„Die Ampel muss weg!“: Die Proteste der bayerischen Landwirt:innen und die Aufgaben der Linken

30.01.2024, Lesezeit 7 Min.
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Bild: privat

Auf der Münchner Theresienwiese mobilisieren die bayerischen Landwirtschaftsverbände gegen die Ampel. Die Wut auf die Ampel ist berechtigt. Doch nötig wäre ein gemeinsamer Kampf gegen Kürzungen und Rechtsruck.

Am vergangenen Sonntag war die Münchner Theresienwiese voller Landwirt:innen unter dem Motto: „Der Mittelstand steht auf“, vom Bündnis „Hand in Hand für unser Land“. Einige tausend kamen, die meisten von ihnen mit Omnibussen aus Oberbayern. Angekündigt waren beim Kreisverwaltungsreferat laut Presseberichten 35.000 bis 50.000, die bei weitem nicht erreicht wurden.

Die Theresienwiese ist ein historischer Ort für das Bauertum: Schon seit 1811 finden hier Landwirtschaftsfeste statt, begonnen unter den Wittelsbachern. Und an diesem klaren Sonntag mobilisierten drei große bayerische Landwirtschaftsverbände, um gegen die Politik der Ampel in Berlin zu demonstrieren. Die meisten Fahnen stammten von den Milchwirt:innen, die bereits Ende letzten Jahres gegen Vieh-Regulierungen aus Berlin demonstrierten.

Auf der Bühne sprachen vor allem landwirtschaftliche Unternehmer. Moderator Markus Huber erzählte, wie er bisher mit politischem Organisieren nicht viel am Hut hatte, aber sich mit anderen nun seit Monaten gegen die Ampel-Politik organisiert. Politiker:innen waren eingeladen, sollten aber zuhören und nicht selbst reden. Aus Berlin kam niemand, dafür Staatsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler, FW), der für sein Erscheinen ordentlich Applaus vom Publikum bekam. Außerdem Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU), die weniger Aufsehen erregte. Man werde sich merken, wer sich hier die Reden anhöre und wer nicht, so ein Redner vom Podium.

An die Presse erging eine Art Ermahnung. Man distanziere sich „von Links- und Rechtsextremisten“ und wolle „nichts in die Schuhe geschoben bekommen“. Offenbar hatten die Anmelder bereits schlechte Erfahrungen mit der bürgerlichen Presse gemacht. Besonders unzufrieden war ein Teil des Publikums damit, dass es zuvor Berichte gab, die die Kundgebung als „Demo gegen rechts – der Mittelstand steht auf“ falsch betitelt habe. Viele Pfiffe und Buhrufe folgten.

Wir von Klasse Gegen Klasse, einer selbstorganisierten und linken Presse, möchten einen Dialog mit den Interessen der Landwirt:innen führen. Denn ihre Anliegen sind berechtigt, insoweit nicht die Beschäftigten und kleinen Selbständigen die Kosten des Klimawandels und der Krise bezahlen sollten – sondern die Kapitalist:innen. Allerdings wollen wir uns die Freiheit nehmen, etwas zur rechten Führung des Protests zu sagen, die überwunden werden muss.

Ein widersprüchliches Bild auf der Kundgebung

Einige Eindrücke zur Bedeutung und sozialen Widersprüchlichkeit der Proteste, die zum einen berechtigte soziale Forderungen aufstellen, zum anderen aber nationalistisch orientiert sind: „Butter, Brot und Bier fehlen auch bald Dir!!!“ stand auf einem Traktor mit Tölzer Kennzeichen. Der Landwirtschaftsverband Bayern hatte ein Plakat drucken lassen: „Ideologie macht nicht satt!“, offenbar gegen die Grünen gerichtet, die auch Hauptziel der Reden waren. Vielfach war auch „Grün-Rot ist unser aller Tod“ zu lesen. Ein selbstgeschriebenes Schild über dem Dixi-Klo meinte: „Intelligente Menschen kümmern sich erst um ihre eigene Familie, bevor sie Andere retten! Weg mit der Ampel!!!“ Ein Flugblatt informierte dazu, es würden Milliarden für andere Länder ausgegeben, während die Regierung in Deutschland Mehrwertsteuer und CO2-Steuer erhöhe, Sprit- und Energiepreise steigen und gleichzeitig Subventionen gekürzt würden.

Bayern ist ein Land, in dem es noch ein sehr großes Kleinbauerntum gibt. Die Arbeiter:innenklasse kann sie anführen, mit einem Programm, das sie vor dem Ruin bewahrt und das Großkapital enteignet. Dafür ist es aber nötig, dass die chauvinistische und rassistische Führung der Landwirt:innen in Aiwanger und Co. konfrontiert wird. Doch eine Intervention der Arbeiter:innen darf nicht bei der rassistischen Führung aufhören, auch der Chauvinismus in Teilen der Basis der Landwirt:innen muss bekämpft werden. Dafür wiederum müssen die Linken und Arbeiter:innen sich aufmachen, die Proteste von Landwirt:innen in Deutschland insgesamt mit der Arbeiter:innenbewegung zusammenzuführen, zum Beispiel mit den Streiks bei der Bahn, im Nahverkehr oder von den Beschäftigten in der Pflege.

