise 2008/09 und es gab einen gleichzeitigen Anstieg in den USA, China, Japan und Europa – obwohl nur die beiden letztgenannten über dem Durchschnitt der Periode wuchsen. Andererseits ist das überbordende Wachstum der Aktienmärkte und Kapitalanlagen, das in den USA, Japan und China – wie auch in mehreren lateinamerikanischen Ländern – im Jahr 2017 seinen Höhepunkt erreichte und zu Beginn dieses Jahres die höchsten Stände des letzten Jahrzehnts erreichte, der Auslöser für den Fall der Wall Street im Februar. Dieser dauerte zwar nur wenige Tage, war aber überraschend intensiv. Obwohl dieser Rückgang eingedämmt wurde, entstand in den Vereinigten Staaten eine Situation der Instabilität, die sich auf alle Aktien- und Finanzanlagenmärkte der Welt auswirkte. Ihr weiterer Verlauf ist noch nicht vorhersehbar
Doch diese beiden Tendenzen stehen eben nur scheinbar im Widerspruch zueinander. Die Überschwänglichkeit des Aktienmarktes beruht auf der Schwäche der realen Fundamente der Wirtschaft wie den Investitionen, der Produktivität und dem Welthandel. Auch wenn sich diese im Jahr 2017 verbessert haben, liegen sie weiterhin deutlich unter dem Niveau der Periode vor der Krise 2008/09. Der Unterschied in der Geschwindigkeit zwischen dem sehr langsamen Wachstum der Wirtschaft und dem sehr schnellen Wachstum der finanziellen Vermögenswerte vergrößert die Kluft zwischen dem Preis dieser Vermögenswerte und den realen Unternehmensgewinnen, die sie stützen. Der Kurs der Aktien löst sich tendenziell zunehmend vom tatsächlichen Gewinn der Unternehmen. Dieses Verhältnis lag in den Vereinigten Staaten im Jahr 2016 bereits bei 27 zu 1 und 2017 unter der Trump-Regierung erreichte es 31 zu 1. Das ist mehr als das Verhältnis, welches 2007 kurz vor Beginn der Krise festgestellt wurde. Diese Kluft drückt die Knappheit der Quellen für lukrative Neuinvestitionen aus. Sie ist die Grundlage für die strukturelle Instabilität und der wesentliche Inhalt der bürgerlichen These der „säkularen Stagnation“.
Zu den unmittelbaren Ursachen der finanziellen Instabilität gehörten der Wechsel der Führung der US-Notenbank Federal Reserve, sowie realwirtschaftliche Daten wie ein leicht über den Erwartungen liegendes vierteljährliches BIP-Wachstum und eine leichte Lohnerhöhung in den USA. Der Ursprung der finanziellen Instabilität ist dabei mit der Befürchtung verbunden, dass die US-Notenbank unter der Regierung Trump die kurzfristigen Zinssätze über die für dieses Jahr geplanten drei Erhöhungen hinaus anheben wird. Der Anstieg könnte aufgrund des starken Anwachsens des Haushaltsdefizits notwendig werden, das sowohl aus der großen Steuersenkung resultiert, die zumeist die reichsten 1% der Bevölkerung begünstigt, als auch aus der Haushaltserhöhung, die zu einem erheblichen Teil den Militärausgaben zugute kommt. Obwohl die Möglichkeit einer Periode höherer Inflation noch nicht ausgemacht ist, argumentieren einige Analyst*innen in diese Richtung: Während die letztliche Ursache der Deflation in den letzten Jahren mit der Rolle Chinas und seiner Tendenz zur Überproduktion von Waren zusammenhänge, könnten die neuen internen Pläne der Pekinger Bürokratie, sowie größere protektionistische Tendenzen den Inflationsdruck erneuern. In einem solchen Kontext wäre eine künftige Kombination aus höherer Inflation, steigenden Defiziten und höheren Zinsen nicht unmöglich.
