Die Grünen: Mit E-Autos in die Apokalypse

30.01.2021, Lesezeit 30 Min.
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Quelle: Evgenii Emelianov / Shutterstock.com

"Grüne Wende" als Ausweg aus dem Elend des Kapitalismus? Warum die Politik der Grünen nur mehr Umweltzerstörung und Armut bringt.

In hoffnungslosen Zeiten suchen viele Menschen Zuflucht zur Religion. Da kam es ganz gelegen, dass Grünen-Chefin Annalena Baerbock auf dem Parteitag Ende November 2020, als die zweite Corona-Welle bereits voll über Deutschland hereinbrach, im pastoralen Singsang eine vorweihnachtliche Botschaft verkündete:

Wir haben alles, um diese Pandemie zu überstehen. Wir haben alles, um uns aus der Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen zu befreien. Wir können mit zehn Milliarden Menschen auf unserer Erde leben ohne Hunger und ohne Krieg. Die Grünen stehen dafür bereit.

Prophetin Baerbock und ihr philosophisch angehauchter Kompagnon Robert Habeck gaben auch gleich ein Mittel dafür mit auf den Weg: Praktischerweise soll es ausreichen, bei der nächsten Bundestagswahl im September 2021 das Kreuzchen bei ihnen zu machen.

Dann können die Grünen nämlich voraussichtlich unter der CDU/CSU mitregieren. Laut den aktuellen Umfragen kommt die Partei auf 17 bis 20 Prozent. Mehr als ihre einstige Koalitionspartnerin, die SPD, mit der sie vor 18 Jahren die Agenda-Politik durchsetzte, die neben der Einführung von Hartz-IV das System der Prekarisierung aus Mini-Job, Befristung und Teilzeit massiv ausweitete. Die Wucht, mit der die rot-grüne Regierung die Arbeiter:innen und Arbeitslosen damals verprügelte, hat bis heute ihre Narben hinterlassen. Millionen wurden und werden von den Jobcentern traktiert. Die SPD stürzte seitdem von 40 auf 15 Prozent. Doch die Grünen feiern eine wundersame Auferstehung.

Regieren gegen den Klimawandel oder für das Kapital?

Sie wollen in die Regierung. Und sie haben Pläne, wie sie Deutschland in den kommenden Jahren umbauen wollen. Häufig nennen sie Begriffe wie Grüne Erneuerung oder Grüne Wende. Das bedeutet: Kohleausstieg noch vor 2038, deutlicher Ausbau erneuerbarer Energien, vollständige Umstellung auf Elektroautos und wasserstoffbetriebene LKWs. Nach ihrer Vorstellung soll dies durch schuldenfinanzierte Investitionen, also aus Steuermitteln, gelingen. Doch dies ist nichts anderes als eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten der Industrie und Finanzwelt.

Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass die Klimaerwärmung gemäß dem Pariser Klimaabkommen nicht über 2 Grad steigt, nach Möglichkeit nur auf 1,5 Grad. Laut einem Bericht der EU liegen die Schäden durch den Klimawandel europaweit derzeit bei circa 20 Milliarden Euro jährlich. Doch wenn Extremwetterereignisse, Waldbrände, Dürren und Überschwemmungen zunehmen, könnten auch die Schäden exponentiell zunehmen. Als Prognose für das Jahr 2080 rechnet die EU mit bis zu 2.500 Milliarden Euro jährlich. Ganz zu schweigen von den menschlichen Opfern: 2019 kamen laut dem internationalen Roten Kreuz weltweit 410.000 Menschen durch Umweltkatastrophen ums Leben – eine Zahl, die in den kommenden Jahrzehnten noch dramatisch ansteigen könnte.

Um diese Entwicklung zu bremsen, wollen die Grünen die Wirtschaft modernisieren, weg von Kohle und Öl. Was sie nicht wollen: ein Ende des auf ewigem Wachstum basierenden Kapitalismus. Ihre “Grüne Wende” soll auch eine Antwort auf die veränderten globalen Anforderungen in der wirtschaftlichen Konkurrenz sein. Deutschland war 2019 mit Exporten im Wert von 1,5 Billionen Euro die drittgrößte Exportnation nach den USA und China.

Entscheidend hierfür ist vor allem die deutsche Autoindustrie. Jahrelang hatte sie mit der Diesel-Technologie einen Vorsprung. Doch während China bereits an erneuerbaren Antrieben forschte, wurde diese Entwicklung in Deutschland verschlafen. Die Konzerne ruhten sich auf den Gewinnen aus dem Diesel aus. Die Abgasskandale waren der Versuch, dieses Spielchen mit manipulierten Daten bis zuletzt auszureizen.

Seit 2017 ging der Absatz deutscher Autos ins Ausland merklich zurück, gekrönt vom Einbruch der Exporte zu Beginn der Corona-Pandemie. Um konkurrenzfähig zu bleiben, muss die deutsche Wirtschaft technologisch wieder den Anschluss finden. Wichtiger Bestandteil der Modernisierung ist neben E-Autos die Nutzung von sogenanntem grünem Wasserstoff, hergestellt aus erneuerbaren Energien. Dadurch soll vor allem die energieintensive Stahlproduktion ökologischer und effizienter werden.

