Die FU räumt schon wieder, aber wir kämpfen weiter!

10.07.2024, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Tabea Krug / KGK

Am Dienstag endete das Protestcamp für Palästina an der FU Berlin mit einer kämpferischen Demo und einer Kundgebung, die in einer erneuten Hörsaalbesetzung mündete. Zur Nacht ließ das Präsidium die Besetzer:innen mit der Polizei räumen – schon wieder.

19 Tage lang campten Studierende der FU Berlin in Solidarität mit Palästina und aus Protest gegen die Repression seitens ihres Präsidiums und gegen den Genozid in Gaza. Im Verlauf des Camps, an dem wir von Waffen der Kritik als Teil des FU-Palästinakomitees teilgenommen haben, beteiligten sich viele Studierende und auch Dozierende mit ihren Kursen an Veranstaltungen und Diskussionsrunden. 

Im Gegensatz zu den Studierenden und Beschäftigten ignorierte das Präsidium der FU das Protestcamp und seine Forderungen, darunter ein Ende des Genozids und der Besatzung in Palästina, einen Stopp von Waffenlieferungen und einen sofortigen Waffenstillstand, die Einrichtung einer demokratisch kontrollierten Zivilklausel an der FU Berlin, das Fallenlassen aller Anzeigen und Repressionsmaßnahmen seitens der Universität gegen Studierende und Beschäftigte, neben vielen weiteren.

Nachdem das Präsidium nach 19 Tagen des Camps auf keine der Forderungen reagiert hatte, schlossen die Studierenden das Camp am Dienstag mit einer kämpferischen Demonstration ab. Die etwa 100 Demonstrierenden marschierten zum Präsidium, wo die Forderungen übergeben wurden. Endpunkt des Protest war die Mensa II, wo mit einer kämpferischen Kundgebung die Passivität der Freien Universität und die deutsche Komplizenschaft am Genozid angeklagt wurde. 

Maxi Schulz von der maxistischen Hochschulgruppe Waffen der Kritik klagte in deren Rede die Komplizenschaft der BRD im andauernden Genozid an: „An dieser Barbarei ist der deutsche Staat mit Schuld. Unser Protest richtet sich deshalb hier gegen die deutsche Staatsräson, also gegen die bedingungslose Unterstützung des deutschen Imperialismus für Israel und gegen die Waffenlieferungen Deutschlands an Israel.“ 

Außerdem ging Maxi auf die fortschreitende Militarisierung und Aufrüstung ein: “Dieses härtere Durchgreifen des Staates gegenüber der Palästinabewegung steht im Kontext der äußeren und inneren Militarisierung und des Rechtsrucks des gesamten politischen Regimes. Der deutsche Imperialismus investiert in Waffenproduktion und die Aufrüstung. Arbeiter:innen, Jugend und Unterdrückte sollen gespalten und diszipliniert werden und für diese Aufrüstung bezahlen. Durch das brutale Durchgreifen des Staates sollen sie dazu gezwungen werden, sich vollständig den Interessen von Staat und Kapital unterzuordnen, um folgsam mitzuziehen. Wir lassen uns nicht kriegstüchtig machen, wir machen nicht mit bei der rassistischen Hetze, wir wehren uns genau dagegen!”

Neben Gruppen wie dem Palästinakomitee, Students 4 Palestine und Young Struggle hielten auch der FU-Beschäftigte und aktive Gewerkschafter Claudius, die Gruppe Revolutionäre Linke, Udi Raz (Jüdische Stimme) und die Politikwissenschaftler Hajo Funke und David Grundy (JFK Institute FU) Reden, die die Handlungen des Unipräsidiums anklagten. Im Verlauf der Kundgebung schlossen sich weitere Teile der Studierendenschaft an. Dass Studierende und Beschäftigte ein weiteres Mal gemeinsam demonstrierten, ist ein Erfolg, der auf die studentischen Proteste der letzten Monate zurückzuführen ist. Es ist ein Anfang dafür, eine Einheit mit allen Beschäftigten der Universität, seien es wissenschaftliche oder nicht-akademische Mitarbeiter:innen wie aus Mensa, Technik und anderen Bereichen, herzustellen.

Im Anschluss an die Kundgebung haben sich etwa 25 Protestierende zu einem Sit-In in der Mensa zusammengefunden, welches schnell viel Zuspruch und Aufmerksamkeit von anderen Studierenden und einzelnen Dozierenden erfuhr. Es setzten sich immer wieder Leute dazu, riefen die Parolen mit und hoben die kämpferische Stimmung. Nachdem die Polizei zuerst versuchte, die Protestierenden einzuschüchtern, musste sie sich nach Ausübung des Hausrechts durch das Studierendenwerk bald zurückziehen. Im Laufe des Abends kehrte sie aber wieder zurück – diesmal auf Geheiß des FU-Präsidiums. 

