Die Rolle der Frauen und Queers in der chilenischen Rebellion

20.12.2021, Lesezeit 15 Min.
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Foto: La Izquierda Diario Chile

Die Revolte in Chile drohte das ganze Regime zu stürzen. Sie wurde in institutionelle Bahnen gelenkt – die Frauenbewegung sollte strategische Lehren ziehen

Dieser Vortrag wurde auf dem Podium „Strategien in einer Welt in der Krise“ im Rahmen der IV. internationalen Marxismus-Feminismus-Konferenz vom 11. bis 13. November 2021 gehalten.

Ich werde über die Rebellion in Chile 2019 reden, warum sie so plötzlich ausbrach und wie sie ihre Kraft entfaltet hat. Die Frauenbewegung beziehe ich als zentrale Akteurin in die Überlegungen ein, denn es wäre sehr schwierig, den Klassenkampf in Chile als ein von der Frauenbewegung losgelöstes Phänomen zu betrachten.

Die Revolte in Chile fand im Kontext einer Zunahme der Kämpfe auf der ganzen Welt nach der kapitalistischen Krise von 2008 statt, mit großen Mobilisierungen in verschiedenen Teilen der Welt. Die Revolte war eine Reaktion auf die immer ärmlicher werdenden Lebensbedingungen, die im Widerspruch zum offiziellen Diskurs standen, ein in Entwicklung befindliches Land und die Oase Lateinamerikas zu sein.

Den Regierungen der 1990er Jahre gelang es sich relativ stabil zu halten, indem sie das vom früheren Diktator Pinochet übernommene Wirtschaftssystem verfeinerten und indem sie eines der wichtigsten politischen Bündnisse dieser Zeit schmiedeten: die Concertación. Diese Gruppe vereinigte damals die Christdemokraten, die Sozialistische Partei, die Partei für Demokratie und die Radikale Sozialdemokratische Partei.

Diese Parteien, die in Opposition zur Diktatur standen, widmeten sich der Verwaltung der Ordnung, die von den Militärs und ihren rechtsextremen zivilen Verbündeten mit Waffengewalt durchgesetzt worden war: ein neoliberales System mit der Logik eines Staates, der nur im Notfall unterstützend eingreift und in dem die grundlegendsten Rechte, wie Gesundheit und Bildung, als Konsumgüter betrachtet wurden.

In den Jahren 2006 und 2011 brach die Studierendenbewegung aus und warf neue Fragen auf. Unter der ersten Regierung von Sebastián Piñera im Jahr 2011 stellten die Studierenden die marktkonforme Bildungspolitik in Frage, prangerten den Abbau des öffentlichen Bildungswesens an und forderten kostenlose Bildung auf allen Ebenen.

Diese Jugendbewegung bezog in die Diskussion um Bildung auch die Situation der Frauen und Queers mit ein. Wir haben in Bildungseinrichtungen Gender-Sekretariate eingerichtet – und ich sage das im Plural, denn ich gehöre zu dieser Generation von Studierenden –, um die feministische Diskussion aus der akademischen Welt herauszuholen und sie in die politische Diskussion einzubringen. Wir förderten Räume für die Selbstorganisation und das Treffen für nicht-sexistische Erziehung im Jahr 2014. Seit 2012 haben auch die Proteste der LGTBIQ+-Bevölkerung gegen Diskriminierung und Hassverbrechen an Stärke gewonnen.

Die Studierendenbewegung ermöglichte eine Reihe von Folgekämpfen: den Aufstieg der „sozialen Bewegungen“. Aktive Arbeitskämpfe: Von 2011 bis 2014 fanden in dem Land mehr Streiks statt als in den gesamten 1990er Jahren.

Nach der Rückkehr zur Demokratie wurde die chilenische Politik durch Absprachen zwischen den beiden großen politischen Blöcken dominiert: der Rechten, Erben von Pinochet, und der damaligen Concertación. Nach 2011 etablierte sich eine neue Kraft: die Frente Amplio („Breite Front“), die dem anti-neoliberalen Lager zuzurechnen ist.

2015 und 2016 gab es die internationale Bewegung Ni Una Menos, die Gewalt gegen Frauen anklagte, sie aus dem privaten Bereich holte und sie als ein gesellschaftliches Problem thematisierte, indem sie auf ihren strukturellen Charakter im patriarchalen und rassistischen Kapitalismus hinwies. Auch in Chile gab es stärkere Demonstrationen, zudem auch Koordinationen, Treffen und Diskussionsrunden.

