Die Befreiung Palästinas und die Permanente Revolution

20.10.2024, Lesezeit 85 Min.
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Graffiti in Bethlehem, Foto: Fallaner / Wikimedia Commons.

Die Arbeit des palästinensischen Trotzkisten Jabra Nicola zeigte die Dringlichkeit der permanenten Revolution für die Befreiung Palästinas auf. Eine höchst aktuelle Perspektive.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien zunächst am 19. April auf Left Voice. Obwohl seitdem eine Reihe neuer Entwicklungen, insbesondere in Bezug auf die Ausdehnung des Genozids und die Tendenzen hin zu einem ausgewachsenen Regionalkrieg, stattgefunden haben, halten wir die historischen, strategischen und theoretischen Überlegungen in diesem Artikel weiterhin für bereichernd.

Es ist eine unverzichtbare Aufgabe, kollektiv zu bestimmen, wohin der Kampf für die palästinensische Befreiung gehen kann. Das gilt sowohl für die arabischen Massen in Gaza und der Region als auch für die globale Bewegung gegen den Genozid, die selbst in mehreren imperialistischen Ländern, insbesondere in den Vereinigten Staaten, aufgeblüht ist.

Ein notwendiger Teil dieses Vorhabens ist es, die enormen sozialen Kräfte zu verstehen, die in Palästina im Spiel sind und die diese Region der arabischen Welt zu einem Epizentrum der globalen Krise – der erneuten Krise des globalen Imperialismus – gemacht haben. Die Tragödie des brutalen kolonialen Projekts Israels in Palästina ist einerseits Ausdruck der blutigsten Folgen des imperialistischen Niedergangs, andererseits ist sie von unten her zu einem Sammelruf für alle Ausgebeuteten und Unterdrückten in der ganzen Welt geworden, die sich im mutigen Widerstand der palästinensischen Massen gegen Imperialismus, Rassismus und Kolonialismus vertreten sehen. Der Staat Israel repräsentiert die monströse internationale Rechte, die von Argentinien bis zu den Vereinigten Staaten der Feind der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten überall ist. In diesem Rahmen liegt die Befreiung Palästinas im Interesse von Milliarden von Menschen, die in allen Teilen der Welt ausgebeutet und unterdrückt werden.

Um einen siegreichen Weg zur palästinensischen Emanzipation zu finden, müssen wir verstehen, wie diese gewaltigen sozialen Kräfte – international, regional und lokal – aufeinandertreffen und welche Klassendynamik im Zusammenhang mit dem Genozid in Gaza zum Ausdruck kommt. Auf dieser Grundlage können wir eine Befreiungsstrategie entwickeln, die Freund und Feind unterscheidet und das dringende Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes mit der sozialistischen Revolution in der Region verknüpft. Eine solche Strategie könnte die Einheit der Massen im gesamten Nahen Osten beim Abwerfen des imperialistischen Jochs und der Fesseln ihrer eigenen Bourgeoisien und autoritären Regierungen vorantreiben und Teile des israelischen Proletariats zum Bruch mit dem Zionismus und der kolonialen Agenda Israels bewegen.

Unserer Ansicht nach ist diese Verbindung – zwischen dem Kampf für palästinensische Selbstbestimmung und dem Kampf für den Sozialismus in der Region – klar in Leo Trotzkis Theorie der permanenten Revolution verankert. Es war etwa der palästinensische Trotzkist Jabra Nicola, der diese Theorie am systematischsten auf den Kampf für die Befreiung Palästinas anwandte. Er charakterisierte den zionistischen Staat Israel aus einer antiimperialistischen Klassenperspektive und analysierte die regionale Klassendynamik, um das revolutionäre Potenzial des arabischen Proletariats der umliegenden Region aufzuzeigen.

Wie die Historikerin Josefina L. Martínez schreibt:

Zu seiner Zeitstellte Trotzki fest, dass die Theorie der permanenten Revolution drei Gedankengänge zusammenführt. Erstens der Übergang von der demokratischen zur sozialistischen Revolution. Zweitens die Revolution als solche, das heißt die Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus, die ‚Revolutionen der Wirtschaft, der Technik, der Wissenschaft, der Familie, der Sitten und Gebräuche‘ mit sich bringt, die ’sich in komplizierten Wechselwirkungen‘ entwickeln und ‚die Gesellschaft nicht ins Gleichgewicht kommen‘ lassen. Der dritte Aspekt ist schließlich der internationale Charakter der sozialistischen Revolution. Und es ist gerade das Zusammenspiel dieser drei Dimensionen, das dieser Theorie heute enorme Relevanz verleiht.

In diesem Artikel wollen wir die Gültigkeit und Relevanz dieser Ideen aufzeigen, um eine strategische Perspektive für die palästinensische Befreiung zu entwickeln. Dabei stützen wir uns auf die Ausarbeitungen von Leo Trotzki, Jabra Nicola und Historiker:innen wie Ilan Pappé, Ussama Makdisi, Ran Greenstein, Zachary Lockman, Gabriel Godorezky und Pierre Broué. Wir werden die Grundlagen der Theorie der Permanenten Revolution nicht als unveränderliches Dogma wiederholen, sondern versuchen, sie angesichts der jüngsten Geschichte und der aktuellen Situation in Palästina vor dem Hintergrund der Krise des Weltimperialismus weiterzuentwickeln. Wir werden dies anhand der drei Ideen tun, die den Kern von Trotzkis Theorie der Permanenten Revolution bilden, und sie nutzen, um grundlegende Momente in der palästinensischen Geschichte zu beleuchten und die Geschichte der Ideen und des Programms der revolutionären Linken wiederherzustellen. Wir kontrastieren dies mit den Ideen, die von den Führungen der Bewegung für die Befreiung Palästinas vorgebracht werden, die sich mit überwältigender Mehrheit geweigert haben, eine sozialistische Zukunft im Besonderen für Palästina und das arabische Proletariat im Allgemeinen vorzuschlagen.

Palästina war kein leeres Land

Wie der israelische Historiker Ilan Pappé erklärt, war Palästina vor der Nakba 1948 alles andere als leer:

Palästina war ein blühender Teil von Bilad al-Sham (dem Land des Nordens), oder der Levante seiner Zeit. Gleichzeitig gab es eine reiche Agrarindustrie, kleine Dörfer und historische Städte mit einer Bevölkerung von einer halben Million Menschen am Vorabend der Ankunft der Zionist:innen.1

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts umfasste die nicht unbeträchtliche Bevölkerung Palästinas einen kleinen Prozentsatz von Jüd:innen. Die überwiegende Mehrheit der Palästinenser:innen waren, wie in vielen anderen Ländern des so genannten „Globalen Südens“, Bäuer:innen, die in Dörfern mit bis zu 1.000 Einwohner:innen lebten. Die entstehenden Städte zogen gebildete Eliten an, die sich eher an der Küste und im Hochland niederließen. Gleichzeitig führte das imperialistische Eindringen zu Beginn des 20. Jahrhunderts langsam zur Entstehung eines wachsenden palästinensischen Proletariats in den Städten.

Pappé zitiert historische Archive des Osmanischen Reiches, um eine Momentaufnahme der Zusammensetzung der palästinensischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert zu zeichnen:

Der genaue Anteil der Jüd:innen vor dem Aufkommen des Zionismus ist unbekannt. Vermutlich lag er jedoch zwischen 2 und 5 Prozent. Nach osmanischen Aufzeichnungen lebten 1878 auf dem Gebiet des heutigen Israel/Palästina insgesamt 462.465 Menschen. Davon waren 403.795 (87 Prozent) Muslim:innen, 43.659 (10 Prozent) Christ:innen und 15.011 (3 Prozent) Jüd:innen.

Bevor nach dem Ersten Weltkrieg das britische Mandat für Palästina verhängt wurde, hatte das Osmanische Reich eine explizit rassistische Auffassung seiner eigenen Herrschaft und des Reiches selbst entwickelt; Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts hatte es die Vorstellung gefördert, dass Türkischsein mit „Osmanismus“ gleichzusetzen sei. Dies führte dazu, dass die wohlhabenden und gebildeten Eliten in Palästina ihre eigene nationale Identität und politische Zugehörigkeit in Frage stellten.

Wie der Historiker Ussama Makdisi in „Ottoman Orientalism“ zeigt, entwickelte die Intelligenz im Dienste des Osmanischen Reiches ein System der Rassenhierarchie, um die türkischen Mitglieder des Reiches von anderen ethnischen Gruppen, einschließlich der Araber:innen im Allgemeinen und der Palästinenser:innen im Besonderen, zu unterscheiden.

In diesem Zusammenhang breiteten sich in Palästina und im übrigen Nahen Osten nationalistische Gefühle aus, die auch durch ein mächtiges Konzept angeheizt wurden, das die Geopolitik unter dem Eindruck der bürgerlichen Revolutionen und der Neuordnung der ehemaligen Kolonien neu gestaltete: die Nation.

Während des Ersten Weltkriegs unterstützten die Brit:innen die Kämpfe der Völker im Nahen Osten gegen die Unterdrückung durch das Osmanische Reich, um dessen Einfluss in der Region zu schwächen und dem britischen Imperialismus bessere Positionen zu sichern. Ein Teil dieser Politik bestand darin, den arabischen Völkern zu versprechen, dass sie nach der Befreiung von der osmanischen Herrschaft Selbstbestimmung erlangen würden. Dieses Versprechen schürte nationalistische Bestrebungen in der gesamten Region. In der Zwischenzeit verhandelte Großbritannien mit Frankreich und anderen Weltmächten eine geheime Vereinbarung, wie das Osmanische Reich nach dem Krieg aufzuteilen sei, um die Menschen in der Region unter die Kontrolle neuer imperialistischer Unterdrücker zu bringen.

Diese aufkeimenden Ideen der nationalen Selbstbestimmung konnten sich nicht entwickeln oder verwirklichen, weil die Brit:innen nach dem Fall des Osmanischen Reiches die Kontrolle über Palästina übernahmen, zu einer Zeit, als England – die wichtigste imperiale Macht nach Frankreich – die Politik in der Region dominierte. Sowohl England als auch Frankreich hatten nicht nur strategische Interessen in Palästina, sondern pflegten auch bereits enge Beziehungen zu den zionistischen Kräften in ihren eigenen Ländern.

Die ersten imperialistischen Interventionen in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts trugen maßgeblich zur Herausbildung einer komplexen sozialen Struktur in Palästina bei. Der Historiker Enzo Dal Fitto, der sich auf die Arbeiten des palästinensischen Trotzkisten Jabra Nicola stützt, beschreibt diese Dynamik wie folgt:

Zwischen 1917 und 1939 wurden die Bedingungen der wirtschaftlichen Entwicklung durch die Entwicklung der zionistischen Sektorwirtschaft im palästinensischen Mandatsgebiet tiefgreifend beeinflusst, wodurch der arabische Feudalismus zerstört und die Entwicklung einer kapitalistischen Bourgeoisie verhindert wurde, auf Kosten der Stagnation der historischen Entwicklung und einer Erschöpfung der historischen Vitalität der antiimperialistischen Kräfte.

Im Jahr 1917, bevor England die Kontrolle über das palästinensische Gebiet übernahm, schrieb der britische Außenminister Arthur Balfour einen offiziellen Brief an Lord Walter Rothschild, ein Anführer des englischen Zionismus, in dem er die Unterstützung der britischen Regierung für die Besetzung Palästinas durch die jüdische Diaspora erklärte.

Ab 1918 verhandelte die britische Regierung mit den internationalen Mächten und dem Völkerbund die Grenzen der Region neu und schuf einen klarer definierten geografischen Raum, der ihren Zielen entsprach. Dabei sah sich der britische Imperialismus gezwungen, die Frage zu stellen, wer Palästina beherrschen sollte: die einheimischen Palästinenser:innen oder die neuen jüdischen Siedler:innen? Auf diese Weise, so Pappé, waren es die Brit:innen, die durch die Neugestaltung der Grenzen Palästinas den Zionist:innen halfen, Eretz Israel – „das Land Israel“ – geografisch zu konzipieren, in dem nur Jüd:innen Anspruch auf das Land und seine Ressourcen haben sollten.

Diese Darstellung zeigt deutlich, dass Palästina im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert kein leeres Land war, wie die offizielle israelische Geschichtsschreibung oft behauptet. Palästina war vielmehr ein umstrittenes Land, in dem die alten Kolonialmächte mit ihren erneuten imperialistischen Bestrebungen die Hauptakteure eines historischen Konflikts waren. Diese versuchten, die Welt nach ihrem Bild umzugestalten, während sie gegen das Damoklesschwert der neu entstehenden Weltmächte ankämpften. Der Erste Weltkrieg war eine blutige Generalprobe für den Zweiten Weltkrieg, die nächste Etappe in diesem Prozess der „Neuordnung“.

Die von den Zionist:innen vorgeschlagene Kolonisierung Palästinas wurde vom britischen Imperialismus absichtlich instrumentalisiert und materiell unterstützt. Und obwohl Großbritannien selbst ein Reich im Niedergang war, war die strategische Bedeutung der Region für die Entwicklung des westlichen Imperialismus im Nahen Osten zentral.

Die britische Kontrolle über Palästina wurde 1923 vom Völkerbund im Rahmen der Aufteilung des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg formalisiert. Dies stieß auf den starken Widerstand der Palästinenser:innen, der sich in den Jahren der britischen Besatzung, insbesondere zwischen 1929 und 1939, im Kampf gegen die britische Unterdrückung entfaltete und verstärkte. Der Höhepunkt dieser Rebellion war der Generalstreik von 1936, der von der arabischen Arbeiter:innenklasse angeführt wurde und bessere Arbeitsbedingungen und nationale Unabhängigkeit forderte.

