Die Österreichische Polizei zeigt ihre Gesinnung
Es ist keine Neuigkeit, dass der Apparat der österreichischen Polizei eher im rechten politischen Spektrum verankert ist. Wie weit rechts die Exekutive steht, wurde jedoch selten klarer als am letzten Wochenende des Januar. In ganz Österreich fanden Kundgebungen zu verschiedenen Themen statt, und die Unverhältnismäßigkeit beim Vorgehen der Polizei hat viele Menschen zutiefst schockiert und traumatisiert.
Wien
Am Wochenende des 30. und 31. Janur wurden 17 Kundgebungen in Wien angezeigt, ein großer Teil davon war den Corona-Aufmärschen zuzuordnen, jedoch nicht alle. Es sollten auch Kundgebungen gegen die Novelle des Universitätsgesetzes und eine antifaschistische Gegendemonstration gegen die Corona-Aufmärsche stattfinden. 15 der Versammlungen wurden untersagt – die Begründung lautete, dass aufgrund vorheriger Erfahrungen davon ausgegangen werden könne, dass die Teilnehmer:innen die Corona-Hygiene Maßnahmen nicht einhalten werden. Insofern sei diese Untersagung verfassungsrechtlich gedeckt, weil mit Verstößen gegen geltende Gesetzesgrundlagen zu rechnen war. Jedoch wurden völlig unverständlicherweise die Kundgebungen gegen die Universitätsgesetz-Novelle, sowie die antifaschistische Gegendemonstration gegen die Corona-Aufmärsche, ebenfalls mit derselben Begründung untersagt – obwohl es offensichtlich ist, dass diese Verstöße bei keiner der bisherigen Demos zu diesen Themen stattgefunden hatten, noch damit zu rechnen war. Aber es gab der Polizei eine willkommene Gelegenheit, um gegen linke und progressive Bewegungen Repression auszuüben.
Gleichzeitig wurden jedoch zwei Corona-Aufmärsche zunächst erlaubt. Die größte der Kundgebungen versammelte sich am Ring zwischen Maria-Theresien-Platz und Heldenplatz. Von Anfang an wurden weder die Abstände, noch die Maskenpflicht eingehalten. Wie auch auf vergangenen Demonstrationen, wurde auf die Aufforderung, sich an die Maßnahmen zu halten, von Demonstrationsteilnehmer:innen mit höhnischen Buh-Rufen und Gelächter reagiert. Die Kundgebung wurde daraufhin aufgelöst und der Demonstrationswagen von der Polizei beschlagnahmt. Ca. 2000 Menschen wurden gekesselt, es gab mehrere Polizeiketten in einem Abstand von ca. 100 Metern, dazwischen wurde zwischenzeitlich eine Hundestaffel aufgestellt.
Daraufhin eskalierte die Situation. Ungefähr 150 Menschen, die sich vor dem „KURZ WEGKICKELN“ Banner der Identitären (es befand sich ein „die Österreicher“-Logo am Banner, die „neue“ Scheinorganisation der Identitären) befanden, begannen eine Massenschlägerei mit der Polizei. Acht Menschen wurden verhaftet, also zuerst aus der Menge gezogen und dann zwischen die Polizeiketten geleitet. Die Polizei erschien angesichts der von den Demonstrierenden ausgehenden, massiven Gewalt ungewöhnlich entspannt im Umgang mit den Personen.
Da kein Weiterkommen auf dieser Seite des Rings absehbar war, drehte der gesamte Demozug einfach um und konnte ab diesem Zeitpunkt völlig unbehelligt bis zum Abend durch die Stadt spazieren. Es war surreal, zu beobachten, was sich Rechtsextreme gegenüber der Polizei erlauben können, nur um dann stundenlang einen untersagten Demozug, unter Geleitschutz von Polizist:innen (die noch dazu ihre Helme abgenommen hatten), durchführen zu können. Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl rechtfertigte dieses Vorgehen mit Überforderung gegenüber den Menschenmassen, und mit einer „sorgfältigen Vorgehensweise und einer genauen Abwägung“. Gerade jener Polizeipräsident, der bereits mehrmals aufgrund seines unverhältnismäßig gewalttätigen Vorgehens bei antifaschistischen Gegenprotesten gegen den Burschenschafterball unter massive Kritik kam. Gerade jener Gerhard Pürstl, der erst noch Tage zuvor Jugendliche gewaltvoll von einer Straße räumen ließ, um die Abschiebung eines zwölfjährigen, in Österreich geborenen Mädchens durchzusetzen.