Über die erklärenden Faktoren hinaus ist jedoch hervorzuheben, dass bei einem deutlichen Anstieg der Zinsen über das Erwartete hinaus die Unternehmensschulden zu einem schwerwiegenden Problem werden könnten. Diese sind zusammen mit den Staatsschulden in den letzten Jahren deutlich angestiegen, im Gegensatz zur relativen Entschuldung insbesondere des US-Finanzsektors und der Privathaushalte. Dieses Problem betrifft Europa, China und die Vereinigten Staaten und könnte zum Bankrott wichtiger Wirtschaftszweige führen. Zum anderen haben die geplanten Zinserhöhungen bereits jetzt zweifellos negative Auswirkungen auf Volkswirtschaften der Halbkolonien im Allgemeinen und im Besonderen auf die stärker verschuldeten lateinamerikanischen Volkswirtschaften, beziehungsweise jene, die stärker von den Finanzmärkten abhängig sind wie Brasilien und Argentinien. Insofern könnten deutlich höhere Steigerungen als die vorgesehenen in diesen Ländern katastrophale Auswirkungen haben. Gleichzeitig würden sie sich negativ auf die Rohstoffpreise auswirken, die derzeit für viele lateinamerikanische Länder ein Faktor der relativen Stabilität sind.
Generell sind die Grenzen der Geldpolitik in den zentralen Ländern weitgehend das Ergebnis der Unfähigkeit Chinas, so weiter zu wachsen wie bisher. Diese Einschränkung trat um 2014 herum ein und ist weitgehend die Grundlage der wachsenden nationalistischen Tendenzen in China und den Vereinigten Staaten – aber auch in der Europäischen Union, Russland und anderen Ländern, die sich in steigenden geopolitischen Spannungen und Elementen von Handelskriegen äußern. Auf diese Elemente werden wir später zurückkommen.
„Indirekt“ scheint Trumps Politik der Erhöhung der Staatsausgaben und der mittelfristigen Reduzierung oder Eliminierung der monetären Stimuli darauf abzuzielen, „auf seine eigene Art“ auf die moderateren Empfehlungen des „globalistischen“ und neukeynesianischen Mainstreams zu reagieren. Dieser besteht seit langem sowohl auf der Notwendigkeit einer Politik zur Bekämpfung der „unhaltbaren“ Zunahme der Ungleichheit, als auch darauf, dass der seit zehn Jahren andauernde Konjunkturzyklus zu Ende gehen könnte und dass in diesem Fall eine Rezession nicht mit extrem niedrigen Zinsen abgewendet werden kann. Die permanente politische Unsicherheit, die Trump hervorgerufen hat – einschließlich der Tatsache, dass es oft keine klar vereinheitlichte Linie zwischen dem Finanzministerium, der Notenbank und dem Weißen Haus zu geben scheint –, machte jedoch den maßvollen und konservativen Umgang mit Instabilitäten, der für das Establishment in der Zeit nach Lehman so charakteristisch war, den Garaus und könnte sich in einen Faktor für den Ausbruch der wachsenden wirtschaftlichen Widersprüche verwandeln.
Kurz gesagt: das größere Wachstum der Weltwirtschaft ist nicht in der Lage, zu den Werten vor der Krise zurückzukehren und die Widersprüche, die die Schwächen der letzten zehn Jahre kennzeichneten, bleiben bestehen. Der anhaltende Aufschwung ist bescheiden und reicht nicht aus, um die tiefgreifenden wirtschaftlichen, politischen und sozialen Folgen der Großen Rezession von 2008/09 rückgängig zu machen. Was Unternehmen und internationale Organisationen wie die OECD, den IWF und die Weltbank beunruhigt, sind sowohl die Prognosen eines Rückgangs des Wachstums in den zentralen Ländern, das in den nächsten zwei Jahren auf das niedrigste Niveau der gesamten Post-Lehman-Periode zurückkehren würde, als auch die politischen Folgen der wirtschaftlichen Schwäche. Dazu gehört die Gefahr, dass eine Verschärfung von Handelsstreitigkeiten, nationalistischen Tendenzen und außerökonomischen Faktoren wie einer großen geopolitischen Krise (Nordkorea, Naher Osten) oder politischen Phänomenen die Wirtschaft destabilisiert. Die jüngsten Zollankündigungen der Trump-Regierung oder die komplexen Verhandlungen um den Brexit, die die Widersprüche Großbritanniens mit der EU und die politische Krise der Tory-Regierung von Theresa May vertieft haben, sind klare Beispiele dafür.
Tendenzen zu organischer Krise, senilem Neoliberalismus und Klassenkampf
Aus theoretischer Sicht haben wir diese Situation nach der Krise 2008 definiert als die Entwicklung von Tendenzen zur „organischen Krise“ in mehreren Ländern, einschließlich imperialistischer Mächte wie den Vereinigten Staaten und Großbritannien. In rückständigen oder halbkolonialen Ländern wie Brasilien oder Südafrika kam diese organische Krise offen zum Ausdruck, wobei Venezuela der extremste Fall ist.