Letztere wird von der Bühne aus immer wieder angesprochen. Die Landwirt:innen auf der Theresienwiese gaben sich Mühe, über ihren Berufsstand hinaus zu mobilisieren. Die drei Verbände spendeten Redezeit an Angehörige anderer Berufsgruppen aus Handwerk und Gastronomie. Gemeinsam habe man zum Beispiel den Kampf gegen Bürokratisierung – in der Pflege werde bis zu einem Drittel der Zeit mit Dokumentation verbracht, anstatt Menschen zu helfen, so ein Landwirt auf der Bühne.

Der erste Redner, ein kleiner Bauer, sprach auch die soziale Frage insgesamt an. Er habe in der Stadt bemerkt, dass immer mehr alte Frauen Flaschen sammeln: „Sowas darf nicht sein. Da muss sich was ändern.“ Der zweite Redner politisierte mehr: Habeck kenne er recht gut als Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein: „Er war damals nicht einmal schlecht. Aber jetzt als Wirtschaftsminister – ich weiß nicht, was passiert ist. Komplett überfordert.“ Der Bundeskanzler sei ganz unsichtbar.

Insgesamt gaben sich die Organisatoren Mühe zu zeigen, dass sie „keine Revolte“ wollen. Das hängt auch damit zusammen, dass die Bauernverbände eng mit der konservativen Politik verbunden sind, die dieses System hergestellt hat und am Laufen hält, gegen das viele in den letzten Monaten rebellieren wollen. Und die Kundgebung war sichtlich eine Veranstaltung geführt von Verbänden: künstlicher Applaus sollte überspielen, dass viel weniger Teilnehmer:innen gekommen waren als erwartet.

Gemeinsam gegen Rechts und Kürzungen anstatt Nationalismus

Die Rhetorik auf der Festwiese griff viele der rechten Anti-Ampel-Slogans auf, die zum Beispiel Politik „zuerst für Deutsche“ oder „Gerechtigkeit für das Deutsche Volk“ forderten, untermalt von vielen Nationalfahnen. Das liegt auch daran, dass die politische Linke des Reformismus – der Linkspartei und der Gewerkschaftsbürokratien, aber auch der NGOs, die der SPD und den Grünen nahestehen – keine Konfrontation mit der Kürzungspolitik der Ampel suchen. Sie werden hier als Verteidiger der Probleme des Kapitalismus gesehen, während Aiwanger, der selbst als Staatsminister für viele der Probleme verantwortlich ist, sich als Zuhörer und Rebell gegen Berlin aufspielen kann.

Gleichzeitig finden zur Zeit Massenmobilisierungen gegen Rechts mit schon über 1,5 Millionen Teilnehmer:innen auf, die viel Mut machen. Sie müssen sich allerdings von unten gegen die Regierung stellen, sich mit Streiks verbinden und die Arbeiter:innen und auch kleinen Landwirt:innen in der Landwirtschaft anführen, mit einem Programm, das die Kapitalist:innen für die Krise zahlen lässt. Und das den Landwirt:innen erklärt, dass die extreme Rechte ihnen am meisten schadet: weil ihre kapitalistische Politik den Ruin des Kleinbauerntum bedeutet; weil das Leugnen oder Ignorieren des Klimawandels seine Lebensgrundlagen zerstört; und weil die Spaltung durch Rassismus ein Mittel der Rechten ist, die Solidarisierung der arbeitenden Bevölkerung zu verhindern.

Denn die Rechten – besonders die Freien Wähler, die erst kürzlich eine Großspende in Höhe von 110.000 Euro vom Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie erhalten hatten – stecken gerade ebenso wie die Ampel-Parteien mit dem Großkapital zusammen, das für die immer schlechteren Bedingungen in der Landwirtschaft verantwortlich ist: die REWEs, Aldis und Lidls machen Gewinne, während Landwirt:innen und Verbraucher:innen gleichermaßen Leidtragende sind. Und die Aiwangers im Land spielen die Landwirt:innen auf rassistische Weise gegen Arbeiter:innen und Migrant:innen aus, mit denen sie gemeinsame Interessen haben. Eine notwendige Forderung dagegen wären zum Beispiel gemeinsame Preisausschüsse von Landwirt:innen und Arbeiter:innen sowie die Enteignung von Großkapitalist:innen, die kleine Landwirt:innen ruinieren und Arbeiter:innen auspressen. Um solche Forderungen durchzusetzen, dürfen die Proteste nicht isoliert bleiben, stattdessen braucht es ein Bündnis zwischen kleinen Landwirt:innen und den Arbeiter:innen.

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