Die Klimabewegung auf die Füße stellen
Millionen von Menschen gehen mit FFF auf die Straße. Aber die Regierungen verabschieden "Klimapakete", die ein Todesurteil für Millionen Menschen bedeuten. Welche Antwort muss die Klimabewegung heute geben? Aus der ersten Ausgabe der neuen Druckzeitung KlasseGegenKlasse.
Foto: Klimastreik in Erfurt, 27. September 2019. © Tobias Möritz (CC BY-SA 2.0)
Spätestens nach der weltweiten Aktionswoche von Fridays For Future (FFF) im September ist klar, dass die Klimabewegung Millionen auf die Straße bringen kann, und zwar nicht nur in den imperialistischen Zentren, sondern auch in ausgebeuteten Ländern wie Südafrika, Bangladesh und Uganda – die bereits seit Jahrzehnten mit den drastischen Folgen des Klimawandels zu kämpfen haben.
In Deutschland wird das „Klimapaket“ der Regierung zu Recht als Farce kritisiert – erst Recht, nachdem die Regierung es noch einmal weiter abgeschwächt hat. Angesichts der von Greta Thunberg zitierten achteinhalb Jahre, die uns bleiben, um nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 67% das Lostreten einer unkontrollierbaren Katastrophe zu verhindern, ist es ein eiskaltes Todesurteil für hunderte Millionen Menschen weltweit. Es setzt auf eine Verteuerung der Produkte durch eine CO₂-Steuer und Subventionen für Konzerne. Die Groko zeigt erneut, für wen sie Politik macht: für die Konzerne und ihre saftigen Profite und nicht für die Armen, Arbeiter*innen und Frauen, die hierzulande und insbesondere im Globalen Süden die geringste Schuld am Klimawandel haben und die größte Last tragen.
Klimawandel als Produkt der Aufteilung der Welt
Das Entstehen des Kapitalismus ab dem 15. Jahrhundert im Wechselspiel mit dem europäischen Kolonialismus war aufgebaut auf Massenmord und Sklavenhandel, aber auch von Beginn an schon auf der Plünderung und Zerstörung nicht-menschlicher Natur.
Ein zentraler Beitrag von Karl Marx und Friedrich Engels war es, herauszufinden, wie der Kapitalismus als Produktionsweise funktioniert, im Zusammendenken von Wirtschaft und Ökologie: “die kapitalistische Produktion entwickelt nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.”1
Das System verursacht also einen “Bruch” in dem, was sie den “Stoffwechsel der menschlichen Gesellschaft mit der Natur” nannten. Im späten 19. Jahrhundert veränderte sich das System hin zu dem, was wir den Imperialismus nennen: Das Finanzkapital entstand aus Bank- und Industriekapital und bis heute streiten sich jeden Tag weniger Konzerne um die Aufteilung von sich immer weiter ausdehnenden Märkten.
Mit dem Aufstieg des Imperialismus im Zusammenhang mit der industriellen Revolution wuchsen die Treibhausgasemissionen rasant, während sich die Kontrolle über die Kolonien und Halbkolonien der Welt vertiefte. Die kapitalistische, auf fossilen Brennstoffen basierte Industrie – hauptverantwortlich für den Großteil der Emissionen – hat ihren Ursprung in der brutalen und mörderischen Ausbeutung von Mensch und Natur in der kapitalistischen Peripherie, sowie der Ausbeutung der Arbeiter*innen hierzulande.