Innsbruck
Dort gab es am Tag zuvor eine Demonstration mit 600 Teilnehmer:innen mit dem Titel „Grenzen töten“. Die Menschen, die dort auf die Straße gingen, kritisierten die unmenschlichen Abschiebungen der Bundesregierung, und das menschenverachtende Grenz- und Asylsystem der Festung Europa. Innerhalb kürzester Zeit wurde der vorderste Block der Demonstration vom Rest abgesondert und ohne eine legitime Begründung eingekesselt. Daraufhin wurden die Menschen durch den Einsatz von Schlagstöcken zusammengetrieben, nur damit danach die Polizei eine nicht-Einhaltung der Abstände feststellen konnte.
Weniger als fünf Minuten nach der Auflösung der Versammlung wurden die noch immer eingekesselten Menschen plötzlich aus nächster Nähe mit Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen und verletzt. Es brach eine Massenpanik aus und Menschen kollabierten. Der Zugang wurde von der Polizei blockiert und die anwesenden Sanitäter:innen wurden nicht zu Menschen durchgelassen, die dringend Hilfe benötigten.
Es wirkte wie ein koordiniertes Vorgehen gegenüber friedlichen Menschen, von Deeskalation konnte keine Rede sein. Kollabierte und panische Menschen wurden nach dem verstörenden Übergriff festgenommen, und auch bei diesen Festnahmen kam es zu massiven Verstößen gegen die Grundrechte der Inhaftierten.
Nach einer Festnahme müssen Personen spätestens nach 48 Stunden einem Haftrichter vorgeführt werden, der dann entscheidet, ob eine weitere Haft gerechtfertigt ist. Dies war bei zwei Personen nach 60 Stunden noch immer nicht geschehen, weiters wurde Anwält:innen der Zugang zu ihnen verwehrt. Es gab auch bei anderen Menschen die festgenommen wurden, zahlreiche Grundrechtsverstöße, die die Frage aufwerfen, ob es sich um bewusste Erniedrigungen handelte:
– Es wurde Menschen verweigert, Telefonate zu führen (rechtlich stehen einer verhafteten Person zwei erfolgreiche Telefonate zu)
– Körperuntersuchungen müssen von Personen des gleichen Geschlechts durchgeführt werden, das wurde missachtet.
– Weiters kam es zu Übergriffen bei der Körperuntersuchung, einer Person wurde von hinten in den Schritt gefasst.
– Die Masken-Pflicht wurde von der Polizei nicht eingehalten und den verhafteten
Personen wurden die FFP2-Masken weggenommen.
– Mehreren Menschen, darunter auch einer menstruierenden Person, wurde der Zugang zu Sanitäranlagen verweigert.
– Vegetarischen Menschen wurde fleischloses Essen verwehrt.
– Es gab verbale sexistische Belästigungen.
– Sich vor dem Polizeianhaltezentrum solidarisch zeigende Menschen wurden mit Anzeigen belegt.
Innsbruck News berichtete über die Grundrechtsverstöße. Zwei Personen wurden fast drei Tage lang festgehalten, ohne einem Haftrichter vorgeführt zu werden. Viele der Demoteilnehmer:innen sind durch die überraschende und schwere Gewalt, sowie die Grundrechtsverletzungen traumatisiert. Laut mehreren Augenzeug:innenberichten gab es von Seiten der Demonstrierenden keine verbale oder körperliche Gewalt die der Polizei als Vorwand für den Einsatz von Pfefferspray hätte dienen können.
