Die Treuhand – Signas und Benkos heimliches Vorbild?
Was haben 30 Jahre Wiedervereinigung mit der Schließung von Galeria-Karstadt/Kaufhof-Filialen zu tun? Unser Gastautor fragt den Bundesarbeitsminister Heil, warum er behauptet solidarisch mit den Beschäftigten zu sein, aber keine Enteignung der Betriebe veranlasst.
Mein Name ist Daniel und ich arbeite seit zwölf Jahren für ein Unternehmen, das mich sehr geprägt und gefördert hat. Meine Ausbildung begann ich dort im Jahre 2007 und es war für mich eines der größten und schönsten Kaufhäuser, die es gab. Galeria Kaufhof, ein Unternehmen, das für seinen Service deutschlandweit bekannt war und geschätzt wurde. Im Mittelpunkt stand immer der Kunde und das war spürbar bei jeder Schulung, bei jeder Versammlung und bei allen Kolleg*innen. Diese Philosophie war nicht nur zum Vorteil des Unternehmens, sondern auch zum Nachteil, den so manch eine:r ausnutzte. Doch das war egal, solange es den Kund:innen bei Kaufhof gefiel und sie wieder kamen.
Ja, es sind viele Fehler bei der Deutschen Wiedervereinigung vor 30 Jahren passiert und diese waren auch gewollt. Einer davon war die Treuhand, die ein Grund dafür war, dass wir eine so große Ost-West-Spaltung haben. Mit der Treuhand wurden gezielt und bewusst wettbewerbsfähige Unternehmen, die insgesamt über 700 Milliarden DM Wert hatten, innerhalb kürzester Zeit als insolvent oder nicht wettbewerbsfähig erklärt. Das war der Startschuss, diese marktfähigen Firmen zu verscherbeln und 90 Prozent davon an den Westen zu verkaufen. Jedoch nicht wie üblich so, dass die Firmen Geld dafür zahlten, sondern sie wurden oft regelrecht verschenkt und man teils bekam sogar noch Geld dafür.
Nicht anders war es wohl auch bei der Firma Signa von René Benko. Er kaufte sich in ein Unternehmen ein, welches mehrere Millionen wert war, und zahlte dafür lediglich 1 Euro. Man dachte, Karstadt sei gerettet, denn mit einem so großen Investor kann es nur Bergauf gehen – eine ähnliche Denkweise, wie sie auch die DDR bei der Treuhand an den Tag legte. Doch die Mitarbeiter*innen mussten schnell feststellen, dass dem nicht so ist. Erst wurde die Warenversorgung gedrosselt und Mieten wurden von den eigenen Häusern erhöht, um dann noch Mitarbeiter*innen zu entlassen und noch mehr Geld einzusparen. Alles zusammen brachte einiges ein, was Benko selbst ja noch nicht wirklich gehörte. Durch diese Einsparungen jedoch strich Benko soviele Gewinne ein, dass er das Unternehmen letztendlich kaufen konnte.
Dasselbe geschah nun auch Jahre später bei Kaufhof. Benko kaufte sich wieder mit nichts ein, wirtschaftete das Unternehmen gezielt herunter und entließ massenhaft Mitarbeiter:innen. Er verkaufte uninteressante Immobilien und erhöhte selbst seine Mieten, um sich das Unternehmen im Folgenden aufkaufen zu können. Etwas später trat dann sogar noch die Corona-Krise ein, die ihm noch mehr in die Karten spielte, ohne dass die Politik etwas dagegen tat.
Es war also einmal ein börsenfähiges Unternehmen, welches sorglos schwarze Zahlen schrieb.
Im Interesse der Beschäftigten und nicht der Bosse!
Seitdem sind vier Jahre vergangen, in denen das Unternehmen nach und nach heruntergewirtschaftet wurde und der Kunde nicht mehr im Mittelpunkt steht. Das höchste Gut für den Kaufhof war immer der Kunde, und nun sollte sich alles ganz schnell ändern, um das Unternehmen neu aufstellen zu können und Immobilien zu verkaufen oder neu zu verwalten. Das alles wird ausgetragen auf den Rücken der Angestellten, und zwar nicht nur von Rene Benko, dem jetzigen Besitzer der Galeria Kaufhof Karstadt, sondern von der Politik. Herr Heil, der Arbeitsminister, sagte mal, ihm sei wichtig, dass es allen Mitarbeitern, die bald arbeitslos werden gut gehen soll aber auch das sind mehr als nur leere Worte für die Allgemeinheit um sie zu besänftigen.
Herr Heil, der Arbeitsminister, hat also selbst keine andere Wahl oder gar keine anderen Interessen um die Mitarbeiter:innen bei der Weiterführung der Unternehmen zu unterstützen. Gerade Herr Heil könnte sich doch für eine Enteignung einsetzen, um zu ermöglichen, dass die Unternehmen von den Mitarbeiter:innen in Selbstverwaltung weitergeführt werden können. Wenn er als Arbeitesminister es schon nicht macht, wer sollte es sonst machen?
