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Die Re-Kolonisierung Mexikos: Einsatz mexikanischer Nationalgarde als Grenzpatrouille der USA vereinbart

13.06.2019, Lesezeit 10 Min.
Übersetzung:
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Wir veröffentlichen eine gemeinsame Erklärung von Sozialist*innen in Mexiko und den USA gegen die migrationsfeindliche Offensive der US-Regierung. Es wurde gleichzeitig auf Englisch bei Left Voice und auf Spanisch bei La Izquierda Diario México veröffentlicht, Schwesterseiten von Klasse Gegen Klasse.

Letzte Woche drohte Präsident Donald Trump mit einer Reihe von harten und eskalierenden Zöllen auf mexikanische Importe, um die dortige Regierung zu zwingen, gegen die Migration in die USA vorzugehen. Der ehemalige Chef der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy, verglich die Verhandlungen mit einer „Geiselnahme“ und argumentierte, dass die USA die gesamte mexikanische Wirtschaft bedrohe, um den Präsidenten Andres Manuel Lopez Obrador (AMLO) zu einer strengeren Einwanderungspolitik zu zwingen. Und es hat funktioniert. Am Freitag kündigte Präsident Trump an, dass die Zölle nicht wie geplant in Kraft treten werden, nachdem seine Regierung und mexikanische Beamte eine Einigung erzielt hatten.

Mexiko hatte in den Verhandlungen zugestimmt, bis zu 6.000 Mitglieder der Nationalgarde zu mobilisieren, um zu verhindern, dass Migrant*innen über die Südgrenze Mexikos einreisen oder das Land in Richtung USA wieder verlassen. Die Nationalgarde wird in Wirklichkeit mit dem Fangen, Festhalten und Bewachen von Migrant*innen betraut, die versuchen, die Grenze der USA zu erreichen. Mexiko stimmte auch zu, die „Migration Protection Protocols“ auszuweiten, die sicherstellen, dass mehr Asylbewerber*innen nach Mexiko abgeschoben werden, während sie darauf warten, dass die USA ihre Asylanträge bearbeiten. Obwohl es den Anschein hat, dass diese Änderungen das Ergebnis der jüngsten Verhandlungen zwischen den beiden Ländern waren, berichtet die New York Times, dass diese Maßnahmen tatsächlich Teil einer Vereinbarung waren, zu der die USA und Mexiko vor Monaten gekommen waren.

Das Abkommen ist ein klarer Triumph für Trump und verheerend für die Zehntausenden mittelamerikanischen Migrant*innen, die Asyl in den Vereinigten Staaten suchen. Um es ganz offen zu sagen: Mexiko hat sich bereit erklärt, Ressourcen bereitzustellen, um als US-Grenzkontrolle in Mexiko zu fungieren. Diese Vereinbarung stellt eine Eskalation der brutalen Einwanderungspolitik dar, die die Trump-Administration von Anfang an begleitet hat. Seit September 2018 sind mindestens sechs, vielleicht mehr, Kinder von Migrant*innen unter Obhut der US-Abschiebebehörde gestorben. Diese Todesfälle sind das direkte Ergebnis einer immer härteren Einwanderungspolitik, in der immer mehr Migrant*innen, darunter bis zu 15.000 Kinder, auf unbestimmte Zeit in überfüllten Haftanstalten und Freilufteinrichtungen festgehalten werden, die von mehreren Journalist*innen mit „Konzentrationslagern“ verglichen wurden. Scott Warren drohen bis zu 20 Jahre Gefängnis wegen des „Verbrechens“, Migrant*innen Wasser und Unterkunft zu bieten.

Auch auf der mexikanischen Seite der Grenze verschlechtern sich die Bedingungen für Migrant*innen. Am Donnerstag, während die Verhandlungen in Washington andauerten, feuerte die mexikanische Militärpolizei Tränengas auf Migrant*innen, die versuchten, die Grenze nach Mexiko zu überqueren. Die Politik der Regierungen auf beiden Seiten der Grenze ist es, die Migration in die USA zu stoppen. Diese Politik wird die Migration nicht stoppen, sondern sie wird die Einwanderung nur gefährlicher und schwieriger für diejenigen machen, die die beschwerliche Reise in den Norden auf sich nehmen.