Dies führte zum feministischen Mai 2018, parallel zur argentinischen „grünen Welle“. Diese Bewegung prangerte sexistische Gewalt und Diskriminierung in Bildungseinrichtungen an; sie setzte die Kritik am Sexismus auf breiter Ebene durch und öffnete vielen Genossinnen die Türen zum politischen Leben, was auch eine stärkere Beteiligung von Frauen in Gewerkschaften und Studierendenorganisationen zur Folge hatte.

Der feministische Mai zwang die Parteien dazu, die Forderungen der Frauen aufzugreifen. Die Frente Amplio hat die Forderungen aufgegriffen, um Druck auf die Institutionen auszuüben und so weit wie möglich einige Rechte zu erhalten. Die ersten Bruchlinien in der Frauenbewegung nach der Diktatur taten sich auf.

Erstens: Wie kann das Problem der sexistische Gewalt angegangen werden? Einige von uns argumentierten, dass sexistische Gewalt die Regel und nicht die Ausnahme ist; dass sie als ein weiteres Rädchen im System fungiert und dass neben der Entwicklung von Präventionsmaßnahmen, die sich auf die Opfer konzentrieren, auch die Bedingungen bekämpft werden müssen, die Unterdrückung ermöglichen, bestätigen und reproduzieren. Andere plädierten für eine Verschärfung der strafrechtlichen Maßnahmen gegen die Täter, und viele sprachen sich dafür aus, was weltweit als „Cancel“-Politik bekannt ist.

Zweitens die Debatte über die sexuellen und reproduktiven Rechte: Auf der einen Seite standen diejenigen von uns, die auf der Grundlage unserer Mobilisierung für eine legale, freie, sichere und kostenlose Abtreibung nach dem Beispiel Argentiniens eintraten. Auf der andern diejenigen, die wie die Kommunistische Partei und die Frente Amplio mit Mobilisierungen Druck aufbauen wollten, um Abtreibungen zu entkriminalisieren. Ihr Ziel war es lediglich, das Strafgesetzbuch zu ändern, was den Zugang zu medizinischen Eingriffen nicht garantieren, sondern lediglich die Verfolgung durch die Polizei beenden würde. Sie begründeten dies damit, dass der chilenische Kongress derzeit nur begrenzt in der Lage sei, den Staatshaushalt zu ändern. Diese beiden Verständnisse des Kampfes unterschieden sich immer deutlicher voneinander.

Ende 2018 ermordete der chilenische Staat den Mapuche-Führer Camilo Catrillanca, was zu landesweiten Protesten führte und die zweite Piñera-Regierung schwächte. Die Bewegung der Frauen und Queers unter der Führung der Coordinadora Feminista 8 de marzo nahm die Forderungen der arbeitenden Frauen, der Mapuche und der Migrant:innen in ihr Programm auf.

Der Frauenstreik am 8. März 2019 war im ganzen Land massiv. Mitte 2019 gingen Lehrkräfte und Beschäftigte im Bildungswesen erneut auf die Straße, um zu kämpfen. In diesem Kampf war die Geschlechterfrage nicht nur wegen der weiblichen Zusammensetzung des Bildungssektors präsent: e3ine der Hauptforderungen der Mobilisierung betraf das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen. Auch die Schüler:innen der Sekundarstufe mobilisierten gegen das „Gesetz über den sicheren Klassenraum“, mit dem Jugendliche kriminalisiert werden sollten.

Gegen Oktober kündigte die Regierung eine erneute Erhöhung der Preise für Fahrkarten in der U-Bahn um 30 Pesos an. Die Schüler:innen der Sekundarstufen umgingen massenhaft die Entrichtung der Fahrtkosten: Sie kamen aus den Schulen und sprangen über die Drehkreuze, um zu zeigen, dass sie die Preiserhöhung ablehnen. Am 18. Oktober wurde die gesamte U-Bahn von Santiago stillgelegt; Tausende von Arbeiter:innen, die nach Hause zurückkehrten, hatten kein Transportmittel mehr, und es kam zu einem massiven Protest der Bevölkerung mit direkten, spontanen Aktionen. Es entwickelte sich der Slogan „Es sind nicht 30 Pesos, es sind 30 Jahre“. Gemeint waren die letzten drei Jahrzehnte in, denen der rechte Flügel und die Concertación das Erbe Pinochets verwalteten: ein neoliberales, autoritäres, chauvinistisches und rassistisches Regime.

