Die Regierung setzt auf Durchseuchung – doch unser Leben ist mehr wert als ihre Profite!
Kostenlose PCR-Tests für alle! Testzentren verstaatlichen, Impf-Patente aufheben, demokratische Rechte verteidigen. Komitees und Versammlungen in Schulen, Unis und Betrieben, um Hygienemaßnahmen durchzusetzen. Streiken wie in Frankreich! Erklärung der Revolutionären Internationalistischen Organisation, Herausgeberin von Klasse Gegen Klasse.
Der ganzen Welt stockt angesichts der Omikron-Variante des SARS-CoV-2-Virus der Atem. Die Infektionszahlen explodieren, insbesondere in Europa und den USA, wo lokale Inzidenzen jenseits der 1.500 je 100.000 Einwohner:innen mehr und mehr zur Regel werden. Weltweit stieg die Gesamtzahl von bestätigten SARS-CoV-2-Infektionen bis zum 22. Januar 2022 auf fast 350 Millionen – davon fast 70 Millionen allein in den vergangenen vier Wochen. Mehr als 5,5 Millionen Menschen starben bisher an oder mit Covid. In Deutschland überstieg die Zahl der täglichen Neuinfektionen in dieser Woche zum ersten Mal die Grenze von 100.000, und täglich werden neue Rekordwerte gemeldet.
Während die Corona-Inzidenzen auf Rekordniveau steigen, wird es immer schwerer, an verlässliche Tests zu kommen. Selbsttests werden in Drogerien und Apotheken wieder rationiert, und vor PCR-Testzentren bilden sich Schlangen mit stundenlanger Wartezeit, während Bundes- und Landesregierungen den Zugang zu verlässlichen PCR-Tests einschränken – zukünftig sollen sich nur Menschen mit Symptomen und Beschäftigte im Gesundheitssystem mit PCR-Tests testen dürfen. Eine völlig unkontrollierbare Ansteckungskette ist die absehbare Folge. Schon jetzt schätzt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die tatsächliche Zahl an Infektionen als doppelt so hoch ein, weil aufgrund fehlender Testkapazitäten eine große Dunkelziffer existiert.
Die Bundesregierung redet mittlerweile offen davon, dass die Bevölkerung durch eine Durchseuchung eine natürliche Immunabwehr entwickeln solle. Um sich darauf vorzubereiten, setzt sie Ungeimpfte und sogar Nicht-Geboosterte unter Druck. Doch davon, die Pandemie durch Tests, Hygienemaßnahmen und eine bessere Gesundheitsversorgung unter Kontrolle zu bringen und die derzeitige Welle zu brechen, ist keine Rede. Die Strategie der ungebremsten Durchseuchung ist in mehrerer Hinsicht riskant: Ohne angepasste Impfstoffe, ausreichend zur Verfügung stehende Medikamente und ein leistungsstarkes Gesundheitssystem bleibt die Krankheit für viele Menschen lebensbedrohlich. Eine vergangene Ansteckung sorgt auch für keine vollständige Immunität – viele Menschen haben sich schon zum zweiten oder gar zum dritten Mal infiziert. Neue Virusvarianten, bei denen die bisherige Immunität nicht gut auswirken, sind durch den weltweiten Anstieg der Anzahl in Infektionen sind auch möglich.
Aktuell müssen Geboosterte, erst kürzlich doppelt Geimpfte, geimpfte Genesene und frisch Genesene nicht in Quarantäne, falls sie Kontaktpersonen sind. Und das, obwohl nachgewiesen ist, dass diese Personengruppen sich infizieren und das Virus weitertragen können. Wer sich mit Corona infiziert hat, kann sich nach sieben Tagen mit einem Schnelltest (!) freitesten, und wegen der Ungenauigkeit der Schnelltests potenziell weitere anstecken. Am Montag (24. Januar) trifft sich die Bund-Länder-Konferenz erneut, um neue Maßnahmen zu beschließen. Geplant ist eine Begrenzung der Kontaktverwaltung auf kritische Infrastruktur. Anstatt Kapazitäten der Gesundheitsämter zu erhöhen, wird auf notwendige Maßnahmen verzichtet.
