Die Jugend hasst die CDU – und umgekehrt
Kramp-Karrenbauer ist in das nächste Fettnäpfchen getreten. In Zeiten, in denen die Union die Meinungshoheit verliert, greift sie zu autoritären Maßnahmen. Es wird nicht das letzte Mal bleiben.
Geduldig und souverän beantwortete die CDU-Parteivorsitzende die Fragen des YouTubers, wickelte ihn um den Finger und machte so das scheinbar kritische Format zu ihrer persönlichen Show. Das war Angela Merkel 2015 zu Gast bei LeFloid. Mittlerweile heißt der YouTuber Rezo, die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK). Das Setting hätte sich in den vier Jahren kaum drastischer verändern können. Rezo sprach von der „Zerstörung der CDU“ und forderte mit 70 weiteren YouTuber*innen, bei der Europawahl nicht CDU und SPD zu wählen. AKK antwortete erst spöttisch, Rezo wolle die CDU wohl auch „für die sieben Plagen des alten Ägyptens verantwortlich“ machen. Und schließlich drohte sie mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Sie wolle Regeln definieren, die in der Wahlperiode „Meinungsmache“ im digitalen Raum verhindern. Ihr abstruser Vergleich: Wenn 70 Zeitungen geschlossen zur Abwahl bestimmter Parteien aufriefen, sei das auch problematisch. Der Vergleich ist allein schon deshalb weit hergeholt, weil die großen Zeitungen Teil von hochkommerziellen Verlagshäusern mit besten Beziehungen zu den etablierten Parteien sind. Die CDU hängt in den wichtigsten Lobbygruppen drin und wird von den Energie- und Autokonzernen bezahlt. Über diese Beziehungen hat sie eine hegemoniale Stellung in der öffentlichen Meinung.
Die Jugend hasst die CDU – und umgekehrt
Auf die Kritik von Rezo fand die CDU keine adäquate Antwort. Sie reagierte überwiegend mit Verleumdungen, Rezos Video sei schlecht recherchiert und er liefere Fake News. Der unsouveräne Umgang der CDU mit Rezos Kritik zeigt ihr Problem: Sie verliert ihre Hegemonie. Das wird im Vergleich von Merkel 2015 zu AKK 2019 besonders anschaulich: Das Video über die Zerstörung der CDU hätte in gleicher Form auch vor vier Jahren gedreht werden können. Die Kritiken an der Union wären auch damals weitgehend richtig gewesen. Der Unterschied: Vor vier Jahren hätte das Video viel weniger Menschen interessiert. Und so entstand stattdessen das wohlgefällige Interview von LeFloid, der es Merkel erlaubte, sich vor einem jungen Publikum zu präsentieren.
Mittlerweile hat es sich die Union mit der Jugend verspielt. Unter jungen Wähler*innen schnitt sie natürlich schon immer schwächer ab. Aber bei den jetzigen Europawahlen holte sie bei Unter-30-Jährigen gerade mal 13 Prozent. Ausschlaggebend war hierbei vor allem die Klimafrage, die mit Fridays For Future in den Mittelpunkt gerückt ist. Aber es sind auch die Politik für die Reichen und ihre Arroganz, mit der sich CDU/CSU unbeliebt machen.
Die herablassende Art zeigte Kramp-Karrenbauer gegenüber den YouTuber*innen, denen sie vorwarf, „den Menschen ins Gesicht zu schlagen, die sich für dieses Land engagieren.“ Kritik an der CDU zu äußern, ist für AKK also kein politisches Engagement. Die Verdrehung der Tatsachen zeigt ein demagogisches Element, das bei AKK nicht zum ersten Mal aufscheint. Wir erinnern uns an ihre Karnevals-Rede, in der sie über trans Personen spottete. Oder zuletzt ihre Forderung, Kopftücher an Kindergärten und Grundschulen zu verbieten.
AKK für den harten Staat
Es zeigt sich: AKK versucht sich von Merkel durch schrille Töne abzuheben. Nun könnte man oberflächlich sagen, dass sie sich damit von einem Fettnäpfchen ins nächste begibt. Aber ihre Demagogie folgt einer Logik. Die Europawahlen haben gezeigt, wie heruntergewirtschaftet die GroKo mittlerweile ist. Mit dem Aufstieg der Grünen und der Konsolidierung der AfD bangt die Union um ihre Hegemonie. In Bayern ist es Söder gelungen, mit einem stramm rechten Kurs die AfD wieder zurückzudrängen. Dabei hat er gewiss polarisiert und es den Grünen erlaubt, sich über Proteste gegen das Polizeiaufgabengesetz und mit FridaysForFuture zu profilieren. Aber er konnte den Abwärtstrend der CSU vorerst stoppen.
Vor dieser Herausforderung steht auch die CDU. AKK muss es gelingen, einen Übergang in die Ära nach Merkel zu gestalten. Die Zeiten, in der die Profite von BMW, RWE und Co. in der Bevölkerung unhinterfragt hingenommen wurden, gehen vorbei. AKK muss beweisen, dass sie in der Lage ist, diese Profite gegen Widerstände weiter zu ermöglichen. Hinter ihr steht Friedrich Merz bereit, im Falle ihres Scheiterns zu übernehmen. AKK muss zeigen, dass sie bereit ist, die Instrumente des Staates umfänglich zu nutzen und Stärke zu zeigen. Insbesondere ihr CSU-Kollege Seehofer leistet bereits maßgebliche Vorarbeit. Sein letzter Vorstoß: Messenger-Dienste sollen auf Verschlüsselungen verzichten, damit der Staat Nachrichten mitlesen kann. Die Konturen der Unions-Politik in der Post-Merkel-Ära zeigen sich mit solchen Vorstößen immer deutlicher: Beschneidung demokratischer Freiheiten und innere Militarisierung werden verstärkt auf uns zukommen.