Einen weiteren Aufstieg erfuhr das fossile, imperialistische Kapital im Zuge der fordistischen Massenproduktion. Kriege um die Kontrolle von fossilen Brennstoffen wie Öl im Irak, wo heute Massenaufstände gegen Armut, Arbeitslosigkeit, Korruption und Gewalt stattfinden, sind in diesem System an der Tagesordnung. Antikoloniale Aufstände und Revolutionen wandten sich oft nicht nur gegen die Kolonialmacht, sondern gegen den Imperialismus an sich, wurden aber meist eingedämmt und die Länder in Abhängigkeit gehalten. Das Beispiel Vietnamkrieg zeigt deutlich die enge Verbindung von Naturzerstörung und Imperialismus: Mit dem Pflanzengift “Agent Orange” des heutigen Konzerns Bayer-Monsanto wurden enorme Flächen Urwald und Menschen vernichtet und vergiftet. Heute ist die Abwandlung dieses Glyphosats als “Roundup Ready” das meistverkaufte Ackergift. Es wird mit den resistenten, transgenen Pflanzen von Bayer-Monsanto genutzt, um mittels Patenten die Kontrolle über möglichst alles Saatgut auf der Welt und sogar über Tiere zu erlangen.
Heute ist die Produktion weltweit verzweigt und noch irrationaler: Manche Waren wie Jeans werden mehrfach um die Erde geschickt, bis sie fertig im Laden ankommen, um durch die billigeren Löhne in den stärker abhängigen Halbkolonien die Profitmargen der Bosse und Aktionär*innen immer noch ein bisschen mehr zu steigern. Dabei stellt die internationale Arbeiter*innenklasse heute zwei Drittel der Weltbevölkerung. Sie ist gezwungen, ihre Arbeitskraft gegen Lohn an die Kapitalist*innen zu verkaufen, welche den Profit erhalten und unermesslich reich werden. Nicht nur haben acht Menschen auf der Welt mehr Reichtum als die Hälfte der Weltbevölkerung, die Herrschenden produzieren auch um ein Vielfaches mehr Emissionen. Eine Studie zeigte beispielsweise, dass 71% der Treibhausgasemissionen zwischen 1988 und 2015 von nur 100 Unternehmen, den “Carbon Majors”, emittiert wurden.2
Die andere Seite der Medaille ist der weit überproportionale Effekt, der insbesondere arme Menschen im Süden durch den Klimawandel trifft. Bereits bei +4°C Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur könnte der Amazonas zur Wüste werden und weite Teile der Tropen und Subtropen durch Bodenverlust unbewohnbar werden, die Gletscher Grönlands und des Himalaya abschmelzen, welche Flüsse wie den Ganges speisen.3 Dabei suggerieren weniger konservative Studien als der IPCC Report, dass die Temperaturen bis 2100 um bis zu +7°C steigen könnten.4
Welche Klimabewegung brauchen wir?
Während weiterhin unter der Führung internationaler Institutionen wie EU, UNO und des sogenannten “Weltklimarats” (IPCC) “business as usual” betrieben wird, schreitet der Klimawandel voran. Es ist hierbei ein großer Schritt, dass sich Millionen Menschen international für ein gemeinsames Ziel mobilisieren, jedoch fehlt es an einer konkreten internationalistischen Strategie.
In Brasilien beispielsweise profitieren imperialistische Konzerne von der Brandrodung des Amazonas, wie eben Bayer-Monsanto durch den Verkauf von Saatgut. Hier muss die Bewegung die Enteignung und Verbannung von imperialistischen Konzernen fordern, wie es unsere Genoss*innen der Bewegung Revolutionärer Arbeiter*innen (MRT) dortzulande tun. So wie im brennenden Brasilien machen deutsche Konzerne wie Bayer auch in Argentinien ein Mega-Geschäft mit GMO-Saatgut5. Dort stützt der Internationale Währungsfonds (IWF), an dem Deutschland die viertmeisten Anteile hält, die dreckige Erkundung eines der größten Öl- und Gasfelder der Welt (“Vaca Muerta”) und die Auspressung des Landes durch immense, verbrecherische und illegitime Staatsschulden. Die antiimperialistische Kraft der FIT-Unidad tritt dort für die Streichung und Nichtzahlung der Schulden, die Enteignung der nationalen und imperialistischen Konzerne sowie für ein Programm zur sauberen, rationalen Energienutzung ein.