Zu den „klassischen“ Kategorien, die wir revolutionären Marxist*innen benutzen, um Situationen zu analysieren, fügen wir die Kategorie der „organischen Krise“ von Antonio Gramsci hinzu. Damit beschreiben wir Zwischensituationen (zwischen nicht-revolutionären und vorrevolutionären oder direkt revolutionären Situationen), eröffnet durch die sozialen und politischen Folgen der Krise von 2008, in der sich Elemente der Krise der bürgerlichen Hegemonie entwickeln, aber ohne dass Klassenkampf und massenhafte politische Radikalisierung zu allgemeinen Tendenzen werden (obwohl es akute Prozesse wie den Arabischen Frühling gegeben hat). Diese Situationen sind weitgehend darauf zurückzuführen, dass die Bourgeoisie durch staatliche Intervention ein katastrophales Szenario ähnlich der Krise von 1930 vermeiden konnte und die Krise mehrere Jahre lang als schleichende Krise andauerte.
In der gegenwärtigen internationalen Situation herrschen die Elemente der organischen Krise vor, die sich politisch in der Krise der traditionellen bürgerlichen Parteien (der „extremen Mitte“) ausdrückt, die als Agenten neoliberaler Anpassungen und Angriffe angesehen werden.
Die materielle Grundlage dieser Krise ist die Polarisierung, die aus der obszönen Konzentration von Reichtum und der Ungleichheit resultiert, die sich mit der Krise von 2008 vertieft haben. Laut einem Bericht der Credit Suisse besaßen 2017 0,7% der erwachsenen Weltbevölkerung 50,1% des globalen Wohlstands, während 70% der Weltbevölkerung im erwerbsfähigen Alter nur 2,7% besaßen.
Auf dieser Grundlage entstehen neue „populistische“ politische Phänomene, sowohl auf der rechten Seite (fremdenfeindliche Parteien in Europa) als auch auf der linken Seite. Letztere äußern sich in der Entstehung von neo-reformistischen Strömungen mit Massengewicht wie Podemos, Syriza, Momentum in der Labour Party, die Democratic Socialists of America (DSA) in den Vereinigten Staaten, France Insoumise von Jean-Luc Mélenchon, Frente Amplio in Chile und anderen. Jüngstes Beispiel für diese Krise sind die Wahlen in Italien, wo die beiden am meisten gewählten Parteien die Lega Nord (die sich einfach als Lega präsentierte) und die 5-Sterne-Bewegung sind.
Das bedeutet nicht, dass es keine bürgerlichen Versuche gibt, diese Situation von rechts zu überwinden (Macron in Frankreich oder Ciudadanos im Spanischen Staat könnten Beispielet sein). Es bedeutet auch nicht, dass es keine kapitalistischen Angriffe wie Arbeits- oder Rentenreformen gäbe. Doch die aktuellen Angriffe haben den Widerspruch, dass die Regierungen, die sie umzusetzen versuchen, generell schwach sind und bereits auf Widerstand stoßen. Auch wenn diese Reformen (wie z.B. die Arbeitsmarktreform in Brasilien) verabschiedet werden, sind sie Ausdruck eines senilen, nicht-hegemonialen Neoliberalismus. Dieser tendiert dazu, die soziale und politische Polarisierung nur noch weiter zu vertiefen, was letztlich günstigere Bedingungen für die Entwicklung akuter Prozesse des Klassenkampfes und politischer Radikalisierung schaffen könnte.
Deshalb ist unser Gebrauch der Kategorie „organische Krise“ der Vorstellung von denjenigen entgegengesetzt, die aus ihr eine chronische Krise machen, ohne zwischen Kräfteverhältnissen oder wechselnden Situationen zu unterscheiden. Dasselbe gilt für diejenigen, die sie benutzen, um die Perspektive der Revolution zu leugnen, indem sie argumentieren, dass die herrschenden Klassen in jedem Fall entweder einen „Reformisten“ oder einen Bonaparte finden, um die Krise zu beenden. Im Gegenteil, für uns beinhaltet die „organische Krise“ sowohl die Versuche der Bourgeoisie, sie zu schließen – inklusive Angriffe auf Arbeiter*innen und bonapartistische bis gar konterrevolutionäre Wendungen –, als auch eine Reaktion der Massen und perspektivisch historische und unabhängige Aktionen der Ausgebeuteten, d.h. die Schaffung von Bedingungen für die Entwicklung klassischer vorrevolutionärer oder revolutionärer Situationen.