Denn obwohl die Kundgebung und das Sit-In auf viel Zustimmung unter Studierenden stießen, ließ sich der FU-Präsident Günter Ziegler noch immer nicht blicken. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, entschlossen sich die Protestierenden deshalb, den Hörsaal 1A der Freien Universität zu besetzen. Keine zufällige Ortswahl: Im selben Hörsaal wurde bereits im Dezember vergangegen Jahres eine Besetzung gegen den Genozid in Palästina gewaltvoll geräumt. 

Die Besetzung setzte sich zum Ziel, das Präsidium zu einer öffentlichen Diskussion um die Forderungen des Heba-Camps zu stellen und sich vor den Universitätsangehörigen für ihre Komplizenschaft im Gaza-Genozid und repressive Politik zu verantworten.

Das Präsidium um Günter Ziegler erschien bei der Besetzung und hörte den Protestierenden zu. Von Verständnis kann aber keine Rede sein. Lediglich auf eine einzige Forderung (Stipendien für palästinensische Studierende und Zugang zur Universität für Geflüchtete) wurde eingegangen, allerdings ohne jegliche Verpflichtung seitens der Unileitung Zu den Verbindungen zum Genozid in Palästina, zu der Polizeigewalt gegenüber den eigenen Studierenden, zu der eigenen antisemitschen Geschichte der FU und vielem mehr hat das Präsidium nach über einem halben Jahr Genozid und nach knapp drei Wochen Protest-Camp noch immer nichts zu sagen. Diese Forderungen seien für die Hochschulleitung “nicht vertretbar”.

Stattdessen wurden erneut Taten spielen lassen. In einer demokratischen Diskussion beschlossen die Protestierenden, das lächerliche Angebot des Präsidium abzulehnen. Daraufhin verkündete der Präsident, die Besetzer:innen räumen zu lassen und wegen Hausfriedensbruch anzuzeigen. Über 11 Polizeiwannen standen schon einsatzbereit und hatten die Türen blockiert, um weitere Menschen daran zu hindern, sich der Besetzung anzuschließen. Nachdem die Studierenden gewaltvoll aus dem Hörsaal eskortiert wurden, wurden von allen die Personalien aufgenommen. Ein ernstes Gespräch über die Forderungen des Camps sieht anders aus, ist doch eine der Hauptforderungen „Keine Polizei auf dem Campus!“ Die FU Berlin erklärte nun, Anzeigen gegen die Protestierenden zu erstatten. 

Trotz der neuen Gefahr von Exmatrikulationen gegen Studierende nach der Wiedereinführung des Ordnungsrechts vonseiten des Berliner Abgeordnetenhauses am vergangenen Donnerstag, nahm sich die Palästinabewegung also erneut die Straße und die Uni. Das FU-Präsidium wiederum zeigte erneut, dass es bis auf marginale Zugeständnisse kein Interesse an einem tatsächlichen Positionswechsel hat. Stattdessen normalisiert es immer weiter die massive Polizeipräsenz auf dem Campus, die die Autonomie der Universität und die demokratische Freiheit des studentischen Protests untergräbt.   

Aber davon lassen wir uns nicht einschüchtern: Wir werden nicht aufhören, gegen den Genozid in Gaza und gegen die Komplizenschaft des deutschen Staates und der deutschen Universitäten zu protestieren. Das Präsidium hat uns erneut geräumt, aber wir kommen wieder. Denn die FU gehört uns und nicht dem Präsidium!

Erst im Laufe der Besetzung wurde auch eine Einladung an die Teilnehmer:innen des Protestcamps und der Besetzung zur Sitzung des Akademischen Senats (AS) am 10. Juli bestätigt. Dort wird ihnen eine halbe Stunde Redezeit eingeräumt, um ihre Forderungen vorzubringen. Dieses Zugeständnis zeigt die Wirkung von studentischem Protest, aber zugleich ließ das Präsidium am Vorabend der AS-Sitzung die Hörsaalbesetzung ohne Zugeständnisse räumen. Dass es überhaupt erst ein Protestcamp und Demonstrationen brauchte, um sich im Akademischen Senat, der über die professorale Mehrheit verfügt, als Studierende Gehör zu verschaffen, bezeugt den undemokratischen Charakter der Universität. Wir sehen, es ist der selbstorganisierte Protest von Studierenden und Beschäftigten – nicht Hinterzimmer-Verhandlungen in undemokratischen Gremien –, die dem Kampf für ein freies Palästina und eine freie Universität den Weg ebnen können. Auch von den jetzigen Gesprächsangeboten dürfen wir uns nicht einlullen lassen. Um unsere Forderungen umzusetzen, können wir uns auf den Unileitung nicht verlassen, sondern müssen auf Mobilisierung und Organisierung von Studierenden und gerade auch von Beschäftigten setzen.

Um diesen Protest in den Akademischen Senat zu tragen, laden wir alle Angehörigen der FU dazu ein, mit uns gemeinsam die Sitzung des Akademischen Senates zu besuchen. 

Kommt mit uns zum Akademischen Senat!

Mittwoch, 10. Juli um 17 Uhr

im Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin, Garystr. 35, 14195 Berlin

Offenes Treffen des FU Palästinakomitees

Donnerstag, 11. Juli 18 Uhr

Ort auf Anfrage

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