Die Regierung reagierte darauf mit dem Gesetz über die innere Sicherheit des Staates. Das bändigte den Zorn nicht, im Gegenteil fachte es ihn noch mehr an. Die Flamme der Revolte breitete sich am 19. Oktober im ganzen Land aus: Es kam zu Straßenkämpfen, Gebäude und öffentlichen Einrichtungen wurden angezündet. Plünderungen und Barrikaden sowie Zusammenstöße mit der Polizei und dem Militär waren an der Tagesordnung. Der Staat setzte seinen Repressionsapparat ein: Es gab Tote, Verschwundene, Gefolterte, zudem politische und sexuelle Gewalt durch Sicherheitsbehörden. Menschen wurden verstümmelt, Tausende verletzt und verhaftet. Piñera hatte uns den Krieg erklärt, eine Ausgangssperre verhängt und uns brutal unterdrückt. Aber wir haben nicht aufgehört.

Selbstorganisierte Gesundheits- und Selbstverteidigungsbrigaden  wurden organisiert – die „Primera Linea“ (erste Reihe) –, um der Repression zu begegnen. In der Woche nach der „Explosion“ wurden 90 Prozent der chilenischen Häfen lahmgelegt, es fanden riesige Mobilisierungen statt, die Beschäftigten des Gesundheitswesens traten in den Streik, und die Bergarbeiter:innen von Escondida legten die größte Mine der Welt lahm, was den Großindustriellen des Landes Verluste in Millionenhöhe bescherte.

Der Kampf ging unermüdlich weiter. Am 25. Oktober fand der „größte Marsch“ statt, an dem mehr als eine Million Menschen in Santiago teilnahmen. Die Stimmung war wie bei einer großen Feier, sodass sogar Piñera die Demonstration begrüßte und versuchte, das Volk zwischen den „demokratischen Pazifist:innen“ und den „Gewalttäter:innen“ zu spalten: um den Aufstand auf andere Weise zu schwächen, indem er die militantesten Sektoren vom Rest der Bevölkerung isolierte, weil der Knüppel nicht ausreichte.

Frauen und Queers beteiligten sich aktiv an der Rebellion. Wir waren bei den Demonstrationen, wir haben an den lokalen Versammlungen teilgenommen, wir haben politische und kulturelle Aktivitäten ins Leben gerufen, die die Einheit der Rebellion gegen Piñera und seine mörderische Regierung forderten. Unsere grünen und violetten Halstücher waren bei jeder Mobilisierung dabei. In den wichtigsten Städten des Landes haben wir als Pan y Rosas gemeinsam mit unseren Genossen der Partei Revolutionärer Arbeiter:innen (Partido de Trabajadores Revolucionarios, PTR) Koordinatoren und Versammlungen ins Leben gerufen.

In Antofagasta gewann das Notstands- und Schutzkomitee an Stärke, ein Raum des Kampfes und der politischen Artikulation, der in der Bergbaustadt ein wichtiges Gewicht erlangte und die Autorität der Stadtverwaltung in Frage stellte.

Die Forderungen der Straße waren klar: eine verfassungsgebende Versammlung, um Pinochets Verfassung abzuschaffen, und der Rücktritt von Piñera. Das Programm dieser Oktoberrevolte war nicht nur ein Aufruf gegen die Repression, sondern auch eine radikale Kritik an den Institutionen des postdiktatorischen Chiles, an der prekären Arbeit und den Hungerrenten.

Organisationen der Frauenbewegung, wie die Coordinadora Feminista 8 de Marzo, beteiligten sich an der “Mesa de Unidad Social” (“Runder Tisch der Sozialen Einheit”), einer Koordinierung von Arbeiter:innen und sozialen Organisationen, an deren Spitze die Gewerkschaftsbürokratie der Kommunistischen Partei stand. Die Mesa de Unidad Social war einer der Hauptorganisatoren der Mobilisierungen. Diese wurden jedoch ohne Rücksicht auf die zentrale Bedeutung ausgerufen, die die strategischen Wirtschaftssektoren für die Konfrontation der Mächtigen haben, selbst vor dem Hintergrund der zunehmenden Streikaktivität in unserem Land: Mehr als ein Drittel der außergesetzlichen Streiks im privaten und öffentlichen Sektor fanden zwischen Oktober und November dieses Jahres statt, was mit dem Höhepunkt der sozialen Revolte zusammenfiel.