Die Intensivstationen sind schon jetzt in vielen Regionen ausgelastet. Zwar führen Erkrankungen mit Omikron ersten Studien zufolge seltener zu schweren Verläufen. Doch durch die deutlich höhere Ansteckungsrate droht die absolute Zahl an schweren und tödlichen Erkrankungen erneut in die Höhe zu schnellen und das Gesundheitssystem in die Knie zu zwingen. Auch die Problematik von Long-Covid ist weiterhin nicht ausreichend erforscht. Etwa zehn bis 15 Prozent der Erkrankten sind von Langzeitfolgen betroffen. Zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet eine Durchseuchung, Millionen Menschen zu Versuchskaninchen zu machen.
Dabei könnten durch Infektionen an Arbeitsplätzen ganze Belegschaften ausfallen, was sogar die „kritische Infrastruktur“ beeinträchtigen könnte, wie der Expert:innenrat der deutschen Bundesregierung warnt.
Bei noch höheren Inzidenzen und Ausfällen ist es nicht auszuschließen, dass Beschäftigte im Gesundheitssektor und im Bildungswesen bei Symptomfreiheit trotz Erkrankung weiter arbeiten sollen, obwohl sie trotzdem potenziell ansteckend sind. Erschwerend kommt hinzu, dass die bisher in Gebrauch befindlichen Impfstoffe wegen der zahlreichen Mutationen, die Omikron aufweist, gegen die neue Variante eine verminderte Wirksamkeit besitzen.
Die Politik der Regierungen europaweit besteht angesichts der aktuellen Situation vor allem in der Einschränkung von ungeimpften Personen und der Verschärfung von Regeln im privaten Freizeitbereich. In Deutschland dürfen sich aktuell maximal zehn Personen persönlich treffen. Doch wenn dutzende Arbeiter:innen gemeinsam in Bus und Bahn auf dem Weg zur Arbeit sind, wo sie eng zusammen in den Werkshallen, Geschäften oder Lagern stehen, ist dies vollkommen legal. Besonders betroffen sind Beschäftigte in prekären Sektoren, die häufig unter nicht ausreichenden Hygienevorschriften arbeiten müssen.
Die Bundesregierung versucht die Schulen und Kitas weiterhin offen zu halten,, jedoch ohne dabei die notwendigen Maßnahmen wie die Bereitstellung von Belüftungsgeräten in jedem Klassenraum, die Nutzung von leerstehenden Gebäuden und großen Räumen als Klassenzimmern und weitere Maßnahmen umzusetzen, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Falls diese Maßnahmen weiterhin nicht getroffen werden, werden Schulen und Kitas am Ende wohl trotzdem schließen müssen – aufgrund von Mangel von Personal, weil sich so viele Kinder, Jugendliche, Lehrer:innen und Erzieher:innen infizieren. Dann wird auch die Betreuungskrise wieder voll zuschlagen, die schon in der ersten Welle der Pandemie zu einem massiven Anstieg der Arbeitsbelastung der Eltern, insbesondere von Müttern, geführt hat. Was es bräuchte ist, dass Schüler:innen und Bildungspersonal eigene Hygieneprotokolle und notwendige Maßnahmen festsetzen und kontrollieren, um über sichere Öffnungen und Schließungen zu entscheiden. Dafür haben vergangene Woche in Frankreich über 60 Prozent aller Lehrer:innen gestreikt, in Österreich in dieser Woche Schüler:innen von über 100 Schulen.
