Die Grünen oder Die Große Heuchelei
Kein Kontrast könnte größer sein als der zwischen den Grünen in ihrer Entstehungszeit und der heutigen Regierungspartei. Eine Partei, die einst aus der Umwelt- und Friedensbewegung hervorgegangen ist, ergeht sich im Geschrei nach Waffen und opfert ihre Ideale für die Machtpolitik.
„Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete“, hieß es auf einem Plakat der Grünen für die Bundestagswahl 2021. Nur ein Jahr später und in der Regierung etabliert klingen die Schlagzeilen in den Medien völlig anders: „Keine Zeit für Ausreden, Grüne wollen schwere Waffen in die Ukraine liefern“, oder „Grüne wollen mehr Panzer für Kiew“ etc. Betrügt man so nicht seine Wähler:innen? Und was ist mit den anderen Themen, mit denen die Grünen auf Stimmenfang gingen? Viele Wähler:innen sahen ihre Hoffnung gegen den drohenden anthropologischen Klimawandel offenbar in der selbsternannten „Umweltpartei“. Doch auch diese Erwartungen werden enttäuscht.
Als Beispiel dafür bleiben wir zunächst einmal beim Thema Waffen: Das Militär ist einer der größten Klimakiller überhaupt. So erzeugt ein Kampfjet beim Fliegen in nur einer Stunde elf Tonnen CO2 und verbraucht 70 bis 100 Liter Kerosin pro Minute; ein einzelner Leopard-2-Kampfpanzer verbraucht auf nur 100 Kilometern 530 Liter Diesel. Da stockt den zivilen Berufspendler:innen der Atem, vor allem wenn sie auf die neuen Benzinpreise blicken. Dieselbe Regierung, die mit dem 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr und der Aufstockung der Nato-Beiträge von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), noch mehr fliegende und rollende CO2- und Spritschleudern anschafft, hat zugleich mit dem vielgepriesenen Steuerentlastungspaket lediglich der Mineralölindustrie ein Geschenk auf Kosten der Steuerzahler:innen gemacht. Und nun wollen die Grünen auch noch wieder auf mehr Energie aus Kohlekraft setzen, um über den Winter zu kommen – soviel zum Thema Klimarettung.
Auch bei Umweltschutzthemen auf Landesebene präsentieren die Grünen ihre heuchlerische Politik. Ein Beispiel dafür ist der Hambacher Wald. Während ein Teil der Basis selbst gegen die Abholzung protestiert, hatte die rot-grüne Landesregierung 2014 für die weitere Kohleförderung und damit für die Abholzung gestimmt. In Hessen wollen die Grünen Teile des Rheinhardswaldes plattmachen, der als Märchenwald der Gebrüder Grimm und für seine Artenvielfalt bekannt ist. Ein weiteres bekanntes Beispiel für dieses typische Grünen-Muster sind die Wald-Rodungen für Teslas „Gigafactory“ in Grünheide bei Berlin.
In der Außenpolitik offenbaren die Grünen eine unglaubliche Doppelmoral: Während die Partei russische Gaslieferungen wegen des Krieges und den Menschenrechtsverletzungen ablehnt, hat sie gleichzeitig keine Skrupel mit den Vereinigten Arabischen Emiraten zu verhandeln, in denen es ebenfalls Menschenrechtsverletzungen, Misshandlungen von Gefangenen und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit gibt. Oder Gas aus Katar zu kaufen, einem Land das Arbeiter:innen wie moderne Sklav:innen behandelt, Oppositionelle inhaftiert und die Rechte von Frauen massiv einschränkt. Hinzu kommt teures Fracking-Gas aus den USA, übrigens auch bei diesem Handelspartner liegen Menschenrechtsverletzungen vor: Erinnern wir uns an Guantanamo und Abu Graib. In vielen Staaten der USA herrscht die Todesstrafe und Minderheiten werden diskriminiert, natürlich führt das imperialistische Land ebenfalls Angriffskriege auf der ganzen Welt.
Obwohl im Grundsatzprogramm der Grünen der Beitritt Deutschlands zum UN- Atomwaffenverbotsvertrag steht, setzen sie sich für die Aufstockung der US-Atombomben in Deutschland und die Anschaffung von F35-Bombern ein. Das ist besonders heftig, wenn man bedenkt, dass die Grünen in den 80er Jahren stark in der Friedensbewegung aktiv waren, die gegen das atomare Wettrüsten mobilisierte. Bei einer der großen Demos 1981 im Bonner Hofgarten sagte eine Ikone der Friedensbewegung und Grüne Petra Kelly:
Wir wollen aus diesem waffenstarrenden, weltumspannenden Irrenhaus ausbrechen. Wir wollen kein Feindbild, wir wollen nicht das Fußvolk einer Raketenpartei sein.
Die modernen Grünen haben diese Überzeugungen eingestampft, die Parteiprominenz überbietet sich heute gegenseitig in der Forderung nach schweren Waffen.