Trumps erstes Jahr: eine schwache bonapartistische Regierung mit großen Widersprüchen
Als Trump die Wahl gewann, war die große Frage, ob der neue Bewohner des Weißen Hauses seiner Präsidentschaft einen „revolutionären“ Kurs geben würde oder ob er sich von den großen Machtfaktoren, die ihm entgegenstanden, zähmen lassen würde. Die Bilanz des ersten Regierungsjahres ist gemischt. Trump konnte seine ehrgeizigste Wahlkampfagenda weder innen- noch außenpolitisch umsetzen, wurde aber auch nicht neutralisiert. Ersteres zeigt sich z.B. darin, dass die im ersten Jahr durchgeführten „protektionistischen“ Maßnahmen zu Teilmaßnahmen führten, die eher auf die lokalen Industrielobbys als auf eine Gesamtstrategie reagierten. Letzteres kommt in der jüngsten Einführung von Zöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte zum Ausdruck. Dies verleiht der politischen Situation einen sprunghaften Charakter. Die Antwort auf diese widersprüchlichen Tendenzen, die sich aus Spaltungen innerhalb der herrschenden Klasse und ihrer Parteien ergeben, war die Vertiefung der bonapartistischen Züge der Regierung.
Der „Trump-Faktor“ wurde im ersten Jahr seiner Präsidentschaft durch verschiedene Elemente eingedämmt: die Rückschläge im Kongress und am Obersten Gerichtshof, die Feindseligkeit der Republikanischen Partei, der Druck verschiedener Flügel des Staatsapparates (insbesondere des FBI im „Russiagate“) sowie der Druck von Großkonzernen, die sich in eine aktive Opposition gegen diejenigen Maßnahmen begaben, die gegen ihre Interessen liefen. Dies bedeutet nicht, dass der Präsident sein Programm aufgegeben hat, wie die Zölle auf Stahl und Aluminium zeigen, sondern dass er sich eher als pragmatisch denn als „ideologisch“ im Regieren erwiesen hat.
Der Rauswurf von Steve Bannon, dem militanten „populistischen“ Ideologen der „Alt Right“, sowie das entscheidende Gewicht, das das Militär in Trumps Regierung erlangte, reichten nicht aus, um die Streitigkeiten im Weißen Haus und die Spannungen in der Republikanischen Partei zu beenden. Stahl- und Aluminiumzölle gaben erneut den Ausschlag zugunsten von „Protektionisten“ (Handelsbeamte wie Wilbur Ross und Peter Navarro) gegen „Globalisten“, was mit dem Rücktritt von Gary Cohn endete – einem Demokraten und ehemaligen Manager von Goldman Sachs, der Trumps Wirtschaftsberater war. Die Maßnahme bringt auch die Metallindustrie-Lobby (einschließlich der Gewerkschaftsbürokratie) gegen andere Industrien in Stellung, die mehr für den von ihnen verbrauchten Stahl bezahlen müssten. Und sie eröffnete eine Krise in der Republikanischen Partei, die ein Verfechter des Freihandels ist und nach Wegen sucht, diese protektionistische Initiative auszubügeln.
Kurzum, die Spaltungen im Weißen Haus und im politischen Establishment drücken die Streitigkeiten innerhalb der herrschenden Klasse und der Staatsbürokratie sowie die soziale Polarisierung aus, zwischen denen Trump zu vermitteln versucht. Dazu stützt er sich auf den militärischen Flügel der Regierung, manchmal gerieht er aber auch in Streitigkeiten mit ihm, so wie bei den Zollmaßnahmen, die US-Verbündete betreffen. Insgesamt agiert er aber immer noch mit einer irrigen und pragmatischen Politik. Die Entlassung von R. Tillerson und seine Ablösung durch Mike Pompeo stärkt erst einmal unmittelbar den Sektor, der vollständig hinter dem Präsidenten steht. Diese Schwankungen zeigen, dass die Trump-Regierung eine schwache bonapartistische Regierung mit einer schmalen sozialen Basis und einem sehr unbeliebten Präsidenten bleibt, was sie relativ instabil macht.