In dieser als „Große Revolte“ bezeichneten Periode intensiver Klassenkämpfe von 1936 bis 1939 spielten auch die bäuerlichen Massen auf dem Lande eine Rolle. Sie organisierten sich gegen das zunehmende Vordringen jüdischer Siedler:innen und der Brit:innen. Wie der Historiker Zachary Lockman in Genossen und Feinde berichtet:

Am 15. April 1936 überfielen Mitglieder der von Shaykh ‚Izz al-Din al-Qassam gegründeten Guerilla-Bande in der Nähe von Nablus Autos und Busse und töteten zwei jüdische Insass:innen. Zwei Tage später schlug eine rechtsgerichtete jüdische paramilitärische Gruppe zurück und tötete zwei Araber:innen. Bald darauf brachen im ganzen Land arabische Proteste aus, die allmählich den Charakter eines breit angelegten antikolonialen und antizionistischen Volksaufstandes annahmen. Um die Gewalt einzudämmen und den Aufstand von unten zu kanalisieren, riefen arabische nationalistische Aktivist:innen rasch zu einem landesweiten Generalstreik auf. Der Streik breitete sich rasch aus, ebenso wie neue ‚Nationale Komitees‘, die sich in allen größeren Städten bildeten, um den Kampf zu führen. Die überrumpelten Politiker:innen versuchten, auf die Welle der Energie der Bevölkerung aufzuspringen, indem sie den Streikaufruf unterstützten und ein neues Arabisches Oberes Komitee (AHC) bildeten, in dem alle großen Parteien vertreten waren und dessen Präsident Amin al-Husayni war. Der Generalstreik dauerte sechs Monate lang, bis Oktober 1936, und war damit einer der längsten Generalstreiks der Geschichte. Er bildete die erste Phase einer landesweiten arabisch-nationalistischen Revolte sowohl gegen die britische Herrschaft als auch gegen den Zionismus, die erst im Sommer 1939 enden sollte.

Die Beteiligung des palästinensischen Proletariats an der Großen Revolte ist vielleicht eines der kämpferischsten Kapitel in der Geschichte der Arbeiter:innenbewegung in der Region. Wie Lockman schreibt:

Die meisten Teile der arabischen Stadtbevölkerung Palästinas beteiligten sich an dem Generalstreik, wobei die städtischen Arbeiter:innen eine Schlüsselrolle spielten. Die Fahrergewerkschaft von Hasan Sidqi al-Dajani legte den arabischen Autoverkehr lahm, und die Hafenarbeiter:innen von Jaffa legten den Hafen von Jaffa still. Um den Streik aufrechtzuerhalten, sammelten die nationalen Komitees Spenden von wohlhabenden Palästinenser:innen und von Sympathisant:innen in den Nachbarländern und verteilten die Streikgelder an die Streikenden, darunter auch an die Hafenarbeiter:innen von Jaffa.

Der Aufstand wurde durch Repressionen und das bewusste Handeln der jüdischen Gewerkschaftsführung unter der Leitung der Histadrut (Israels größter Gewerkschaftsverband, der 1920 unter dem britischen Mandat gegründet wurde) niedergeschlagen, die im Interesse des Zionismus arbeitete und die Besatzung verteidigte.

In der Zwischenzeit übernahmen wohlhabende und einflussreiche palästinensische Familien (die früher Großgrundbesitzer:innen waren) die Kontrolle über den Aufstand, setzten sich an die Spitze der Bewegung und spielten eine versöhnliche Rolle gegenüber den Besatzer:innen; obwohl sie ihr Land an die Brit:innen und die zionistischen Siedler:innen verloren hatten, erhielten sie beträchtliche Zahlungen und enorme Vorteile aus den zionistischen Sektoren und bildeten nun die wohlhabenden Klassen des Kolonialsystems. Diese Familien hatten die Region in den Jahrzehnten der osmanischen Herrschaft verwaltet und arbeiteten weiter für die Besatzer:innen, als die Brit:innen nach dem Ersten Weltkrieg die Kontrolle übernahmen. Völlig losgelöst vom Leid der palästinensischen Massen waren diese Familien politisch vor allem mit der Arabisch-Palästinensischen Partei unter der Führung von Abd al-Zadir al-Husayni verbündet. Wie Enzo Dal Fitto über die palästinensische Führung des Großen Aufstands schreibt:

Da ihr Reichtum von der zionistischen Besatzung abhing, war ihre Opposition nur oberflächlich, und sie verzögerten das Entstehen eines arabischen antizionistischen Bewusstseins und prangerten die Balfour-Erklärung nur zögerlich an. Überwältigt vom Al-Qassam-Widerstand und vom Nachhall des großen syrischen Generalstreiks, der den künftigen arabischen Widerstand inspirierte und stärkte, beteiligten sie sich an der ‚Großen Revolte‘ von 1936: Es entstand eine massive Streikbewegung, die von Aktionen des zivilen Ungehorsams (wie Steuerboykotts) und der Bildung aufständischer Volksmilizen begleitet wurde. Die Bewegung wurde jedoch von den britischen Kolonialmächten, die von zionistischen Milizen unterstützt wurden, niedergeschlagen. In der Zwischenzeit nahm die jüdische Einwanderung aufgrund der zunehmenden Virulenz des europäischen Faschismus, der Machtübernahme Hitlers und der zahlreichen Pogrome in Osteuropa sowie des Aufkommens eines organischen europäischen Antisemitismus zu. Die Schließung der arabischen Wirtschaft ermöglichte es der Wirtschaft des zionistischen Sektors, ihren Einfluss zu stärken und auszuweiten, wobei sie durch den immer massiveren Zustrom von jüdischem Kapital aus Europa unterstützt wurde.

Als Reaktion auf den Aufstand setzten die Brit:innen die Peel-Kommission mit einer konkreten Aufgabe ein: Sie sollten die Aufteilung der Region in einen arabischen und einen jüdischen Staat empfehlen, um um jeden Preis zu verhindern, dass der Klassenkampf die arabischen und jüdischen Proletarier:innen gegen den britischen Imperialismus und den Zionismus vereinte.

Angesichts des drohenden Zweiten Weltkriegs wurde die britische Politik von dem Wunsch beeinflusst, durch neue jüdische Siedler:innen und die mögliche Gründung eines jüdischen Staates eine größere Kontrolle über die Region zu erlangen. Gleichzeitig wollten sie einen weiteren arabischen Aufstand verhindern, da sie die Unterstützung der regionalen Regierungen benötigten.

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war das Schicksal Palästinas bereits besiegelt – ein Krieg, der angesichts der Niederlage der internationalen sozialistischen Revolution letztlich die Form und den Charakter der neuen Unterdrückung bestimmen sollte.

Die palästinensische kommunistische Bewegung

Die Russische Revolution von 1917 führte zu einem exponentiellen Wachstum der internationalen kommunistischen Bewegung, die Hunderttausende von Arbeiter:innen und radikalisierten Jugendlichen für die Ideen der internationalen Revolution begeisterte und Hunderte von neuen kommunistischen Parteien entstehen ließ. Im Jahr 1919 wurde unter der Führung der bolschewistischen Partei die Dritte Internationale (bekannt als Kommunistische Internationale, kurz Komintern) gegründet.

Im Jahr 1920 nahm die Dritte Internationale, zu deren Anführer:innen Wladimir Lenin und Leo Trotzki gehörten, die antikolonialen und nationalen Befreiungskämpfe in der ganzen Welt mit größtem Ernst und Eifer auf. In den ursprünglich von Lenin entworfenen „Leitsätzen über die Nationalitäten- und Kolonialfrage“ erklärte die Komintern die Notwendigkeit, dass die kommunistischen Parteien in der ganzen Welt „die revolutionäre Bewegung [in den Kolonien] überhaupt materiell und moralisch unterstützen“ sollten. Laut der Komintern sollte diese aktive Unterstützung der nationalen Befreiungsbewegungen mit einem Kampf „gegen den reaktionären und mittelalterlichen Einfluss der Geistlichkeit, der christlichen Missionen und ähnlicher Elemente“ verbunden werden, ebenso wie gegen den Panislamismus und „ähnliche Strömungen, die den Versuch machen, den Freiheitskampf gegen den europäischen und amerikanischen Imperialismus mit der Stärkung der Macht [der lokalen reaktionären Kräfte]“ zu verbinden.

1920 organisierten die Bolschewiki im Rahmen des Zweiten Kongresses der Kommunistischen Internationale den Kongress der Völker des Ostens in Aserbaidschan, an dem 2850 Delegierte aus dem Iran, Ägypten, Palästina, der Türkei, Indien und anderen Ländern Asiens und des Nahen Ostens teilnahmen. Der Historiker Pierre Broué fasst zusammen, dass eine der Entschließungen dieses Treffens darin bestand, „die Völker des Ostens aufzurufen, für ihre Befreiung an der Seite der Roten Armee zu kämpfen, die in einen antikolonialen Kampf gegen den französischen, britischen und amerikanischen Imperialismus eintreten wird“.2

Der Kongress erklärte, dass der britische Imperialismus im Interesse der zionistischen Kapitalist:innen handelte und Araber:innen und Jüd:innen voneinander trennte:

Um die Unzufriedenheit der Araber:innen zu besänftigen, hetzte er sie gegen die jüdischen Siedler:innen auf und säte Zwietracht, Feindschaft und Hass zwischen allen Gemeinschaften, um beide zu schwächen, damit er selbst herrschen und befehlen kann.

Wie der Historiker Ran Greenstein erläutert, bestand die allgemeine Position des Kongresses darin, die britische Herrschaft über Palästina bedingungslos abzulehnen, den Zionismus zu verurteilen und diejenigen arabischen und jüdischen Kräfte anzuprangern, die mit dem Imperialismus kollaborierten. Der Kongress der Völker des Ostens diente als Sprungbrett für die Gründung neuer kommunistischer Parteien in der Türkei, im Iran, in Ägypten, Indien und Palästina.

Die Palästinensische Kommunistische Partei wurde 1924 von überwiegend jüdischen antizionistischen Aktivist:innen und Intellektuellen gegründet, deren strategische Ausrichtung – basierend auf den ersten drei Kongressen der Kommunistischen Internationale – darin bestand, gegen den britischen Imperialismus und den Zionismus zu arbeiten und für die Einheit der arabischen und jüdischen Arbeiter:innen zu kämpfen. Diese Politik geriet in einem Kontext, in dem sich die Spannungen der zionistischen Besatzung auf die Stimmung der arabischen Massen auszuwirken begannen und die palästinensischen nationalistischen Führungen eine zunehmend feindselige Haltung gegenüber jüdischen Arbeiter:innen und Intellektuellen einnahmen, zunehmend gegen den Strom.

Obwohl die Partei theoretisch über das politische Arsenal der Dritten Internationale zur kolonialen Frage und zur palästinensischen Frage verfügte, stellte die Realität der palästinensischen Befreiung unter dem britischen Imperialismus und der wachsenden zionistischen Kolonisation den revolutionären Marxismus vor neue und bedeutende Herausforderungen. Zum einen war die Ausrichtung der neuen Partei noch unausgereift, zum anderen spürte die Partei indirekt die Auswirkungen des internen politischen Kampfes der 1920er Jahre zwischen der Linken Opposition und der zunehmend stärker werdenden Sowjetbürokratie unter Stalin.

Von Anfang an hatte die Partei großen Einfluss auf einen Teil der radikalisierten jüdischen Jugend, war aber unter den palästinensisch-arabischen Massen kaum präsent. Gegen Ende der 1920er Jahre begann die Partei einen langwierigen Prozess der „Arabisierung“, eine Politik, die von der Kommunistischen Internationale vorangetrieben wurde, die sich im Prozess der Stalinisierung befand.

Zu dieser Zeit, so Greenstein, neigten die jüdischen antizionistischen Aktivist:innen der Partei dazu, sich den pro-zionistischen Vorurteilen der jüdischen Peripherie der Organisation anzupassen; während sie den Zionismus rhetorisch ablehnten, verteidigten sie zunehmend die als „Jischuw“ bezeichneten jüdischen Siedlungen als legitime Gemeinschaften, die „aufgrund der Einwanderung weiter wachsen konnten“, während sie sich gleichzeitig gegen das britische Mandat aussprachen. Dies geschah vor dem Hintergrund einer der wichtigsten jüdischen Migrationswellen nach Palästina vor der Nakba, die aus Tausenden von Jüd:innen bestand, die unter der Schirmherrschaft Englands und der zionistischen Bourgeoisie, die ihre eigene koloniale Agenda verfolgte, vor dem wachsenden Antisemitismus in Europa flohen. Viele von ihnen flohen aufgrund der brutalen Quoten für jüdische Flüchtende, die vor der Verfolgung in Europa flohen, und aufgrund der Politik der großen Weltmächte nach Israel; die Vereinigten Staaten zum Beispiel hinderten Hunderttausende jüdischer Flüchtender an der Einreise und drängten sie, in Palästina Zuflucht zu suchen.

Gleichzeitig wuchs in der gesamten Region und insbesondere in Palästina die Unruhe unter den arabischen bäuerlichen Massen. In verschiedenen ländlichen Gemeinden kam es zu spontanen Aufständen gegen die jüdische Kolonisierung.

Die so genannte „Arabisierung“ der Partei hätte eine revolutionäre Perspektive haben können, die dazu geführt hätte, dass Revolutionär:innen in der arabischen Avantgarde, insbesondere in dem auf dem Lande revoltierenden Sektor, an Einfluss gewonnen hätten; stattdessen diente sie letztlich als Verlängerung der vom Stalinismus während der chinesischen Revolution von 1927 entwickelten Politik der „antiimperialistischen Einheitsfront“. Diese Politik hatte in der ganzen Welt – auch in Palästina – katastrophale Folgen, da sie politische Bündnisse mit den bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Führungen schuf, die vorgaben, den imperialistischen Kräften in ihren Ländern entgegenzutreten.

Der theoretische Hintergrund dieser Politik liegt in Josef Stalins Konzept der nationalen Befreiungskämpfe, das den Grundsätzen, auf denen die Dritte Internationale gegründet wurde, direkt widerspricht, und in der Kommunistischen Internationale im Zuge der Bürokratisierung der Sowjetunion hegemonial wurde.

Für Stalin hatte der Kampf für die nationale Befreiung in den Kolonien einen bürgerlichen Charakter, der nur im Rahmen des kapitalistischen Staates und der bürgerlichen Demokratie, wie wir sie heute kennen, verwirklicht werden konnte; er war völlig getrennt von der Frage der sozialistischen Revolution, so wie jede:r Sozialdemokrat:in heute an die nationale Befreiung denken würde.