Für jede:n, der:die sich an die letzte und zugleich erste rot-grüne Koalition in der Bundesregierung erinnert, erscheint es nicht besonders verwunderlich, wie die selbsternannte „Friedenspartei“ nach schweren Waffen lechzt und zur Kriegspartei mutiert. Denn es waren die Grünen, die zusammen mit der SPD 1999 im Kosovo den ersten deutschen Kriegseinsatz in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg führten und auch der Einsatz deutscher Truppen im Afghanistan-Krieg (2001-2005) wurde von den Grünen bewilligt. Neben diesem Wortbruch gegenüber der Friedensbewegung, mit deren Stimmen sie gewählt worden waren, kam es in derselben Koalition zum Verrat an der Klasse der lohnabhängigen Menschen durch die Einführung von Hartz IV. Einen ähnlich harten Schlag erlitt der Feminismus, als rot-grün im Jahr 2002 das Prostitutionsgesetz einführte und Deutschland zum neuen Hotspot für Menschenhandel und Sexsklaverei machte.
Die Grünen passen hinsichtlich ihrer Heuchelei perfekt zu ihrem Koalitionspartner SPD, deren Chronologie eine Serie aus Verrat gegenüber der Arbeiter:innenklasse darstellt: Beginnend mit der Zustimmung der Kriegskredite im ersten Weltkrieg, über die blutige Zerschlagung der Räterepublik, der Abkehr von der Arbeiter:innenbewegung im Godesberger Programm, dem Radikalenerlass, bis hin zum Neoliberalismus unter Gerhard Schröder, um nur ein paar Stationen zu nennen. Die SPD hat im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg auch die Ostpolitik von Willy Brandt über den Haufen geworfen, obwohl diese sogar während des Einmarsches der Roten Armee in die sozialistische Tschechoslowakei 1968 beibehalten worden war.
Nun koalieren diese Parteien auch noch mit der marktextremistischen und antisozialistischen FDP, was dazu führen wird, dass sich der Abwärtstrend fortsetzt. Verwunderlich erscheint es allenfalls wie ausgerechnet die Grünen, von vielen Wähler:innen in den Zusammenhang einer Beendigung des drohenden anthropologischen Klimawandels gesehen werden konnten. Denn ohne die entschädigungslose Enteignung und Vergesellschaftung der Energiekonzerne, und des Verkehrs- und Transportwesens, ist diese Katastrophe nicht mehr zu verhindern. Während die profitorientierten Energiekonzerne ihren Gewinn ins Zentrum ihres Handelns setzen und ihren Eigennutzen sehen, werden vergesellschaftete Unternehmen das Bedürfnis der Gemeinschaft in den Vordergrund stellen und das ist im Fall des Klimawandels unser aller Überleben. Die Grünen fordern diese Lösung jedoch nicht, sondern trennen die ökologische von der sozialen Frage und bieten keine Antwort auf das Problem. Sie lehnen den Kapitalismus nicht ab, sondern betreiben lediglich dessen Greenwashing.
Das sich das Spiel bei den Grünen wiederholt, zeigt: Das Problem ist weder allein die korrumpierte Machtelite der Parteispitze, denn die ist austauschbar und auch nicht das angebliche Scheitern an einer „politischen Realität“ wie es die reaktionär-bürgerlichen Medien gerne vorbeten, sondern es ist ein systemimmanentes Problem und liegt im Kapitalismus selbst begründet.
Das kapitalistische Ausbeutungssystem arbeitet mit verschiedenen Abwehrstrategien, um sich zu erhalten. So bindet es progressive Kräfte, indem sie in das System integriert, durch die Bürokratie gebremst und durch Aussicht auf bequeme Posten korrumpiert werden. Das ist der bürgerlich-kapitalistische Zweck von Parteien. Spätestens wenn sozialistische Parteien mit bürgerlichen Parteien koalieren, ist diese Strategie erfolgreich: Denn um eine „Koalitionsfähigkeit“ herzustellen, werden die sozialistischen Ziele geopfert und stattdessen kapitalistische Interessen mitgetragen. Am Ende bleibt von der ursprünglichen Idee einer Veränderung der Gesellschaft nichts weiter übrig als eine enttäuschte Basis und Wähler:innenschaft. Und um es in den Worten von Rosa Luxemburg zu sagen:
Eintritt von Sozialisten in eine bürgerliche Regierung bedeutet daher nicht, wie man glaubt, eine teilweise Eroberung des bürgerlichen Staates durch die Sozialisten, sondern eine teilweise Eroberung der sozialistischen Partei durch den bürgerlichen Staat.
Natürlich sind die Grünen keine sozialistische Partei, aber die friedenspolitischen und ökologischen Ziele, wie die Verhinderung der Auswirkungen des Klimawandels, welche zumindest von einem Teil ihrer Basis oder der Wähler:innenschaft angestrebt werden, sind nur in einem sozialistischen System umsetzbar. Deshalb stimmt diese Logik auch im Fall der ursprünglichen Grünen-Ziele und -Ideale.
Im Zusammenhang mit Hartz IV und dem Kosovokrieg, gab es eine harte Auseinandersetzung zwischen dem Lager, das um jeden Preis regieren wollte und dem, das die Gesellschaft ernsthaft verändern wollte; daher gab es auch viele Parteiaustritte. Wie das Beispiel Hambacher Wald zeigt, gibt es auch jetzt an der grünen Basis noch Aktivist:innen, die eine wirkliche Veränderung möchten und sich für Frieden und Umwelt einsetzen. An sie richtet sich dieser Appell: Es ist an der Zeit mit der heuchlerischen Grünen Partei zu brechen und sich einer neuen revolutionären Partei anzuschließen, die mit den außerparlamentarischen Bewegungen gemeinsam agiert. Nur wenn das kapitalistische System überwunden ist, kann der Klimawandel gestoppt und können die Kriege beendet werden.