Die Grünen im Wahlkampf: Mehr Kanonen und ein bisschen Butter
Spitzenkandidat Habeck buhlte auf dem Parteitag mit Aufrüstungsappellen und der Dämonisierung von Geflüchteten um die Gunst der Union. Währenddessen wurde die verbliebene Parteilinke mit Sozialstaatsrhetorik besänftigt.
Der Hauptfeind steht in Moskau, daran besteht bei den Grünen kein Zweifel. In einem auf ihrem jüngsten Parteitag in Wiesbaden mit großer Mehrheit beschlossenen Antrag fordert die Partei „den konsequenten Ausbau der deutschen und europäischen Unterstützung für die Ukraine und eine neue Strategie zum Umgang mit dem autoritären und aggressiven Russland von heute“. Dass bei der vermeintlichen Solidarität mit den Menschen in der Ukraine auch die wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der deutschen herrschenden Klasse nicht zu kurz kommen, versteht sich dabei von selbst. Nationalbewusst heißt es in dem Antrag: „Es liegt im strategischen und sicherheitspolitischen Interesse Deutschlands und der EU, die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine entschlossen zu verteidigen und das Land in seinem demokratischen Aufbau, der Rechtsstaatlichkeit und seiner Wettbewerbsfähigkeit im Rahmen der euroatlantischen Integration zu unterstützen und zu stärken.“
Der scheidende Wirtschaftsminister und designierte „Kandidat für die Menschen in Deutschland“ Robert Habeck, untermauerte diesen Kurs, als er sich in einem Interview mit der ARD eindeutig für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die ukrainische Armee aussprach. Damit befindet er sich auf einer Linie mit Friedrich Merz, dem sich die Grünen als Juniorpartnerin für eine kommende CDU-geführte Regierung anbiedern wollen. Auch Merz schlug in einem kürzlich im Stern erschienenen Interview versöhnlichere Töne gegenüber den Grünen und ihrem Spitzenkandidaten an.
Neben der Krönung von Habeck wurde auf dem Parteitag auch ein neuer Vorstand gewählt. Franziska Brantner und Felix Banaszak, die ohne Gegenkandidat:innen antraten, werden nun das Führungsduo aus Ricarda Lang und Omid Nouripour beerben. Die 45-jährige Bundestagsabgeordnete Brantner hat bereits eine lange Parteikarriere hinter sich und arbeitet seit 2021 als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Sie gilt als enge Vertraute von Habeck sowie Wortführerin des rechten Flügels.
Ihre Bewerbungsrede verwendete sie in großen Teilen darauf, ihren Vorgesetzten über den grünen Klee zu loben: „Bei dem Ausbau der Erneuerbaren hat Robert das Tempo verdoppelt“, „Robert hat die Inflation bekämpft“. In patriotischer Manier möchte sie die Grünen als eine Partei aufstellen, „die den Weg freimacht, für die, die unser Land nach vorne bringen“. Dabei ist sie sich auch nicht zu schade, Donald Trump zu adaptieren und „Make Green Great Again“ zu rufen.
Lobende Worte fand sie auch für die deutschen Unternehmen, von denen angeblich zahlreiche den Weg des Klimaschutzes eingeschlagen hätten. Auf dem gesamten Parteitag strengten sich die Grünen an, den Klimaschutz vor allem als Chance für eine starke Wirtschaft darzustellen und sich den Konzernen und Banken so als handzahmer politischer Partner anzudienen. Brantner betrieb in ihrer Rede Greenwashing vom Feinsten, als sie betonte, dass ihre Partei „unseren Unternehmen, unseren klugen Köpfen und ihren Innovationen“ vertraue, um die Umwelt zu retten. Verbunden werden sollen die „grünen“ Unternehmenssubventionen mit „viel, viel mehr Investitionen in Europas Sicherheit“, sprich noch mehr Investitionen in die Aufrüstung. Dazu passt die kürzlich von Robert Habeck aufgestellte Forderung, ein zweites Sondervermögen für die Bundeswehr aufzusetzen. Dass Panzer und Kriegsschiffe alles andere als umweltfreundlich sind, spielt dabei keine Rolle.
Ein Herz für die Schwachen?
Kritik am Kriegskurs der Partei sucht man auch beim ehemaligen Grünen-Jugend-Sprecher Banaszak, der als Vertreter des linken Parteiflügels angetreten ist, vergeblich. Im Fokus seiner Bewerbungsrede stand dafür die Sozialpolitik: „Ich will mich nicht damit abfinden, dass in einem reichen Land so viele Kinder in Armut großwerden und so viele Rentnerinnen und Rentner in Armut ihr Leben zu Ende bringen. Dass die Vermögen der einen wachsen und die anderen immer früher im Monat in den Dispo rutschen.“ Die Grünen werden – nicht ohne Grund – als Partei für Besserverdiener:innen wahrgenommen, die vermeintliche Klimaschutzmaßnahmen auf dem Rücken der Arbeitenden und Armen austragen. Auch der aus Protest gegen die Regierungspolitik ausgetretene Vorstand der Grünen Jugend kritisiert die unsoziale Ausrichtung der Partei:
„Statt sich gegen ein System zu wehren, das immer wieder Gewinner und Verlierer produziert, die Gleichheit der Menschen systematisch untergräbt und uns mit voller Wucht in die Klimakrise katapultiert, finden sich die Grünen zunehmend damit ab, den Status Quo zu verwalten.“
Dieses Image versucht die Partei nun abzustreifen. So bekannte sich auch Habeck in seiner Rede zu „Gerechtigkeit und Sozialstaat“ und sprach von günstigeren Strompreisen und einer Vermögensabgabe, während Annalena Baerbock eine Dönerpreisbremse ins Spiel brachte. Ob sich die Anstrengungen der Partei, ein sozialeres Profil zu etablieren, im Wahlkampf auszeichnen werden, wird sich zeigen. Fest steht aber, dass die Grünen ihr Herz für Kinder, Rentner:innen und Niedriglohnbeschäftigte bei potentiellen Koalitionsverhandlungen mit der Union schnell wieder vergessen dürften. Eine schwarz-grüne Koalition wird auch vom „linken“ Banaszak angestrebt, er sagte, die Grünen müssten der „Motor“ der kommenden Regierung werden.
Begleitet wurde der Parteitag von mehrere Protestkundgebungen, unter anderem von ProAsyl mit dem Slogan „Früher standet ihr auf unserer Seite; gegen die Kurswende in der Asylpolitik.“ Die Antwort von Banaszak auf eine kritische Frage aus dem Publikum zur Migrationspolitik hätte ausweichender kaum sein können: Die Grünen stünden an der Seite derer, die an ein weltoffenes und menschenrechtsorientiertes Deutschland glauben, müssten dabei aber Kompromisse schließen und der Realität ins Auge blicken. In einem Interview mit dem ZDF sagte er im Bezug auf Asyl: „Wer das Recht missbraucht, der hat es dann eben auch verwirkt.“
Währenddessen schreckte Habeck auf dem Parteitag nicht davor zurück, rassistische Ressentiments zu schüren, indem er Fluchtbewegungen als „Destabilisierung“ und „Angriff auf die Freiheit“ bezeichnete. Das „menschenrechtsorientierte“ Engagement der Grünen besteht vor allem in Nützlichkeitsrassismus und zieht eine klare Grenze bei der deutschen Staatsraison: Man setze sich zwar für leichtere Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse für Fachkräfte ein, zugleich müsse klar sein, dass „Schwerverbrecher oder Antisemiten“ effizienter abgeschoben werden müssten.