Bonner Jugendbewegung, über die Planungen für den Streik interviewt." /> Bonner Jugendbewegung, über die Planungen für den Streik interviewt." /> „Die Schule ausfallen zu lassen, ist kein Verbrechen“

„Die Schule ausfallen zu lassen, ist kein Verbrechen“

30.03.2016, Lesezeit 6 Min.
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Auch in Bonn wird am 27. April ein Azubi-, Schul- und Unistreik gegen Rassismus stattfinden. Wir haben die Organisator*innen, die Bonner Jugendbewegung, über die Planungen für den Streik interviewt.

Ihr habt in Bonn bereits am 2. Februar einen erfolgreichen Schul- und Unistreik mit 400 Menschen auf die Straße gebracht. Wie schätzt ihr die jetzige Situation ein?

Unsere Erfahrungen vom letzten Streik wirken sich positiv auf unsere jetzige Arbeit aus. Nachdem wir unseren letzten Streik ausgewertet haben, wissen wir, was wir besser machen können. Hierzu zählen unter anderem das frühe Anfragen von Künstler*innen, Übersetzungen und eine Kontaktaufnahme mit Schüler*innenvertretungen.

Wie auch für unseren letzten Streik mobilisieren wir verstärkt in den sozialen Medien. Mit unserem Mobivideo vom letzten Streik haben wir in kurzer Zeit über 50.000 Menschen erreicht. Wir denken, dass in diesem Bereich ein noch viel größeres, aber ungenutztes Potenzial vorhanden ist.

Durch einen Erfahrungsaustausch mit Gruppen aus anderen Städten, durch gemeinsames Material und einer gemeinsamen Facebook-Seite, profitieren wir vom bundesweiten Bündnis. So kann man sich gegenseitig ergänzen und vergrößert die Reichweite der anderen Gruppen. Wir sind gemeinsam mit der Linksjugend [’solid] Bonn in einem Bündnis für den Streik am 27. April. Wir besuchen uns gegenseitig bei unseren Plena, gehen zusammen zu Geflüchtetenunterkünften, verfassen gemeinsam Pressemitteilungen und treffen uns auch außerhalb unserer Plena zu Bündnistreffen. Zudem haben wir einige Gruppen, die den Aufruf unterstützen. Dazu zählen derzeit: Azadi e.V., Medinetz e.V., Offenes Treffen für internationale Solidarität, AKAB – Antikapitalistische Aktion Bonn, Ver.di Jugend NRW-Süd und Kein Mensch ist illegal – Köln.

In Bonn haben wir Geflüchtete, die von unserem erfolgreichen Streik am 2. Februar so sehr begeistert wurden, dass sie uns anschrieben und wollten, dass wir sie bei einem Protest unterstützen. Andere Geflüchtete aus der Umgebung haben sich dazu entschieden, einen Hungerstreik zu machen, um so Druck aufzubauen. Wir beobachten bei vielen Geflüchteten, dass das Potenzial da ist und dass wir sie nur weiterhin unterstützen müssen. So kann sich eine kämpferische Dynamik entwickeln und eine breite Bewegung aufbauen.

In Berlin und München, wo wir aktiv sind, versuchen wir Streikkomitees an Unis und Schulen zu
etablieren. Was sind eure Erfahrungen?

Wir haben beim letzten Schulstreik vor allem vor den Schulen Flyer verteilt. Wir standen täglich an den Eingängen mit Flyern, Stickern und Musik. So haben wir sehr viele Jugendliche erreicht. Am Tag unseres letzten Streiks waren wir an den Schulen, um ein letztes Mal zu flyern und die Schüler*innen abzuholen. Jedoch haben sehr viele Direktor*innen die Polizei gerufen und viele Schüler eingeschüchtert.