Zudem verspricht sich der Bundesverband der deutschen Industrie durch neue Technologien in den Fabriken eine Produktivitätssteigerung von bis zu 30 Prozent bis 2025:

Denn die intelligenten und miteinander vernetzten Maschinen tauschen – ähnlich wie in sozialen Netzwerken – Informationen direkt untereinander in Echtzeit aus. In der „Smart Factory“ organisieren sich die Produktionsanlagen selbstständig und koordinieren Abläufe und Termine untereinander. Dadurch wird die Produktion flexibler, dynamischer und effizienter.

Um die nötigen Investitionen für den Strukturwandel zu tätigen, setzt die Bundesregierung auf hohe Subventionen. 130 Milliarden Euro versprach sie in ihrem Konjunkturpaket im Juni 2020, um die Härten der Corona-Pandemie abzufedern und einen Anschub zur Modernisierung der Industrie zu leisten. Diese direkten Subventionen sind Teil eines größeren Rettungspaketes, das mit Soforthilfen, Krediten und Bürgschaften 1,35 Billionen Euro umfasst. Wenn es nach dem Willen der Grünen geht, soll dieser Anschub zur Modernisierung der Industrie nicht nach der Wirtschaftskrise enden, sondern auf Pump munter weitergehen. Dafür will die Partei die Schuldenbremse reformieren. In einem gemeinsamen Gastbeitrag in der FAZ mit dem DGB-Vorsitzenden Reiner Hoffmann argumentiert Grünen-Chef Robert Habeck für öffentliche Investitionen. Dadurch, dass Deutschland an den Anleihemärkten fast keine Zinsen zahlen muss, sei es in der jetzigen Phase besonders sinnvoll, Kredite aufzunehmen. Diese sollten dann über einen verlängerten Zeitraum gestreckt zurückgezahlt werden. In der Vorstellung der Grünen kann auf diese Weise Wirtschaftswachstum erzeugt werden, wodurch die Schulden im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt nicht mehr so stark ins Gewicht fallen.

Soweit klingt das Konzept der Grünen plausibel: eine saubere Wirtschaft, neue Wachstumsbranchen und dadurch größerer Spielraum, um Schulden zu begleichen. Doch das ist nichts als Etikettenschwindel. Tatsächlich wird die Politik der Grünen, wie wir hier ausführen wollen, zu verheerenden Resultaten führen: eine Umverteilung von unten nach oben, Wirtschaftskrisen auf Kosten der Arbeiter:innen, militaristische Außenpolitik und mehr Umweltzerstörung.

Umverteilung von unten nach oben

Die Grünen wollen der SPD die Schuld an den sozialen Folgen der gemeinsamen Reform-Agenda 2010 zuweisen. Doch haben sie bewiesen, dass ihre Hand nicht zittert, wenn es darum geht, Angriffe gegenüber den Beschäftigten, Arbeitslosen und Armen des Landes zu starten; der Kündigungsschutz wurde gelockert, die Löhne wurden gedrückt, prekäre Arbeitsverhältnisse sind heute dank Leiharbeit, Minijobs, Teilzeit etc. die bittere Realität von etwa 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland. SPD und Grüne drangsalierten die Arbeiter:innen lieber mit dem Jobcenter, als die Superreichen und Konzerne mit erhöhten Vermögensabgaben, Kapitalertragssteuern oder Erbschaftssteuern zur Kasse zu bitten. Angesichts der Herausforderungen des Strukturwandels und der aktuellen Krise müssen die Beschäftigten und Armen des Landes unter einer möglichen schwarz-grünen Regierung erneut mit brutalen Angriffen auf ihre Lebensverhältnisse rechnen, alles zum Wohl des Standortes Deutschlands, also der heimischen Konzerne.

Die Grünen sprechen blumig davon, den Strukturwandel “ökologisch” mitzugestalten und die Kohlereviere in  ”Energiewende-Regionen” umzuwandeln. Dabei verschweigen sie, dass im Kapitalismus durch Veränderungen in der Produktion die alten Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit zerstört und durch neue ersetzt werden. Dies geschieht nicht friedlich: Ganze Regionen, die von bestimmten Industriezweigen abhängig sind, drohen zu veröden. Wenn Betriebe mit tausenden Arbeitsplätzen dicht machen, zieht dies auch Konsequenzen für die Zulieferbetriebe und die allgemeine Kaufkraft einer Region nach sich. Die Folge sind hohe Arbeitslosigkeit, keine Perspektiven für die Jugend, Armut, Abwanderung und eine sich stets verschlechternde öffentliche Versorgung. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft bezeichnete 19 Regionen Deutschlands als “abgehängt”, darunter vor allem in Ostdeutschland sowie im Ruhrgebiet.

