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DIE LINKE: Eine Regierungspartei auf Abruf streitet über den richtigen Weg in eine Koalition

01.06.2016, Lesezeit 7 Min.
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Im Mittelpunkt des Parteitags der Linkspartei in Magdeburg stand eine Torte. Schlagkräftige Antworten auf den Rechtsruck waren dagegen Mangelware. Von den drei Parteiflügeln konnte sich keiner durchsetzen. Dennoch sind sich alle einig, dass sie an die Regierung wollen.

Es gab Einiges zu diskutieren auf diesem Parteitag in Magdeburg. In dieser Stadt sollte vor weniger als drei Monaten der „Frauenversteher“ Wulf Gallert die zweite Rot-Rot-Grüne Landesregierung etablieren. Am Ende eines angepassten Wahlkampfs verlor die Linkspartei acht Prozentpunkte – und die Alternative für Deutschland (AfD) landete mit 24 Prozent auf Platz Zwei.

Die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt sind symptomatisch für die Krise, in der die Linkspartei steckt. Während die traditionellen Parteien ihre Bindungskraft verlieren und sich die Gesellschaft polarisiert, profitiert nicht DIE LINKE, sondern die rechte AfD davon. Denn die AfD stilisiert sich zur „Anti-Establishment-Partei“ und punktet dadurch auch unter Arbeitslosen, Rentner*innen und Arbeiter*innen.

Drei Flügel

In der Linkspartei sind drei Flügel, die auf die Krise der Partei unterschiedliche Antworten geben:

1. Nach der ersten Erklärung ist die Linkspartei „saft- und kraftlos“ (Gregor Gysi), weil sie nicht offensiv genug für eine Rot-Rot-Grüne Bundesregierung eintritt. Nach dieser Logik ist eine solche Koalition der einzige Weg, die AfD zu stoppen.

Gysi, der als Teil des „rechten“ Flügels aus Ostdeutschland (Dietmar Bartsch, Stefan Liebich, Gesine Lötzsch, etc.) diese Position vertritt, geht sogar so weit, eine gemeinsame Kanzlerkandidatur von SPD, Grünen und Linkspartei vorzuschlagen. Diese Regierungssozialist*innen haben oft genug bewiesen, dass sie gern privatisieren, kürzen, abschieben usw. usf., wenn sie dafür nur ein paar Minister*innensessel bekommen.

Bei den Landtagswahlen in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern wollen sie Teil einer SPD-geführten Regierung werden. Doch dieser Flügel hat ein strukturelles Problem: Warum sollte jemand sie wählen, wenn sie nichts anderes versprechen als die SPD? Die Berliner Linkspartei unter Stefan Liebich könnte gut an vierter Stelle landen.

2. Einem zweiten Erklärungsversuch zufolge habe die Linkspartei die „soziale Frage“ vernachlässigt und muss diese mit einer „Revolution der sozialen Gerechtigkeit“ (Bernd Riexinger und Katja Kipping) wieder in den Mittelpunkt stellen. Diese Fraktion, die sich vor allem aus dem Milieu der niedrigen Gewerkschaftsbürokratie in Westdeutschland speist, hebt linkssozialdemokratische Phänomene wie Bernie Sanders positiv hervor und möchte auch die Linkspartei zu einer „Bewegungspartei“ machen.

Sie wissen, dass sie ein oppositionelles Profil brauchen, um Wähler*innen zu begeistern und sich von den Regierungsparteien abzugrenzen. Doch auch sie sind für eine Regierungsbeteiligung. Versteckt hinter linken Phrasen schlagen sie der SPD vor, ein „linkes Lager“ zu bilden und den „gesellschaftlichen Rückhalt für eine Gerechtigkeitswende zu schaffen“,… um 2017 mit der SPD zu regieren.

3. Die dritte Position bekommt die meiste Aufmerksamkeit, weil sie auf ein zentrales Problem hinweist: Wenn sie in der Regierung ist, schiebt die Linkspartei nicht weniger Menschen ab als SPD oder CDU. Dennoch wiederholen die Regierungssozialist*innen Phrasen wie: „Refugees welcome“. Auf dem Parteitag hatte ein Antrag gegen alle Abschiebungen natürlich keine Chance.

Chauvinistische Abenteuer*innen wie Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine sind der Meinung, dass solche Pro-Refugee-Sprüche dafür verantwortlich sind, dass sich Wähler*innen von der Linkspartei hin zur AfD wenden. Deshalb reden sie von „Obergrenzen“ – und treten damit indirekt für Abschiebungen und Grenzzäune ein. Dadurch verbinden sie ihre soziale Rhetorik mit chauvinistischer Hetze, die einen Teil der Arbeiter*innenklasse gegen einen anderen aufhetzt. Das zeigte sich auch auf dem Parteitag selbst, als Wagenknecht über ihre rassistischen Forderungen einfach schwieg.