Um das Scheitern der Regierungspolitik bei der Eindämmung der Pandemie zu maskieren, haben Regierungen europaweit und auch die deutsche Bundesregierung weitere Repressionsmaßnahmen gegen Ungeimpfte umgesetzt. Ab Mitte März werden ungeimpfte Beschäftigte im Gesundheitswesen von Gesundheitsämtern ein Berufsverbot bekommen und dann müssen Arbeitgeber:innen sie entweder suspendieren oder entlassen – dabei ist die Impfquote unter den Gesundheitsbeschäftigten mit am höchsten. Eine Impfpflicht für diese Berufe soll nur verschleiern, dass die neoliberale Kürzungspolitik im Gesundheitssystem und die Aufrechterhaltung der nicht-essenziellen Produktion für die Profite von Großkonzernen und -aktionär:innen zu jedem Preis für die anhaltende Pandemie verantwortlich ist. Die Bundesregierung ist dabei gescheitert, Millionen Menschen vom Nutzen der Impfung zu überzeugen und setzt deshalb nun nicht mehr nur auf Einschränkungen im Privatbereich, sondern droht Arbeiter:innen mit Jobverlust. Während wir die Notwendigkeit der Impfung verteidigen und nicht aufhören, geduldig mit allen Menschen in unserem Umfeld, unseren Betrieben, Schulen und Unis zu sprechen, um sie davon zu überzeugen, stellen wir uns klar gegen jede Repression, die nichts als eine Waffe der Bosse und des Staates im Interesse der Profite ist.
In Deutschland haben in den vergangenen Wochen gegen die Pandemiepolitik der Regierung hunderte Demonstrationen in großen und kleinen Städten stattgefunden – allerdings organisiert von der „Querdenken“-Bewegung, die von rechtsextremen Sektoren und Verschwörungsideolog:innen angeführt wird. Ihr Ziel ist nicht, der kapitalistischen Politik der Regierung eine Politik im gesundheitlichen und sozialen Interesse der großen Mehrheiten entgegenzusetzen. Ihnen dürfen wir nicht die Straße überlassen. Das darf jedoch nicht heißen, sich hinter die pro-kapitalistische Politik der Regierung zu stellen – wir brauchen stattdessen ein Programm für eine unabhängige Politik der Arbeiter:innen, die die Priorisierung der kapitalistischen Profite über unsere Gesundheit und unser Leben beendet.
Kostenlose PCR-Tests für alle! Testzentren, Labore und Krankenhäuser verstaatlichen!
Angesichts der explodierenden Inzidenzen ist die Devise „Testen, Testen, Testen“ eine zentrale Voraussetzung für den Schutz der Bevölkerung. Die Einschränkung des Zugangs zu verlässlichen PCR-Tests ist auch ein sozialer Angriff auf die ärmeren Schichten. Während Gutverdiener:innen und Vermögende die PCR-Tests auch selbst bezahlen können, sind die unteren Schichten der Arbeiter:innenklasse und die Jugend darauf angewiesen, kostenlose PCR-Tests zu bekommen. Während die Landesregierungen den Betreiber:innen privater Testzentren Millionen zahlt und diese ungeheure Profite mit der Testung machen, müssen die Menschen beispielsweise in Berlin an den landeseigenen Testzentren viele Stunden warten. Diese Testzentren sind es aber, die aktuell einen Großteil der kostenlosen PCR-Tests durchführen und die angesichts der Omikron-Welle völlig überlaufen sind. Es braucht also den massiven Ausbau von PCR-Testkapazitäten und Laboren, die von den Kapitalist:innen bezahlt und kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen.
Die Bundesregierung wie auch die Regierungen anderer imperialistischer Länder haben jahrelang das staatliche Gesundheitswesen auf dem Rücken der Beschäftigten kaputtgespart und den Aufbau privater Gesundheitskonzerne gefördert, die mit dem Leben von Menschen Profite machen. Für die Entwicklung der Covid-19-Impfstoffe haben private Konzerne wie Biontech nicht nur Milliarden an staatlichen Subventionen bekommen, sondern fahren auch jetzt in der Pandemie riesige Profite mit den Impfstoffen ein. Statt eines Gesundheitssystems im Interesse des Kapitals braucht es dagegen eine vollständige Verstaatlichung der privaten Testzentren und Labore und des gesamten Gesundheitswesens unter Kontrolle der Arbeiter:innen, ein Ende des Outsourcings, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen und eine massenhafte Kampagne für mehr Personal in den Krankenhäusern, Laboren und Gesundheitsämtern.