In einer Studie von Anfang 2020 schätzte die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität, dass durch den Strukturwandel allein in der Autoindustrie in den kommenden Jahren bis zu 410.000 Jobs gefährdet seien. Während ganze Generationen der bisherigen Industrien ihrem Schicksal überlassen werden, sollen neue Technologien neue Jobs generieren. Mit genau diesem Versprechen wurde in den 2000er Jahren die Solarindustrie hierzulande zum großen Hype. Doch von den einst 130.000 Jobs in der Branche sind heute nur noch knapp 30.000 übrig. Wie wird es dieses Mal laufen? Durch die Elektromobilität versprechen die Kapitalist:innen hunderttausende neue Jobs, jedoch zu schlechteren Arbeitsbedingungen wie aktuell bei der Gigafabrik von Tesla in Brandenburg, bei der Eigentümer Elon Musk jede gewerkschaftliche Mitsprache und Tarifverträge verhindern will. In einem Interview mit dem Spiegel lüftete Musk das ganze Geheimnis seines Erfolgs: “lange Arbeitszeiten und anstrengende Arbeit” für die Beschäftigten.

Die einzigen Gewinner:innen der Modernisierung sind die Kapitalist:innen. Selbst für die gut bezahlten Ingenieur:innen in High-Tech-Betrieben ist der Strukturwandel eine zweischneidige Angelegenheit, weil sie unter größerem Druck arbeiten müssen. Auf jede:n von ihnen kommen in den veränderten Lieferketten dutzende Arbeitskräfte, deren Bedingungen sich durch den Wandel verschlechtern: Die Kinder, die in die Kobalt-Minen des Kongos geschickt werden. Die Beschäftigten, die bei Foxconn in China in Akkord-Arbeit Elektroteile zusammenbasteln. Schließlich die Leiharbeiter:innen bei Daimler, VW oder Tesla, die ohne Tarifvertrag als erste von Kündigungen betroffen sind. Global betrachtet führen Strukturwandel und Digitalisierung als imperialistische Vorhaben zu einer Vertiefung der kapitalistischen Ausbeutung.

Paradoxerweise führt die Einführung moderner Maschinen, mit denen mehr Produkte in kürzerer Zeit hergestellt werden können, nicht zu einer Verkürzung der Arbeitszeit. Wie Karl Marx im Kapital feststellt, „wird der Antrieb zur Verlängerung der Arbeitszeit stärker, da dies das einzige Mittel ist, eine große Masse fixen Kapitals profitabel zu machen.“ Mit anderen Worten: Wenn ein:e Fabrikbesitzer:in schon in teure neue Anlagen investiert, müssen diese möglichst rund um die Uhr genutzt werden, um sich zu rentieren. Unter kapitalistischen Bedingungen führt der technologische Fortschritt nur dazu, dass die Arbeit sich intensiviert und die Ausbeutung vertieft. Doch obwohl die Beschäftigten dank der neuen Technik produktiver sind, bekommen sie nicht mehr Gehalt. So steigt der Mehrwert für die Kapitalist:innen, während der Wohlstand der Massen stagniert.

Trotz der Nullzinspolitik der EZB wird eines Tages irgendwer für diese Schulden aufkommen müssen. Die Frage nach der Finanzierung wollen die Grünen vor der Bundestagswahl noch nicht groß an den Nagel hängen. Eine Vermögensabgabe solle es laut Robert Habeck aber vorerst nicht geben. Diese Absage lässt jedoch nur noch die Möglichkeit harter Angriffe auf die Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung der kommenden Generationen zu, die mit Kürzungen für die aufgenommenen Schulden aufkommen müssen.

Damit nicht wieder die Armen und Arbeiter:innen für die Umstrukturierung der Wirtschaft zahlen, dürfen die Gewerkschaften nicht den Schulterschluss mit den Grünen suchen. Sie müssen dafür kämpfen, dass Entlassungen verboten werden, die Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich gesenkt wird und der Öffentliche Sektor durch Vermögensabgaben besser finanziert wird.

Die Grüne Erneuerung zu Lasten der Arbeiter:innen

Für die Industrie 4.0 braucht es hochmoderne technische Anlagen. Die Kosten, um sie zu erforschen, herzustellen, sie mit teuren Rohstoffen zu füttern und mit speziell ausgebildetem Personal zu bedienen, sind höher als bei veralteten Industrieanlagen. Das führt dazu, dass die Produkte zunächst teuer sind: Lange Zeit waren für die Konsument:innen E-Autos im Vergleich zu Verbrennern unerschwinglich. Die enormen Investitionskosten für die Forschung für Batterien, den Ausbau von Ladestationen, Solar- und Windparks oder Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff verzögerten lange Zeit den Umbau der deutschen Industrie.

Erst durch massive Subventionen hat die Bundesregierung einen Anstoß gegeben, damit E-Autos zum Massenprodukt werden können. Im Konjunkturpaket vom Juni 2020 beschloss sie, den Ausbau von grünem Wasserstoff mit sieben Milliarden Euro zu subventionieren. Zwei Milliarden bekommen Hersteller und die Zulieferindustrie für die Erforschung neuer Technologien. 2,5 Milliarden werden als Subventionen für Unternehmen und Privatpersonen bereitgestellt, die Ladestationen einrichten. Wer heute ein Elektroauto kauft, bekommt bis Ende 2021 abhängig vom Kaufpreis bis zu 9.000 Euro Förderung vom Staat, bis 2025 zumindest noch bis zu 6.000 Euro. Entfielen 2019 gerade mal drei Prozent aller Autoverkäufe auf E-Autos und Hybride, waren es 2020 bereits 10,9 Prozent.

