Die Tribute von Panem – Filme aus der Welt der AfD?

03.12.2015, Lesezeit 4 Min.
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[SPOILERWARNUNG!] Neun Stunden und acht Minuten – so lange dauern die vier Teile der Serie "Die Tribute von Panem" insgesamt. Hier kämpft eine mutige junge Frau gegen das System, am Ende führt sie sogar eine Revolution an. Also ein linker Film? Von wegen. Dahinter steckt ein absurd konservatives Weltbild.

Es fängt mit einer Satire auf das Reality-TV an: Die Hungerspiele wirken wie eine Extremform des „Dschungelcamps“. Sollten wir uns nicht als Gesellschaft dafür schämen, dass Millionen Menschen einschalten, um sich von menschlichem Leid und Erniedrigung unterhalten zu lassen? Wie weit wollen wir das eigentlich treiben?



Im Jahr 2000 führte ein japanischer Film diesen Gedanken zu Ende: In „Battle Royale“ werden Schüler*innen gezwungen, sich gegenseitig umzubringen. Dem ersten Teil der „Tribune von Panem“ fehlt jedoch dieser Mut: Es geht um Kinder, die andere Kinder umbringen müssen, und dennoch werden die brutalen Taten nicht gezeigt.



Bis zum zweiten Teil der Reihe hat sich das Thema gewandelt: Jetzt geht es um die Rebellion gegen ein ausbeuterisches System. Für ein Hollywood-Film ist erstaunlich, dass Frauen die zentrale Rollen einnehmen: Da ist nicht nur Jennifer Lawrence als knallhärteste Kämpferin überhaupt, sondern auch Julianne Moore als Kommandantin des militärischen Aufstandes.



Doch die Botschaft der Rebellion wird verdorben, weil dem Film jeder Feinsinn fehlt. „Rebellion ist gerechtfertigt!“ proklamieren die Produzent*innen, in den Worten Maos. Doch rebelliert werden darf nur gegen das reine, uneingeschränkte Böse eines Präsidenten Snow, also gegen einen Herrscher, der aus Spaß und Vergnügen seine Untertan*innen quält.



Das Problem ist, dass unsere realen Herrscher*innen in der Regel nicht so transparent sind. Sie begründen ihre Herrschaft mit wichtig klingenden „Werten“ und beängstigenden Drohungen. Sie verstecken die Diktatur einer winzigen Minderheit von Kapitalist*innen hinter einer komplizierten Inszenierung der parlamentarischen Demokratie.



Also wenn der Herrscher von Panem Kinder bombardiert, dann sagt er auch ganz offen, dass es um den Erhalt seiner Macht geht – dann ist klar, dass wir gegen ihn kämpfen müssen. Doch wenn die Herrscher*innen der USA oder der EU Kinder bombardieren, dann wollen sie eigentlich gegen den Terrorismus gekämpft haben und da gibt es nunmal Kollateralschäden und und und – tja, und müssen sie dann gestürzt werden?



Der letzte Teil der Filmserie versucht, ein paar Grautöne in dieses Schwarz-Weiß-Weltbild einzufügen, als die Kommandantin der Rebellion nach ihrem Sieg von rein gut zu rein böse mutiert. Plötzlich will sie doch keine freien Wahlen mehr durchführen lassen – sie will sogar neue Hungerspiele veranstalten. Die banale Botschaft dahinter: „Macht macht korrupt“. Und die Lösung, die der Film findet, lautet: „Demokratie“.



Nach fast neun Stunden erleben wir ein paar Sekunden dieser „Demokratie“, als Paylor – die praktisch keine Rolle gespielt hat – als neue Präsidentin vereidigt wird. Doch wir erfahren gar nichts darüber, ob ihre Herrschaft das Leben der einfachen Menschen besser macht. Hat sich die Rebellion überhaupt gelohnt? Wir sehen nur, dass Plutarch – ein dubioser Politiker mit unklarer Agenda – weiterhin die Strippen zieht. (Soviel zu den Frauen – im Hintergrund bleibt ein Mann an der Macht.)


Aus Frustration über dieses politische System ziehen sich die beiden Protagonist*innen zurück in ihren zerstörten Distrikt, um dort in perfekter Isolation ihr Lebensende abzuwarten. Sie haben nicht mal Nachbar*innen – sie leben von der Natur, ohne jegliche gesellschaftliche Interaktion. Im Epilog sehen wir sie als heterosexuelles Paar mit zwei kleinen Kindern. Ihr Glück finden sie auf die einzige Art, wie es in diesem reaktionären Universum möglich ist: in der Kernfamilie.



Der Film spielt also mit Bildern jugendlicher Rebellion, um letztendlich ein Weltbild zu vermitteln, das selbst innerhalb der AfD ein bisschen absurd wirken dürfte: Man hat so viel Abneigung vor der Politik, so viel Angst vor dem gesellschaftlichen Fortschritt, dass man sich am Liebsten komplett aus der Gesellschaft zurückziehen würde. Was für reaktionäre Filme!

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