Die Amerikas brennen – im wahrsten Sinne des Wortes
Im Norden Argentiniens brennt es seit über einer Woche. Die Ursachen der Feuer sind keine natürlichen - sie wurden gelegt.
Der Klimawandel wirkt sich auf das südamerikanische Land besonders stark aus. So ist der Winter dieses Jahres ein sehr trockener. Doch die 130 Bewohner*innen von Villa Albertina, einem 100 Kilometer von einem der größten ökonomischen Zentren des Landes, Córdoba, entfernten Dorf, haben nicht nur, aber auch deshalb momentan mit den schlimmsten Waldbränden der letzten zwölf Jahre zu kämpfen. Durch starke Windböen erfassen diese inzwischen die 70 Kilometer Berge, Wiesen und Wälder bis La Calera – einer Kleinstadt in der Nähe der Großstadt, von wo aus die Rauchwolken nun zu sehen sind.
Die ökologischen Folgen sind verheerend: Die Luft wird verpestet und der Regen wird die Asche von den Bergketten in die Flüsse spülen, wo sich Wasser anstauen wird. Infolge der dann günstigen Bedingungen für Bakterien wird es zu massiver Verunreinigung des Grundwassers und des Bodens kommen. Schon heute sterben Tausende sowieso schon vom Aussterben bedrohte Schildkröten und Echsen, die dem Verbrennen der mehr als 20.000 Hektar Urwald nicht entkommen können. Schon zuvor war der Anteil des Urwaldes um Córdoba auf 3 Prozent der zwölf Millionen Hektar Urwald gesunken, die es noch im 20. Jahrhundert umgeben hat, die eine wichtige Funktion erfüllen: In der Regenzeit saugen sie die Unmengen an Wasser wie Schwämme auf, in der Trockenzeit setzen sie es sukzessive frei.
Denn es ist nicht das erste Mal, dass das passiert. Im Gegenteil: In den betroffenen Regionen kam es in allein in den letzten vier Jahren zu 208 Großfeuern. Deren Untersuchung ergab, dass Landbesitzer*innen die Feuerwehr in mehreren Fällen aktiv von der Löschung abgehalten haben. Der Biologe, Forscher und Dozent Cristian Schneider sagt im Gespräch mit La Izquierda Diario:
Mehr als 90 Prozent der Brände in diesem Jahr haben weder eine natürliche Ursache noch sind sie aus Versehen von Menschen entzündet worden, sondern absichtlich.
Auch Justiz und Politik schauen weg. Das ist insofern kein Zufall, dass viele der Funktionär*innen im Umweltministerium Agrarunternehmer*innen sind, die sich in den vergangen zwei Jahrzehnten vehement dagegen gewehrt haben, die für vorherige, nachweislich entzündete Brände Verantwortlichen zu bestrafen, Projekte zur Wiederaufforstung voranzutreiben und präventive Maßnahmen wie das Verbot hochexplosiver Chemikalien oder die Erklärung von Zonen zu Naturschutzgebieten zu treffen. Stattdessen wurden der Feuerwehr Mittel gekürzt und das Frühwarnsystem der Provinz außer Kraft gesetzt.
Man könnte sogar behaupten, es würde alles darauf gesetzt werden, auf Kosten der Flora, Fauna, Gesundheit und Leben von Menschen weitere Brände zu ermöglichen. Getrieben von lukrativen Immobilienprojekten wie die gated communities von Reichen in den Vororten von Metropolen wie Córdoba, der Spekulation im Agrarbusiness und der Hoffnung, dass sich die auf die Bodennutzung beziehenden Gesetze infolge der Verbrennungen positiv auf die eigenen Gewinne auswirken, wenn zum Beispiel die Erweiterung der Sojaproduktion erlaubt würde, werden Menschen mit Brandstiftung beauftragt, so Schneider.
In Reaktion auf die auch jetzt unzureichenden Hilfsmaßnahmen, arbeitet die freiwillige Feuerwehr seit Tagen ununterbrochen, seit Tagen organisieren Anwohner*innen Bürger*innenwehren und Waldbrigaden. Sie setzen ihre eigene physische Integrität aufs Spiel, um das Weltnatur- und Kulturerbe zu schützen.
Für die Kosten der Umsiedlung von über 600 Personen sowie der Lebensmittellieferungen in unzähligen Flugzeugen, Helikoptern und LKWs muss aber die Provinz, müssen also letzten Endes sie selbst aufkommen. Dabei ist es die Gier der Landunternehmer*innen, die Hunderte armer Bäuer*innen-Familien, Kleinproduzent*innen und Subsistenzwirtschaftender verdrängt.
Argentiniens Córdoba ist kein Einzelfall
Die Waldbrände ziehen sich über den ganzen Kontinent. Seit Wochen brennt es im Amazonas und Bolivien. Momentan lässt sich ein weiterer Fokus in Kalifornien verzeichnen, wo über 10.000 Blitze in Kombination mit Temperaturen über 50 Grad Celsius und starkem Wind letzte Woche innerhalb von 72 Stunden 267 Brände auf insgesamt 400.000 Hektar Land ausgelöst haben. Expert*innen zufolge ist der Anstieg der verzeichneten Fälle – 2019 war das Rekordjahr – beunruhigend: Zusammen mit den ansteigenden Temperaturen sind sie es, die zum Ausstoß von Unmengen an Treibhausgasen in die Atmosphäre führen, der die Folgen des Klimawandels weiter verschärft.
Angesichts der noch immer anhaltenden Ausbreitung und Vermehrung der Brände brauchen wir eine proaktive Politik. Dabei können wir uns nicht auf die Mitverantwortlichen stützen. Deshalb brauchen wir von den großen Immobiliengruppen unabhängige Diskussionsräume, in denen die Bewohner*innen der in der Vergangenheit, jetzt gerade und potentiell betroffenen Dörfer, die Bäuer*innen, Aktivist*innen und Expert*innen wie Schneider zu Wort kommen und gemeinsam über eine Agenda entscheiden.
Wie überall auf der Welt werden auch in Argentinien Milliarden in die Rettung der (Agrar-)Wirtschaft gepumpt. Stattdessen müssen sie auf Präventionsmaßnahmen, Soforthilfen für die Feuerwehr und die Wiederaufforstung verwendet und die kapitalistischen Großunternehmen, die für Soja für die Fleischproduktion die Zerstörung menschlichen und tierischen Lebens sowie der der Natur in Kauf nehmen, entschädigungslos enteignet und unter Arbeiter*innenkontrolle gestellt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass nicht weiter einige wenige – und in der Tendenz immer wenigere – Reichtum anhäufen und unsere Lebensgrundlage zerstören.