In dieser Goldgräberstimmung kämpfen nun alle Automobilkonzerne darum, eine möglichst gute Marktposition zu ergattern. Allein VW will in den kommenden Jahren 70 neue E-Auto-Modelle auf den Markt bringen und plant dafür bis 2025 Investitionen in Höhe von 73 Milliarden Euro. Die Hersteller bauen ihre Produktionskapazitäten also derzeit massiv aus in der Erwartung, ihre Marktpositionen angesichts der steigenden Konkurrenz beizubehalten und gegebenenfalls auszubauen. Dies ist auch die Vision der Grünen, die selbstbewusst verkünden: „Märkte können (…) eine grüne Revolution entfachen, die unsere Vorstellungskraft auf die Probe stellen wird.“

Heute dominiert das Erdöl als zentraler Motor der Wirtschaft. Die petrochemische Industrie ist mit der Agrar- und Pharmaindustrie eng verwoben. Das Öl wird nicht nur als Kraftstoff, sondern auch für unzählige Konsumprodukte auf Kunststoffbasis benötigt. Die schrittweise Umstellung hin zu erneuerbaren Energien wird deshalb Auswirkungen auf alle weiteren Sphären der Wirtschaft haben. Start-Ups werden als Experimentierfelder Technologien austesten, die dann im großindustriellen Maßstab Anwendung finden werden.

Doch wird nicht für die Bedürfnisse einer tatsächlichen ökologischen Verkehrswende produziert, sondern der Individualverkehr bleibt bestehen. Das könnte zwar eine kurze Phase von vermehrtem Konsum mit einer vorübergehenden konjunkturellen Belebung bedeuten. Doch wäre dies eine schuldenfinanzierte Blase und das Problem der Überproduktion käme schnell zurück. Zumal auf dem Markt eben auch ausländische Konzerne konkurrieren und der Absatz von mehr E-Autos “made in Germany” schon allein dadurch nicht gesichert ist. Und grundsätzlicher: Eine ökologische Verkehrswende kann nicht auf dem konstanten Absatz von Produkten basieren, für deren Herstellung seltene Rohstoffe benötigt werden – auf diese Frage werden wir weiter unten zurückkommen. Schlussendlich bleibt also das strukturelle Problem der deutschen Autoindustrie ungelöst, und sobald die staatlichen Förderungen in E-Autos zurückgefahren werden, droht der große Katzenjammer.

Um die sinkende Profitrate auszugleichen oder zumindest zu bremsen, werden die Bosse Angriffe gegen die Arbeiter:innen starten. Dies hat der Wirtschaftsflügel der CDU bereits offen angekündigt, der das Renteneintrittsalter erhöhen und mehr Druck auf Arbeitslose aufbauen will. Es wäre eine Neuauflage der Agenda 2010. Auch diesmal könnten die Grünen als Koalitionspartner die Arbeiter:innen mit dem Jobcenter bedrohen und die Arbeitslosen in Jobs zu prekärsten Bedingungen zwingen. Die Angriffe bereiteten die Bosse auch in den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst im Oktober und November 2020 vor, bei dem sie Lohnverzicht einforderten. Teils konnten die Arbeiter:innen dies abwehren, insbesondere in der Pflege, die mit einem leichten Plus rausging, während die Tarifrunde für andere Bereiche einen Reallohnverzicht bedeutete.

Im Februar und März diesen Jahres geht die Tarifrunde im Metallsektor in ihre heiße Phase. Auch hier haben die Bosse bereits Lohnverzicht gefordert, zudem haben sie angefangen, zehntausende Leute zu entlassen. Doch steht ihnen mit der IG Metall mit 2,2 Millionen Mitgliedern die vielleicht mächtigste Einzelgewerkschaft der Welt im Weg. Bisher ist sie noch kaum in den Ring gestiegen. Die bürokratische Führung der Metallgewerkschaft will im Sinne der Sozialpartnerschaft lieber den Strukturwandel mitverwalten und für die Entlassenen Abfindungen aushandeln.

Für viele Beschäftigte in der Automobilbranche wird die Grüne Wende Verschlechterungen bedeuten: Erhöhung und Flexibilisierung der Arbeitszeit, Aufhebung der Tarifbindung oder gar Arbeitslosigkeit. Denn auch wenn der grüne Kapitalismus für bestimmte Sektoren eine große Anziehungskraft besitzt, bietet er keine dauerhafte Antwort auf die Wirtschaftskrise und die Umweltzerstörung. Damit die Umstrukturierung der Wirtschaft nicht auf Kosten der Beschäftigten geht, müssen die Gewerkschaften konsequent gegen jeden Arbeitsplatzabbau kämpfen. Entlassungen müssen verboten werden, schließende Betriebe unter Kontrolle der Beschäftigten verstaatlicht werden.