Nach dieser Logik kann der Kampf für die nationale Befreiung nur in der Schaffung eines neuen kapitalistischen Nationalstaates gipfeln. Folglich ist es ein Teil der nationalen Bourgeoisie, der diese Kämpfe anführt; im Falle des Fehlens einer solchen Kraft kann eine kleinbürgerliche Führung mit einem Programm, das die kapitalistischen Verhältnisse nicht stört, diesen Prozess anführen. Vor diesem Hintergrund bestand Stalins Motivation für die „Arabisierung“ der Partei nicht darin, einen größeren organischen Einfluss unter den arabischen Massen zu gewinnen, um die Region zur sozialistischen Revolution zu führen, sondern opportunistische Vereinbarungen mit arabischen nationalistischen Führungen und den „antiimperialistischen“ arabischen Staaten zu treffen, um ihre Position in der Weltordnung zu stärken.

Insgesamt gab die junge Palästinensische Kommunistische Partei in der Zeit von 1924 bis 1930 einerseits dem nationalistischen Druck der arabischen Führungen nach, die sich gegen die britische und zunehmend auch gegen die zionistische Vorherrschaft wandten, und andererseits den aufkommenden nationalistischen Gefühlen der Jugend und der radikalisierten jüdischen Intelligenz, die noch nicht vollständig mit dem Zionismus gebrochen hatte.

1929 brachen die durch die koloniale Vorherrschaft und die wachsende zionistische Migration entstandenen Spannungen in Zusammenstößen im ganzen Land aus, die den Auftakt zu den großen Arbeiter:innenaktionen und der oben erwähnten „Großen Revolte“ bildeten.

Ran Greenfield beschreibt, wie sich diese Differenzen unter dem Druck des Klassenkampfes und der wachsenden Unruhen unter der arabischen Bevölkerung weiter verfestigten:

Die Partei war gezwungen, ihre Ausrichtung auf die arabische Bevölkerung zu ändern. Der wachsende nationale Konflikt im Land, insbesondere der arabische Aufstand von 1936-39, führte zu Spannungen unter den Mitgliedern, die 1937 zur Bildung einer autonomen ‚jüdischen Sektion‘ führten. Mit dem Ende des Aufstands, dem Ausbruch des Weltkriegs und dem Einmarsch Deutschlands in die Sowjetunion im Jahr 1941 ging die [Sowjetunion] in die entgegengesetzte Richtung und erkannte die Rechte der Jüd:innen im Lande an. Dies entfremdete arabische Intellektuelle und Aktivist:innen, die sich der Partei in den 1930er Jahren angenähert hatten, als sie sich auf die Seite des arabischen Nationalkampfes stellte. Die nationalistischen Spannungen spiegelten sich innerhalb der Partei wider, und zwar unter Bedingungen, ‚in denen die Partei mit jeder Gemeinschaft in ihrer eigenen politischen Sprache sprach und an sie in Bezug auf ihre nationalen Gefühle appellierte.‘

Letztendlich sollte diese scheinbare „Wende“ in der stalinistischen Politik dazu führen, dass die Kolonisierung Palästinas durch zionistische Siedler:innen voll unterstützt wurde. Im Jahr 1947 stimmte die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit der begeisterten Unterstützung der Sowjetunion und des britischen und US-amerikanischen Imperialismus für die Gründung des Staates Israel.

Wie kam die stalinistische Bürokratie von der Empfehlung der „Arabisierung“ der Palästinensischen Kommunistischen Partei und der unkritischen Unterstützung arabischer nationalistischer Führungen zu einem Pakt mit den imperialistischen Großmächten für die groß angelegte Kolonisierung Palästinas? Wie der Historiker Gabriel Gorodetsky es ausdrückt:

Die sowjetische Haltung ist besonders bemerkenswert, wenn man die konsequente ablehnende Haltung des Regimes gegenüber dem Zionismus und die offen pro-arabische Linie des Kremls während der arabischen Unruhen von 1929 und 1936 bedenkt, in denen der Jischuw als Verbündeter und Werkzeug des britischen Imperialismus angeprangert wurde. Der Wandel der sowjetischen Haltung von offener Ablehnung des Zionismus zu überschwänglicher Unterstützung wird oft mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 21. Juni 1941 in Verbindung gebracht. Es wird argumentiert, dass die Verbindungen, die Moskau sowohl mit dem Weltjudentum als auch mit dem Jischuw in Palästina aufbaute, in erster Linie die Notwendigkeit widerspiegelten, die Unterstützung der jüdischen Weltgemeinschaft für die russischen Kriegsanstrengungen zu gewinnen. Der Krieg, so wird vermutet, bot den Russ:innen neue Möglichkeiten, ‚einen Weg zu weiten Kreisen in der westlichen Welt zu finden, um ein Maximum an Unterstützung für ihren Kampf gegen Nazideutschland zu gewinnen.‘

Angesichts der Dynamik des Zweiten Weltkriegs – in dem Hitler den mit Stalin geschlossenen Pakt brach – vollzog die bürokratisierte Kommunistische Internationale in der Frage der nationalen Befreiung eine 180-Grad-Wendung, wobei sie behauptete, diese sei im Namen der „Verteidigung der Sowjetunion“ gerechtfertigt. In der Praxis lief dies darauf hinaus, mit dem Imperialismus einen Pakt für die Sicherheit seiner Einflusszone zu schließen, um im Gegenzug die Ausdehnung der internationalen sozialistischen Revolution einzuschränken. Stalin gab dieser Politik mit seinem Konzept des „Sozialismus in einem Land“ einen theoretischen Deckmantel, der die direkte Verneinung des proletarischen Internationalismus darstellte, weil er den Verrat an den Kämpfen der unterdrückten Völker im Austausch für die Förderung der Interessen der Sowjetbürokratie implizierte – und in der Tat dazu führte. Kurz gesagt, die stalinistische Sowjetunion wandte in ihrer Palästina-Politik eine Logik an, die die sozialistische Revolution als Weg zur nationalen Befreiung grundsätzlich und historisch ablehnte und sie durch das Streben nach einer „antiimperialistischen Einheitsfront“ ersetzte, die nichts anderes als eine Politik der Klassenversöhnung ist. Dies zeigte sich deutlich in der Ausrichtung des Stalinismus auf Abkommen mit der Bourgeoisie der arabischen Staaten.

Palästinensische Unterdrückung als Produkt des Weltimperialismus

Der Imperialismus ist eine Epoche des Kapitalismus, die die gegenwärtige Weltordnung organisiert und regiert, in der die (wirtschaftliche, politische, militärische und ideologische) Macht in den Händen von Konzernen liegt, die von ihren imperialistischen Nationalstaaten vertreten und verteidigt werden. Das Ergebnis ist die Ausbeutung von Menschen, Land und Natur innerhalb der nationalen Grenzen, die sich auf den Rest der Welt ausdehnt – alles im Dienste des Profits und der Reproduktion des Kapitals. Wie Esteban Mercatante in seinem Artikel Imperialismus in Zeiten der Weltunordnung schreibt:

Der Wettbewerb und der – potenzielle oder tatsächliche – Konflikt zwischen imperialistischen Ländern und die Ausplünderung des Planeten durch transnationale Konzerne und das globale Finanzkapital sind zwei Dimensionen, die keineswegs gegensätzlich oder getrennt sind, sondern im Rahmen eines Verständnisses des zeitgenössischen Imperialismus gemeinsam betrachtet werden müssen. Wir sind der Meinung, dass beide Dimensionen zusammen gedacht werden müssen, um eine Theorie des Imperialismus zu entwickeln, die erklärt, wie die Weltwirtschaft heute als hierarchische Gesamtheit geformt wird, als Ergebnis des artikulierten Handelns des globalen Kapitals und der mächtigsten Staaten.

Imperialismus ist nicht eine Reihe von Politiken, sondern eine Epoche. Dies ist eine wichtige Unterscheidung, denn sie bedeutet, dass der Imperialismus historisch bedingt ist und sich als Folge von Entwicklungsprozessen oder in ihrem Werden herausbildet. Wir übernehmen diese Definition von Lenin, dem Anführer der russischen Bolschewistischen Partei und der Russischen Revolution. Diese historische Periode begann Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie stellt eine reaktionäre Epoche des Kapitalismus in dem Sinne dar, dass der Kapitalismus in diesem Stadium nichts anderes zu bieten hat als Krisen, Kriege und Revolutionen.

Der Erste Weltkrieg war der erste große Ausdruck der Spannungen, die durch die grundlegenden Merkmale des Imperialismus hervorgerufen wurden, nämlich die Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital zum Finanzkapital, die zwanghafte Notwendigkeit des ständigen Kapitalexports und die Aufteilung von Ländern mit ungleicher politischer und wirtschaftlicher Stärke in imperialistische Länder auf der einen Seite (wie die Vereinigten Staaten, England, Deutschland oder Frankreich) und Kolonien und Halbkolonien, die von imperialistischen Konzernen ausgeplündert und von imperialistischen Regierungen auf vielfältige Weise unterdrückt werden (wie Puerto Rico, Mexiko, Algerien oder Syrien) auf der anderen Seite.

In vielerlei Hinsicht war der Zweite Weltkrieg eine Fortsetzung des Ersten Weltkriegs. Während England seinen hegemonialen Einfluss in der Welt verlor, versuchten andere imperialistische Länder als neuer Hegemon aufzutreten, um seinen Platz einzunehmen – darunter die Vereinigten Staaten und Nazi-Deutschland.

Die offizielle Geschichtsschreibung hat immer versucht, den Zweiten Weltkrieg als eine Konfrontation zwischen Demokratie und Faschismus, Menschenrechten und Nationalsozialismus darzustellen. Aber in Wirklichkeit war er ein weltweites Gemetzel, das von den Großmächten der Welt verübt wurde, um die Entstehung einer neuen Weltordnung zu erleichtern, die Märkte neu zu organisieren und die internationale Arbeiter:innenklasse mit der Macht der Massenvernichtung zu disziplinieren. Trotzki definierte den Imperialismus in seiner Hommage an Lenin in Lenin und der imperialistische Krieg wie folgt:

Der Imperialismus tarnt seine ihm eigenen Ziele – Besitzergreifung von Kolonien, Märkten, Rohstoffquellen, Einflusssphären mit solchen Ideen wie der ‚Sicherung des Friedens gegen die Aggressoren‘, der ‚Verteidigung des Vaterlandes‘, der ‚Verteidigung der Demokratie‘ usw. Diese Ideen sind durch und durch falsch. Es ist die Pflicht eines jeden Sozialisten, sie nicht nur nicht zu unterstützen, sondern im Gegenteil sie vor dem Volke zu demaskieren. ‚Die Frage, welche Gruppe den ersten militärischen Schlag geführt oder als erste den Krieg?; erklärt hat‘, schrieb Lenin im März 1915, ‚ist bei der Festlegung der Taktik der Sozialisten ohne jede Bedeutung. Die Phrasen von der Verteidigung des Vaterlandes, von der Abwehr eines feindlichen Überfalls, vom Defensivkrieg usw. sind auf beiden Seiten reiner Volksbetrug‘. ‚Für Jahrzehnte‘, erklärte Lenin, ‚haben sich drei Banditen (die Bourgeoisien und Regierungen Englands, Russlands und Frankreichs) bewaffnet, um Deutschland zu plündern. Ist es überraschend, dass die zwei Banditen (Deutschland und Österreich-Ungarn) eine Attacke begannen, bevor es den dreien gelang, die neuen Messer zu gebrauchen, die sie bestellt hatten?‘.

Bekanntlich forderte Präsident Truman am Ende des Zweiten Weltkriegs im August 1945 – im selben Monat, in dem die Vereinigten Staaten Hiroshima und Nagasaki zerstörten und mit einem Federstrich 226.000 Menschen mit der Atombombe ermordeten – die Aufnahme von 100.000 Überlebenden des Holocaust in Palästina. Dies war ein klares Signal, dass der US-Imperialismus nach dem Zweiten Weltkrieg die Aufgabe des untergehenden britischen Imperiums übernehmen und das Projekt der Schaffung eines jüdischen Staates wieder aufgreifen würde.

1947 wiesen die Vereinten Nationen 56 Prozent des palästinensischen Bodens für den geplanten zionistischen Staat zu, obwohl die Jüd:innen nur etwa 7 Prozent des privaten Bodens in Palästina besaßen. Die Nakba – die gewaltsame Vertreibung von 750.000 Palästinenser:innen aus ihren Häusern und von ihrem Land durch zionistische Milizen und die neu gegründete israelische Armee – wurde mit der Vorstellung gerechtfertigt, dass der US-Imperialismus mit dem Teilungsplan das Ziel verfolgte, das jüdische Volk für den Holocaust zu entschädigen – eine Tragödie, die von den Vereinigten Staaten wissentlich zugelassen wurde, bis sie nach Pearl Harbor in den Krieg eintraten. Mit anderen Worten: Die Vereinigten Staaten rechtfertigten ihre Untätigkeit und Gleichgültigkeit angesichts der Ausrottung von Millionen von Jüd:innen, indem sie die gewaltsame Vertreibung von etwa drei Vierteln der palästinensischen Bevölkerung finanzierten und anordneten, um den Staat Israel zu schaffen.

Der zionistische Staat ist in seinen Ursprüngen eine künstliche imperialistische Schöpfung. Als solcher erhält und reproduziert er eine bestimmte historische Form, nämlich eine Form des Siedlerkolonialismus, der sich der Methoden des Völkermords und der ethnischen Säuberung bedient, das abartige Produkt eines Jahrhunderts der Herrschaft der Pax Americana.

Der zionistische Staat ist ein imperialistisches Ungeheuer, das nur in der Weltordnung möglich ist, die seine koloniale Expansion ermöglicht hat.