Das alles muss durch die entschädigungslose Enteignung der privaten Gesundheitskonzerne sowie durch hohe Steuern auf Vermögen und Gewinne bezahlt werden, damit die Bekämpfung der Pandemie nicht auf dem Rücken von Beschäftigten und Patient:innen ausgetragen wird, sondern von den Kapitalist:innen, die von der Krise profitieren.
Patente auf Impfstoffe und Medikamente aufheben!
Denn die imperialistischen Mächte wie die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und andere zentrale Länder tragen Mitschuld an der Pandemie. Das staatliche Handeln orientiert sich am Profitinteresse der nationalen und multinationalen Konzerne. Das heilige Recht auf Privateigentum steht über der Gesundheit von Millionen. Patente auf Impfstoffe und Medikamente verhindern, dass die ganze Weltbevölkerung schnellstmöglich geimpft und Menschen im Krankheitsfall behandelt werden können. Hersteller wie Biontech und Moderna fordern hohe Ausgleichszahlungen für die Abgabe von Impfstoffen in ärmere Länder. Während in den imperialistischen Ländern eine dritte Impfung verabreicht und schon über vierte Impfung diskutiert wird, sind auf dem afrikanischen Kontinent im Schnitt weniger als zehn Prozent der Menschen vollständig geimpft.
Medikamente wie Paxlovid und Lagevrio verhindern laut Herstellern schwere Krankheitsverläufe um bis zu 90 Prozent, insbesondere in Kombination mit der Impfung. Doch halten nur die US-Pharmakonzerne Pfizer beziehungsweise MSD die Patente darauf, weswegen eine Massenproduktion derzeit noch unmöglich ist.
Eine sofortige Freigabe aller Patente auf Impfstoffe und Medikamente könnte die Zahl der schweren Verläufe weltweit deutlich reduzieren. Doch unter kapitalistischen Bedingungen bleibt der lebensrettende Zugang zu den Mitteln auf absehbare Zeit weiter eingeschränkt. Dadurch, dass ganze Kontinente keinen ausreichenden Zugang zu Impfstoffen haben, kann sich das Virus weiter verbreiten und somit leichter neue Mutationen bilden. Als Geisel der Pharmaindustrie verliert die Menschheit Zeit im Kampf gegen Corona.
Impfkampagnen an jeder Haustür statt Repression gegen Arbeiter:innen!
Als im Sommer 2021 die Inzidenzen niedrig waren, nutzten die Regierungen die Zeit nicht, um die Test- und Impfkapazitäten auszubauen. Statt sich vorzubereiten, warteten die Regierungen einfach ab und begnügten sich in vielen Ländern mit überschaubaren Impfquoten. Als dann die Infektionszahlen im Herbst wieder stiegen, schoben sie die Schuld für die Ausbreitung der Pandemie ein ums andere Mal auf individuelles Verhalten und insbesondere auf die Ungeimpften. Damit versuchten sie, sich aus der Verantwortung zu stehlen und davon abzulenken, dass die Pandemiepolitik im Interesse der Aufrechterhaltung der Profite des Kapitals steht.
Während die Regierung nun über eine verallgemeinerte Impfpflicht diskutiert, sollen sogar bereits geimpfte Arbeiter:innen, die lediglich noch nicht geboostert sind, den Anspruch auf Lohnfortzahlung im Quarantänefall verlieren. Hier wird überdeutlich, dass es nicht um die Erhöhung der Impfquote geht – schließlich sind diese Menschen ja durchaus zur Impfung bereit gewesen –, sondern allein um die Sicherung kapitalistischer Profite.
Eine wirklich flächendeckende Impfkampagne müsste auch gerade diejenigen erreichen, die aufgrund sprachlicher Barrieren keinen ausreichenden Zugang zu Informationen über die Impfung haben oder aufgrund eines unsicheren oder illegalisierten Aufenthaltsstatus die Repression staatlicher Behörden fürchten.