Der Zugang zu Rohstoffen erfordert eine verstärkte militaristische Außenpolitik

Die Produktion von E-Autos wirft die Frage des Zugangs zu Rohstoffen und deren Sicherung auf, denn Elektroautos sind auf Batterien angewiesen, die Rohstoffe wie vor allem Lithium, Kobalt und Nickel benötigen. Die größten Lithiumvorkommen der Welt liegen jedoch fern von den imperialistischen Machtzentren wie Deutschland, Frankreich oder den USA: in Argentinien, Chile und Bolivien. Die Ausbeutung dieser Ressourcen wird zu einem geopolitischen Ringen um die Zukunft des Rohstoffmarktes: In Bolivien wollte sich das deutsche Unternehmen ACI Systems GmbH exklusive Rechte zur Förderung des kostbaren Rohstoffes ergattern. Im Zuge von Unruhen, die im November 2019 zum Putsch der rechten Opposition gegen Präsident Evo Morales führten, wurde das Projekt auf Eis gelegt. Dabei hatten die Bundesregierung und der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, den Putsch begrüßt: „Das Militär hatte die richtige Entscheidung getroffen, sich auf die Seite der Demonstrierenden zu stellen.“  Auch Tesla-Chef Elon Musk begrüßte den Putsch gegen Evo Morales auf Twitter mit den Worten “Wir putschen gegen jeden, wann immer wir wollen”. Musk und Nouripour verdeutlichen (auch wenn der Putsch nicht das erwünschte Ergebnis brachte), dass imperialistische Einmischung und Putschs zur Sicherung der Profite des imperialistischen Kapitals selbstverständlich sind. Auch die ach so fortschrittlichen Grünen halten sie für legitim, um den Zugang zu Rohstoffen für das Deutschland der Großkonzerne zu sichern. Und dafür bedarf es einer schlagkräftigen und global operierenden Armee.

Die größten Kobalt-Reserven der Welt liegen im Kongo. Zwei Drittel der weltweit benötigten Rohstoffe kommen aus den dortigen Minen. Größter Betreiber ist die Firma Glencore, ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz und einem Jahresumsatz von 176 Milliarden Euro, dem immer wieder Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltverstöße vorgeworfen werden. Glencore hat 2018 mit dem chinesischen Konzern GEM eine langfristige strategische Partnerschaft zur Ausbeutung der kongolesischen Minen abgeschlossen. Auch Volkswagen hatte sich darum bemüht, wurde aber abgeblitzt. Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft beklagt, dass solche Rohstoffe „nicht exklusiv gehandelt werden sollten, sondern auf offenen Märkten.“ Indirekt gehen sie damit auf die etwas ungünstige Ausgangssituation des deutschen Imperialismus ein, der aufgrund historischer Begebenheiten zu spät zur Aufteilung der Welt kam – und seine Kolonien im Ersten Weltkrieg verlor. Nun muss Deutschland versuchen, sich irgendwie einen Zugang zu Rohstoffen sichern, was kaum ohne militärische Auseinandersetzungen möglich sein wird. Auch der Zugang zu Rohstoffen ist Politik, und Kriege sind politische Auseinandersetzungen mit harten Mitteln.

Schon jetzt sind die Zugänge zu Lithium, Kobalt sowie zu seltenen Erden, von denen die meisten in China liegen, zu einer strategischen Frage geworden. Die deutsche Industrie ist nahezu vollständig vom Import von Rohstoffen abhängig. Die Bundesregierung weist in ihrer Rohstoffstrategie darauf hin, dass es „keine Energiewende ‚Made in Germany‘ ohne Hightech-Rohstoffe“ gibt. Der Zugang soll vor allem durch Freihandel ermöglicht werden, garantiert durch die Welthandelsorganisation (WTO). Doch in Zeiten vermehrter Handelskriege und einer teils dominierenden Marktposition chinesischer Konzerne im Bereich von „grünen“ Rohstoffen bleibt die WTO ein stumpfes Instrument. Deswegen setzt die Bundesregierung darauf, mit verschiedenen Partnern und transnationalen Institutionen „verantwortungsvolle Lieferketten“ auszuhandeln.

Dies bedeutet vor allem, dass Deutschland Lieferketten unter eigener Kontrolle aufbauen will. So versuchen deutsche Hersteller, den Anteil von Kobalt in den Batterien zu reduzieren. Auf diese Weise machen sie sich weniger abhängig von Lieferungen aus dem Kongo, dessen Märkte von China dominiert werden, und die Wertschöpfung bleibt zu einem größeren Teil in deutscher Hand. Andere Länder wie die USA, Frankreich oder Großbritannien kontrollieren ihre Lieferketten wahlweise durch die Marktmacht des US-Dollars, durch militärische Interventionen oder auch durch die alten kolonialen Bande zu diktatorischen Regimen. China hingegen baut seinen Einfluss unter anderem durch die “Belt and Road Initiative” aus, bei der sie laut der Fachzeitschrift WiSt eine Billion US-Dollar zur Entwicklung der Infrastruktur und Ausbeutung der Minen investiert.