Der mexikanische Präsident macht die Drecksarbeit für den US-Imperialismus

AMLO trat im Dezember 2018 auf einer Wahlplattform an, die wirtschaftliche Gerechtigkeit und einen größeren Schutz der Menschenrechte versprach. Er wurde mit großer Unterstützung von Arbeiter*innen gewählt, die von seinem fortschrittlichen Programm angezogen wurden. Seine Politik gegenüber Migrant*innen zeigt jedoch, dass seine Menschenrechtsversprechen eine Lüge waren. Seit seinem Amtsantritt hat AMLO die Behörden angewiesen, Migrant*innen in Chiapas, dem ärmsten und südlichsten Bundesstaat Mexikos, festzuhalten und damit die US-Grenzmauer bis nach Guatemala zu verlängern.

Während der Kampagne versprach AMLO, die Grenze zu den USA zu entmilitarisieren, aber stattdessen schuf er eine neue Militärpolizei, die mexikanische Nationalgarde, die zur Unterdrückung von Migrant*innen an der Südgrenze eingesetzt wurde. Mitglieder der Nationalgarde wurden als Grenzpolizei eingesetzt, die mit der Überprüfung von Dokumenten und der Festnahme von Migrant*innen beauftragt wurden und zwar in enger Zusammenarbeit mit dem Mexican National Migration Institute (INM). Die Nationalgarde hat freie Hand, um rassistisch motivierte Kontrollen durchzuführen und Menschen an ihrer Weiterreise zu hindern – in einem Land, in dem das Militär für seine Beteiligung an Menschenhandel und Entführungen berüchtigt ist. Diese neue Streitkraft hat die Aufgabe, in überfüllten Migrationsbüros, die nun zu Haftanstalten ausgebaut werden, für Ordnung zu sorgen. Ihre Aufgabe ist es, Migrant*innen festzunehmen und zu verschleppen, um die ständige Flucht von Migrant*innen zu stoppen. Seit Dezember hat die mexikanische Regierung 80.500 Migrant*innen abgeschoben, drei Mal so viele wie unter der Regierung von Peña Niesto abgeschoben wurden – viele von ihnen fliehen vor verschiedenen Formen von Elend und Gewalt, die das direkte Ergebnis der Umsetzung der von Washington D.C. angeordneten neoliberalen Pläne sind. Die nicht abgeschobenen Migrant*innen wurden in Haftanstalten gedrängt oder von der neu geschaffenen Nationalgarde verfolgt und missbraucht. Tatsächlich starb erst letzten Monat ein zehnjähriges Mädchen in einem der Haftanstalten der mexikanischen Regierung.

In seiner kurzen Amtszeit als Präsident hat AMLO völlige Unterwürfigkeit gegenüber den USA bewiesen. Als Trump erstmals drohte, die Zölle auf mexikanische Importe zu erhöhen, appellierte die mexikanische Regierung an eine „freundschaftliche Beziehung“ zwischen den beiden Ländern. AMLO schickte einen Brief an Präsident Trump, der die Notwendigkeit nach dem Schutz der Menschenrechte betonte, aber gleichzeitig den USA versicherte, dass Mexiko alles tut, was es kann, um die Flut von Migrant*innen in die USA einzudämmen:

Die Menschen verlassen ihre Dörfer nicht aus Vergnügen, sondern aus Not. Deshalb habe ich von Anfang meiner Regierung an vorgeschlagen, mich für die Entwicklungszusammenarbeit zu entscheiden und den mittelamerikanischen Ländern mit produktiven Investitionen zu helfen, um Arbeitsplätze zu schaffen und dieses schmerzhafte Problem eingehend zu lösen. Sie wissen auch, dass wir unserer Verantwortung gerecht werden, die Durchreise durch unser Land so weit wie möglich und ohne Verletzung der Menschenrechte zu verhindern.

Taten sagen mehr als Worte. Trotz der Rhetorik der „Menschenrechte“ schafft AMLO eine Grenzpolitik, die wohl schlimmer und repressiver ist als die jeder seiner Vorgänger.