Leo Trotzki hatte zwei verschiedene Prognosen für den Zweiten Weltkrieg: Entweder hatte die proletarische Revolution eine Chance, das imperialistische Gemetzel in eine internationale sozialistische Revolution zu verwandeln, oder „das bürgerliche Regime [geht] straffrei aus dem Krieg [hervor].“ Wenn die proletarische Revolution voranschreitet, würde dies die Zersetzung ihrer Führungen, wie durch den Stalinismus verhindern. Wie Emilio Albamonte und Matías Maiello in An den Grenzen der bürgerlichen Restauration erklären:

Im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges hat sich keine dieser zwei Varianten in reiner Form ergeben: Weder ist der Imperialismus straffrei davon gekommen, da die Bourgeoisie nach der Nachkriegszeit auf einem Drittel des Planeten enteignet wurde, noch hat die Machteroberung durch das Proletariat dazu geführt, dass die Degenerationsbedingungen verschwanden. Die Niederlage des Nazismus durch die Rote Armee ließ den Stalinismus wieder an Prestige gewinnen, auf welches er sich dann stützte, um die Revolution in der Nachkriegszeit (Abkommen von Jalta und Potsdam) zu bremsen. Der Stalinismus hatte Erfolg in den zentralen Ländern, wo er es schaffte, die Revolution in Frankreich, Italien und Griechenland zu verraten; aber er hat es nicht geschafft, sie in den Kolonien und Halbkolonien zurückzuhalten.

Obwohl die Vereinigten Staaten unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zur wichtigsten Führungsmacht der neuen Weltordnung wurden, war diese Dominanz mit erheblichen Widersprüchen behaftet. Auch die Sowjetunion ging nach dem Zweiten Weltkrieg gestärkt aus dem Krieg hervor, allerdings nicht durch das Verdienst der stalinistischen Bürokratie, sondern durch die Macht der Roten Armee, der proletarischen Armee, die die Nazis im blutigen russischen Winter hinwegfegte.

Im Rahmen dieser neuen Weltordnung mit all ihren Besonderheiten haben die Vereinigten Staaten mit der Komplizenschaft der Vereinten Nationen und der Billigung des Stalinismus den Staat Israel als Exklave ihrer politischen und militärischen Interessen künstlich geschaffen. Die Nakba ist nicht nur das historische Ereignis, das den kolonialen Charakter des Zionismus zum Ausdruck bringt, sondern auch der tiefgreifende Ausdruck der Expansion und Konsolidierung der US-Interessen im Nahen Osten.

Angesichts dieser Geschichte blenden Teile der Palästina-Solidaritätsbewegung, die die Zwei-Staaten-Politik verteidigen, diesen Aspekt der Entstehung des zionistischen Staates aus, der seine Existenz im Widerspruch zur Emanzipation von Palästinenser:innen und Jüd:innen stehen lässt. Es gibt keinen Staat Israel ohne Landenteignung, Vertreibung ganzer Bevölkerungsgruppen und ethnische Säuberungen, die von einer brutalen Armee und paramilitärischen Siedlergruppen durchgeführt werden. Es gibt keinen Staat Israel ohne Imperialismus.

Jabra Nicola und die permanente Revolution in Palästina

Palästinensische Kommunist:innen, die sich von Anfang an am Kampf für die Befreiung Palästinas beteiligten, brachten diese Beziehung zwischen Imperialismus und Zionismus in ihren theoretischen Ausarbeitungen zum Ausdruck und wiesen auf die Notwendigkeit hin, dass die Arbeiter:innenklasse der Region den Kampf für die Emanzipation anführt. Jabra Nicola wurde 1912 in Haifa geboren. Anfang der 1930er Jahre trat er mit Anfang 20 der Palästinensischen Kommunistischen Partei bei. Schon sehr früh kritisierte er die Politik des Stalinismus und näherte sich den kleinen dissidenten trotzkistischen Kreisen an, die innerhalb der Partei unter dem Banner der Linken Opposition weiterarbeiteten und die sich später auf Betreiben des jüdischen Trotzkisten Tony Cliff 1940 der Revolutionären Kommunistischen Liga und der Vierten Internationale anschlossen.

Nachdem er sich der Bewegung für die Vierte Internationale angeschlossen hatte, machte sich Nicola an die theoretische Aufgabe, den Palästina-Konflikt mit Hilfe des „Gesetzes der ungleichen und kombinierten Entwicklung“ und der Theorie der Permanenten Revolution zu verstehen, um eine strategische Antwort auf die Herausforderungen der arabischen Revolution zu formulieren.

In der Einleitung zu seinem wichtigsten, wenn auch unvollendeten Werk Die arabische Nation und die asiatische Produktionsweise beschreibt Nicola die soziale Struktur des Nahen Ostens als das Ergebnis des Zusammenstoßes zwischen den sich entwickelnden intrinsischen historischen Tendenzen und den enormen exogenen Kräften der brutalen imperialistischen Durchdringung und – in Palästina – der zionistischen Kolonisierung:

Die arabische Gesellschaft im gesamten Nahen Osten befindet sich derzeit in einer politischen und sozialen Krise. Manchmal wird sie auf die Niederlage von 1967 zurückgeführt. Es ist jedoch offensichtlich, dass sie schon lange vor diesem Krieg, der in Wirklichkeit nur ein Symptom dafür war, bestand und sich entwickelt hat. Die Niederlage hat sie nur noch vertieft, verschärft und ans Licht gebracht.

Es handelt sich nicht nur um eine wirtschaftliche Krise, eine Krise der unterentwickelten Länder, die darum kämpfen, den Weg zur wirtschaftlichen Entwicklung zu finden, und auch nicht nur um eine politische Krise der mehr oder weniger vom Imperialismus beherrschten Länder, die mit der ständigen Bedrohung durch ihren kolonialistischen und expansionistischen Nachbarn konfrontiert sind, welcher dank des Imperialismus entstanden ist, der ihn immer noch aufrechterhält und finanziell und militärisch unterstützt, damit er eine Peitsche gegen die Länder sein kann, die versuchen würden, sich gegen ihn zu erheben; es handelt sich vor allem um eine soziale Krise, die ihre Wurzeln im Entwicklungsprozess dieser Länder findet. Es handelt sich weder um eine einfache wirtschaftliche Krise der Unterentwicklung, noch um eine politische Krise, sondern um eine globale soziale Krise, ein historisches Produkt, das sich nicht nur aus den wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Besonderheiten ergibt, die von der traditionellen arabischen Gesellschaft geerbt wurden, sondern auch und zu einem großen Teil aus den alten und immer noch bestehenden Beziehungen zu den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern. Diese Krise ist Ausdruck des Widerspruchs zwischen den wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen und den ihnen aufgezwungenen ausländischen Überbauten.

Aus dem Verständnis des bestehenden Verhältnisses zwischen der akuten imperialistischen Herrschaft über die arabische Welt – die im Falle Palästinas mit der kolonialen Herrschaft Israels verbunden ist – und der Schwäche und Abhängigkeit der regionalen Bourgeoisien kommt Nicola zu dem Schluss, dass die palästinensische und arabische Befreiung vom Joch des Imperialismus und des Zionismus nicht im Rahmen einer bürgerlich-demokratischen Revolution oder einer „nationalen Revolution“ verwirklicht werden kann, da die lokalen herrschenden Klassen vollständig von den imperialistischen Kräften abhängig oder gegenüber diesen extrem schwach sind. Für Nicola ist das Subjekt der nationalen Befreiung Palästinas die arabische Arbeiter:innenklasse, im Bündnis mit den Bäuer:innen. In seinen Thesen zur Revolution im Nahen Osten stellt er fest:

Die Revolution im arabischen Osten kann keine ‚demokratische‘ nationale oder bürgerliche Revolution sein, sondern eine proletarisch-sozialistische. Sie ist nur als permanente Revolution möglich. Ohne die Eroberung der Macht durch die Arbeiter:innenklasse, die von der armen Bäuer:innenschaft unterstützt wird, und die Einführung sozialistischer Maßnahmen können weder nationale demokratische Aufgaben noch eine schnelle Industrialisierung erreicht werden, um die dringenden wirtschaftlichen Bedürfnisse der Massen zu erfüllen.

In Nicolas Werk ist ein klarer Versuch zu erkennen, die palästinensische Befreiung mit der sozialistischen Revolution in der arabischen Welt zu verbinden, was ein tiefes Verständnis für die potenziell mächtige Einheit des arabischen Proletariats jenseits der vom Imperialismus auferlegten nationalen Grenzen zeigt. Wir können auch einen sehr ernsthaften Versuch erkennen, die Besonderheiten der palästinensischen Situation zu verstehen.

So wie die imperialistische Durchdringung des Nahen Ostens vielfältige soziale Strukturen hervorgebracht hat, die aus einer ungleichen und kombinierten Entwicklung resultieren, wurde die palästinensische Gesellschaft – ihre sozioökonomische Struktur – durch den Siedlerkolonialismus des Staates Israel geprägt. Wie Enzo Dal Fitto mit einem Zitat von Nicola argumentiert:

Die entstehende zionistische Gesellschaft traf auf die verschiedenen Klassen der palästinensisch-arabischen Gesellschaft. Sie brachte Kapital, technologische Lösungen und modernes Wissen aus Europa mit. Das jüdische Kapital (oft unterstützt durch zionistische Gelder) verdrängte allmählich die feudalen Elemente, indem es einfach ihr Land kaufte, und die zionistischen Vorschriften verboten den Weiterverkauf von Land an Araber:innen. Aufgrund ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Vorteile verhinderte die zionistische kapitalistische Wirtschaft das Entstehen einer arabischen Kapitalist:innenklasse. Nachdem der Zionismus mit den arabischen Bäuer:innen in Konflikt geraten war, indem er sie von ihrem Land vertrieb, verhinderte er auch die Entstehung eines [starken palästinensischen] Proletariats im jüdischen Wirtschaftssektor. Da die kapitalistische Entwicklung des arabischen Sektors verzögert und behindert wurde, war es für die Bäuer:innen (ebenso wie für die arabische Intelligenz) äußerst schwierig, Arbeit zu finden, außer in der britischen Mandatsverwaltung und im öffentlichen Dienst. Die soziale und wirtschaftliche Struktur des arabischen Palästinas (die sich unter ähnlichen Bedingungen wie in Syrien zu entwickeln begonnen hatte) wurde durch die zionistische Kolonisierung völlig verzerrt. Diese Verzerrung besteht auch heute noch.

In seiner Interpretation des Denkens von Nicola stellt Dal Fitto weiter fest:

Die Notwendigkeit, Land zu erwerben, das manchmal über seinem Wert liegt, und den Jüd:innen, die aus den aufeinanderfolgenden Einwanderungswellen kamen, Arbeit zu geben, rechtfertigte eine rassistische Politik, die auf der ausschließlichen Beschäftigung von Jüd:innen in der Industrie und dem Verbot des Verkaufs von Land an Araber:innen beruhte. Diese Politik schwächte die feudalen Strukturen der Agrarwirtschaft und verhinderte gleichzeitig die Proletarisierung der Araber:innen, da mehrere jüdische Großunternehmen die Einstellung arabischer Arbeiter:innen untersagten. Unter diesen Bedingungen begann der Feudalismus zu verschwinden, ohne dass sich eine kapitalistische Wirtschaftsstruktur entwickeln konnte. Eine solche Wirtschaftsstruktur verhinderte das Entstehen einer mächtigen arabischen politischen Führung.

Diese Blockade der Entwicklung einer klar differenzierten Klassengesellschaft als Folge der „Verzerrung“ durch die zionistische Kolonisation hatte für Nicola tiefgreifende Folgen für die Konfiguration des palästinensischen politischen Überbaus:

Die sozioökonomische Verzerrung spiegelt sich in der politischen Sphäre wider. Da der Bourgeoisie, dem Proletariat und der Bäuer:innenschaft ein normaler Entwicklungsweg verwehrt wurde, gelang es ihnen nicht, politische Parteien und Führungspersönlichkeiten von ausreichendem Kaliber hervorzubringen. Die politische Führung des arabischen Palästinas blieb in den Händen der Großgrundbesitzenden, die sich zwar durch den Verkauf ihres Landes an die Zionist:innen als Klasse selbst liquidierten, aber durch diese Transaktionen enorme finanzielle Gewinne erzielten.

Für Nicola, der sich auf die Logik der permanenten Revolution beruft, machte diese Schwäche der palästinensischen Sozialstruktur unter dem Joch des Siedlerkolonialismus es für die palästinensische Arbeiter:innenklasse und Bäuer:innenschaft zwingend erforderlich, den Kampf für ihre nationale Befreiung auf die ganze Region auszuweiten und die arabische Arbeiter:innenklasse hinter der antiimperialistischen und sozialistischen Revolution zu vereinen. Es ist die „grenzenlose“ Solidarität der arabischen Arbeiter:innenklasse, die die palästinensische Sache materiell, militärisch und politisch unterstützen kann, wenn die Arbeiter:innen und Unterdrückten die Fesseln ihrer eigenen Kapitalist:innenklasse und in vielen Fällen diktatorischen Regierungen abwerfen.

Nicolas Ausführungen stellen eine strategische und zutiefst internationalistische Vision der antiimperialistischen Allianz des arabischen Proletariats dar, geschmiedet in der Hitze des Kampfes für eine radikaldemokratische Forderung – in diesem Fall die Frage der palästinensischen Befreiung. Entscheidend ist, dass er diese Einheit mit dem Kampf für den Sozialismus verknüpft und diesen fest im Blick behält. Seine Konzeption der palästinensischen Befreiung ist in der Überwindung des nationalen Rahmens verankert, um kreativ über die Frage der nationalen Befreiung jenseits der Grenzen des bürgerlichen Nationalstaats nachzudenken, der immer mit dem Imperialismus und folglich mit Ausbeutung und Unterdrückung verbunden ist. Solchen nationalistischen Vorstellungen setzte er einen proletarischen Internationalismus entgegen.

Dieser proletarische Internationalismus wurde durch Nicolas Verständnis der Bedeutung des Bündnisses des arabischen und israelischen Proletariats noch verstärkt. Dies unterschied seine Perspektive (die Perspektive der Permanenten Revolution) von der Palästinensischen Kommunistischen Partei, die seit ihren Anfängen dem enormen nationalistischen Druck nachgab, der – damals wie heute – auf die israelische und palästinensische Linke wirkt. Wie wir bereits gesehen haben, ging dieser Druck sowohl vom Zionismus als konterrevolutionärer Kraft in der Region aus, als auch – in einem anderen Ausmaß – von Sektoren des Widerstands gegen den Zionismus mit arabisch-nationalistischen oder fundamentalistischen Führungen, die kein emanzipatorisches Projekt für die Arbeiter:innenklasse oder die palästinensischen und arabischen Massen vorschlagen.

