„Die Angreifer haben für sich beansprucht, zu entscheiden, über was in den Räumen der Kneipe gesprochen werden darf und über was nicht.“
Am 21. Oktober wurde die KP Berlin gewaltsam und unter Androhung die Polizei zu rufen, aus den Räumen der Baiz, einer Kneipe in Berlin, vertrieben. Die linke Gruppe wollte dort eine Diskussion über Palästina veranstalten. Wir haben sie dazu interviewt.
Am Montag, den 21. Oktober, wolltet ihr eine Diskussionsrunde in der Berliner Bar Baiz veranstalten. Was wolltet ihr dort diskutieren?
Die Runde sollte eine Möglichkeit bieten, sich der Lage im Nahen Osten zu widmen und der Lage vor Ort zugrunde liegende Interessen zu diskutieren. An der Situation in Palästina und Israel sind neben dem deutschen Staat auch eine Menge lokaler und internationaler Akteure beteiligt, die das mit jeweils unterschiedlichen und auch gegensätzlichen Interessen tun. Im öffentlichen Diskurs werden diese Akteure aber, besonders seit dem 7. Oktober 2023, vermischt und undeutlich gemacht.
Gleichzeitig hat sich auch die Lage hier bei uns verändert: Die BRD stellt sich bedingungslos an die Seite Israels, unterstützt die Verbrechen des zionistischen Staates. Sie geht dabei mit brutaler Repression gegen jene vor, die für die Befreiung der Palästinenser einstehen und sich den Verbrechen Israels in den Weg stellen. Wer diese Entwicklung einschätzen will, muss verstehen können, wer wie handelt und was die leitenden Motive der Beteiligten in der Region sind – aber auch die Akteure hierzulande.
Dazu kam es aber nicht, weil ihr von anderen Besucher:innen der Bar angegriffen wurde. Was ist dort passiert?
Wir hatten vom Baiz einen Tisch reserviert bekommen, der vor unserer Runde von einer regelmäßigen Mietrechtsberatung genutzt wird. Weil sich an dem Tag ungewöhnlich viele Menschen auf die Beratungsliste gesetzt hatten, mussten wir unsere Runde an einem wesentlich kleineren Tisch im Außenbereich starten. Dann kamen zwei Personen an unseren Tisch und sagten, wir hätten eine Minute Zeit, unsere Sachen zu packen und zu gehen. Wir seien dort unerwünscht und man würde uns die Diskussion dort nicht führen lassen.
Wir haben abgelehnt zu gehen, schließlich hatten wir im Einvernehmen mit dem Laden einen Tisch reserviert. Eine größere Gruppe hat den Tisch dann umstellt und erklärt, nicht diskutieren zu wollen; wir hätten zu gehen, sonst würden wir angegriffen. Wir haben das wieder abgelehnt, worauf sie Bier über den Tisch verschüttet, ihn umzuschmeißen versucht und unser mitgebrachtes Infomaterial herumgeschleudert haben. Wir waren ja für eine Diskussion da und haben auch versucht, nach inhaltlichen Gründen zu fragen. Das haben die aber komplett abgeblockt. Wir können uns den zugrunde liegenden Inhalt der Aktion im Grunde nur aus den einzelnen, diffusen Bemerkungen erklären. Es ging in erster Linie darum, unsere Inhalte dort nicht stattfinden zu lassen.
Letztlich hat sich die Baiz auf die Seite der Angreifer gestellt und ihr musstet das Lokal verlassen. Könnt ihr den Vorgang beschreiben? Was hättet ihr eigentlich von der Baiz erwartet?
Unsere Reservierung wurde zweimal im internen Plenum besprochen, wurde uns gesagt. Das Baiz wolle den Raum für eine solche Diskussion stellen, wenn auch nicht auf der großen Bühne. Vom Laden hätten wir also zumindest erwartet, dass sie das den Leuten mitteilen und klarmachen, dass es in ihrem Sinne ist, wenn wir uns dort austauschen – auch wenn sie nicht zwingend geschlossen hinter unserer Position zu Palästina stehen.