Nach wochenlanger Mobilisierung riefen die Führungen der Bewegung für den 12. November einen Generalstreik aus, der sie völlig überwältigte: Er ermöglichte es einem breiten Klassenbündnis, auf die Straße zu gehen und stellte einen Wendepunkt dar. Die Proteste vervierfachten sich für einen Tag und eine Nacht, was nach Angaben des Centro de Investigación Político Social del Trabajo („Zentrum für sozialpolitische Forschung der Arbeit“) der „massivste Streik mit den größten wirtschaftlichen Auswirkungen im Land seit der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1990 und möglicherweise seit dem Staatsstreich von 1973“ war.

25 der 27 wichtigsten Häfen, 90 Prozent des öffentlichen Sektors, wichtige Bauarbeiten und andere produktive Sektoren wurden lahmgelegt. Zudem gab es Streiks im Gesundheitswesen und 80 Prozent der Lehrkräfte traten in den Ausstand. Es kam zu massiven Mobilisierungen, einer Ausweitung der Straßenblockaden auf den wichtigsten Autobahnen des Landes und gewaltsame Auseinandersetzungen mit den Repressionskräften in Städten und auf Plätzen. Das Ausmaß des Streiks und die direkten Aktionen führten dazu, dass ein großer Teil des Verkehrs und des Handels auf nationaler Ebene lahmgelegt wurde. Es gab Dutzende von Angriffen auf Polizeistationen und sogar auf Militärkasernen.

Die Streiks haben gezeigt, dass es möglich wäre, eine freie und souveräne verfassungsgebende Versammlung zu erzwingen und Piñera zu stürzen.

Wichtige Figuren der chilenischen Rechten sprachen die Möglichkeit des Sturzes der Regierung an, im Gegensatz zur Frente Amplio, die den revolutionären Sturz Piñeras durch den Generalstreik nur als einen ultralinken Wunschtraum bezeichneten. Für die herrschende Klasse war die Angst real, sie war nicht bereit, dieses Risiko einzugehen, auch wenn die Bürokratien der Bewegungen nicht auf eine Ausweitung der Mobilisierung und die Fortsetzung der Dynamik des Generalstreiks setzten.

Aus diesem Grund wurde am 15. November das Abkommen für den Frieden und die neue Verfassung geschlossen, das von den Parteien der Rechten, der Concertación und der Frente Amplio, unterzeichnet wurde.

Für die Frente Amplio war die Unterzeichnung des „Friedensabkommens“ die einzige Möglichkeit, „ein Massaker zu vermeiden“, da die Regierung das Militär wieder zur Repression auf die Straße schicken wollte. Die Streitkräfte waren damit jedoch nicht einverstanden, da ihnen keine Straffreiheit für mögliche Menschenrechtsverletzungen garantiert wurde. Die Regierung beschloss, sich bei der Suche nach einer politischen Lösung auf die ehemalige Concertación und die Frente Amplio zu stützen. An diesem Tag begannen die Verhandlungen über eine institutionelle Umleitung des Klassenkampfes. Die Beteiligten wollten um jeden Preis verhindern, dass der Aufstand in eine Revolution umschlägt.

Der Hauptzweck des Abkommens bestand darin, das Klassenbündnis zwischen den Mittelschichten und den Volkssektoren sowie zwischen den Sektoren der Avantgarde wie der Primera Linea und den Massen zu spalten. Sie bauten sich Hintertüren im verfassungsgebenden Prozess ein und verkündeten beispielsweise die paritätische Besetzung des Gremiums zur Ausarbeitung der neuen Verfassung, falls eine dafür nötige Volksabstimmung dafür stimmen sollte, als eine Errungenschaft.

Das „Friedensabkommen“ und der Waffenstillstand, den die Bürokratien von Gewerkschaften und sozialen Organisationen der Regierung zusicherten, haben Piñera schließlich gerettet. Die Mobilisierung begann zu erlahmen. Doch am 25. November, dem Tag gegen Gewalt an Frauen, erhielt die Rebellion neuen Auftrieb: Grund hierfür war die politische Intervention von Las Tesis, die mittels Tanzchoreographien die staatliche Gewalt, die polizeiliche Unterdrückung und die patriarchale Justiz anklagten und so international bekannt wurden. Der Slogan „Der Unterdrückerstaat ist ein machistischer Vergewaltiger“ ging um die Welt. Der chilenische kapitalistische und patriarchale Staat stand weltweit auf dem Prüfstand: Wir gingen hinaus, um weiter zu kämpfen, aber ohne eine Strategie, um dem bereits begonnenen Abdriften auf die institutionelle Ebene entgegenzuwirken.

