Die AfD wird auf der Straße und nicht vor Gericht besiegt
Am Sonntag demonstrierten bundesweit zehntausende Menschen gegen die AfD. Viele forderten ein Verbot der rechtsextremen Partei. Eine große Bewegung gegen Rechts ist dringend notwendig, doch dabei dürfen wir uns nicht auf die Kräfte verlassen, die den Rechtsruck selbst ins Werk setzen.
Nachdem das Recherchenetzwerk Correctiv über ein geheimes Treffen von hochrangigen AfD-Funktionär:innen, mit Unternehmer:innen und Nazis in Potsdam berichtete, geht ein Aufschrei durchs Land. Mit dabei waren unter anderem der persönliche Referent von Alice Weidel, der führende Neonazi Martin Sellner und weitere Vertreter:innen der Identitären Bewegung. Zwei Vertreter:innen der Werteunion, der Gruppe um den früheren Verfassungsschutzchef und noch CDU-Mitglied Hans-Georg Maaßen, der in astreinem NS-Vokabular zuletzt gefordert hatte, per „Chemotherapie“ gegen den „Krebs“ der „kulturfremden Ausländer“ vorzugehen, waren auch dabei. Eingeladen hatte der Multimillionär Hans-Christian Limmer, der hinter mehreren großen Gastro-Unternehmen steht. Der zentrale Inhalt des Treffens war die Ausarbeitung eines Plans für die sogenannte Remigration. Millionen von Menschen, Geflüchtete, Migrant:innen ohne deutsche Staatsbürgerschaft und Staatsbürger:innen, die nicht deutscher Herkunft sind, sollen abgeschoben werden.
Das Treffen verdeutlichte noch einmal die enge Verstrickung der AfD mit organisierten Neonazis, als auch mit bestimmten Kapitalist:innen. Angesichts der abscheulichen Pläne formierte sich zurecht Protest. Zehntausende beteiligten sich bei Demonstrationen in ganz Deutschland zur „Verteidigung der Demokratie“, 25.000 allein in Berlin. Olaf Scholz und Annalena Baerbock nahmen an der Kundgebung in Potsdam teil. Viele der Demonstrierenden forderten ein Verbot der AfD. Eine entsprechende Petition, die den Bundesrat dazu auffordert, die Schritte für die Prüfung eines AfD-Verbots einzuleiten, konnte bereits über 600.000 Unterschriften sammeln.
Die AfD hat als eine Partei, die den rechten Terrorismus hofiert und in der Vernichtungsphantasien gedeihen, keine Existenzberechtigung. Es ist notwendig, ihr mit aller Entschlossenheit entgegenzutreten. Doch die Prüfung eines Parteiverbotes halten wir dafür keineswegs für ein geeignetes Mittel, im Gegenteil, kann es den Widerstand gegen Rechts schwächen. In diesem Beitrag wollen wir aufzeigen, warum sich Antifaschist:innen nicht auf dieses Ablenkungsmanöver einlassen sollten und was tatsächlich notwendig ist, um die Rechten zurückzuschlagen.
Die Verbotsdebatte weckt falsche Hoffnungen
Die Debatte um ein Verbot schürt die Hoffnung, dass der Staat sich schon kümmern werde, und lenkt davon ab, dass wir selbst aktiv werden und auf die Straßen gehen müssen. Das Verbotsverfahren würde sich derweil über viele Jahre ziehen – aber wir müssen uns schon jetzt gegen die AfD wehren. Vor einigen Jahren gelang es nicht mal, die NPD zu verbieten. Wie soll erst eine Partei verboten werden, die bei 20 Prozent in den Umfragen steht, die vielfältige Verankerung und Sympathien unter Sicherheitsbehörden und Richter:innen genießt?
Und wenn es doch gelänge, die AfD zu verbieten? Einfach ein Erlass aus dem Innenministerium und wie auf magische Weise wäre das Problem gelöst? So leicht ist es leider nicht. Die Nazis würden dadurch nicht verschwinden, ihre Ideen existieren weiter. Die rassistische Stimmung hätte weiter einen breiten gesellschaftlichen Nährboden, der dann von anderen Parteien bedient würde. Schon jetzt organisieren sich viele Nazis in Netzwerken außerhalb der AfD und mit Maaßens Werteunion stünde ein möglicher Kandidat als Nachfolger bereit.
Der soziale Nährboden der AfD liegt in der Regierungspolitik und lässt sich mit keinem Verbot beheben
Seit Beginn ihrer Amtszeit steht die Ampel-Regierung für Militarisierung, Waffenlieferungen, Sozialabbau, Abschiebungen und Verschärfungen des Asylrechts. Wenn man von Lippenbekenntnissen absieht, wird schnell klar, dass ihre Antwort auf den Aufstieg der Rechten ist, selbst immer weiter nach rechts zu rücken. Da sie Armut und Prekarisierung weiter verschärft, bei Bildung, Gesundheit, Klima und Sozialem kürzt, treibt sie die Wähler:innen in die Arme von Parteien, die die Schuld bei Migrant:innen und Arbeitslosen suchen.