Solche Möglichkeiten hat Deutschland nicht. Im Rahmen der transatlantischen und europäischen Partnerschaften versucht der deutsche Imperialismus, seinen ökonomischen Einfluss über die institutionelle Ebene geltend zu machen. Doch das geht nur, solange die anderen mitspielen. Das „America First“ von Donald Trump hat die Anfälligkeit dieses Systems offenbart. Die Bundesregierung spricht davon, dass „direkte Störungen unserer Versorgungslinien, z. B. durch Piraterie, Terrorismus und Regionalkonflikte, Auswirkungen auf die gesicherte Rohstoffzufuhr und damit auf den Wohlstand unseres Landes haben. Deutschland muss sich daher für die ungehinderte Nutzung der Land-, Luft-und Seeverbindungen einsetzen.“ (Rohstoffstrategie der Bundesregierung) Dies geschieht auch militärisch, wie zum Beispiel bei der Bundeswehrmission am Horn von Afrika, deren Ziel explizit die Freihaltung der Seewege ist.

Auch führende Köpfe der Grünen fordern schon seit langem ein stärkeres militärisches Eingreifen und mehr finanzielle Mittel für die Bundeswehr. Besonders der Beitrag von Cem Özdemir und Tobias Lindner vor gut zwei Jahren in der FAZ sorgte für einiges Aufsehen: „Es braucht als äußerstes Mittel auch den Einsatz des Militärs, damit Deutschland und Europa ihrer humanitären Verantwortung gerecht werden können.“ Diese Position ist keineswegs eine Einzelmeinung. Auch die Vorsitzende Annalena Baerbock hat kürzlich klargestellt, dass eine bessere Aufrüstung der Bundeswehr notwendig ist, um außenpolitische Verantwortung wahrnehmen zu können. Sie wird dabei sogar noch konkreter und fordert eine stärkere militärische Kooperation mit Macrons Frankreich.

Die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hat es im November vor dem Beschluss des neuen Grundsatzprogramms treffend zusammengefasst: „Die Grünen haben auch pazifistische Wurzeln, waren aber noch nie eine pazifistische Partei.“ Den pazifistischen Wurzeln hat sich die Partei schon seit langem entledigt. Mit dem Kosovo-Krieg und dem Afghanistan-Krieg fielen die ersten beiden deutschen Kriegseinsätze seit dem Zweiten Weltkrieg in die Verantwortung der rot-grünen Regierung und des grünen Außenministers Joschka Fischer. Unter dem Deckmantel der humanitären Einsätze versuchen die Grüne ihren Militarismus gegenüber kritischen Teilen der eigenen Basis zu rechtfertigen. Wie wir dazu schrieben:

Die Grünen wollen Krieg – aus zwei Gründen, die ihre ganze kapitalistische Politik fortsetzen: Erstens, weil grüner Liberalismus auf großen Auslandsüberschüssen beruht. Der „grüne Strukturwandel“ mit Digitalisierung, Elektromobilität etc. braucht eine expansive Außenpolitik, weil durch den hohen technischen Aufwand solche Investitionen nicht nur Rohstoffquellen und Absatzmärkte im Ausland gebraucht werden, sondern eine verstärkte internationale Arbeitsteilung unter deutscher Kontrolle. Zweitens, weil sie antreten, um den deutschen Imperialismus zu erneuern, und das geht nur durch Umwälzungen in der Weltordnung mit stärkerer deutscher Beteiligung. Denn gegenüber der Konkurrenz anderer Blöcke – besonders China und den USA – müssen diese Ansprüche auf Teile der Welt erst durchgesetzt werden, sowohl mit Investitionen („Entwicklungshilfe“) als auch mit Gewalt („humanitäre Einsätze“).

Das alte geopolitische Gleichgewicht – mit dem neoliberalen Freihandelsmodell unter der Führung der USA – ist mit der Finanzkrise 2007/8 und dem Aufstieg Chinas gebrochen. Die Corona-Krise hat eine neue Etappe dieser Entwicklung eingeleitet, bei der die großen Mächte aggressiver um die besten Rohstoffzugänge und Absatzmärkte streiten und versuchen, eine Arbeitsteilung unter eigener Regie aufzubauen. Die “Grüne Erneuerung” muss zwangsläufig darauf hinauslaufen, dass Deutschland mehr in dieses Rennen investieren wird. Dies erfordert, die Staaten der EU noch stärker als heute auf die Bedürfnisse der deutschen Industrie auszurichten und auch außerhalb Europas den deutschen Einfluss auszubauen – wo nötig mit Gewalt.

Die Grünen sind keine Friedenspartei. In der Regierung werden sie die Partei eines hungrigen deutschen Imperialismus sein. Immerhin 37 Prozent der Delegierten beim letzten Bundesparteitag der Grünen stimmten für eine Resolution „Bundeswehr raus aus den Schulen“. Alle Basismitglieder, die ihren Pazifismus ernst meinen, müssen sich gegen die Profitinteressen der Konzerne stellen, welche die materielle Triebkräfte hinter dem deutschen Militarismus sind. Dies bedeutet die Streichung der Auslandsschulden sowie die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und Banken unter Kontrolle der Beschäftigten, damit diese nicht zur weltweiten Ausbeutung, sondern zur internationalen Solidarität der Arbeiter:innenklasse beitragen. Zudem sind sämtliche Bundeswehreinsätze abzulehnen, auch wenn sie als „humanitäre Mission“ oder unter UN-Mandat getarnt daherkommen.