Für Nicola war es von grundlegender Bedeutung, die sozioökonomische Struktur des zionistischen Staates zu verstehen, der sich von anderen Siedlerkolonialstaaten durch seine hochentwickelte interne Klassenhierarchie mit einem klar definierten Proletariat, einer Mittelklasse und einer Bourgeoisie unterscheidet. Hinzu kommt das Apartheidsystem, das Israel gegen die arabische Bevölkerung innerhalb seiner Grenzen aufrechterhält, einen Sektor, der billige Arbeitskräfte ohne Rechte zur Verfügung stellt; dieses Apartheidregime wird von einem mit den Waffen der imperialistischen Länder bewaffneten Militär und einer bewaffneten Zivilbevölkerung durchgesetzt, die organisiert ist, um die palästinensische Bevölkerung zu terrorisieren und die Beschlagnahmung palästinensischen Landes durchzuführen.

Nicola verstand die faschistischen Züge einer militarisierten israelischen Gesellschaft und die ideologische Hegemonie des Zionismus. Wie Dal Fitto jedoch erklärt, ist das israelische Proletariat eine potenziell revolutionäre Kraft:

Es hat viel zu gewinnen, wenn es die Vormundschaft des Imperialismus durch die Zusammenarbeit mit und die Integration in die umgebende arabische Welt ersetzt. Folglich muss die Klassenanalyse die Interessensolidarität zwischen den verschiedenen Teilen des Proletariats im Nahen Osten aufzeigen und nicht nur die interne Differenzierung der Klassenstruktur des arabischen Palästinas. Für Nicola muss sie die internen Spannungen innerhalb des Staates Israel aufzeigen, die ihn von innen heraus zerstören könnten.

Nicola machte den Kampf gegen Imperialismus und Zionismus jedoch nicht von einem möglichen Bündnis des israelischen und des palästinensischen Proletariats abhängig, da er sich bewusst war, dass das israelische Proletariat die soziale Basis des Kolonialstaates darstellte und dass jede revolutionäre Politik, die sich innerhalb dieses Staates entwickelte, den Kampf für die palästinensische Selbstbestimmung und den vollständigen Bruch der israelischen Arbeiter:innenklasse mit dem Zionismus einschließen musste. Darüber hinaus konnte für Nicola die Befreiung Palästinas nicht dem Entstehen eines möglichen Bündnisses zwischen dem jüdischen und dem palästinensischen Proletariat untergeordnet werden; sie konnte erst durch die Einheit des arabischen Proletariats in der gesamten Region zur Zerschlagung des Staates Israel mit einer sozialistischen Perspektive erreicht werden, die die Grundlage für dieses Bündnis und für die Befreiung der gesamten Region vom Joch des Imperialismus und der kapitalistischen Herrschaft als Ganzes bilden könnte:

[…] Aber die siegreiche arabische sozialistische Revolution bedeutet die Niederlage des Zionismus und die Zerstörung der gesamten Struktur des zionistischen Staates, die Beseitigung der imperialistischen Vorherrschaft und des Einflusses im Nahen Osten sowie die Wiederherstellung der palästinensischen Rechte.

1963 schloss sich Nicola einer Organisation an: Matzpen, die 1962 aus einem antizionistischen Bruch mit der Kommunistischen Partei Israels hervorgegangen war. Nicola war maßgeblich an der Gestaltung der politischen Ideologie der Organisation beteiligt und verlieh ihrem programmatischen Ansatz zur Befreiung der Palästinenser:innen einen permanenten Charakter. Unter Nicolas Einfluss gelangte die junge Organisation zu einer tiefgreifenden Einschätzung der Verantwortung der Sowjetunion für den Prozess der zionistischen Kolonisierung und der Gründung des Staates Israel.

In den Gründungsjahren war Matzpen in der Lage, die spezifische Physiognomie der permanenten Revolution in Palästina theoretisch auszuarbeiten und betonte in ihrem Programm die Notwendigkeit, die Strukturen des Kolonialstaates vom Zionismus in der Perspektive ihrer Zerschlagung zu trennen, das Bündnis des arabischen und jüdischen Proletariats auf der Grundlage des Kampfes gegen die zionistische Indoktrination, und vor allem das notwendige regionale Bündnis zwischen verschiedenen Sektoren des arabischen Proletariats, welches das revolutionäre Subjekt der Befreiung Palästinas und der Region vom Joch des Imperialismus und für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft ist. Diese Charakterisierung soll indes nicht als umfassende Bilanz der politischen Perspektiven von Nicola oder Matzpen als Organisation dienen.3

Mehr als ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seit die UNO die Gründung des Staates Israel beschlossen hat; seitdem haben sich in der arabischen Welt zu verschiedenen Zeiten heroische Beispiele des Klassenkampfes entwickelt, die immer die palästinensische Sache im Hintergrund hatten. Nicolas Ideen und die Theorie der permanenten Revolution haben sich mit dem Aufstieg des arabischen Nationalismus, der den Kampf für die palästinensische Befreiung verraten hat, und mit dem Aufkommen neuer fundamentalistischer Führungen bewährt, wenn auch in negativer Hinsicht.

Vom arabischen Nationalismus zum politischen Islam

Die Gründung des Staates Israel destabilisierte die Geopolitik des Nahen Ostens auf dramatische Weise und verschärfte zusammen mit der imperialistischen Durchdringung die sozialen Spannungen, die sich ab den 1950er Jahren in Klassenkämpfen und politischen Krisen entluden. In dieser Zeit entstanden unter den neuen postkolonialen Regierungen verschiedene Varianten des arabischen Nationalismus, die von politischen Führern wie König Faisal I. von Irak, dem ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser und Muammar Gaddafi verkörpert wurden. Dazu gehörten Organisationen wie die Arabische Nationalistische Bewegung, die Palästinensische Befreiungsorganisation und die Arabische Sozialistische Baath-Partei. Diese Führungen hatten bis zum Sechstagekrieg 1967 eine hegemoniale Stellung inne. Wie Claudia Cinatti in Politischer Islam, Anti-Imperialismus und Marxismus schreibt:

Der historische Kontext des Aufstiegs des Islamismus beginnt mit dem Sieg Israels im Sechstagekrieg von 1967, der den Beginn des unumkehrbaren Niedergangs der postkolonialen bürgerlich-nationalistischen Regime markierte, welche in den 1950er Jahren durch vom Volk unterstützte Putsche gegen die Regionalmächte des Nahen Ostens an die Macht gekommen waren. Am 6. Juni 1967 startete der Staat Israel einen Präventivschlag gegen Ägypten, Syrien und Jordanien. In nur sechs Tagen besiegten die zionistischen Truppen die drei Länder und besetzten die Sinai-Halbinsel in Ägypten, die Golanhöhen in Syrien sowie Jerusalem und das Westjordanland. Die Auswirkungen dieser Ereignisse waren so stark, dass Nasser noch in der Nacht des Angriffs zurücktrat. Obwohl ihn eine Mobilisierung von Millionen an der Macht hielt, war der nasseristische Nationalismus bereits erschöpft. Nasser starb 1970, und sein Nachfolger Anwar as-Sadat leitete ein Programm zur Öffnung der Wirtschaft und zu weitreichenden Privatisierungen ein, das katastrophale Folgen für die Bevölkerung hatte, insbesondere für die Bevölkerungsschichten, die während des nasseristischen Aufschwungs massenhaft aus den ländlichen Gebieten in die Großstädte geströmt waren und die Masse der städtischen Armen am Rande der Städte bildeten.

Die Niederlage der arabischen Staaten im Sechs-Tage-Krieg führte zu einem Machtgleichgewicht, das den ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat schließlich dazu veranlasste, 1978 das Abkommen von Camp David zu unterzeichnen, mit dem Ägypten als erstes arabisches Land den zionistischen Staat Israel anerkannte. Von 1967 bis 1973 waren die meisten arabischen Länder Schauplatz heftiger Proteste gegen die alten nationalistischen Regierungen, die vorübergehend linke nationalistische Organisationen stärkten, einschließlich beider Varianten des Stalinismus und anderer säkularer Gruppen. Doch dieses Phänomen war nur von kurzer Dauer; angesichts der Krise des traditionellen Nationalismus waren es die zunehmend politisierten islamischen Organisationen, die unter der arabischen Jugend an Boden gewannen. Wie Cinatti erklärt:

[…] neue und alte islamistische Organisationen […] wurden unter den arbeitslosen Jugendlichen gestärkt, die in Ländern wie Ägypten und Algerien eine Masse der städtischen Armen ausmachten, sowie unter Universitätsstudierenden und Teilen der Intelligenz, die in den Jahren gebildet wurden, in denen die höhere Bildung zugänglicher war, die aber später keine Arbeit finden konnten. Im Vergleich zu den traditionellen Organisationen haben diese Gruppen ihren religiösen Diskurs und ihre Aktionsmethoden radikalisiert. […] Der Popularitätsanstieg der Hamas, der es ihr ermöglichte, die Parlamentswahlen im Januar 2006 auf Kosten von Al Fatah zu gewinnen, ist das deutlichste Zeichen für das Debakel des bürgerlichen Nationalismus und seiner versöhnlichen Politik gegenüber dem Imperialismus und dem Staat Israel.

Jabra Nicola zog aus der Rolle der arabischen Nationalismen Lehren, die mit seiner Vision von der Dynamik der permanenten Revolution als Ganzes übereinstimmen. In seinen Thesen zur Revolution im arabischen Osten schrieb er:

Im Jahr 1948 wurde durch die Vertreibung der Palästinenser:innen aus ihrer Heimat der zionistische Siedlerstaat Israel gegründet. Die Palästinenser:innen wurden in die benachbarten arabischen Staaten verstreut, wo ihre sozialen Bedingungen durch die Einweisung in Geflüchtetenlager verkörpert wurden. Obwohl die Regime der arabischen Staaten ihren Widerstand gegen den israelischen Staat proklamierten, wurde in der Praxis von diesen Regimen nichts unternommen, um das Recht der Palästinenser:innen auf ihre Heimat wiederherzustellen. […] Als Nasser an die Macht kam, hielt sein Versuch, die Staatsapparate an die Stelle der Massen gegen Israel zu setzen, die Palästinenser:innen wie auch die Ägypter:innen und andere arabische Massen in der Unbeweglichkeit. […] Die Niederlage der arabischen Armeen im Juni 1967 war ein schwerer Schlag und erschütterte die arabischen Massen. Die nasseristische Führung, auf die die arabischen Massen, einschließlich der Palästinenser:innen, ihre Hoffnungen in ihrem Kampf gegen den Imperialismus und das zionistische Israel gesetzt hatten, wurde durch das Debakel bloßgestellt und erwies sich als unfähig, den Kampf gegen den Imperialismus oder für die Wiedererlangung der Rechte der Palästinenser:innen auf ihr Heimatland zu führen. Infolgedessen wurden diese Regime erschüttert und sahen sich der Gefahr ausgesetzt, von den Massen gestürzt zu werden, die begannen, ihren Bankrott zu erkennen.

Die Wiederbelebung und Politisierung der islamischen Organisationen im gesamten Nahen Osten in den 1960er und 1970er Jahren kam in Palästina – und im Libanon – mit Verspätung zum Ausdruck und erhielt daher besondere Merkmale. Dal Fitto beschreibt die Entstehung der Hamas als eine kleinbürgerliche Führung, die in der Lage war, die Bestrebungen zur Befreiung Palästinas nach dem wiederholten Verrat der arabischen Bourgeoisien zu kanalisieren:

[Das] religiöse Kleinbürgertum (Hamas, Islamischer Dschihad) lässt sich von der Strategie des ‚revolutionären Islams‘ leiten, die unter dem Einfluss der Muslimbruderschaft aus Ägypten importiert wurde. Sie wurde stark von der iranischen schiitischen politischen Theologie beeinflusst, die 1979 triumphierte, nachdem das pro-imperialistische Regimes von Reza Pahlavi gestürzt und eine schiitische Theokratie unter der Ägide von Khomeini errichtet wurde, welcher die blutige Unterdrückung der an der Revolution beteiligten kommunistischen und Arbeiter:innengruppen beaufsichtigte.

Sowohl die Hamas in Palästina als auch die Hisbollah im Libanon sind Organisationen, die Sektoren der nationalen Befreiungsbewegungen anführen und über eine breite soziale und politische Wähler:innenbasis verfügen. Wie Cinatti hervorhebt:

Seit den späten 1960er Jahren hatte die von der bürgerlich-nationalistischen Fraktion der Fatah kontrollierte Palästinensische Befreiungsorganisation den palästinensischen Nationalkampf angeführt. Die radikalen Flügel der Bewegung – die weit davon entfernt waren, durch den Islamismus kanalisiert zu werden – fanden ihren Ausdruck in marxistisch geprägten Gruppen wie der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und der Demokratischen Front zur Befreiung Palästinas (DFLP). Dieses von säkularen Anführer:innen dominierte Panorama begann sich im Laufe der ersten Intifada 1987 zu ändern, als sich Scheich Ahmed Jassin zusammen mit anderen Mitgliedern der Muslimbruderschaft in den palästinensischen Gebieten niederließ und die Islamische Widerstandsbewegung – Hamas – gründete.

Die Hamas trat 1987 im Rahmen der Intifada, die sich in den palästinensischen Gebieten ausbreitete und von armen Jugendlichen aus Geflüchtetenlagern und Stadtvierteln angeführt wurde, erstmals öffentlich in Erscheinung. Cinatti schreibt, dass „das Markenzeichen der Hamas darin bestand, dem Hass der palästinensischen Jugend eine religiöse Logik zu geben“, „die Armen als Verkörperung des wahren Volkes, der reinen und aufrichtigen Umma im Gegensatz zu den ‚korrupten‘ säkularen Eliten zu mobilisieren und sie so auf das Bündnis mit der frommen Bourgeoisie auszurichten.“ In den folgenden Jahren breitete sich die soziale Basis der Hamas im gesamten Gazastreifen aus, bis 2001 Ariel Sharon die Präsidentschaft des Staates Israel gewann, eine neue Offensive gegen Palästina einleitete und die militärische Belagerung verschärfte.