Die SPD und auch die LINKE treten damit an, den Kapitalismus gerechter machen zu wollen, doch in der Realität verwalten sie nur das kapitalistische Elend mit, wie die Bilanzen von Regierungsbeteiligungen belegen. Besonders stark ist die AfD in Ostdeutschland mit Umfragewerten von über 30 Prozent. Der Grund hierfür ist, dass die anderen Parteien kaum Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung genießen. Bis heute klafft eine soziale Lücke zwischen Ost und West, ausgelöst durch den Ausverkauf und die zahlreichen Schließungen der Staatsbetriebe durch die Treuhand.
Auch Sahra Wagenknecht prangert die Regierungspolitik an, die der AfD erst den Nährboden bereitet. Aber sie tut das nicht aus einer sozialistischen Perspektive – ihr geht es mehr um das Wohl des deutschen Mittelstandes als das der Arbeiter:innen. In ihrer Kritik verharmlost sie die Wahl der AfD als bloßen Ausdruck der „Empörung“. Dabei machen die allermeisten AfD-Wähler:innen ihr Kreuz sehr gezielt, eben wegen der rassistischen Politik.
Soziale Ängste allein können den Rassismus nicht erklären. Dazu beigetragen haben die mediale Hetze von Bild und Co., gezielte Stimmungsmache von Politiker:innen wie Friedrich Merz und der jahrzehntelange Aufbau rechter Strukturen sowie die rassistische Spaltung der Arbeiter:innenbewegung. In unserem Sofortprogramm schrieben wir:
[Der Rassismus] erhält besonderen Auftrieb in Zeiten des Krieges, in denen der deutsche Imperialismus um eine starke Position in der Welt kämpft, in der sich die Militarisierung der Gesellschaft normalisiert und der Staat die Asylgesetze verschärft. Er ist eine Ideologie, um die Migrant:innen, Frauen und Queers und damit auch die Arbeiter:innenklasse zu disziplinieren und sie vollständig den Interessen des Kapitals zu unterwerfen.
Der Kampf gegen die AfD muss entsprechend mit dem Kampf gegen die imperialistische Aufrüstungspolitik der Regierung kombiniert werden.
Scholz und Baerbock sind auf einer Kundgebung wie am Wochenende in Potsdam nicht unsere Verbündeten. Wir müssen sie als Verantwortliche für Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel, die rassistische Asylpolitik und die Kürzungspolitik konfrontieren. Mit ihnen gemeinsam zu demonstrieren bedeutet nur, den Rechten zu erlauben, sich als einzige Opposition zu inszenieren. Wir brauchen die Einheit der Arbeiter:innen und Jugendlichen gegen Rechts, auch wenn sie der SPD oder den Grünen folgen, doch in Abgrenzung zu ihrer Führung, die sich nur um den Erfolg des deutschen Imperialismus kümmert.
Ein Verbot würde an der rassistischen Politik der Ampel und Union nichts ändern
Im Oktober blickte Olaf Scholz mit strengem Gesicht vom Titelbild des Spiegels. „Wir müssen endlich in großem Stil abschieben“, lautete seine Aussage. Sie könnte genauso von der AfD stammen. Worin sich die AfD dann doch unterscheidet, zeigte sich bei ihrem Treffen mit den Nazis der Identitären Bewegung war davon die Rede, auch Menschen mit Deutschem Pass abzuschieben. Dies wäre ein klarer Bruch mit dem Grundgesetz, der die Tür öffnen würde, auch politische Gegner zu deportieren. Abschiebungen sind aber in jedem Fall falsch, ganz egal ob die Menschen die deutsche Staatsbürgerschaft haben oder nicht. Die Lage migrantischer Menschen in Deutschland ist schon jetzt unerträglich. Auch wenn Union und Ampel noch nicht so weit gehen wie die AfD: Durch ihre permanenten Asylrechtsverschärfungen haben sie den Rahmen des Sagbaren immer weiter nach rechtsverschoben. Sie sind weniger weit vom Rassismus der AfD entfernt, als sie uns Glauben machen wollen. Mit einem AfD-Verbot wollen sie einen unliebsamen Konkurrenten loswerden. Sie versuchen sich reinzuwaschen, um ihren „guten“ Rassismus vom „bösen“ Rassismus der AfD abzugrenzen.
Wir stellen uns ausnahmslos gegen jede rassistische Politik. Es braucht einen sofortigen Abschiebestopp, sichere Fluchtrouten, volle soziale und politische Rechte für alle Geflüchteten und Migrant:innen und eine Entwaffnung der rassistischen Polizei. Dieses Programm kann nur gegen die Ampel und Union erkämpft werden.