Umweltzerstörung

In der letzten Ausgabe unseres Magazins trug ein Artikel den Titel „Die Grünen: Der größte Etikettenschwindel aller Zeiten“. Die Partei nennt sich grün, weil sie auf E-Autos und erneuerbare Energien setzt. Aber das eigentliche Problem ignoriert sie, ja die “Grüne Wende” verschlimmert das Problem noch: ein Wirtschaftssystem, das ewiges Wachstum braucht, um zu funktionieren.

Bis 2030 will die Bundesregierung zehn Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen. Positiv könnte man sehen, dass diese Autos die schmutzigeren Verbrenner ersetzen. Doch bedeutet es auch, dass für zehn Millionen neue Autos Lithium, Kobalt, Stahl, Gummi, Plastik und viele weitere Komponenten verbaut werden müssen. Auch wenn nach dem Willen der Regierung Recycling eine größere Rolle einnehmen soll, werden bis auf weiteres die allermeisten dieser Bestandteile der Erde entnommen.

Dies führt an den Abbaustellen zu großen ökologischen Problemen. So meint zum Beispiel der Hydrologe Marcelo Sticco zur Lithium-Förderung in Argentinien: „Durch die Lithium-Produktion sinkt der natürliche Wasserspiegel ab. Und dadurch mischt sich das Salzwasser mit dem Süßwasser. Diese Kontamination ist irreversibel, die Region verliert unwiederbringlich ihre Trinkwasserreserven.“

Die Herstellung von Batterien ist aufwändiger als von Verbrennungsmotoren. Dadurch entsteht bei der Produktion eines E-Autos laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System und Innovationsforschung circa 70 bis 130 Prozent mehr CO2 als bei einem Diesel oder Benziner. Dadurch, dass sie bei der Fahrt weniger CO2 in die Luft pusten, haben sie über ihre gesamte Lebenszeit letztlich eine 15 bis 30 Prozent niedrigere Verschmutzungsquote als die Verbrenner, vorausgesetzt, dass sie mit dem allmählich grüner werdenden Strommix in Deutschland geladen werden.

Die Einsparung an CO2 ist sicherlich ein respektabler Wert, zumal er in den kommenden Jahren noch steigen dürfte. Doch löst er das Grundproblem nicht, nämlich, dass meist nur für ein oder zwei Passagiere aufwändig eine eigene hochmoderne Stahlbox auf Rädern gebaut wird – dafür, dass sie im Schnitt 23 Stunden am Tag ungenutzt rumsteht. In einem tatsächlich ökologischen und sozialen Verkehrskonzept dürften E-Autos nur eine ergänzende Rolle spielen. Der Großteil der zurückgelegten Wegstrecken müsste mit massentauglichen Verkehrsmittel stattfinden. Dafür wäre es nötig, den Öffentlichen Nahverkehr stark auszubauen, auch auf dem Land eine hohe Taktfrequenz zur Verfügung zu stellen und für alle kostenlos zugänglich zu machen. Doch dann könnten die Konzerne nicht Millionen von Autos verkaufen.

Die Grünen stellen diesen zentralen Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise nicht in Frage, sondern bedienen ihn mit ihrem Wunsch nach E-Autos sogar noch. Nicht zufällig gilt Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg, als guter Freund der Autoindustrie. Entsprechend durchwachsen fällt auch seine Regierungsbilanz in Umweltfragen aus. Im Klimaschutzgesetz von 2014 formulierte die Landesregierung das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um 25 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Erreicht wurden letztlich 11,6 Prozent.

Die Hörigkeit gegenüber der Autoindustrie zeigte sich auch bei der Rodung des Danneröder Forstes in Hessen unter grüner Regierungsbeteiligung, um dort eine Autobahn zu bauen. Dafür ließen die Grünen die Umweltschützer:innen von der Polizei verprügeln. Auch die geplante Rodung des Hambacher Waldes durch RWE sollte mit dem Segen der rot-grünen Landesregierung, die bis 2017 im Amt war, vollzogen werden. Nur durch den massenhaften Protest konnte das bisher verhindert werden. Für die Ansiedlung der Tesla-Fabrik in Brandenburg verteidigten die Grünen die Rodung von 300 Hektar Wald in Grünheide.

Die Grünen haben in ihrem Grundsatzprogramm 2020 festgelegt, die Pariser Klimaziele einhalten zu wollen. Im Dezember brachte die UN einen Bericht heraus, nach dem wohl die 1,5 oder 2 Grad nicht mehr zu halten sind, sondern die Erde auf 3 Grad Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts zusteuert. Selbst das dürfte kaum zu halten sein, wenn die industrielle Entwicklung so weitergeht wie heute. Die Folgen wären ein Abschmelzen der Polkappen, das Auftauen der Permafrostböden und die weitergehende Zerstörung der Regenwälder in den tropischen und subtropischen Regionen. Aus diesen Kipppunkten ergibt sich eine Kettenreaktion, die eine nochmals drastisch beschleunigte Erderwärmung zur Folge haben wird.

