Die falschen Versprechen von Schulz und der SPD an die Pflegekräfte
Auf den letzten Metern des Wahlkampfs stehen plötzlich doch noch Themen wie bessere Arbeitsbedingungen und Geschlechtergerechtigkeit auf der Agenda. Besonders die SPD bemüht sich, sich als die "Gerechtigkeitspartei" darzustellen. Heuchlerischer könnte dieser letzte Wahllkampfabschnitt kaum sein.
Kurz vor Ende des Bundestagswahlkampfs versucht die SPD sich doch noch als Verteidigerin der sozialen Gerechtigkeit zu inszenieren. Nachdem Pflegeazubi Alexander Jorde vergangene Woche Angela Merkel mit den Arbeitsbedingungen in der Pflege konfrontierte, schwang sich SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz in den vergangenen Tagen zum Retter der sozialen Berufe auf. Nichts weniger als einen „Neustart für die Pflege“ fordert er:
Wie die FAZ schreibt, würde Schulz in den ersten 100 Tagen seiner Kanzlerschaft „Maßnahmen für mehr Pflegepersonal, für eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte und für mehr Pflegeplätze umsetzen. Er stellte 30 Prozent höhere Gehälter in Aussicht und versprach deutlich höhere Investitionen im Pflegebereich.“
Klingt gut, oder? Allein: Für die Beschäftigten in Pflege und Krankenhäusern klingen diese Versprechen mehr als hohl. Nicht nur, dass die SPD gemeinsam mit der CDU in der Großen Koalition erst in dieser Legislaturperiode eine Pflegereform verabschiedet hat, die rein gar nichts an den unerträglichen Arbeitsbedingungen und der miesen Bezahlung der Beschäftigten geändert hat. Auch die Beschäftigten der Krankenhäuser, die bundesweit seit Jahren für mehr Personal mobilisieren, sehen sich immer wieder von SPD-Landesregierungen blockiert, die sich ihren Forderungen nach Entlastung des Personals zynisch entgegenstellen. Gerade erst diese Woche streikten die Pfleger*innen des Charité-Universitätsklinikums in Berlin, das sich zu 100 Prozent in Landesbesitz befindet, für einen neuen Tarifvertrag zur Entlastung des Personals. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der im Charité-Aufsichtsrat sitzt, blockiert seit jeher – genauso wie bei der Charité-Servicetochter CFM, die seit Jahren überhaupt für einen Tarifvertrag kämpft – die Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Krankenhaus. Der Charité-Aufsichtsrat billigte sogar die Flucht der Charité in den Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV), um die Tarifverhandlungen zu einem Entlastungstarifvertrag zu unterlaufen.
Angereichert wird die Heuchelei der SPD in puncto soziale Berufe durch ihre „#gerechtist“-Kampagne, in der sie sich als Oppositionspartei gegen die aktuellen Zustände geriert, für die sie aber selbst mitverantwortlich ist.
Besonders ärgerlich ist der feministische Anstrich, den sich die SPD mit dieser Kampagne geben will. In einem Video der Jusos fragt eine Protagonistin, ob sie einen Bart haben müsse, damit ihr zugehört wird.
Doch die SPD ist alles andere als eine feministische Vorkämpferin. Denn was für einen „Feminismus“ die Partei vertritt, wird ganz klar, wenn man sich das folgende Kampagnenbild der Jusos anschaut: „#gerechtist wenn ich Chefin werde“:
Der SPD geht es nicht um die Gleichstellung aller Geschlechter. Es geht ihr um die Besserstellung von einigen wenigen Frauen, die einfacher in die Position der Ausbeuterin gebracht werden sollen, gegenüber der absoluten Mehrheit aller Frauen. Wäre es anders, hätte die SPD in den vergangenen Jahren ihrer Regierungsbeteiligung den Arbeitsbedingungen von Millionen von Frauen größere Beachtung geschenkt. Im Gegenteil: Die Prekarisierung, unter der Frauen in Deutschland überproportional leiden müssen, ist in seiner aktuellen Ausdehnung überhaupt nur möglich gewesen, weil die SPD mit der Agenda 2010 die Arbeits- und Lohnbedingungen massiv verschlechtert hat.
Jetzt versuchen Schulz und die SPD, mit größeren Quotenregelungen für Chefetagen, diesen strukturellen Angriff auf Frauen kosmetisch ein wenig zu verschönern. Doch fest steht: Quoten unter Bossen sind nicht im Interesse arbeitender Frauen. Eine wirklich feministische Politik würde durch Lohnerhöhungen, Verbesserung der Arbeitsbedingungen und ähnlichem die Position von Arbeiterinnen stärken, statt einfach den Zugang zur Chefetage zu erleichtern.
Das aber ist bei der SPD, und auch bei den Jusos, leider kein Thema. Warum sollte es auch? Die SPD vertritt einen Feminismus der Bosse. Und die Jusos sind nichts weiter als ein Karriere-Laden, dessen Funtionär*innen in jungen Jahren manche linke Rede schwingen, um sich dann umso schneller in den SPD-Apparat aufsaugen und in die nächste Stütze des deutschen Imperialismus verwandeln zu lassen. Von so einer Organisation haben arbeitende Frauen rein gar nichts zu erwarten. Denn #gerechtist nicht, wenn es mehr Chefinnen gibt. #gerechtist, wenn es gar keine Bosse – egal welchen Geschlechts – mehr gibt.