Im vergangenen Jahr arbeitete die wirtschaftliche Entwicklung zu Gunsten von Trump und dämpfte den Konflikt zwischen den protektionistischen Tendenzen der Regierung und dem stärker globalisierten Unternehmenssektor. Obwohl die durchschnittliche Wachstumsrate von knapp über 2% weit von den von der Regierung prognostizierten 3,1% pro Jahr entfernt ist und näher an den mittelmäßigen Prognosen der internationalen Agenturen liegt, ist die Arbeitslosenquote weiter gesunken und lag bei etwa 4,1% (vor allem durch die Schaffung von Arbeitsplätzen mit sehr schlechten Bedingungen und ohne diejenigen zu zählen, die nicht mehr nach Arbeit suchen). Parallel erreichte Wall Street ein Rekordwachstum, zu dem sie nach dem Absturz im Februar zurückkehrte, was vor allem für große Technologieunternehmen fabelhafte Gewinne ermöglichte.
Trumps wichtigster Sieg war die Steuersenkung für die aller Reichsten im Dezember letzten Jahres, die die Körperschaftssteuer von 35 auf 21% reduziert, und einmalige ausländische Gewinne, die in die Vereinigten Staaten zurückkehren, mit einer Rate zwischen 8 und 15% besteuert. Dieser Mega-Steuererlass zugunsten der Reichen – die in ihrem Ausmaß mit der Steuerreform von 1986 unter Reagan verglichen wird – wird ein Steuerloch von 1,5 Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren bedeuten.
Dieses Geschenk an die reichsten 1% hatte eine doppelt positive Wirkung für Trump. Seit der Reagan-Ära ist die Politik der Steuersenkung Teil der DNA der Republikanischen Partei, die den Präsidenten dabei ohne Widerspruch begleitete, obwohl sie in ihren Wahlkampagnen oder in der Opposition die „Falken“ des Haushaltsdefizits spielen. Darüber hinaus trug die Steuerreform dazu bei, die Beziehungen zwischen der Regierung und den großen Konzernen im Silicon Valley zu verbessern, die den unternehmerischen Widerstand gegen den Trumpismus verkörpert hatten. Apple hat bereits angekündigt, dass es 38 Milliarden Dollar an Steuern zahlen wird, um Gewinne in die USA zurück zu bringen, und dass es 20.000 Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten schaffen wird. Der Konzern hat sich sich sogar der Demagogie bedient, als er versprach, dass er einen zusätzlichen Bonus an seine Angestellten zahlen wird. Nichtsdestotrotz kann nicht behauptet werden, dass die Unternehmen nun große Investitionen tätigen würden (die vorherigen Kürzungen zeigen eher das Gegenteil an), auch wenn die Erleichterung der Geldwäsche im Sinne des nationalistischen Programms von Trump zur Rückführung von US-Kapital ist, das sich jetzt im Ausland befindet. Trotz dieser Maßnahmen hat das Establishment weiterhin großes Misstrauen gegenüber Trump.
Ein anderer Punkt, den sich die Regierung gutschreibt, ist die Zustimmung beider Parteien zum Bundeshaushalt 2019, der eine astronomische Zunahme des Haushaltsdefizits von 3,2 auf 7 Billionen US-Dollar im kommenden Jahrzehnt vorsieht. Die Militärausgaben sind dabei ein zentraler Bestandteil. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahmen sind noch nicht klar, obwohl die meisten Ökonom*innen darin übereinstimmen, dass sie zwar kurzfristig zu einem Wirtschaftswachstum beitragen können, mittel- und langfristig aber die Wirtschaft mit einem erheblichen Anstieg der Staatsverschuldung von 77% des BIP auf 109% bis 2027 belasten könnten.
Die Demokraten haben, wie in der Haushaltsabstimmung gesehen, die Regierungsfähigkeit der Trump-Administration sichergestellt. Die Republikaner versuchen, den Präsidenten unter Kontrolle zu halten – mit einem Auge auf die Halbzeitwahlen, bei denen die Demokratische Partei die Kontrolle über eine der beiden Kammern übernehmen will. Die Eskalation von „Russiagate“ ist ein Zeichen dafür, wie weit die Krise gehen kann: In ihr stehen das FBI und die CIA in einer Geheimdienstoperation zugunsten von Hillary Clinton gegenüber von Trump in einer Verschwörung mit Putin für seinen Sieg bei den Wahlen 2016. Der Vorläufer einer politischen Nutzung der „Geheimdienstgemeinschaft“ war nichts Geringeres als der Watergate-Skandal, der Nixon schließlich seine Präsidentschaft kostete.
In Teil 2 dieser Analyse stehen die strategischen Vorbereitungen der USA auf einen Kampf zwischen den Großmächten im Vordergrund.