Kapitalist*innen fürchten um ihre Unternehmen

Trotz der Unterwerfung von AMLO unter Trump angesichts der Androhung steigender Zölle ist klar, dass Kapitalist*innen auf beiden Seiten der Grenze gegen Zollerhöhungen waren, weil sie die Gewinne lähmen würden. US-Konzerne wollen die hohe Gewinnspanne, die durch die Überausbeutung der Arbeiter*innenklasse in Mexiko entsteht, das die niedrigsten Löhne aller Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat, nicht verlieren. Die mexikanische Bourgeoisie, die von ihren Geschäftsbeziehungen mit großen US-Kapitalist*innen abhängig ist, lehnte ebenfalls die Einführung von Zöllen ab. Inmitten von US-Handelsstreitigkeiten mit China versuchen die mexikanische Regierung und Unternehmen, Mexiko als zentralen (wenn auch untergeordneten) Handelspartner des US-Imperiums zu etablieren.

Republikaner*innen in den USA fürchteten die Zölle, weil einige Schätzungen zeigten, dass die Lebenshaltungskosten um mehr als 800 Dollar im Jahr steigen würden. Für die Wahlen 2020 sind steigende Lebenshaltungskosten die letzte Sache, die die Republikaner gebrauchen können, obgleich Republikaner*innen und Demokrat*innen darin übereinstimmen, dass es ein „Migrationsproblem“ gibt und dass mehr Grenzpolizei unumgänglich ist. So erwies sich Trumps Kraftakt als Erfolg: Mexiko agiert als US-Grenzpatrouille ohne Kosten für den amerikanischen Steuerzahler und es gibt keine lähmenden Tarife. Trumps migrationsfeindliche Politik und Rhetorik helfen ihm, eine Grundlage für die Wahlen 2020 zu schaffen, insbesondere inmitten der Diskussionen über seine Anklage. Trump bewies seine Stärke gegenüber der mexikanischen Regierung, um „Freihandelsprivilegien“ aufrechtzuerhalten und die Unterordnung Mexikos unter die Migrationsbestimmungen zu vertiefen. Gleichzeitig wird erwartet, dass bis Ende 2019 fast 800.000 Menschen Mittelamerika verlassen werden, um Mexiko zu überqueren und zu versuchen, die Vereinigten Staaten über die mexikanische Grenze zu erreichen.

Migration, Antiimperialismus und Internationalismus

Trumps Aussagen und Forderungen zur Migration sind nur die Spitze des Eisbergs der imperialistischen Offensive gegenüber Mexiko. Trump twitterte bereits, dass er gegenüber Mexiko mit Zöllen drohen werde, wann immer es ihm beliebt.

Während es einfach ist Trump die Schuld zu geben, wie es die liberalen US-Medien tun, hat die Migrationspolitik, die vom Weißen Haus umgesetzt wird, eine lange Tradition in vorherigen Regierungen, sowohl republikanisch als auch demokratisch. Die USA arbeiten seit Jahren daran, Mexiko wieder zu kolonisieren und ein Land zu schaffen, das völlig der Gnade seines nördlichen Nachbarn ausgeliefert ist. Der US-Imperialismus manifestiert sich in Mexiko nicht durch Bomben, sondern durch einseitige Handelsverträge, die den Grundstein für Mexikos wirtschaftliche Abhängigkeit von den Interessen multinationaler Konzerne bilden. Die nördliche Grenze Mexikos verfügt über eine der wichtigsten Produktionsketten der Welt, die Automobil-Wertschöpfungskette, deren einziger Zweck es ist, billige Rohstoffe für die USA zu produzieren, was die Umstellung der gesamten mexikanischen Volkswirtschaft auf den Export für US-amerikanische Unternehmen mit sich brachte. Der Freihandel bedeutete katastrophale Niedriglöhne (die niedrigsten auf dem Kontinent), schreckliche Arbeitsbedingungen und einen neuen Sektor der Arbeiter*innenklasse, der in den Maquilas an der US-amerikanischen Grenze zu Mexiko arbeitet.