Die Angreifer haben im Grunde für sich beansprucht, zu entscheiden, über was in den Räumen der Kneipe gesprochen werden darf und über was nicht. Da sollte eine Person des Ladens eigentlich in der Lage sein zu sagen: Wenn ihr ein Problem damit habt, dass euch unbequeme Themen zur Sprache kommen – und zwar derart unbequem, dass ihr hier Leute körperlich attackiert – dann seid ihr hier falsch. Das ist nicht passiert. Stattdessen waren wir am Ende diejenigen, die das Feld räumen sollten. Sonst würde die Polizei gerufen.
Ich denke, es ist klar, dass wir Diskussion und Debatte als das nächste Mittel der politischen Auseinandersetzung und Überzeugungsarbeit bevorzugen. Wir haben daher am Montag, dem 28. Oktober, erneut zu einer Diskussionsrunde zum Thema eingeladen, an einer anderen Location.
Ihr beschreibt die Angreifer in eurem Statement zwar als „Antifaschisten“ die jedoch als „verlängerter Arm der deutschen Staatsräson“ agieren. Angesichts der Ereignisse in Palästina und Libanon ist es offensichtlich, dass es einen Kampf aller Linken gegen den Zionismus benötigt statt Handlangern ebenjener Staatsräson. Was sind eure Vorschläge für diesen Kampf?
Wie beschrieben ist Deutschland ein unverbrüchlicher Unterstützer der israelischen Kriege und der Besatzungspolitik, also auch beteiligt am aktuellen Völkermord an der Bevölkerung in Gaza. Es ist auf viele Arten möglich, diese Kooperation der Bundesrepublik mit Israel anzugreifen und zu schwächen. Gegen die Waffenlieferungen vorzugehen, diese womöglich sogar zu blockieren und dadurch zu verhindern, hieße, von hier aktiv in den Krieg einzugreifen. An italienischen und griechischen Häfen konnten solche Waffenlieferungen schon aktiv verhindert werden. In Deutschland setzt unter anderem die Gruppe Shut Elbit Down die israelische Rüstungsindustrie unter Druck.
Sich auf diese und andere Arten mit den Betroffenen von Krieg und Völkermord solidarisch zu zeigen und etwa in den DGB-Gewerkschaften darauf hinzuarbeiten, diese Positionen nach außen zu tragen, macht einen ungemein wichtigen Unterschied! Wir müssen uns als Gewerkschaftsbasis gegen die kriegsfreundliche Politik der DGB-Führung organisieren. Denn es sind wir Arbeiterinnen und Arbeiter, die die Waffenlieferung blockieren und Druck aufbauen können.
Wir können – wir müssen – dafür sorgen, dass Bündnisse aufgekündigt werden, die mit Gruppen oder Institutionen bestehen, die von diesen Verhältnissen profitieren oder ihnen mindestens gleichgültig gegenüberstehen.
Der deutsche Staat greift in diesem Zusammenhang zu repressiven Maßnahmen, die er auf vielen Ebenen einsetzt. In manchen Fällen sind gesellschaftliche Randgruppen betroffen, wie etwa vom Vorhaben der Regierung, Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft bei unliebsamen „Likes“ oder Kommentaren im Internet abschieben zu können. Andere treffen direkt ins öffentliche Leben, wie etwa die „Fördermittelaffäre“ um Bildungsministerin Stark-Watzinger oder auch die Auseinandersetzung um das Neuköllner Kulturzentrum Oyoun zeigt.
Diese Vorstöße schaffen Präzedenzfälle, die letztlich dazu dienen, dass der Staat von integrativen zu repressiven Mitteln wechselt. Dagegen anzugehen, für Presse- und Meinungsfreiheit, für Versammlungs- und Demonstrationsrechte, ist eine wichtige Möglichkeit, gegen solche Entwicklungen zu kämpfen. Denn diese Mittel können uns helfen, uns gegen ihre mörderische Politik aktiv zur Wehr zu setzen – ob in Palästina, in Berlin oder anderswo.