Als Revolutionär:innen stellen wir uns allen verschwörungstheoretischen und Corona-leugnerischen Tendenzen klar entgegen und verteidigen die wissenschaftlich zweifelsfrei belegten medizinischen Grundlagen von Impfungen als individuelle und gesellschaftliche Notwendigkeit. Wir sind der Meinung, dass eine geduldige Überzeugungsarbeit notwendig ist, um die Impfquote zu erhöhen. Ein Zwang, der durch autoritäre Gesetze, drohenden Jobverlust und Bußgelder repressiv durchgesetzt wird, sorgt demgegenüber nur dafür, das Proletariat und die Unterdrückten zu disziplinieren.
Der Aufstieg der Rechten und die staatliche Repression
Rechtsradikale Parteien und Organisationen nutzen die Ängste in Teilen der Bevölkerung und bieten Menschen einen Raum, die sich vom System im Stich gelassen fühlen oder dem Staat nicht trauen.
Die Rechten haben erkannt, dass es nicht unbedeutende Sektoren der Gesellschaft gibt, die aus Angst vor der Zukunft und in Ablehnung zum Mainstream nach politischen Alternativen suchen. Die rechten Narrative gehen davon aus, dass Regierungen, Medien und die Pharmaindustrie die Pandemie „erfunden“ hätten, um autoritäre Regime zu installieren. Die kapitalistische Motivation hinter der Pandemiepolitik verschweigen sie. Dabei greifen sie auf eine reiche Palette an rechten Verschwörungstheorien zurück und leugnen wissenschaftliche Erkenntnisse, wenn sie etwa von „Great Reset“, „neuer Weltordnung“, „Bill Gates Chip“ oder „Unfruchtbarkeit“ durch Impfungen reden.
Der materielle Kern ihrer Ideologie ist die Ablehnung aller Maßnahmen, welche die „unternehmerische Freiheit“ einschränken. Statt die Abschaffung von Patenten oder die Vergesellschaftung der Pharmaindustrie zu fordern, lehnen sie neu entwickelte Impfstoffe ab. Statt kostenlose FFP2-Masken für alle zu fordern, verweigern sie das Tragen der Schutzausrüstung und nehmen die Ansteckung ihrer Mitmenschen in Kauf. Statt kollektiver Entscheidungen der Beschäftigten über sichere Bedingungen zum Schließen oder Öffnen von Betrieben bei voller Lohnfortzahlung wollen sie ungeimpft und ungetestet alles offen lassen. Es sind gefährliche, rückwärtsgewandte und arbeiter:innenfeindliche Ansichten, die unter dem Deckmantel der „Freiheit“ in Kauf nehmen, dass sich weiter Millionen Menschen infizieren.
Es ist notwendig, der extremen Rechten eine Politik entgegenzusetzen, die gleichzeitig weitere repressive Maßnahmen ablehnt. Denn jede Einschränkung des Privatlebens bei gleichzeitigem Fortlaufen der kapitalistischen Produktion lässt die Infektionszahlen nur langsam sinken und nimmt mehr Tote in Kauf. Zudem verlängert es die wirtschaftlichen, sozialen, psychischen und familiären Belastungen: Eingesperrt in die eigenen vier Wände steigen die Zahlen der psychischen Erkrankungen und die Zahlen von häuslicher Gewalt. Familien werden mit Kinderbetreuung und Pflege alleine gelassen. Der Stress von Arbeit und Ausbildung bleibt bestehen, während der soziale Ausgleich wegfällt. Besonders Beschäftigte in der Gastronomie, im Tourismus oder kleine Selbstständige sind in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Gegen die repressive Politik der Regierung und gegen die irrationale Politik der „Querdenker:innen“ braucht es (Online-)Versammlungen in Betrieben, Schulen, Unis und Nachbarschaften, angestoßen von Betriebs- und Personalräten, Gewerkschaften und Asten, um über notwendige Hygienemaßnahmen und sichere Bedingungen für physische und psychische Gesundheit zu diskutieren – ebenso wie einen Kampfplan, der beispielsweise mit Streiks wie in Frankreich sichere Bedingungen durchsetzt.