Um diese katastrophale Entwicklung zu stoppen, reicht es nicht, etwas umweltfreundlichere Autos zu bauen und Solarstrom zu nutzen. Wir brauchen einen grundlegenden Systemwandel, bei dem die Wirtschaft nicht nach den Profitinteressen von Aktionär:innen gestaltet, sondern rational geplant wird im Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung. Der Kapitalismus mit seiner anarchischen Produktionsweise ist gerade dabei, die Grundlagen für das Leben auf Erden zu zerstören. Luftverschmutzung, Abholzung, Artensterben, Bodenerosion sind schon heute Alltag. Millionen Menschen müssen Tag für Tag verschmutzte Luft einatmen, weil die Holz- und Agrarkonzerne die Urwälder der Erde abholzen. So etwa die Wälder in Indonesien, die Palmöl-Plantagen für Biotreibstoffe weichen müssen. Nicht nur der Amazonas brennt, sondern große Teile der afrikanischen Wälder, wodurch die Artenvielfalt in rasantem Tempo schrumpft. Natürliche sanitäre Barrieren verschwinden, was die Gefahr weiterer Pandemien erhöht.

Fridays For Future streikte fürs Klima, ihre Führung für Posten im Parlament?

Die Bewegung Fridays For Future hat die Umwelt- und Klimafrage zu einem zentralen Thema der Öffentlichkeit gemacht. Die durch den Kapitalismus verursachte Umweltkrise hat Millionen Jugendliche auf der Welt, hunderttausende allein in Deutschland, auf die Straße gebracht. Die Grünen versuchen nun, das explosive Potenzial der Jugend auf den Straßen zu entschärfen und es in die ruhigen Gewässern des bürgerlichen Parlamentarismus zu kanalisieren. Dafür kooptieren sie bekannte Gesichter der FFF-Bewegung in Deutschland, die eine bemerkenswerte Karrieregeilheit an den Tag legen. Jakob Blasel, der für die Bundestagswahl antreten wird, haben sie bereits geschluckt. Weitere prominente Gesichter der FFF-Führung werden folgen. Die Grüne Partei schafft es somit, Teile der Fridays for Future-Bewegung für ein imperialistisches Projekt zu kooptieren, dank der Aussicht auf ertragreiche Posten. Auch die Umwelt hat also offenbar einen Preis, der wohl bei einer Abgeordnetendiät liegen muss.

Dabei ist nicht die parlamentarische Tätigkeit an sich das Problem, sondern der politische Inhalt: Statt mit Lobbyist:innen und Parlamentarier:innen Mini-Reformen zu verhandeln, die die Klimakatastrophe und die soziale und wirtschaftliche Krise nicht verhindern werden, sollte das Parlament als Bühne genutzt werden, um eine grundlegende, antikapitalistische, sozialistische Alternative bekannt zu machen. Die Forderungen und Mobilisierung der Arbeiter:innen und Jugendlichen sollten in ihren konkreten Kämpfen gegen die Auswirkungen von Pandemie, Krise und Umweltzerstörung unterstützt und weiterentwickelt werden.

Während die Grünen gerade eine Politik entwickeln, um die mit Fridays For Future politisierte Generation hinter sich zu scharen, wollen wir mit dieser Generation gemeinsam weiter gegen die kommende Klimakatastrophe kämpfen. Der Führung der Grünen geht es nur um die Profite der Konzerne. Stellen wir uns also lieber auf die Seite der Arbeiter:innen, die vom Strukturwandel bedroht sind, um alle Jobs zu erhalten und die Wirtschaft auf eine wirklich an den Bedürfnissen von Mensch und Natur ausgerichtete Produktion umzustellen. Die Beschäftigten sind es, die mit ihrer Arbeitskraft den gesellschaftlichen Reichtum erwirtschaften. Sie haben die Möglichkeit, mit Streiks die Produktion lahmzulegen, sich in Räten selbst zu organisieren und die Kontrolle darüber zu erlangen, was und wie hergestellt und wie es verteilt wird. Es braucht eine Regierung der Arbeiter:innen, die die Schlüsselindustrien und Infrastruktur enteignet und unter Kontrolle der Beschäftigten stellt. Überlassen wir die Zukunft des Planeten nicht dem Profitstreben der Kapitalist:innen, die uns unweigerlich in die Katastrophe führen. Die modernsten Techniken führen unter kapitalistischen Bedingungen nur dazu, die Umwelt immer weiter zu zerstören und die Menschen an der Maschine anzuketten. Wir wollen den technischen Fortschritt hingegen nutzen, um das Leben wirklich lebenswert zu gestalten. Wie der russische Revolutionär Leo Trotzki in seinem Testament schreibt: “Das Leben ist schön. Die kommende Generation möge es reinigen von allem Bösen, von Unterdrückung und Gewalt und es voll genießen.”

Eine strategische Debatte

Wie können wir Schritte im Kampf für eine solche Gesellschaft gehen? Die strategische Debatte mit den verschiedenen antikapitalistischen Konzeptionen wie beispielsweise dem Ökosozialismus wollen wir in den kommenden Ausgaben unseres Magazins angehen.

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