In Deutschland ist es daher unsere Aufgabe, diesen Kampf gegen den IWF und deutsche Konzerne wie Bayer nicht nur zu unterstützen, sondern die deutsche Regierung, die internationalen Organisationen und ihre Konzerne selbst zu konfrontieren. Gegen die Interessen der deutschen Regierung und der Banken müssen wir die Streichung der Schulden fordern, sei es vom IWF oder deutschen Banken direkt. Es muss ein allgemeines Verbot für Gentechnik-Saatgut wie jenes von Bayer-Monsanto oder Syngenta verhängt werden mit der Perspektive der Enteignung dieser und aller anderen Großkonzerne unter Arbeiter*innenkontrolle.
Eine Klimabewegung in einer imperialistischen Weltmacht wie Deutschland hat die Aufgabe, sich bedingungslos mit den Kämpfen der Betroffenen zu solidarisieren und gegen “unseren” verbrecherischen Staat und “unsere” dreckigen Konzerne zu kämpfen. Dies beinhaltet auch die Forderung nach einer Anerkennung der Geflüchteten, die aufgrund von Klimawandel, Hunger und Krieg nach Europa fliehen. Wenn FFF sich tatsächlich als internationalistische Bewegung aufstellen will, gehören daher Forderungen nach der Öffnung der Grenzen, vollen Staatsbürger*innenrechten für alle, die hier leben, und des Verbots aller Abschiebungen in das Programm.
In welcher Welt wollen wir leben?
Das imperialistische Weltsystem führt uns in eine totale soziale und ökologische Katastrophe. Unsere Antwort darauf ist eine ökologische, sozialistische Gesellschaft: Wir brauchen ein Programm und eine Strategie, um eine soziale Kraft aufzubauen, die die Verantwortlichen der Klimakrise entmachten kann und all denen das Steuer übergibt, die von diesem System tagtäglich ausgebeutet und unterdrückt werden. Was aus der Erde gefördert werden soll und was nicht, welche Fabriken was produzieren, wie die Landwirtschaft strukturiert wird, was regional und was woanders geschaffen wird – sprich wo wir unsere Arbeitskraft hineinstecken –, all das kann demokratisch und von unten diskutiert und entschieden werden, wenn wir uns international von der Herrschaft der Kapitalist*innen befreien. Während wir nach einer sozialistischen Revolution in heutigen imperialistischen Ländern entscheiden könnten, die Produktion massiv zu drosseln und wertvolle Lebenszeit gewinnen würden, kann die Wirtschaft im Süden in vielen Sektoren noch wachsen, allerdings auf der Grundlage strenger ökologischer Kriterien und der Verallgemeinerung von allem Wissen und aller Technik weltweit und für alle.
Die Vorstellung, dass wir den Kapitalismus zwar eigentlich überwinden müssten, aber erstmal keine Zeit dafür hätten, ist heute populär. Sie muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden: Wir haben keine Zeit, den Kapitalismus auch nur einen Tag länger zu erdulden, und nur im Sozialismus können wir so schnelle und tiefe Maßnahmen ergreifen wie nötig. Hierzu ist es notwendig, dass wir uns als Teil einer weltweiten arbeitenden Klasse gemeinsam auf revolutionärer Grundlage organisieren. Denn eine andere Welt ist möglich, in der Menschen unter sich und mit der Natur in Harmonie leben.
Fußnoten
1. Karl Marx: Das Kapital. Bd. 1. In: MEW Bd. 23. S. 529-530.
2. CDP UK: Carbon Majors Report 2017. S. 8.
3. Parag Khanna: Connectivity: Mapping the Future of Global Civilization. 2016.
4. „Neue Modellrechnungen zum Klimawandel halten Temperaturanstieg von bis zu 7 Grad für möglich“. Neue Zürcher Zeitung vom 17.9.2019.
5. Gentechnisch Manipulierter Organismus