Wir stehen nun 2 Wochen vor der Schließung vieler Häuser und immer noch wird mit der Angst der Mitarbeiter:innen gespielt, um sie zumindest größtenteils ruhig zu halten. Was bringt es der Signa Gruppe bzw. René Benko? Mitarbeiter:innen, die immer noch Hoffnung auf Umverteilung haben, oder wenigstens endlich aus diesen Alpträumen aufzuwachen, werden bis zum Schluss am letzten Tag weiter ihre Arbeit verrichten und nicht gegen die Greueltaten gegen sie ankämpfen. Mitarbeiter:innen, die bis zum Schluss das Gute im Unternehmen sehen, als eine Art zweites Zuhause mit einer riesigen Familie. Diese Mitarbeiter:innen, die immer hinter ihren Unternehmen standen, auch in schlechten Zeiten, müssen jetzt am eigenen Leib erfahren, wie es ist, wegen kapitalistische Machenschaften ausgetauscht zu werden. Dem kapitalistischen System ist egal, ob man seine Familie noch ernähren kann. Ob man die Miete noch zahlen kann oder ob die Familien bald zur Tafel gehen müssen für Lebensmittel, weil einfach kein Geld mehr da ist.
Ist denn wirklich kein Geld mehr da oder fließen die Gelder einfach nur in Richtungen, um andere Reiche noch reicher zu machen, so dass sie still und heimlich ohne große Gegenwehr weiter ihre Greuetaten verrichten können. Wenn die Großen und Mächtigen auf der selben Seite spielen, wie man selbst, und zwar auf der Seite des Kapitalismus, so hat man nur noch das kleine Volk, das kleinere Aktionen ausübt, um auf diese Vorgehensweise aufmerksam zu machen. Und falls doch die eine oder andere Aktion die Oberen in Bedrängnis bringen sollten, werden die Akteur:innen einfach und schnell systematisch eingeschüchtert, so dass auch sie schweigen – und genau da ist der Punkt gekommen, den wir alle uns nicht gefallen lassen dürfen!
Wir sind das Volk, richtig. Und wir sind sehr, sehr viele, die wenn sie gemeinschaftlich und solidarisch zusammenstehen eine größere Macht ergeben als jeder Boss oder jene kapitalistische Politik. Wir brauchen keinen Kapitalismus sondern solidarisches Gemeinschaftsgefühl, wo jeder den anderen hilft und man füreinander da ist. Der Weg dorthin wird schwer und hart, weil die Kapitalist*innen dies natürlich nicht möchten. Sie wollen nicht, dass man ohne sie auskommt und sie dadurch nicht mehr reicher werden. Sie wollen lieber immer reicher werden, höhere Zäune und Mauern und auf Privatinseln mit eigenem Personal haben, zusehen wie wir alle zu Grunde gehen, während sie Champagner trinken und Steaks essen.
Genau so ist es auch bei Galeria Kaufhof/Karstadt gerade. Es stehen mehrere Milliarden zur Verfügung und trotzdem wird so getan als wäre man arm und hätte nichts – nur um Unmengen an Personal loszuwerden und Immobilien neu verwalten zu dürfen. Zur Show wird so getan als würde man sich noch für die bald arbeitslosen Mitarbeiter*innen interessieren, aber das ist wirklich nur ein Märchen wie bei Rotkäppchen. Nur dass die Mitarbeiter*innen, wenn sie sich jetzt nicht bald dagegen stellen, nicht mehr aus den wohlgefüllten Bauch des bösen Wolfes rauskommen.
Wieso nur Possen statt Enteignung vom Arbeitsminister?
Die SPD versprach eine Zukunft und eine Lösung für die Mitarbeiter*innen. In zwei Wochen ist es vorbei. Wo sind diese Lösungen?
Die CDU versprach sich dem Thema anzunehmen und die richtigen Gespräche zu führen. In zwei Wochen ist es vorbei. Wo bleiben diese Gespräche ?
Hubertus Heil, der Bundesarbeitsminister, möchte Flagge zeigen und lobt die zaghafte Herangehensweise von ver.di und den Mitarbeiter*innen. Wieso wird er aber nicht selbst als Arbeitsminister aktiv? Er möchte auch, dass das Unternehmen eine Pflicht gegenüber seinen Arbeitnehmer*innen wahr nimmt und pocht darauf, dass die Signa sich auch etwas dazu einfallen lassen muss statt die Mitarbeiter einfach auf die Straße zu werfen. Ich frage mich da nur, wieso auch da nichts anderes als Possen und Getöse vom Arbeitsminister kommt. Wieso veranlasst Herr Heil nicht die Enteignung der Betriebe, um auch durchzusetzen, dass etwas passiert für die jahrelangen Mitarbeiter*innen?
Zwei Wochen sind es nun noch und dann ist es vorbei für viele Mitarbeiter*innen, die teilweise ihr halbes Leben in diesen Unternehmen verbracht haben.Sie werden von heute auf morgen arbeitslos und sollen sich in Zeiten von Corona bei anderen Arbeitgeber*innen bewerben. Leute, die ihr ganzes Leben lang in einem Betrieb arbeiteten und sich noch nie irgendwo beworben haben. Leute, die meist über 55 Jahre sind und schon alleine wegen ihres Alters in der heutigen Berufswelt Probleme bekommen werden. Leute, die noch nie am Computer Bewerbungen geschrieben haben.
Ist das der richtige Weg oder gäbe es möglicherweise doch bessere Wege, wenn man wirkliche solidarische Unterstützung bekäme?
Weiterführende Artikel
[Video] Solidarität aus dem Krankenhaus gegen Schließungen bei Galeria Kaufhof Karstadt
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