Die „Brandmauer“ ist gefallen – mit der CDU

01.02.2025, Lesezeit 8 Min.
1
Foto: Hand-in-Hand-Demonstration 2024 in Berlin / Ayrin Giorgia von Klasse Gegen Klasse

Ich möchte hiermit meine Meinung abgeben für diejenigen, die es interessiert (oder auch nicht), die sich vielleicht hoffnungslos fühlen, oder nicht wissen, was sie tun können.

Die Brandmauer ist gefallen.
Mit der CDU.

Was jetzt nochmal unwiderlegbar bewiesen wurde: Konservative werden immer eher mit Rechten kuscheln (oder sind wir ehrlich, mit ihnen ficken), statt eine „Brandmauer“ aufrecht zu erhalten. Vor allem, wenn sie damit eine Wählerschaft abgreifen können. Die letzten Jahre waren geprägt von öffentlich-hetzerischem Rassismus, um einen Sündenbock zu finden für die Krisen, die der Kapitalismus geschaffen hat. Aber dass Frauen zum Beispiel hier aufgrund ihres Geschlechts ermordet werden, liegt nicht an „Ausländern“ oder wie unser Cum-Ex-Bundeskanzler es sagen würde „Menschen,  die bei uns Schutz suchen und das dann ausnutzen“.

2025 ist noch nicht einmal ein Monat alt und doch wurden schon sechs Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet. Die Täter sind (fast) immer Ex-Partner. Gewalt ist keiner Kultur zuzuschreiben, sondern einem Nichthandeln. Was bringen uns Gesetze wie die Istanbul Konvention, wenn Frauenhäuser weiterhin unterfinanziert werden? Was bringt es mir, wenn ich ein gesetzliches Recht dazu habe, als Frau ein Leben in Würde und Frieden zu leben, wenn nichts daran getan wird, das auch in die Tat umzusetzen, sondern weiter und weiter Gelder gekürzt werden?

Unter der Ampelregierung wurde uns versprochen, die AfD zu verhindern. Aber was passiert, wenn hochkommt, dass eine tief rassistische, misogyne und antisemitische Gesellschaft für komplexe Themen wie Gewalt eine direkte Lösung haben möchte? 

Alle Parteien, getragen von FDP, SPD, Grüne, CDU, etc.  haben keine Opposition geschaffen. Sie sind nicht nur nach rechts gerückt, sondern haben die rechten Forderungen direkt übernommen, um Wähler:innen zu gewinnen. 

Ich möchte daher eine Frage stellen: 

Ist es weniger schlimm,  wenn es „Rückführung“ heißt, als wenn es „Remigration“ genannt wird? Wäre es weniger schlimm gewesen, wenn Merz den Antrag nicht mit der AfD, sondern der SPD durchgeführt hätte? Ist es für jemanden, der an den EU-Außengrenzen erfriert, weniger schlimm?

Macht es für die Kinder in Gaza einen Unterschied, wenn die Waffen, die an ihren Kopf gerichtet werden, von den Grünen unter dem Deckmantel der „Selbstverteidigung“ und „feministischer Außenpolitik“ gegen sie gerichtet werden? 

Ich finde, heute ist eine gute Zeit, mehrere Dinge zu erkennen. 

Ich merke, dass viele jetzt zum Wählen aufrufen. Dieser Text ist kein Aufruf, nicht zu wählen, ich möchte nur eine weitere, weitreichendere Perspektive aufwerfen. 

Alle vier Jahre werden wir zum Wählen aufgerufen, um „etwas Schlimmes zu verhindern“. Doch was die Parteien dann mit unseren Stimmen machen, bleibt ihnen selbst überlassen. 

Es ist jedoch die liberalste Regierung, in der in Deutschland jemals regiert wurde, die diesen Rechtsruck bis an dieses Ende fortgeführt hat. Es war unter dieser Regierung, dass meine mutigen Mitstreiter:innen von der Polizei in Riesa bis in die Ohnmacht verkloppt wurden, um einen rechtsextremen Parteitag zu verhindern. Und so kommt es auch, dass die LINKE meiner Genossin und Hebamme Leonie und ihrer Kolleg:innen in der Pflege verspricht, für den Erhalt des Kreißsaals in Neuperlach zu stimmen – um dann aber hinterrücks in Absprache mit den Grünen und der SPD dagegen zu stimmen. 

Die Realität ist erdrückend. Aber die Realität ist auch, dass wir mehr tun können und müssen, als vier Jahre zu wählen um „etwas Schlimmes zu verhindern“. Denn das Schlimme passiert schon. Die Welt brennt und jeder, der das leugnet, ist nur zu feige, es einzusehen. 