Die Bilanz zu diesem Wochenende ist erschreckend und surreal. Während Menschen die gegen ein abscheuliches und menschenverachtendes Abschieberegime friedlich auf die Straße gehen, massiver körperlicher und psychischer Gewalt ausgesetzt werden, können gewalttätige Rechtsextreme und Neonazis unter Geleitschutz einer helmlosen Polizei einen Tag lang die Wiener Innenstadt lahmlegen.
Außerdem haben die gewalttätigen Ausschreitungen der Rechtsextremen und Neonazi Hooligan-Szene an diesem Sonntag einen gefährlichen Tiefpunkt erreicht. Durch die vergangenen Demonstrationen und die breite Akzeptanz, die Rechtsextreme und Neonazis auf den Corona-Aufmärschen erfahren, treten sie jedes Mal mit mehr Selbstbewusstsein und damit auch gewalttätiger auf. Nicht nur die Gewalt gegenüber der Polizei, sondern auch ein Vorfall, bei dem ein Team von Journalist:innen von einer Austria-Neonazi Hooligan Gruppe mit Pfefferspray attackiert wurde, waren traurige und gefährliche Premieren bei den Corona-Aufmärschen. Umso schockierender war die Reaktion der Polizei: Sie räumten die antifaschistische Blockade rasch beiseite und marschierten ohne Helme mit Neonazis und Rechtsextremen.
Weiters koordinierten sich mehrere Gruppen aus dem Umfeld der Identitären, um gezielt Journalist:innen aufzulauern, sie einzuschüchtern und zu attackieren. Die Gewalt gegen Journalist:innen und Passant:innen bei diesen Aufmärschen wird auch weiterhin steigen, wenn die Gewalttäter keinerlei Konsequenzen erfahren.
Doch nicht nur die Unverhältnismäßigkeit der Polizeieinsätze im Vergleich von Innsbruck und Wien lässt einen sprachlos zurück, auch in Wien gab es absurde Repressionen seitens der Polizei gegenüber Journalist:innen. Journalist:innen, die sich in die Gefahr begeben, von Rechtsextremen und Neonazis attackiert zu werden, noch zusätzlich von der Polizei mit absurden und ungerechtfertigten Anzeigen drangsaliert.
Die Entwicklungen gehen hier in eine gefährliche Richtung: Nach diesem Wochenende bleibt der Eindruck, dass Rechtsextreme sich in Österreich vieles erlauben können, und trotzdem eine Sonderbehandlung der Polizei bekommen. Gleichzeitig werden Menschen grundlos verletzt, traumatisiert und ihrer Grundrechte beraubt, wenn sie gegen ein menschenverachtendes und mörderisches Grenz- und Abschiebesystem friedlich auf die Straße gehen.
Spätestens seit dem Rechtsextremismus-Skandal in einer Grazer Polizeistelle, ist allen wieder einmal klar wie weit rechts der österreichische Polizeiapparat steht. Im Rahmen seiner Anhörung schilderte der Angeklagte, das Verschicken von antisemitischen Inhalten sei innerhalb der Polizei normal. Auch ist es kein Geheimnis, dass sich fast alle Polizist:innen politisch der FPÖ zuordnen lassen. Gepaart mit der Tatsache, dass es keine unabhängige Instanz gibt, die Polizeibeamte bei Verstößen gegen Grundrechte kontrolliert, und auch meist schwerwiegende Vorwürfe absolut keine Konsequenzen haben, ist die Exekutive in Österreich auch Teil einer gefährlichen antidemokratischen Entwicklung.
Außerdem hat die österreichische Polizei in der letzten Woche, beginnend mit der unmenschlichen und gewaltvollen Abschiebung einer zwölfjährigen Österreicherin, bis hin zur Sonderbehandlung für Rechtsextreme, wieder einmal gezeigt, welches System sie verteidigen: Ein menschenverachtendes, von rechtsextremen Ideologien geprägtes System, das keinen Platz für progressive und linke Veränderungen zulassen will. Aber das bricht den Widerstand nicht, denn: Solidarität muss Praxis bleiben! Wir sind noch wütender und entschlossener als zuvor, bleiben solidarisch und es gilt noch immer: Aus Hoffnung entsteht Rebellion, und aus Rebellion entsteht Hoffnung.