Die israelische Armee rückte unter der Führung von Scharon in palästinensisches Gebiet vor und hielt Jassir Arafat bis zu seinem Tod unter Hausarrest. Arafats Nachfolger an der Spitze der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, vertiefte die Zusammenarbeit der PLO mit den zionistischen Besatzer:innen und den Vereinigten Staaten, während die Situation für die palästinensischen Massen immer unhaltbarer wurde. Vor diesem Hintergrund gewann die Hamas 2006 die Wahlen im Gazastreifen. Wie Claudia Cinatti in einem Artikel aus dem Jahr 2009 erklärt:

Die Hamas hat aus dem Niedergang des arabischen bürgerlichen Nationalismus Kapital geschlagen, indem sie einen antiamerikanischen und antiisraelischen Diskurs propagierte, ohne ihr Ziel der Errichtung eines islamischen Staates auf der Grundlage der Scharia auch nur zu erwähnen. Doch unabhängig von ihren konjunkturellen Wahlprogrammen und der Aufrechterhaltung des Widerstands gegen die israelische Besatzung hat die Strategie der Gründung eines konfessionellen Staates in den historischen palästinensischen Gebieten einen reaktionären Charakter und ist nicht in der Lage, eine progressive Lösung für die gerechten nationalen Bestrebungen des palästinensischen Volkes anzubieten. Die religiöse Moral als absoluter Wert und Gesetz des Staates greift nicht nur elementare demokratische Freiheiten an und bleibt gleichzeitig ein Instrument sozialer Unterdrückung, sondern versucht auch die Tatsache zu verschleiern, dass es in muslimischen Gesellschaften wie in der westlichen Gesellschaft Ausbeuter:innen und Ausgebeutete gibt und dass die Religion im Dienste der Aufrechterhaltung der Herrschaft der Ersteren steht.

Das Ziel der Hamas, den Staat Israel durch einen religiösen Staat zu ersetzen, kann nicht die Emanzipation der arabischen, muslimischen oder jüdischen Massen herbeiführen. Ein religiöser Staat nach iranischem Vorbild ist nicht nur ein autoritärer Staat, sondern auch ein kapitalistischer Staat, der durch tiefe Klassenwidersprüche gespalten ist. Eine unabhängige Politik für die palästinensische Sache erfordert in erster Linie eine konsequent antiimperialistische und antizionistische Politik und gleichzeitig eine von den arabischen Bourgeoisien unabhängige Politik. Denn diese Bourgeoisien nutzen die palästinensische Sache als Manövriermasse für ihre eigenen Interessen, während sie das Proletariat und die Bäuer:innen ihrer Länder ausbeuten und in vielen Fällen die Jugend, die Frauen, die queeren Menschen und die Linke unterdrücken.

Was die verschiedenen Parteien und Figuren des arabischen Nationalismus mit den islamistischen Organisationen gemeinsam haben, die Teil der vom Volk unterstützten Widerstandsbewegungen gegen den Zionismus sind (wie Hamas und Hisbollah), ist der Vorschlag, die zionistische Unterdrückung zu beenden, ohne die kapitalistischen Klassenverhältnisse oder die strukturellen Interessen des Imperialismus in der Region anzutasten.

Der Arabische Frühling

Am 17. Dezember 2010 zündete sich der Straßenhändler Mohammed Bouazizi aus Protest selbst an, nachdem die Polizei seine Waren beschlagnahmt, ihn beleidigt und seinen Wagen umgeworfen hatte. Zehntausende Tunesier:innen revoltierten zu Ehren von Bouazizi und gegen den Hunger und das Elend, die durch den jahrzehntelangen Neoliberalismus verursacht und durch die Große Rezession von 2008 noch verschlimmert wurden. Währenddessen kämpfte Bouazizi im Krankenhaus um sein Leben. Die Massen richteten ihre Wut gegen den autoritären Präsidenten Abidine Ben Ali, der das Land seit 1987 regiert hatte. Bouazizi starb am 4. Januar 2011, und Ben Ali wurde nur zehn Tage später, am 14. Januar, von den Massen gestürzt.

Die Rebellion in Tunesien breitete sich wie ein Lauffeuer in der gesamten Region aus. In Ägypten gingen Millionen von Menschen gegen Hosni Mubarak auf die Straße, in Libyen protestierten sie gegen Muammar Gaddafi, in Syrien rebellierten sie gegen Baschar Al Assad, und so ging es auch in Algerien und sogar im Jemen weiter. Trotz ihrer jeweiligen Besonderheiten hatten diese Regierungen gemeinsam, dass sie auf dem Höhepunkt des postkolonialen arabischen Nationalismus nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem bürgerlich-nationalistischen Programm an die Macht gekommen waren. Nach den politischen und wirtschaftlichen Krisen der 1970er Jahre gingen dieselben Regierungen zum Neoliberalismus über und setzten mit zunehmend repressiven und autoritären Methoden die Befehle der USA durch.

Natürlich sind die Länder, in denen es während des Arabischen Frühlings zu massiven Aufständen kam, sozial, politisch, religiös und ethnisch heterogen, und ihre wirtschaftlichen Strukturen sind ungleich und vielfältig. Viele historische Trends sind ihnen jedoch gemeinsam; der Arabische Frühling hat diese „Einheit der Probleme“ in der gesamten Region deutlich gemacht. Die Krise von 2008 zum Beispiel, die sich in steigenden Lebensmittelpreisen äußerte, löste in ganz Nordafrika eine Nahrungsmittelkrise aus. In Tunesien und Ägypten führten die städtischen Armen vor dem Arabischen Frühling Brotaufstände an; vor dem Ausbruch der Mobilisierungen gegen Mubarak hatte die Arbeiter:innenklasse einen Prozess der Neuzusammensetzung und des Kampfes gegen Niedriglöhne in wichtigen Arbeiter:innenzentren wie Mahalla el Kubra in Ägypten durchlaufen.

Die Klassenkampfprozesse des „Arabischen Frühlings“ waren unterschiedlich tiefgreifend und die Massen waren unterschiedlich stark involviert – kurzum, sie hatten in jedem Land eine andere Dynamik. Es handelte sich um Prozesse der Revolte gegen brutale Diktaturen, die letztlich vom Imperialismus ausgenutzt wurden. Die imperialistischen Mächte nutzten diese Revolten als Gelegenheit, sich ihrer Partner zu entledigen, die den imperialistischen Zielen nicht mehr dienlich waren, und intervenierten sogar militärisch wie in Libyen und Syrien gegen Gaddafi beziehungsweise Assad.

In Libyen beispielsweise führte der Aufstand gegen die Diktatur Gaddafis zu einer tödlichen Unterdrückung des Volkes; da es dem Aufstand an einer unabhängigen Führung fehlte, die sich auf die Selbstorganisation der Massen stützte, wurde dies von den imperialistischen Mächten schnell genutzt, um direkt mittels der NATO zu intervenieren, was einen blutigen Bürger:innenkrieg auslöste und in der Folge eine stärkere Unterordnung unter den Imperialismus nach der Hinrichtung Gaddafis bedeutete. Wie wir von der Trotzkistischen Fraktion im Manifest für eine Bewegung für eine Revolutionäre Sozialistische Internationale 2013 dargelegt haben:

In den Fällen des offenen Bürger:innenkriegs wie in Libyen ist es unhaltbar, den militärischen Kampf gegen die Diktaturen vom Kampf gegen den Imperialismus zu trennen und dabei im Hintergrund zu lassen, welche Klasse in dem Prozess hegemonial ist und was ihr sozialer Inhalt ist. Die Unterordnung des Politischen unter das Militärische führt letzten Endes dazu, den Erfolg der NATO-Intervention durch den Sturz Gaddafis mit einem ‚Triumph‘ der Massenbewegung zu verwechseln. Dabei war es genau die Politik der USA und anderer Mächte, sich an die Spitze der anti-diktatorischen Bewegungen zu setzen, um diese auf einen Regierungswechsel zu beschränken und neue Verbündete-KlientInnen zu finden, und dadurch zu verhindern, dass diese Prozesse eine Dynamik der permanenten Revolution erlangen, soll heißen, dass sie sich zum Kampf gegen den bürgerlichen Staat und den Imperialismus erheben. In Syrien wiederholen diese Strömungen dieselbe Politik, sich unkritisch auf die ‚Anti-Assad‘-Seite zu stellen, ohne irgendeine Abgrenzung oder strategische Unabhängigkeit von den proimperialistischen Führungen, die von den USA unterstützt werden.

In Ägypten entwickelte sich ein tiefgreifenderer und fortschrittlicherer Prozess, der von radikalisierten Teilen der Arbeiter:innenklasse angeführt wurde, die Mubarak stürzten und sich der neoliberalen Politik der gemäßigten islamistischen Regierung der Muslimbruderschaft entgegenstellten, die darauf folgte. Die Aktivität der Arbeiter:innenklasse und der Massen in Verbindung mit der Schwäche der Regierung der Muslimbruderschaft bedrohte das Regime als Ganzes, woraufhin die Armee mit Unterstützung der wichtigsten Anführer:innen der bürgerlichen Opposition einen Staatsstreich inszenierte. Das Ergebnis war eine autoritäre Regierung, die sich den Interessen der USA vollständig unterordnete. Wie das Manifest erklärt:

Die gemäßigt-islamistischen Organisationen, die an die Macht kamen – wie die Partei Ennahda in Tunesien oder die abgesetzte Partei für Gerechtigkeit und Freiheit in Ägypten – sind bürgerliche Kräfte, die für eine Mischung aus religiöser Strenge, klientelistischem Populismus und wirtschaftlichem Neoliberalismus stehen. Wir RevolutionärInnen bekämpfen diese politischen Strömungen ausgehend von einer antiimperialistischen und Klassen-Orientierung und ohne, dass wir Fronten mit Sektoren der ‚liberalen‘ laizistischen Bourgeoisie oder ihrem politischen Personal schmieden. Die Dynamik der ägyptischen Revolution zeigt, dass es keine demokratische Revolution geben kann, ohne definitive Antworten auf die Forderungen zu den Lebensbedingungen der Massen zu geben, welche wiederum nicht erfüllt werden können, ohne die imperialistische Unterdrückung zu beenden. Dies ist die erste strukturell-demokratische Frage, die die Revolution lösen muss, und sie kann nur von der Arbeiter:innenklasse bis zum Ende geführt werden.

Der als „Arabischer Frühling“ bekannte Zyklus von Klassenkämpfen zeigte die wirtschaftliche, kulturelle, historische und soziale Einheit, die das arabische Proletariat im gesamten Nahen Osten vereint. Diese Einheit beruht nicht nur auf sprachlichen, religiösen oder kulturellen Bindungen, sondern auf einer gemeinsamen Geschichte von Ausbeutung, imperialistischer Unterdrückung und Klassenkampf.

Er hat jedoch auch das große Hindernis offenbart, welches die arabischen Bourgeoisien und die Organisationen, die mit ihnen im Namen des „antiimperialistischen“ Kampfes zusammenarbeiten, darstellen, während diese arabischen Staaten die arbeitenden Massen ihrer eigenen Länder ausbeuten und unterdrücken und sie als Manövriermasse benutzen, um Zugeständnisse vom ausländischen Imperialismus zu erreichen.

Die Permanente Revolution und Palästina heute: Anmerkungen zu einer Debatte mit der PSL

Die Debatten über den Charakter, die Dynamik und den Gegenstand der palästinensischen Befreiung, die Teil der strategischen Diskussionen zwischen marxistischen Revolutionär:innen und nationalen Befreiungsbewegungen im 20. Jahrhundert waren – und die in der Polemik zwischen Trotzkismus und Stalinismus eine zentrale Rolle spielten –, sind auch heute noch relevant, da sich eine neue politische Generation mit der Geschichte Palästinas und den Emanzipationskämpfen der ausgebeuteten und unterdrückten Menschen in der ganzen Welt auseinandersetzt.

In den Vereinigten Staaten vertreten die faktischen Führer:innen der Solidaritätsbewegung mit Palästina auf nationaler Ebene eine Politik, die zutiefst – wenn auch in unterschiedlichem Maße explizit und implizit – von ihrer internationalen Strategie geprägt ist und darauf beruht, wie sie den Kampf für die Befreiung Palästinas charakterisieren. Die Partei für Sozialismus und Befreiung (PSL) ist eine der führenden Organisationen der pro-palästinensischen Bewegung in den Vereinigten Staaten. Sie hat unmittelbar nach dem 7. Oktober gegen die israelische Offensive in Gaza mobilisiert, und ihre Mitglieder wurden verfolgt und unterdrückt, weil sie sich mit Palästina solidarisierten.

Ihre Politik gegenüber der Pro-Palästina-Bewegung konzentrierte sich auf die Organisation großer Straßenmobilisierungen im ganzen Land unter der Forderung nach einem Waffenstillstand und auf die Ausübung von Druck auf Biden im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, um diplomatische Maßnahmen gegen Israel voranzutreiben. Auf internationaler Ebene stützen sie sich auf Resolutionen innerhalb von Organisationen wie der UNO, um diese Institutionen zu einer wohlwollenderen Haltung gegenüber Palästina zu drängen, im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten – nach der Logik, dass diese Organisationen dazu benutzt werden können, eine Politik durchzusetzen, die koloniale und halbkoloniale Länder sowie Länder, die die imperialistische Hegemonie der USA herausfordern wollen, begünstigt.