Hingegen verhindern die Stärkung von Polizei, Militär und Sicherheitsorganen sowie die Einschränkung der demokratischen Freiheiten die Handlungsfähigkeit der Arbeit:innenklasse, und zwar aus zwei Gründen. Erstens, weil das bewusste Handeln und die Organisation der Lohnabhängigen nur zum Tragen kommen kann, wenn die Politik ihnen nicht „von oben“ durch Bürokrat:innen und Beamt:innen, durch bürgerlichen Politiker:innen und Interessenverbände aufgezwungen wird. Sich wie unter anderem die Linkspartei und die autonome Linke freiwillig im Sinne einer „aufgeklärten“ Politik den Diktaten der Bourgeoisie unterzuordnen, stärkt in keinster Weise die Reihen der Unterdrückten oder die unabhängige Organisierung der Arbeiter:innenbewegung.
Der zweite Grund für die Ablehnung der bürgerlichen Maßnahmen, seien sie repressiver Natur, seien sie vorgeblich „lebenserhaltender“ Natur wie die Impfpflicht, ist, dass alle Maßnahme, die bürgerliche Regierungen treffen, früher oder später gegen die Arbeiter:innen gerichtet werden. So etwa, wenn die Impfpflicht als Vorwand genommen wird, um ungeimpfte Kolleg:innen leichter entlassen zu können, oder um ihnen Lohnfortzahlungen vorhalten zu können. Das staatliche Handeln zeigt dabei auch sein wahres Gesicht, wenn Medizinstudierende und Beschäftigte des Gesundheitswesens wie in Dresden von der Polizei eingekesselt werden, weil sie sich gegen die Demonstrationen von Corona-Leugner:innen stellen, oder wenn unter dem Vorwand des Vorgehens gegen „Hass-Kriminalität“ die Zensur oder gar das Verbot von Messenger-Diensten wie Telegram gefordert wird.
Während die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Deutschland und Österreich von radikalen Rechten angeführt werden, sind die Bewegungen in Italien, Frankreich, Belgien oder den Niederlanden deutlich gemischter in der politischen Ausrichtung und sozialen Zusammensetzung. An den Ausschreitungen in Brüssel oder Rotterdam im November beteiligten sich auch viele Jugendliche aus einfachen Verhältnissen, die ihren Frust über die ihnen erneut aufgezwungene Isolation und Einkommenseinbußen zeigten. In Rotterdam feuerte die Polizei mehrere Schüsse mit scharfer Munition ab und verletzte mehrere Demonstrant:innen. Wir stellen uns klar gegen die Repression.
Für eine unabhängige Politik der Arbeiter:innen
Den kapitalistischen Regierungen Europas gelang es, einen Geist der nationalen Einheit um die Pandemie herum zu bilden: Politische Parteien, Nichtregierungsorganisationen, Bürokratien der Gewerkschaften (Bundesvorstände usw.), ja selbst Parteien aus dem linken Spektrum wie in Deutschland die Partei DIE LINKE folgten dem Kurs der bürgerlichen Regierungen. Ein Beispiel für die Unterstützung der LINKEN für die Regierungspolitik ist, dass sie in Berlin gemeinsam mit SPD und Grünen als Teil des Berliner Senats einen Antrag bei der Gesundheitsminister:innenkonferenz stellten, dass Schnelltests (anstelle von PCR-Tests) ausreichend für eine Entlassung aus der Quarantäne seien, anstatt Test-Kapazitäten aufzubauen.
Diese Unterordnung unter die nationale Einheit ist Ausdruck der ohnmächtigen Politik der Gewerkschaftsführungen und politischen Organisationen der traditionellen Linken, die keine Alternative zu dem von der Bourgeoisie eingeschlagenen Kurs anbieten. Auch Arbeitskämpfe hielten die Bürokratien mit Verweis auf Kontaktbeschränkungen klein. Rechte Parteien, die die Coronaproteste befeuerten, hatten dagegen keine Probleme, auf den Straßen zu mobilisieren. Dadurch konnten sie sich als vermeintlich einzige Alternative zum Kurs der verschiedenen Regierungen profilieren.