Diese Probleme werden noch verschärft durch die Tatsache, dass Mexiko eine der höchsten Auslandsschulden in der Region hat, was Haushaltsbeschränkungen für Gesundheit, Bildung und alle anderen öffentlichen Ausgaben bedeutet.
Mexiko ist in gewisser Weise eine Halbkolonie der USA, ein Land mit unabhängigen Wahlen, aber einer mit einer vom US-Imperialismus diktierten Politik, Militär und Diplomatie. Im militärischen Bereich wurde der mexikanische „Krieg gegen Drogen“ von der US-Regierung angeführt. Die Waffen für diesen Krieg kommen aus den USA, aber die Opfer sind Mexikaner*innen: Seit 2006 gab es mindestens 200.000 Tote. Deshalb ist die neue Nationalgarde von AMLO besonders abscheulich; die Mexikaner*innen kennen die Brutalität der Militärpolizei und die entscheidende Rolle, die sie im Menschenhandel, bei Femiziden und Massakern an Migrant*innen gespielt haben. Diese Probleme stehen in direktem Zusammenhang mit dem Verfall, der im Zuge des imperialistischen Raubzug durch die mexikanische Wirtschaft verursacht wurde, der von der mächtigsten imperialistischen Macht der Welt aufrechterhalten wird. Wie man in Mexiko sagt: „Armes Mexiko. So weit weg von Gott, so nah an den Vereinigten Staaten.“

Die Notwendigkeit zu kämpfen

Die Tatsache, dass sowohl Demokrat*innen als auch Republikaner*innen an der Re-Kolonisierung Mexikos teilgenommen haben, zeigt den Bankrott beider Parteien. Trumps Handlungen sind nicht neu. In Mexiko zeigt die völlige Unterwerfung von AMLO unter die US-Interessen und die Leichtigkeit, mit der er zustimmte, Migrant*innen brutal zu unterdrücken, die Grenzen der fortschrittlichen Kapitalist*innen. Es zeigt die Notwendigkeit unabhängiger Arbeiter*innenorganisationen für die multiethnischen amerikanischen und mexikanischen Arbeiter*innenklassen und einer klar antiimperialistischen Politik, zugunsten der Rechte aller Migrant*innen, unabhängig von ihrem Herkunftsland.

Antiimperialismus bedeutet Kampf für die Abschaffung des ICE und der brutalen, unmenschlichen Haftanstalten, sowie Kampf gegen die mexikanische Nationalgarde, Mexikos neuen Repressionsmechanismus gegen Migrant*innen. Doch diese Maßnahmen reichen nicht aus: Das Ausmaß der Kolonisierung in Mexiko erfordert eine noch stärkere Reaktion. Es gibt offene Grenzen für Rohstoffe, um den Kapitalist*innen massive Gewinne zu garantieren. Wir brauchen offene Grenzen für Menschen, die als direkte Folge der imperialistischen Politik der USA in Mittelamerika und Mexiko migrieren. Heute sind Migrant*innen Menschen zweiter Klasse mit wenigen Arbeitsrechten, was die Löhne für die gesamte Arbeiter*innenklasse drückt. Die Lösung sind keine geschlossenen Grenzen, wie Bernie Sanders uns glauben machen will. Vielmehr sind es offene Grenzen und volle Rechte für alle Migrant*innen.

Wir kämpfen nicht nur für die Menschenrechte von Migrant*innen, wir müssen auch für die nationale Unabhängigkeit Mexikos kämpfen, um die wirtschaftlichen und politischen Ketten zu durchbrechen, die Mexiko an amerikanische Kapitalist*innen binden. Dieser Bruch mit dem Imperialismus bedeutet auch, sich den Kapitalist*innen Mexikos und den kapitalistischen Parteien zu stellen, die von der Unterordnung Mexikos profitieren und diese garantieren. Mexiko sollte seine Auslandsschulden nicht bezahlen und die Verträge und Handelsabkommen brechen, die es dem US-Imperialismus unterordnen. Als Sozialist*innen stellen wir das Eigentum an den Produktionsmitteln in Frage. Mexikos Produktionskapazitäten befinden sich im Besitz von US-Unternehmen, deren Gewinne nur in eine Richtung fließen. Diese Zusammensetzung der Eigentumsverhältnisse garantiert das anhaltende Elend Mexikos. Daher müssen wir dafür kämpfen, dass die Produktionsmittel den internationalen Kapitalist*innen entzogen und in die Hände der mexikanischen Arbeiter*innenklasse gelegt werden.

Diese dringenden Aufgaben werden weder von der Demokratischen Partei, noch von der Verwaltung von Lopez Obrador angegangen. Als Sozialist*innen kämpfen wir für eine antiimperialistische und internationalistische Perspektive auf beiden Seiten der Grenze, um die imperialistische Unterdrückung zu beenden, die Enteigner zu enteignen und eine Föderation Vereinigter Sozialistischer Staaten von Nord- und Mittelamerika aufzubauen.

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