Diese Politik entspricht letztlich der Auffassung der PSL vom Kampf für nationale Befreiung im Allgemeinen. In Warum die Palästina-Bewegung ein Kampf für nationale Befreiung ist argumentiert Joe Tache von der PSL:

In vielerlei Hinsicht war Israels Brutalität in Gaza einzigartig entsetzlich. Aber die koloniale Beziehung zwischen Israel und Palästina ist nicht einzigartig. Überall auf der Welt sindd ganze Völker von nationaler Unterdrückung betroffen. In einigen Fällen manifestiert sich die nationale Unterdrückung innerhalb der Grenzen eines einzigen Landes – man denke nur an die langjährige Unterdrückung der Schwarzen Menschen und der Indigenen in den Vereinigten Staaten. In anderen Fällen nationaler Unterdrückung übernimmt eine Kolonialmacht die vollständige Kontrolle über eine Kolonie, wobei die Kolonie immer noch als eine vom kolonisierenden Land getrennte Einheit behandelt wird. Dies ist die Hauptform der nationalen Unterdrückung im Nahen Osten, in Afrika, Asien und Lateinamerika während der Ära des Kolonialismus. Palästina ist eine Mischung aus beiden Dynamiken, denn die 1,6 Millionen Palästinenser:innen, die innerhalb der Grenzen Israels leben – obwohl sie die israelische Staatsbürger:innenschaft besitzen – werden vom zionistischen Regime systematisch unterdrückt, ebenso wie die Palästinenser:innen, die in den besetzten Gebieten im Gazastreifen, im Westjordanland und in Ostjerusalem leben. Erstere sind einer institutionalisierten Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt, da Israel ihnen die gleiche Staatsangehörigkeit und den gleichen Status verweigert, während die Palästinenser:innen im Westjordanland und in Ostjerusalem unter anderem Landraub, Hauszerstörungen, Bewegungseinschränkungen, Massenverhaftungen und schweren Repressionen wegen politischer Abweichung ausgesetzt sind.

Die obigen Absätze sind aufschlussreicher für das, was sie nicht sagen, als für das, was sie sagen. Natürlich ist Israel ein Siedlerkolonialstaat mit einem internen Apartheidregime, wie es Tache beschreibt und es andere Historiker:innen, darunter Ilan Pappé, ausführlich nachgezeichnet haben. Aber die Besonderheit des israelischen Siedlerkolonialismus ist nicht nur „intern“; in diesem Sinne lässt Tache einen grundlegenden Aspekt aus: den doppelten Charakter Israels als Siedlerkolonialstaat und als imperialistische Exklave.

Im Gegensatz zu den Kolonialmächten früherer Jahrhunderte, insbesondere des 19. Jahrhunderts, entstand Israels Kolonialismus als Teil des von den USA geführten Versuchs, die Welt im Dienste der Aufrechterhaltung ihrer Hegemonie nach dem Zweiten Weltkrieg neu zu ordnen. Wie wir oben dargelegt haben, trugen die Vereinigten Staaten dazu bei, einen regionalen militärischen Verbündeten im Wettlauf um die Unterwerfung der arabischen Welt zu schaffen, um die Ressourcen der Region für sich zu beanspruchen und den Klassenkampf um jeden Preis einzudämmen. Der US-Imperialismus hat eine fast symbiotische Beziehung mit dem zionistischen Staat Israel aufgebaut, die nicht nur auf der gemeinsamen Nutzung militärischer, geheimdienstlicher und technologischer Ressourcen beruht, sondern auch die Konturen des überparteilichen US-Regimes und seiner öffentlichen und privaten imperialistischen Institutionen geprägt hat.

Der Beitrag von Tache und andere Artikel der PSL zur nationalen Befreiung Palästinas prangern zu Recht die Rolle Bidens und des US-Imperialismus im Bündnis mit Israel an. Sie fordern ein „freies Palästina“ und die „Streichung aller US-Hilfen für das Apartheidregime und die Freilassung aller palästinensischen politischen Gefangenen“, wie es in ihrer Erklärung vom 7. Oktober heißt. Indem sie jedoch den außergewöhnlichen Charakter der israelischen Unterdrückung Palästinas nicht unter dem Gesichtspunkt seines Charakters als imperialistische Exklave definieren, blenden sie die internationale Dimension des Kampfes für die palästinensische Befreiung aus. Dies hat Auswirkungen auf die Perspektive, die die PSL für die palästinensische Zukunft sieht.

In einem Artikel mit dem Titel Von Südafrika nach Palästina: Die Apartheid wird fallen stellt Tache selbst eine Analogie zwischen Südafrika und Palästina als Anti-Apartheid-Kämpfe her. Obwohl Tache wichtige Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Beispielen feststellt, weisen die beiden Regime entscheidende Unterschiede auf, die sich auf den Verlauf ihrer jeweiligen Kämpfe auswirken. Dieser Vergleich ist jedoch insofern aufschlussreich, als er Aufschluss über die Vorstellung der PSL von nationaler Befreiung und den Charakter des Imperialismus selbst gibt.

Im Falle Palästinas ignoriert Tache die Tatsache, dass im Gegensatz zu Südafrika – das von im Niedergang begriffenen imperialistischen Mächten beherrscht wurde – ein entscheidender Teil des imperialistischen Projekts der Schaffung des künstlichen Staates Israel darin bestand, einen aufstrebenden US-Imperialismus in der Region zu verteidigen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs hatte dies das internationale strategische Ziel, die Kämpfe des arabischen Proletariats gegen die imperialistische Unterdrückung einzudämmen und eine tödliche Armee in der Region aufzustellen, die in dessen Interesse handeln sollte. Wenn man diesen Aspekt übersieht, macht man sich Illusionen über die Möglichkeit, die Beziehungen der USA zu Israel zu schwächen, ohne das System in Frage zu stellen, das Israel überhaupt erst geschaffen hat. Wie Tache schreibt:

Die US-Regierung ist eine zentrale Kraft bei der Aufrechterhaltung der Unterdrückung der Palästinenser:innen aufgrund ihrer bedingungslosen militärischen, politischen und diplomatischen Unterstützung für Israel. Damit kommt der Palästina-Solidaritätsbewegung in den Vereinigten Staaten eine besondere Verantwortung zu. Die Rolle der Bewegung in den Vereinigten Staaten besteht nicht darin, die Ideologie oder Strategie der palästinensischen Befreiungsbewegung zu kritisieren, sondern vielmehr darin, unseren Teil dazu beizutragen, die Palästinenser:innen dabei zu unterstützen, das Joch des Kolonialismus zu stürzen, damit sie selbst entscheiden können, wie sie ihre Gesellschaft organisieren wollen. Aber die Risse zeigen sich. Wie die Massenmobilisierungen der letzten fünf Monate und zuletzt das erstaunliche Opfer desUS-Luftwaffenangehörigen Aaron Bushnellgezeigt haben, nutzen sich die zionistische Propaganda und die unerschütterliche Unterstützung der US-Regierung für Israel ab.

Die Perspektive der PSL für die Bewegung besteht darin, die Unterstützung der Regierung Biden für Netanjahu zu untergraben. Schematisch kann man sagen, dass es sich um eine Strategie handelt, die darauf beruht, große Demonstrationen auf den Straßen in Solidarität mit Palästina zu organisieren und gleichzeitig Druck auf Biden auszuüben, damit er einen Waffenstillstand verkündet, indem Initiativen wie die „uncommitted“-Kampagne seine Wiederwahl bedrohen [A.d.Ü.: Ursprünglich erschien dieser Artikel vor Bidens Rückzug aus dem Präsidentschaftswahlkampf.].

Letztlich fällt die PSL einem strategischen Missverständnis zum Opfer, was zu einer Unterschätzung sowohl des Charakters der amerikanisch-israelischen Beziehungen als auch des imperialistischen Charakters des zionistischen Siedlerkolonialprojekts führt. So glaubt die PSL, dass Druck auf das Zweiparteienregime ausgeübt werden kann, damit es eine großzügigere Politik verfolgt, um dem palästinensischen Volk zu helfen, das Joch des Kolonialismus abzuwerfen.

Doch der zionistische Kolonialismus ist vom US-Imperialismus abhängig und umgekehrt. Das heißt nicht, dass die beiden Staaten keine gegensätzlichen Interessen haben können oder dass Biden Netanjahu nicht konfrontieren kann, sondern dass ihre strukturelle Beziehung so tief ist, dass das US-Regime „weiß“, dass Israel es in diesen Krieg gegen das palästinensische Volk hineinziehen und Israels ohnehin schon angeschlagene regionale Hegemonie in den Ruin treiben kann.

In gewissem Sinne ist die Beziehung der USA zu Israel existenziell. Die Beseitigung dieser reaktionären Allianz zwischen den USA und Israel erfordert eine internationalistische Strategie. Dies kann jedoch keine internationalistische Strategie vom Standpunkt der Bourgeoisie aus bedeuten, bei der „die Feinde meiner Feinde meine Freunde sind“. Stattdessen müssen wir die Perspektive des proletarischen Internationalismus vorantreiben. Die arabische Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten im gesamten Nahen Osten – die Bäuer:innen und die städtischen Armen – haben ein gemeinsames Interesse an der Befreiung Palästinas und daran, den imperialistischen Stiefel von ihrem Nacken zu stoßen.

Die palästinensische Sache liegt den Massen der Region sehr am Herzen, weil sie all die Missstände, all die Gewalt und all die Verzweiflung zusammenfasst, die die imperialistische Offensive – wirtschaftlich und militärisch – über sie gebracht hat, einschließlich der Handlungen ihrer eigenen Regierungen. In ihrem Streben nach kapitalistischer „nationaler Befreiung“ haben die arabischen Staaten – so sehr sie sich auch in Teilaspekten gegen den Imperialismus stellen – die Massen unterdrückt, um die US-Hegemonie nicht zu brechen. Vor allem halten sie die kapitalistischen Gesellschafts- und Produktionsverhältnisse aufrecht und versuchen, sie zu stärken, einschließlich der Anwendung neoliberaler Pläne in den letzten Jahrzehnten.

Die Rolle des Imperialismus als Stadium des Kapitalismus zu leugnen, geht einher mit einer Verengung oder Reduzierung des Kampfes für die palästinensische Befreiung auf den Kampf für eine palästinensische Nation. Für die PSL ist der Klassencharakter dieser „Nation“ unbestimmt, und es ist auch nicht klar, ob eine solche Formation mit dem israelischen Staat koexistieren würde, da sie sich nicht eindeutig für die Zerschlagung des zionistischen Staates ausspricht. Tache zitiert den guayanischen Historiker Walter Rodney und schreibt:

[…] nationale Unterdrückung entfernt ein Volk aus seinem historischen Entwicklungsprozess: ‚Die Entfernung aus der Geschichte folgt logischerweise aus dem Verlust der Macht, die der Kolonialismus darstellte. Die Macht, unabhängig zu handeln, ist die Garantie, aktiv und bewusst an der Geschichte teilzunehmen. Kolonisiert zu werden bedeutet, aus der Geschichte entfernt zu werden, außer im passivsten Sinne‘. Das können wir im Fall Palästinas deutlich sehen. Für die Palästinenser:innen ist es unmöglich, sich voll und ganz mit Fragen der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung auseinanderzusetzen, solange sie unter dem Stiefel der israelischen Unterdrückung stehen. Wie können Palästinenser:innen einen Infrastrukturplan erstellen, wenn ihre Schulen, Häuser und Krankenhäuser ständig von Bombenangriffen oder anderen Zerstörungen bedroht sind? Wie können sie in die soziale und kulturelle Entwicklung investieren, wenn jeder Tag ein Kampf ums Überleben ist? Wie können sie sich in vollem Umfang politisch engagieren, wenn ihre alltägliche Bewegungsfreiheit und ihre Grundrechte durch die israelische Apartheid so stark eingeschränkt sind? Wie können sie überhaupt mit dem Entwicklungsprozess beginnen, wenn Israel direkt oder indirekt fast jeden Aspekt der palästinensischen Wirtschaft kontrolliert?

Obwohl die Mitglieder der PSL davon abraten, die Organisationen des palästinensischen Widerstands in Frage zu stellen, weil „die Palästinenser:innen selbst entscheiden müssen“ – und sich alle Palästinenser:innen mechanisch mit ihrer Führung identifizieren würden –, scheinen sie selbst eine ziemlich klare Vorstellung davon zu haben, wie die palästinensische Befreiung durchgeführt werden sollte. Das heißt, für sie ist es fast ein historisches Gesetz, dass Palästina sich zunächst als Nationalstaat konstituieren und von dort aus seine wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung vorantreiben muss, wie Südafrika in der Zeit nach der Apartheid. Die Grenzen dieses Ansatzes werden im Falle Südafrikas deutlich, das weiterhin unter dem Joch des Imperialismus leidet und die Hyperausbeutung des Schwarzen Proletariats aufrechterhält.

Die PSL erneuert diesen Vorschlag nicht im luftleeren Raum, sondern im Kontext der aktuellen Programme, Plattformen und Strategien der arabischen Führungen, die im Falle der Hamas und der Hisbollah explizit – unter stillschweigender Anerkennung der Grenzen von 1967 und damit der Existenz Israels – für fundamentalistische Staaten nach iranischem Vorbild kämpfen, die nichts anderes sind als religiöse autoritäre Regime mit kapitalistischen Klassenstrukturen.

Das heißt, dass die palästinensische Befreiung sowohl für die PSL als auch für die Führungen der nationalen Befreiungsbewegung ein Prozess ist, der voraussetzt, die Existenz des Staates Israel – welcher ontologisch mit der palästinensischen Befreiung unvereinbar ist – zu akzeptieren, ebenso wie die Tatsache, dass die einzig mögliche Lösung darin bestehe, eine Art – kapitalistischen und fundamentalistischen – palästinensischen Staat als Teil einer Zweistaatenlösung zu errichten, um die palästinensischen Massen aus der Unterentwicklung herauszuführen. Obwohl die PSL die Zweistaatenlösung nicht ausdrücklich befürwortet, besteht ihre Perspektive darin, dass Palästina dem südafrikanischen Beispiel folgen sollte, einen postkolonialen kapitalistischen Staat zu errichten, um den regionalen Kapitalismus zu entwickeln.