Dabei haben Beschäftigte im Gesundheitswesen in ganz Europa sich während der Pandemie durchaus gewehrt. In Deutschland streikten erst vor Kurzem nach jahrelanger Organisierung und wichtigen Teilkämpfen bundesweit die Beschäftigten der Unikliniken; in Berlin gab es die größte Krankenhausbewegung seit Jahrzehnten für mehr Personal. De facto stellten diese Streiks die Pandemiepolitik der Regierung, vor allem die Kürzungspolitik im Gesundheitssystem, in Frage. Aktuell werden auch in anderen Bundesländern wie in NRW neue Krankenhausbewegungen organisiert, die in den kommenden Wochen oder Monaten ebenfalls für mehr Personal streiken dürften.
Es ist jedoch notwendig, die einzelnen lokalen Tarifbewegungen für mehr Personal in einer bundesweiten politischen Bewegung der Gesundheitsarbeiter:innen zu verallgemeinern. Tausende sollten bundesweit gemeinsam auf die Straße gehen. Eine solche politische Bewegung müsste nicht nur für mehr Personal an einzelnen Standorten streiken, sondern auch bundesweit für Forderungen nach der Abschaffung des Profitsystems in Krankenhäusern, für massive Investitionen in das Gesundheitssystem, sowie gegen die Durchseuchungsstrategie der Regierung demonstrieren und auch streiken. Dafür braucht es Druck auf die Gewerkschaftsführungen und Vorstände der Gewerkschaften, die sich bisher gegen solche Mobilisierungen stellen. Die neuen Krankenhausbewegungen sind daher eine große Chance, diesen Druck zu erhöhen und über die einzelnen Bundesländern hinweg eine politische Bewegung aufzubauen.
Eine solche Bewegung der Gesundheitsarbeiter:innen könnte gemeinsam mit anderen Sektoren wie Studierende, Bildungspersonal und Sektoren der kritischen Infrastruktur für eine Alternative der Arbeiter:innen zu der Regierungspolitik streiten und Hunderttausende hinter ihrem Kampf vereinen. Ansonsten wird sich die extreme Rechte weiter stärken, die momentan als einzige politische Oppositionsbewegung auf der Straße sichtbar ist.
In Frankreich streikten wie erwähnt in der vergangenen Woche über 60 Prozent aller Lehrkräfte gegen unsichere Bedingungen an den Schulen – sie forderten nicht die pauschale Schließung der Schulen, sondern kostenlose PCR-Tests, Masken, Luftfilter und die Umsetzung von Hygiene- und Quarantäneprotokollen. Doch auch dort versucht die Gewerkschaftsbürokratie, die Streiks klein zu halten und organisiert keinen umfassenden Kampfplan, der nicht nur die Bedingungen an den Schulen verbessern, sondern für die gesamte Arbeiter:innenklasse eine Pandemiepolitik in ihrem Interesse artikulieren kann, beispielsweise durch den Kampf für die Freigabe von Patenten auf Impfstoffe und Medikamente.
Deshalb ist es notwendig, sich an der Basis der Gewerkschaften, in den Betrieben, Schulen und Universitäten für eine solche politische Alternative der Arbeiter:innen zu organisieren. An diesen Orten sollten Versammlungen stattfinden, auf der über die notwendigen Hygienemaßnahmen und über die Regierungspolitik zur Pandemie diskutiert, sowie Forderungen und Aktionen beschlossen werden – begonnen mit den Schulen und den Krankenhäusern, die heute an vorderster Front der Pandemie stehen. Als Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) wollen wir mit Hilfe unserer Website Klasse Gegen Klasse in Universitäten und Kliniken Vorschläge in diese Richtung machen, und laden Organisationen und Aktivist:innen dazu ein, uns zu kontaktieren, um auch in den Orten, an denen wir nicht präsent sind, Schritte in diese Richtung zu unternehmen.
Die DGB-Gewerkschaften müssen Demonstrationen sowie Streiks für die Umsetzung sicherer Bedingungen organisieren, auf der Grundlage eines Notfallprogramms wie des Folgenden:
Kostenlose PCR-Tests für alle: Anstelle der Einschränkung der Testkapazitäten braucht es einen massiven Ausbau von Testkapazitäten und die kostenlose Bereitstellung von PCR-Tests und FFP2-Masken für alle, die sie brauchen. Private Testzentren und Labore müssen unter Arbeiter:innenkontrolle verstaatlicht werden, um die Korruption und die astronomischen Profite mit den Tests zu beenden.