Diese Flügel sind nicht ganz sauber getrennt (Katja Kipping etwa schwankt zwischen den „rechten“ und den „sozialen“ Flügeln). Aber alle sind sich einig, dass sie mit SPD und Grünen an die Regierung wollen – die Frage ist nur wie. Deswegen kann man nicht einfach von „linken“ und „rechten“ Kräften sprechen: Die „linke“ Wagenknecht verlangt Abschiebungen, während der „rechte“ Flügel für „offene Grenzen“ eintritt (während er abschiebt).

Keiner dieser Flügel konnte sich vollkommen über den anderen durchsetzen. Zwar soll eine „Gerechtigkeitsoffensive“ Themen wie Altersarmut, Mindestlohn und Sozialabbau in den Mittelpunkt stellen, das Ziel ist aber klar eine Regierungsbeteiligung wo immer möglich. Das „Tortengate“ seinerseits wurde als Ausrede benutzt, um Wagenknecht mit „grenzenloser Solidarität“ zu ummanteln. Währenddessen wird weiter abgeschoben…

Natürlich gibt es auch antikapitalistische Kräfte in dieser Partei und ihrem Jugendverband. Aber der Parteitag hat gezeigt, dass sie keinen realen Einfluss haben. Trotzdem gelang es ihnen mit Lucy Redler von der SAV gerade, ein Mitglied in den Parteivorstand zu entsenden. Und selbst die SAV lehnt nur eine „Regierungsbeteiligung mit pro-kapitalistischen Parteien“ ab, als ob die Linkspartei selbst nicht pro-kapitalistisch wäre. Revolutionär-marxistische Positionen sind in dieser Partei nicht zu finden.

Sozialchauvinismus

Die Linkspartei ist voller Widersprüche. Das Erfurter Programm von 2011 spricht sich „gegen die Illegalisierung von Flüchtlingen, gegen Abschiebungen, gegen jede Form von Sondergesetzen wie die Residenzpflicht sowie gegen Sammellager“ aus. Die Jugendverbände der Linkspartei nehmen an Mobilisierungen gegen Abschiebungen und Asylgesetzverschärfungen teil.

Doch einmal an der Macht, wie in Thüringen und Brandenburg, werden Menschen fleißig abgeschoben, Lager verwaltet und die Residenzpflicht mit Gewalt durchgesetzt.Die Thüringer Regierung baut gar einen eigenen Abschiebe-Flughafen. Also ist die Linkspartei eine rassistische oder eine antirassistische Partei? In der Politik zählen Worte weitaus weniger als Taten. Wenn Kinder im Morgengrauen von der Polizei abgeholt und in ein Flugzeug gezerrt wird, oder wenn eine geflüchtete Familie untertauchen muss und deswegen keine medizinische Versorgung mehr bekommt – macht es für sie einen Unterschied, ob sich das Parteiprogramm der Linken gegen die Politik ihres Ministerpräsidenten ausspricht?

Dieser Widerspruch – sozial in Worten, chauvinistisch in Taten – wird seit einem Jahrhundert von Marxist*innen Sozialchauvinismus genannt. Um die Rechte der Lohnabhängigen mit deutschem Pass zu verteidigen, wollen sie diese Rechte allen anderen verwehren. Doch „der Sozialchauvinismus ist die meiste Zeit ebenso wenig ‚sozial‘ wie der Reformismus tatsächliche Reformen bringt“. Denn diese Spaltung der Arbeiter*innenklasse und das Schüren rassistischer Ressentiments hilft einzig der herrschenden Klasse und führt zum Aufstieg reaktionärer Phänomene à la AfD. Daran ändert auch die verbreitete antirassistische Haltung der Basis, solange sie nicht den Kampf mit ihrer Führung aufnehmen.

„Soziale Alternative“… des Regimes

Die Linkspartei bietet keine Alternative für die Arbeiter*innen und Jugendlichen, die mit der Regierung unzufrieden sind. Immer wieder konnten Millionen Menschen vor allem in Ostdeutschland sehen, dass sie einmal in der Regierung das gleiche Programm aus Kürzungen und Privatisierungen durchführt wie die traditionellen Parteien. Als Regierungspartei ist sie nichts weiter als ein „linkes“ Feigenblatt des BRD-Regimes.

Deshalb werden auch die sozialen Versprechungen von Riexinger und Co. keine große Begeisterung bei Lohnabhängigen auslösen. Nur ein unabhängiges Projekt der Arbeiter*innenklasse, das auf die Mobilisierung der Ausgebeuteten und Unterdrückten für ihre eigenen Forderungen setzt, kann eine solche Begeisterung unter den Sektoren der Jugend erwecken. Die Jugendlichen, die heute Naziaufmärsche blockieren und für „Bleiberecht für alle“ auf die Straße gehen, und die Arbeiter*innen, die gegen Tarifflucht und Befristung kämpfen, brauchen ihre eigene Partei.

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