Keines der Gremien der Frauenbewegung schlug eine Alternative zum Abkommen vor und sie ordneten sich der Idee unter, einen historischen Verfassungskonvent einzuberufen. Die Parität war eine Taktik des Regimes, um die Frauenbewegung politisch zu kooptieren. Diejenigen, die den Aufstand angezettelt hatten, unsere Mitschüler:innen, konnten weder wählen noch selbst gewählt werden. Dadurch, dass jede Entscheidung im Konvent mit zwei Drittel Mehrheit beschlossen werden muss, können die Rechten und Konservativen gegen alle Maßnahmen ein Veto einlegen, die ihrer reaktionären Moral widersprechen. Aber der Kampf der arbeitenden Menschen, der Kampf der Frauen, geht deutlich über den Verfassungsprozess hinaus, der den Interessen der herrschenden Klasse dient. Die Rebellion hat unser enormen Potenzial aufgezeigt. Obwohl die Führungen versucht haben, die fortschrittlichsten Ausdrücke der Massen umzuleiten, ist es uns gelungen, das von Pinochet übernommene Modell anzugreifen, was niemand für möglich gehalten hatte.

Der Streik am 12. November zeigte die enormen Möglichkeiten, welch hegemoniales Potenzial die arbeitenden Frauen haben. In uns vereint sich die scharfe Anklage gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Hungerrenten, gegen die profitorientierte Bildungs- und Gesundheitssysteme, der Kampf für das Recht auf Wohnen. So können wir den Auftritt der Arbeiter:innenklasse auf der Bühne, insbesondere die strategischen Sektoren wie Bergbau, Häfen, Forstwirtschaft und Transport, stärken, um eine massenhafte Selbstorganisierung entwickeln und die Selbstverteidigung gegen das Gewaltmonopol des Staates koordinieren und so die Grundpfeiler des Erbes der Diktatur einreißen.

Im Jahr 2020 gab es weitere massive Mobilisierungen zum Frauenkampftag am 8. März, bei denen Millionen auf die Straße gingen. Die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Pandemie haben jedoch aufgrund der Entlassungen und Einschränkungen, die sich aus der Gesundheitskrise ergaben, zu einer Demobilisierung geführt. Die Frauenbewegung hätte ein Faktor im Kampf gegen die Passivität der Gewerkschaftsbürokratie sein können, aber die reformistischen Kräfte der Kommunistischen Partei und der Frente Amplio ließen dies nicht zu. Wir mussten uns darauf beschränken, an der Volksabstimmung teilzunehmen und einen begrenzten Protest abzuhalten.

Zwei Jahre nach „Chile Despertó“ – dem Erwachen Chiles – ist der Verfassungsprozess im Gange, zudem sind wir in einer Phase der parlamentarischen Wahlen. Daran beteiligen wir uns mit Kandidaturen im ganzen Land: Was in Chile als Nächstes passiert, wird zu einem großen Teil davon abhängen, wer die nächsten Präsidentschaftswahlen gewinnt, aber auch davon, ob die Arbeiter:innenklasse als politisches Subjekt auftritt oder nicht.

Das berechtigte Gefühl von Hunderttausenden von Beschäftigten, dass sie es waren, die das Land während der Pandemie am Laufen gehalten haben, hat die wirtschaftlichen Streiks wiederbelebt. In einigen Sektoren wie unter Lehrer:innen oder bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen, wie beim erfolgreichen Kampf der Reinigungskräfte in Antofagasta, richten sich die Kämpfe gegen die Regierungspolitik.

Die Rebellion hat die Frauen, die Arbeiter:innen und die armen Massen in den Kampf einbezogen, genauso aber auch eine härtere, lautstarke Rechte aktiviert. Die Migrationskrise und die Krise in Wallmapu (dort hatte das chilenische Militär indigene Aktivist:innen des Volkes der Mapuche angegriffen und eine Person ermordet, A.d.Ü.) bringen diese Sektoren zum Ausdruck: Der Aufstieg des Rechtsextremisten José Antonio Kast in den Umfragen ist beunruhigend.

In Zeiten sich verschärfender Widersprüche ist unsere Macht die Politik des Notwendigen, nicht das Elend des Möglichen. Wir von Brot und Rosen schlagen vor, die soziale Kraft der Arbeiter:innenklasse und ihrer strategischen Sektoren zu fördern, um die Säulen des kapitalistischen, patriarchalen und rassistischen Staates zu bekämpfen. Wir bleiben nicht stehen. Wir haben das Recht, uns einen Horizont des Sieges zu setzen, um diesem System der Unterdrückung und Ausbeutung ein Ende zu setzen, auf der Suche nach einer neuen Welt.

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