Die Letzte Generation benennt sich um

20.12.2024, Lesezeit 4 Min.
1
Foto: Andreas Stroh // shutterstock

Die Klimaaktivist:innen der Letzten Generation haben eine Namensänderung angekündigt – und eine strategische Neuorientierung gleich dazu.

„Wenn die Situation sich verändert, verändern auch wir uns.“ Mit diesen Worten kündigte der Klimaaktivismus-Zusammenschluss am Mittwoch eine Umbenennung im neuen Jahr an. Die Gruppe war bisher unter dem Namen „Die letzte Generation vor den Kipppunkten“, kurz Letzte Generation, aktiv. Gemeint sind die sogenannten Kippelemente, deren Überschreitung drastische und unumkehrbare Folgen für das Klimasystem der Erde hat. Mit medienwirksamen Methoden des zivilen Ungehorsams habe die Gruppe ein Bewusstsein über diese Schwellen „an jeden Abendbrottisch gebracht“. Entstanden 2021 aus Teilnehmenden eines Hungerstreiks, verübten die als „Klimakleber“ diffamierten Aktivist:innen seit 2022 einen „Aufstand der Letzten Generation“. Aber die jetzige Situation erfordert Veränderung: „Wir sind nicht mehr die Letzte Generation vor der Klimakatastrophe, wir stecken drin.“

Ein entsprechender Name stehe noch nicht fest. Was hingegen feststeht, ist, dass man jetzt auch lernen müsse, mit der Klimakrise umzugehen, so Fabian Beese vom Presseteam der Gruppe. „Wir wollen einen Ansatz wählen, der auf viele Jahre ausgelegt ist und eine sichere Welt für alle, auch in Zeiten eskalierender Krisen, schaffen kann.“ Blockaden von Verkehrsinfrastruktur sollen kein zentraler Bestandteil der Neuorientierung mehr sein. Stattdessen wolle man „friedlichen lauten Widerstand“ mit „dem Aufbau eines alternativen menschlichen Miteinanders“ kombinieren.

Die Aktivist:innen bleiben bislang vage in den Formulierungen ihrer neuen Ausrichtung. Gerüchte über einen Anschluss an die jüngst aus der Grünen Jugend ausgetretene Vereinigung „Zeit für was Neues“ sind Mutmaßungen. Die Letzte Generation selbst gibt sich kämpferisch. Man wolle „nicht nur an eine Regierung Forderungen stellen und darauf hoffen, dass sie umgesetzt werden“. Das müsse man selbst in die Hand nehmen. Damit lässt der Zusammenschluss jedenfalls eine begrüßenswerte Weichenstellung in Richtung Konfrontation mit dem kapitalistischen Staat offen, während sie letztes Jahr noch Polizist:innen in ihren Reihen begrüßt haben. Doch auch das ist Spekulation.

Worauf die bisherigen Bekanntmachungen schließen lassen, ähnelt eher dem, was Jan Ole Arps in der Zeitschrift analyse & kritik als „linkes Preppen“ bezeichnet. Unter Prepping versteht man eigentlich die weithin belächelte Praxis von Rechten und Verschwörungstheoretiker:innen, sich in Privatbunkern und mit kiloweise Dosenfutter auf den Systemkollaps vorzubereiten. Der Rechtsruck und die Klimakatastrophe haben dieses Phänomen nun in die politische Linke gespült, die vor lauter Niederlagen ihren Pessimismus gar nicht mehr verbergen können.


Das Traurige ist aber, dass sie damit nicht falsch liegen. Es stimmt: Der Klimakollaps ist nah. Vielleicht sind die relevanten Kipppunkte auch schon erreicht. Dass die von der Mehrheitsgesellschaft oft als fanatisch gebrandmarkten Aktivist:innen der Letzten Generation jetzt diesen Schluss zu ziehen scheinen, ist ein Warnsignal.

In Arps’ Text heißt es weiter: „Es gab Zeiten, da preppten Linke eher für die Revolution oder die Arbeit in der Illegalität.“ Das heutige linke Prepping entspricht eher dem, was Mario Candeias von der Rosa-Luxemburg-Stiftung entgegen viel Kritik als „keine offene Situation mehr“ bezeichnete. Die Linke sei in der Defensive, argumentierte er, und solle sich auf „Inseln des Überlebens und der Sorge umeinander“ zurückziehen.
Ob die Letzte Generation tatsächlich eine solche Analyse vertritt, bleibt abzuwarten. Dem steht die zwar etwas schemenhafte, aber doch vielversprechende Ankündigung der Regierungskonfrontation entgegen. Sollten sich die Aktivist:innen eher von letzterer Interpretation angesprochen fühlen, sind sie eingeladen, sich an den unabhängigen und revolutionären Bundestagskandidaturen von RIO und RSO zu beteiligen. Denn: Auch in aussichtslosen Zeiten kann ein Übergang von der Defensive in die Offensive gefunden werden. Ziel muss sein, sich nicht von der Situation ändern zu lassen, sondern Wege zu finden, die Situation selbst zu verändern.

Mehr zum Thema