Bisher haben wir ziemliche Schwierigkeiten Strukturen innerhalb der Schulen zu etablieren. Vor einigen Monaten haben wir in einer Schule eine Vollversammlung durchgeführt. Ein Vortrag und eine gemeinsame Diskussion mit den Schüler*innen waren sehr erfolgreich, aber diese Arbeit wird oft durch Lehrer*innen und „wichtige“ Personen in der Schule behindert. Einige von uns erhielten Drohungen, dass sie von der Schule fliegen. Wir müssen dagegenhalten und den Leuten klar machen, sich für Geflüchtete einzusetzen und dafür auch mal die Schule ausfallen zu lassen, kein Verbrechen ist. Es ist politische Meinungsäußerung und somit im Grundgesetz verankert.

Wir haben nun innerhalb der BJB eine Schul-AG gegründet, welche sich zum Ziel genommen hat, persönlich zu Schüler*innenvertretungen zu gehen, mit ihnen über den Aufruf zu reden, ob sie den eventuell unterstützen. Dies machen wir in der Hoffnung, mehrere Vollversammlungen durchzuführen, aber auch wenn nur etwas am schwarzen Brett steht und uns mehrere Schüler beim Flyern unterstützen und ihre Mitschüler*innen überzeugen, ist auch das ein Erfolg.

Wie kann es nach dem Streiktag weitergehen?

Nach dem Streik müssen erst die lokalen Gruppen eine Auswertung vornehmen und dann am besten Auswertungsformulare an die anderen Gruppen rumschicken, sodass eine Gegenüberstellung unserer
Erfahrungen möglich ist. Was ist gut gelaufen, was kann man verbessern? Daraufhin kann mensch die nächsten Schritte gemeinsam planen. Hierbei ist besonders wichtig, dass es weitere gemeinsame Aktionen mit dem Bündnis gibt.

Aber auch lokal muss die Arbeit weiter gehen und die Kontakte müssen gefestigt werden. Das heißt, wenn man in Jugendzentren, Geflüchtetenheimen, Schulen und Unis mobilisiert hat, sollte man die neupolitisierten Menschen zu Plena und weiteren Aktionen einladen. Hierbei sollte man sowohl den persönlichen Kontakt halten als auch einen Flyer für den Streiktag haben, mit dem man sich als Gruppe vorstellt und kommende Aktionen ankündigt.

Wie kann eine erfolgreiche Strategie gegen den aktuellen Rechtsruck aussehen?

Die Strategie „demokratisch gegen rechts wählen gehen“ scheiterte, weil es noch keine populäre, linke Alternativen gibt. Die Gesellschaft polarisiert sich derzeit. Ein Rechtsruck ist eigentlich nur bei Wahlen zu beobachten. Vielmehr gehen wir von einer Polarisierung aus. So gibt es neben rechten Wahlerfolgen auch wieder vermehrt Anschläge auf Geflüchtetensheime, auf der anderen Seite gibt es eine wachsende Solidaritätsbewegung. Bereits jetzt gibt es schon 9 Millionen Ehrenamtliche. Gleichzeitig gibt es ebenfalls wieder eine radikale Refugeebewegung, die nicht vor gefährlichen Hungerstreiks zurückschrecken. Es zeigt sich also, dass das Potenzial für eine Refugeebewegung da ist. Und gerade deshalb ist das Bündnis „Jugend gegen Rassismus“ genau der richtige Weg. Die Millionen von Menschen müssen von organisierten Kräften aus dem Bündnis dazu bewegt werden, den AfD-Wähler*innen entschlossener und organisierter entgegenzutreten.

Wir als BJB hatten selbst bis vor wenigen Wochen keinen Kontakt zu Ehrenamtlichen. Mittlerweile laden wir diese zu unseren Plena ein und diskutieren mit ihnen. Sie rufen uns an und informieren uns beispielsweise über die aktuellen Entwicklungen bei einem Hungerstreik. Solche Kontakte und Vernetzungen müssen intensiviert werden, denn so kann man sich gegenseitig motivieren und ergänzen. So kann man gemeinsam für Geflüchtete und gegen Rechts arbeiten.

Mehr Infos zu unserem letzten Streik und natürlich zum nächsten findet ihr auf unserer Website.

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