100% bezahlte Freistellung für Infizierte, Angehörige und Kontaktpersonen: Die Löhne müssen von den Bossen voll weiterbezahlt werden, ohne Kürzung durch verringertes Kurzarbeitergeld. Für kleine Selbstständige und Arbeitslose braucht es unbürokratische Soforthilfen. Beschäftigte, die unter Long-Covid leiden, sollten ihre Arbeitszeit bei vollständigem Lohnausgleich reduzieren und gegebenenfalls ausgleichend früh in die Rente gehen dürfen.
Für die Freigabe aller Impfstoffe: Impfstoffe sind das Produkt von jahrzehntelanger wissenschaftlicher Forschung. Der Zugang zu ihnen sollte der gesamten Menschheit kostenlos zur Verfügung stehen. Wir brauchen eine breite Impfkampagne und Aufklärung unter der Kontrolle von Gesundheitskomitees in den Betrieben, Schulen und Unis, um die bisher Impfunwiligen zu überzeugen. Wir sind dagegen, dass Ungeimpfte Kolleg:innen aus dem Betrieb ausgesperrt oder entlassen werden, Bußgelder erhalten oder von der Polizei bedrängt werden.
Für ein Gesundheitssystem ohne Profite: Die konservativen und „fortschrittlichen“ Regierungen haben das Gesundheitswesen gleichermaßen kaputtgespart. Fehlende Intensivbetten, viel zu wenige Beschäftigte, Outsourcing und Prekarisierungen sind in ganz Europa die Regel, auch im reichen Deutschland oder Frankreich. Deshalb ist es notwendig, dass sich Beschäftigte im Gesundheitswesen – die Stammbelegschaften und in externe Firmen ausgelagertes Personal – zusammenschließen und für eine Gesundheit im Dienste der Menschen, nicht der Konzerne, kämpfen, in der Perspektive der Verstaatlichung des gesamten Gesundheitssystems unter Arbeiter:innenkontrolle. Es braucht mehr Personal, indem die Löhne steigen und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Dieser Kampf muss verbunden sein mit einem Kampf für die Aufhebung der Patente auf Impfstoffe und Medikamente und massive Investitionen in die Forschungen zu Long-Covid.
Die Macht der Pharmalobby brechen: Die Pharmaindustrie macht Milliardengewinne mit Impfstoffen, während diese gleichzeitig nicht der gesamten Menschheit zur Verfügung stehen. Korrupte bürgerliche Politiker:innen und Lobbyist:innen bedienen sich auf Kosten der Allgemeinheit, wie die Maskenaffäre in Deutschland eindrucksvoll gezeigt hat. Dagegen braucht es die entschädigungslose Verstaatlichung der Pharmaindustrie und der Hersteller von medizinischer Ausrüstung unter Arbeiter:innenkontrolle.
Volle Finanzierung der Gesundheitsmaßnahmen durch Vermögenssteuern: Die Bekämpfung der Pandemie darf nicht auf Kosten der Allgemeinheit ausgetragen werden, sondern muss von den Superreichen und Großkapitalist:innen getragen werden. Es braucht eine Abgabe auf große Vermögen und Einkommen, um die Gesundheitssysteme deutlich auszubauen, Tests und Impfungen kostenlos zur Verfügung zu stellen, Löhne anzuheben, mehr Personal einzustellen, Corona-Hilfen an Bedürftige und Selbstständige auszuzahlen, und Menschen in Quarantäne zu versorgen.
Wir brauchen eine Lösung der Pandemie im Interesse der Arbeiter:innen und der Unterdrückten und nicht im Interesse des Profits der Kapitalist:innen durchzusetzen. Eine Lösung, die sich nicht auf staatliche Zwangsmaßnahmen gegen Arbeiter:innen und die große Mehrheit der Bevölkerung stützt, sondern auf die Selbstorganisation der Ausgebeuteten und Unterdrückten gegen die kapitalistische Profitmaschinerie.