Der Verfassungsschutz ist kein Verbündeter im Kampf gegen Rechts
Die Forderungen nach dem AfD-Verbot entspringen aus einem institutionalistischen Denken. Anstatt auf die Selbstaktivität der Arbeiter:innen und Unterdrückten zu setzen, wird auf den deutschen Staatsapparat, allen voran den Verfassungsschutz, vertraut. Auch Scholz nannte die AfD einen Fall für den Verfassungsschutz. Der deutsche Inlandsgeheimdienst soll also die rechtsextremistischen Machenschaften überprüfen. Ausgerechnet der Verfassungsschutz, der in den 2000er Jahren damit beauftragt war, den NSU zu überwachen, aber stattdessen erst sein Umfeld aufbaute, ihn deckte und somit seine Mordserie ermöglichte. Auch andere Sicherheitsorgane wie Polizei und Bundeswehr sind mit Nazis durchsetzt. Der Anteil an Wähler:innen und Funktionäre:innen der AfD aus diesen Bereichen ist übermäßig hoch. Ähnlich verhält es sich mit den Richter:innen.
Der Sicherheitsapparat wird dagegen immer wieder genutzt, um linken Widerstand zu brechen. Das zeigt sich aktuell an der scharfen Repression gegen die Palästina-solidarische Bewegung oder auch an der massiven Polizeigewalt auf der Luxemburg-Liebknecht-Lenin Demonstration. Ein Blick auf die Geschichte der Parteiverbote in der BRD zeigt, dass diese Methode nicht gegen Rechtsextreme, sondern gegen Linke eingesetzt wurde. Die Kommunistische Partei Deutschland (KPD) wurde 1956 verboten. Ein Verbotsverfahren gegen die AfD würde die Türen öffnen, dies auch gegen linke Kräfte umzusetzen.
Sicherheitsapparate, Verfassungsschutz und auch die Verfassungsgerichte sind keine unabhängigen Organe, die man einfach reformieren könnte. Sie dienen dem Zweck der Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung. Nach rechts hin sind sie offen, denn die Funktion des Faschismus ist die gewaltmäßige Zerschlagung der Arbeiter:innenbewegung zur Verteidigung des Kapitalismus. Verfassungsschutz und Gerichte können also niemals Verbündete im Kampf gegen die Rechten sein.
Was wir stattdessen tun müssen
Es braucht eine gemeinsame Antwort der Arbeiter:innen und Unterdrückten, unabhängig vom Staat und den Kapitalist:innen. Wir müssen uns in den Schulen, Unis und Betrieben selbst organisieren und von dort zu Protesten und Blockadengegen die Rechten mobilisieren. Die Partei DIE LINKE und die Gewerkschaften müssen zu großen Kundgebungen aufrufen. Damit die Proteste aber dynamisch werden und auch die Regierungspolitik in Frage stellen können, müssen wir uns an unseren Orten organisieren und dort über weitergehende Forderungen sprechen:
Gegen die Kürzungspläne der Regierung, gegen ihren Militarismus und die Waffenlieferungen. Solidarität mit den Geflüchteten, gleiche Rechte für alle, nieder mit der Festung Europa. Für Arbeitszeitverkürzungen, vollen Inflationsausgleich und die Angleichung der Löhne in Ost und West. 100 Milliarden je für Soziales, Gesundheit, Umwelt und Bildung statt für Rüstung, finanziert durch Vermögensabgaben und Verstaatlichungen der Banken und Großindustrie. Wahlrecht für alle, die hier leben. Diese und weitere Forderungen aus unserem Sofortprogramm können einen sozialistischen Ausweg aus Krise und Krieg zeigen und den Rechten den Boden abgraben.
Ein solches Programm lässt sich nur gegen die Regierung und die Konzerne durchsetzen. Statt auf Verbotsdebatten zu hoffen, brauchen wir eine schlagkräftige Arbeiter:innenbewegungen die diese Forderungen in sektorübergreifenden, unbefristeten und demokratisch organisierten Streiks umsetzen kann. Um diese voranzutreiben, wollen wir uns auch am Aufbau einer revolutionären politischen Alternative, die konsequent für die Interessen der Arbeiter:innen und Unterdrückten kämpft und nicht nur den Rechten die Stirn bieten, sondern auch den kapitalistischen Status Quo überwinden kann, beteiligen.
Die Nazis haben ihre eigenen militanten Kräfte aufgebaut, es gibt zahlreiche bewaffnete Zellen, die mit den Sicherheitsorganen verbunden sind. Der NSU hat gezeigt, dass sie nicht vor Morden zurückschrecken. Entsprechend müssen wir auch eine Selbstverteidigung aufbauen und die AfD wenn nötig mit Zwang aus den Strukturen der Arbeiter:innenklasse entfernen und sie von den Straßen vertreiben. Ein Ausgangspunkt dafür können die Palästina-Komitees sein, die in den letzten Wochen an den Unis sich gegen den Genozid in Gaza engagierten. Lass sie uns nutzen, um auch gegen die Rechten zu mobilisieren.