Dass die „Brandmauer“ also fällt, war nur eine Frage der Zeit. Es stellt sich also raus, die „Brandmauer“ ist  einfach nur ein Begriff, mit welchem man die Wähler:innenschaft abgreift, wenn’s grad passt und man beweisen will, dass man von den „guten“ Rechten (CDU) ist und nicht die „bösen“ (AFD). Man kann dann aber die sogenannte „Brandmauer“ auch einfach fallen lassen , wenn der Rassismus im Land zu hoch aufkocht.

Der Kapitalismus nimmt unser gesamtes Leben ein. Wir wachsen damit auf, die Politik an andere Menschen abzugeben, um mit den negativen Konsequenzen allein gelassen zu werden und auf individualistischer Ebene zu handeln. Dass ich jeden Tag müde bin, liegt nicht an mir selber oder dass ich so „faul“ bin, sondern an den Umständen, in denen ich lebe: Vollzeit-Ausbildung und zwei Jobs. Wir haben keine Zeit mehr, um für uns selbst und andere zu sorgen und leben in der Illusion, dass irgendwann eine Partei so handelt, wie wir es brauchen. Die Realität ist allerdings eine andere: Wir werden durch die Lebensumstände politisch handlungsunfähig gemacht, damit es so aussieht, als könnte man nicht mehr tun als zu wählen. Dabei ist wählen aber nur das Mindeste, das wir tun können. 

Die Demokratie des Kapitalismus lässt es ebenfalls so erscheinen, als könnten unsere  Probleme durch Konsum geregelt werden, und als müsste man sich bloß so perfekt optimieren und wählen, dann hat man es geschafft. Doch die Zahl derer die es geschafft haben sich finanziell abzusichern ist klein, und die reichsten Menschen hier in Deutschland haben es nicht geschafft, weil sie so hart gearbeitet haben, sondern leben im dunklen Erbe ihrer Vergangenheit des Nationalsozialismus, oder aktueller Ausbeutung. Und Rechte wie das Wahlrecht für Frauen wurden erkämpft. Hate to break it to you aber niemand von uns wird der nächste Elon Musk. Es ist viel, viel, viel wahrscheinlicher, auf der Straße zu landen.

Was also tun?

Ich denke, wir müssen erkennen, dass der Kampf für unsere Rechte kein bequemer ist, der beispielsweise von zuhause über Instagram geführt werden kann oder den ich an jemanden abgeben kann, der sich vielleicht darum kümmert, vielleicht aber auch nicht. Der Kampf für unsere Rechte begegnet uns jeden Tag, in den zu hohen Mieten, in Ausbeutung der Lohnarbeit oder der unendlichen Erschöpfung, in der wir gerade leben. Und dort müssen wir auch zum Handeln ansetzen.

Wir können auf noch so viele Demos „gegen rechts“ gehen, wenn nichtmal klar definiert wird, was „rechts“ überhaupt ist. Diese werden von den selben Parteien organisiert, die rassistische Hetze betreiben oder Waffen für einen Genozid geliefert werden. 

Es gibt keine nachhaltigen Produkte, die ich konsumieren kann, die den Klimawandel aufhalten werden. Es wird keinen Hashtag geben, der uns jemals vom Patriarchat oder vom Rassismus befreien kann. 

Aber sie können Handlungsansätze sein. Um in Kontakt zu treten, mit Menschen, die bereit sind zu kämpfen und sich den gravierenden Entscheidungen entgegenzustellen. Wir können streiken und Firmen unter die Hände derjenigen stellen, die wissen, was wir am dringendsten brauchen, um gut zu arbeiten. Die Bosse können gehen, aber wir bleiben! Denn wir sind diejenigen, die Arbeit leisten. Und weil es unsere Zukunft ist, die Zukunft der Jugend und nicht der Kapitalist:innen.

Wenn niemand dafür kämpft, was wir brauchen, müssen wir es selber tun. Wenn niemand sagt, was wir denken, müssen wir es selber aussprechen. Und wir müssen es dringend selber tun, denn die Zukunft steht gerade auf Aufrüstung, Klimakatastrophe und Ausbeutung. Also ja, geht wählen, aber noch viel wichtiger, schließt euch zusammen und erkennt, dass eure Stimme etwas wert ist. Dass sie es wert ist, gehört zu werden, dass man sie nicht ignorieren kann. Dass Positionen wie Menschenrechte nicht verhandelbar sind. Und dass man mit dieser sehr wohl Dinge verändern kann. Werdet sichtbar, organisiert euch, sprecht und kämpft miteinander! An den Orten, an welchen wir uns immer aufhalten. Ob an der Schule, den Unis oder den Betrieben. Der Hauptfeind steht im eigenen Land und die Waffen werden gerade gegen uns gerichtet. Zeit zurückzuschlagen!

Mehr zum Thema