Diese politische Ausrichtung weist große Ähnlichkeiten mit der bereits beschriebenen Politik des Stalinismus auf, die die kommunistischen Parteien Ende der 1920er Jahre dazu veranlasste, die Taktik der „antiimperialistischen Einheitsfront“ voranzutreiben, bei der es sich um ein politisches und in einigen Fällen militärisches Abkommen zur Zusammenarbeit mit den bürgerlichen oder kleinbürgerlichen Führungen der nationalen Befreiungsbewegungen handelte. In diesem Sinne basiert der Antiimperialismus der PSL darauf, ohne Klassenabgrenzung jede Führung und/oder jeden Nationalstaat zu unterstützen, der sich kritisch gegen den US-Imperialismus stellt. Sie ignorieren die Tatsache, dass diese Staaten ihr eigenes Proletariat unterdrücken und trennen den Kampf für nationale Befreiung vom Kampf gegen den Imperialismus, wenn wir unter Imperialismus eine bestimmte Epoche des Kapitalismus verstehen, die nur durch den Sozialismus beseitigt werden kann. Als Trotzkistische Fraktion verteidigen wir das Recht des palästinensischen Volkes und seiner Widerstandsbewegung – zu der auch die Hamas gehört –, sich militärisch gegen die koloniale Besatzung zu verteidigen, aber das bedeutet nicht, dass wir diese Organisation, mit der wir in Bezug auf Methoden, Politik und Strategie Differenzen haben, politisch unterstützen.

Die explizite oder implizite unkritische politische Unterstützung der nationalistischen Führungen durch die PSL steht im Einklang mit ihrer Interpretation der palästinensischen Befreiung als ausschließlich nationalem Kampf. Die Logik besagt, dass die Palästinenser:innen eine unabhängige Nation aufbauen können – wobei die Frage der Existenz des zionistischen Staates ungeklärt bleibt –, die ihrem eigenen Rhythmus der allmählichen kapitalistischen Entwicklung folgt, ohne den regionalen Imperialismus zu besiegen, und dass es die (fundamentalistischen oder säkularen) bürgerlichen und kleinbürgerlichen Führungen der arabischen Welt sind, die diesen Prozess anführen müssen. Jeder Versuch, diese Idee zu kritisieren, bedeutet, sich der Logik des Unterdrückers zu beugen:

Nochmals, es ist nicht die Aufgabe der US-Bewegung zu versuchen, den Ausgang dieser Kämpfe zu lenken, sondern nur das Recht der Palästinenser:innen auf Selbstbestimmung zu unterstützen – oder anders gesagt, ihr Recht, ihren Prozess der unabhängigen historischen Entwicklung zurückzufordern und ihre Zukunft kollektiv zu gestalten. […] echter Internationalismus kann nur auf der Grundlage gegenseitigen Respekts zwischen Arbeiter:innen verschiedener Nationen geschmiedet werden. Wenn Arbeiter:innen, die in imperialistischen Ländern leben, versuchen zu diktieren, was Arbeiter:innen unterdrückter Nationen tun oder glauben sollen, untergräbt das diesen Respekt. Dies ist ein entscheidendes Konzept, das vor allem die US-amerikanischen Arbeiter:innen begreifen müssen. Die US-Regierung positioniert sich als ‚Weltpolizist‘, und US-Arbeiter:innen werden mit Propaganda überschwemmt, die uns glauben machen soll, dass es unser Recht und unsere Pflicht sei, in die Angelegenheiten unterdrückter Nationen einzugreifen – eine Denkweise, die nur den Interessen des US-Imperialismus dient und unserer Bewegung schadet.

Die Rolle der Massen der palästinensischen und regionalen Arbeiter:innen und Bäuer:innen, die sowohl eine antiimperialistische Politik gegen den Zionismus als auch eine von den arabischen Staaten oder anderen bürgerlichen Staaten unabhängige Politik brauchen und das Bündnis des Proletariats im gesamten Nahen Osten gegen ihre eigenen Regierungen entwickeln müssen, wird in diesen Überlegungen trotz der Verwendung von Kategorien wie „Antiimperialismus“ und „Arbeiter:innenklasse“ weitgehend ausgeblendet. Sowohl die Hamas als auch die Hisbollah sind politisch nicht unabhängig, sondern sind Organisationen, die politisch, militärisch und wirtschaftlich von kapitalistischen Staaten wie dem Libanon, Katar oder dem Iran abhängig sind.

Diese Art von „Antiimperialismus“ – eine Art Antiimperialismus aus der Sicht von „Staaten“ und nicht von Klassen – ist Teil der internationalen Vision, die die PSL von der gegenwärtigen Weltordnung hat, in der China für sie eine positive Rolle gegenüber dem US-Imperialismus spielt. Für die PSL ist China eine fortschrittliche Alternative. Dies kommt in ihrer Einschätzung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) zum Ausdruck. In China ist nicht unser Feind schreiben sie über den letzten Kongress der KPCh:

In Wirklichkeit spiegelte das, was die Delegierten auf dem Kongress beschlossen, eine Regierungspartei wider, der das Wohlergehen des chinesischen Volkes am Herzen liegt und die sich für Verbesserungen in einer Vielzahl von Bereichen einsetzt. Diese Arbeit wurde mit einem Maß an Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit in Angriff genommen, das in den Hallen des US-Senats oder bei Sitzungen der nationalen Komitees der Demokraten oder Republikaner kaum zu finden wäre.

Die PSL lässt völlig außer Acht, dass erstens die chinesische Gesellschaft zu einer stark hierarchischen Klassengesellschaft geworden ist, mit einer protzigen Bourgeoisie und einem riesigen Proletariat ohne politische Rechte, das unter rassistischer Unterdrückung und anderen Formen der Unterdrückung leidet, und dass zweitens China im internationalen Konzert zunehmend imperialistische Züge angenommen hat und massiv Kapital in der halbkolonialen Welt investiert, das heißt andere Länder unterdrückt und ausplündert.

Eine solche Sichtweise lässt auch die letzten Jahre des Klassenkampfes in China außer Acht, in denen die Arbeiter:innenklasse und die Jugend für bessere Lebensbedingungen in den Fabriken und allgemein gegen die Politik der Kommunistischen Partei Chinas gekämpft haben.

China als eine Art „kleineres Übel“ oder als Alternative zur US-Herrschaft zu betrachten, kam in der begeisterten Unterstützung der PSL für die drakonische Null-COVID-Politik der KPCh zum Ausdruck – die später zum Klassenkampf in Form von Unzufriedenheit der Arbeiter:innen und der Bevölkerung gegen die Regierung führte. In ähnlicher Weise plappert sie deren Politik der „Friedensverhandlungen“ in der Ukraine nach, die zwar zu Recht die NATO anprangert, aber Russland als Teil eines Anti-US-Blocks unterstützt, indem sie sich weigert, den Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine zu fordern. Die internationale Arbeiter:innenklasse kann sich in der wachsenden Konfrontation zwischen dem im Niedergang begriffenen US-Imperialismus und dem chinesischen Staat mit seinen imperialistischen Zügen und Bestrebungen nicht auf eine der beiden Seiten stellen. Wir brauchen eine Politik der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse, die den militaristischen und kriegstreiberischen Tendenzen der kapitalistischen Staaten entgegentritt und auch für die Selbstbestimmung aller unterdrückten Völker kämpft, einschließlich des Kampfes für die Befreiung Palästinas.

In der Hitze dieser Debatte ist die Art und Weise, wie Jabra Nicola die Klassendynamik der palästinensischen Befreiung aus der Perspektive des proletarischen Internationalismus und der permanenten Revolution zusammenfasste, auch heute noch relevant:

So kann der Kampf gegen den Imperialismus – untrennbar mit allen demokratischen Kämpfen verbunden – nur ein Kampf gegen alle bestehenden herrschenden Klassen und Regime in der Region sein. Diese Klassen sind Juniorpartner des Imperialismus; durch sie beherrscht der Imperialismus die Region, und ihre Regime sind die politische Form dieser imperialistischen Herrschaft. Der antiimperialistische und demokratische Kampf ist nur möglich als Klassenkampf der Arbeiter:innen, unterstützt von den armen Bäuer:innen, gegen die Großgrundbesitzer:innen, die religiöse Komprador:innenschicht und die neue Bourgeoisie in der arabischen Welt sowie gegen den Zionismus. Die permanente Revolution im arabischen Osten kann nur auf regionaler Basis zum Sieg geführt werden. Als Folge der ungleichmäßigen Entwicklung in der gesamten Region werden revolutionäre oder vorrevolutionäre Situationen wahrscheinlich zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten entstehen; aber wann und wo auch immer eine solche Situation entsteht, sollte der Kampf an diesem bestimmten Ort ein Teil der arabischen Revolution als Ganzes sein, geleitet von einer revolutionären Strategie für den gesamten arabischen Osten, die direkt von Massenkämpfen in der gesamten Region unterstützt wird, die so geführt werden, dass sie in einem Kampf für die Bedürfnisse der Massen in der gesamten Region vereint werden können, die dazu tendieren, die Machtfrage im gesamten arabischen Osten zu stellen. Nur so werden die am weitesten fortgeschrittenen Kämpfe zu einem bestimmten Zeitpunkt den größtmöglichen Schutz gegen die Intervention der Armeen der arabischen Staaten, des zionistischen Staates und möglicherweise der imperialistischen Intervention finden. Nur so kann sich die Machtergreifung in einem Land der Region ausbreiten und ihre Zerschlagung durch die reaktionären Kräfte verhindern.

Die Strategie, die die PSL für die Zukunft des Kampfes gegen den Imperialismus vorstellt, zeichnet ein ganz anderes Bild. Ben Becker schreibt, dass die PSL für eine Bewegung kämpft, die „eine antiimperialistische Politik innerhalb der Arbeiter:innenklasse aufbaut und auf die Einheit mit dem globalen Süden ausgerichtet ist“. Aber was ist die Grundlage dieser antiimperialistischen Politik und der Einheit mit dem Globalen Süden?

Hier haben wir einen großen Unterschied zur PSL. Für uns erfordert der Kampf für die palästinensische Befreiung, sowohl in seiner nationalen/regionalen Ausprägung als auch auf der internationalen Bühne – insbesondere die Bewegung der Solidarität mit Palästina in imperialistischen Ländern wie den USA – die unabhängige Aktion der Arbeiter:innenklasse, der Armen, der Studierenden und der Unterdrückten.

Auf dem national-regionalen Terrain muss dies in einem antiimperialistischen Kampf gegen den zionistischen Staat und für alle gerechten Forderungen des palästinensischen Volkes zum Ausdruck kommen, beginnend mit seiner Selbstbestimmung – was die Existenz des Apartheidstaates Israel direkt in Frage stellt. Dieser Kampf, der über die Zerschlagung des zionistischen Staates führt, kann nur von den palästinensischen Massen geführt werden, wobei die regionale Arbeiter:innenklasse den Kampf anführen und den palästinensischen Kampf materiell und politisch unterstützen muss, damit er siegt. Das bedeutet, dass sich das arabische Proletariat gegen seine eigenen Regierungen auflehnen muss, wie zum Beispiel in Ägypten mit der Forderung, die Grenzen sofort zu öffnen.

In den Vereinigten Staaten haben junge Menschen und die Arbeiter:innenklasse in diesem Moment enorme Macht, da das Zweiparteienregime die genozidale Offensive des Staates Israel direkt mit Waffenlieferungen, Technologie und Ressourcen unterstützt. Nach dem Beispiel der Arbeiter:innen in Indien und Belgien, die Waffenlieferungen blockiert haben – und im Geiste der Hunderttausenden von Menschen in den Vereinigten Staaten, die bereits für die Befreiung Palästinas mobilisiert haben, sowie der Studierenden, die an ihren Universitäten dafür kämpfen, sich vom Staat Israel zu trennen – kann die amerikanische Arbeiter:innenbewegung eine Schlüsselrolle spielen. Sie kann die Militäroffensive auf Gaza materiell einschränken, indem sie Waffenlieferungen blockiert, sich weigert, Kriegsmaterial zu produzieren, und der imperialistischen Kriegsmaschinerie, die den Völkermord durchführt, große Hindernisse in den Weg stellt.

Unserer Meinung nach ist die internationale Arbeiter:innenklasse heute mehr denn je die gesellschaftliche Kraft, die den Völkermord stoppen und einen wirksamen Kampf gegen den Imperialismus und Zionismus führen kann, sowohl regional als auch in den imperialistischen Ländern, die den Genozid unterstützen, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Und es ist die internationale Arbeiter:innenklasse im Bündnis mit den Unterdrückten, den Bäuer:innen, den städtischen Armen der Region und der Jugend, die sich dem zionistischen Staat entgegenstellen können. Die Einheit dieser Sektoren ist in der Lage, einen einzigen, säkularen, multiethnischen Staat durchzusetzen, der auf der Selbstorganisation der Massen beruht: ein freies und sozialistisches Palästina, in dem Araber:innen, Jüd:innen und alle ethnischen und religiösen Gruppen, die die kulturelle Vielfalt des Nahen Ostens ausmachen, in Frieden leben können, frei vom Joch des Zionismus und des Imperialismus.

Dieses Palästina, für das wir kämpfen, ist nur mit internationalistischer Unterstützung möglich: Konkret meinen wir eine Föderation sozialistischer Republiken im Nahen Osten, die wirtschaftliche und kulturelle Solidarität zwischen den Regionen im Rahmen einer sozialen Organisation entwickelt, welche auch die Grundlagen der Unterdrückung von Geschlecht, Rasse, Religion und all dem, was uns zu Sklav:innen macht, untergräbt.

Fußnoten

  1. 1. Ilan Pappé: Ten Myths About Israel, Verso Books, London und New York 2017.
  2. 2. Pierre Broué: Histoire de l’Internationale communiste (1919-1943),  Éditions Fayard, Paris 1997.
  3. 3. Wir haben Differenzen sowohl mit der theoretischen Perspektive von Nicola als auch mit dem Werdegang von Matzpen als revolutionäre Organisation. Im Falle der letzteren war die Organisation in ihrem Programm für ein freies Palästina zweideutig und lehnte es ab, eine klare Position gegen die Zweistaatenlösung zu beziehen. Was wir jedoch in diesem Moment ihrer politischen Perspektive und ihres Programms hervorheben wollen – insbesondere die Perspektive von Nicola – ist die Wiederbelebung der Theorie der Permanenten Revolution als strategischem Kompass für die palästinensische Befreiung.

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