Deutsche Wohnen: Senat kann die Enteignungs-Kampagne nicht verhindern

18.09.2020, Lesezeit 5 Min.
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DW Enteignen-Demonstration 2019 in Berlin. Quelle: Dustin Hirschfeld.

Diese Woche gab die Innenverwaltung Berlins bekannt, dass sie dem Antrag auf einen Volksentscheid der Kampagne "Deutsche Wohnen enteignen!" stattgibt. Damit kann nach vielen Monaten Verzögerung durch den Senat und einer Klage seitens der Kampagne endlich der nächste Schritt in Richtung Volksbegehren gegangen werden. Bereits im Sommer 2019 hatte die Kampagne 77.000 Unterschriften gesammelt – weit mehr als die 20.000 benötigten Unterschriften für die erste Stufe.

Erklärtes Ziel des Volksentscheids ist es, den Berliner Senat zur Verstaatlichung aller Immobilienunternehmen zu bewegen, die mehr als 3000 Wohnungen besitzen. In der nächsten Phase müssen sich sieben Prozent der wahlberechtigten Berliner*innen für das Begehren aussprechen. Dann könnte im Herbst 2021 zusammen mit der Abstimmung zur Bundestagswahl auch die Frage über die Enteignung gestellt werden.

Und nötig wäre das allemal: Tausende Mietwohnungen der Profitorientierung großer Wohnungskonzerne zu entziehen, würde die dringend benötigte Senkung der Mieten in Berlin ermöglichen. Gerade für Auszubildende, Studierende und junge Arbeiter*innen in prekären Jobs wird die Wohnungssituation seit Jahren immer schlimmer. Mit der Corona-Krise hat sich sowohl deren finanzielle Situation weiter verschlechtert, als auch die vieler Arbeiter*innen, die bisher noch ausreichend Geld für eine Wohnung mit Altvertrag verdient haben. Andauernde Gehaltseinbußen durch Kurzarbeit und immer mehr Entlassungen werden es aber für immer mehr Menschen unmöglich machen, ihre Miete zu bezahlen.

Kein Wunder also, dass sich die Kampagne zur Enteignung der Wohnungsunternehmen großer Beliebtheit erfreut und durchaus Chancen auf eine Zustimmung der Mehrheit der Berliner*innen hat. Und das trotz der Gegenpropaganda der Immobilien-Lobby: Die hatte als Reaktion auf die Kampagne ihre eigene Petition „für sozialen Wohnungsbau“ gestartet, mit dem Ziel, Wähler*innen zu verwirren und einen Erfolg der Enteignungs-Kampagne zu verhindern.

Die Rot-Rot-Grüne Regierung versuchte mit der Einführung des Berliner Mietendeckels, die Lage zu beruhigen und der Enteignungsidee vom Tisch zu nehmen. Doch die dadurch erreichten realen Mietsenkungen sind längst nicht genug, um das Wohnungsproblem in Berlin zu lösen. Und es könnte sogar passieren, dass der Mietendeckel von der Justiz wieder gekippt wird.

Die Antwort auf Wucher, Schattenmieten und spekulativen Leerstand: Entschädigungslose Enteignung!

Seit Einführung des Mietendeckels werden weniger Wohnungen vermietet als im Jahr zuvor. Es könnte verschiedene Gründe geben: Erscheint es einem Teil der Vermieter*innen tatsächlich nicht rentabel genug, ihre Wohnungen zu einer gedeckelten Miete zu vergeben und sie lassen sie lieber leerstehen? Wahrscheinlicher aber ist, dass dahinter politisches Kalkül steckt. Einerseits wird abgewartet, ob der Mietendeckel überhaupt rechtlich Bestand hat. Man will also möglichst jeden gedeckelten Mietvertrag vermeiden. Andererseits ist es ein zentrales Argument der Immobilien-Lobby, dass der Mietendeckel kontraproduktiv sei, weil er zu weniger Vermietungen führe. Gut möglich, dass zahlreiche Wohnungen bewusst zurückgehalten werden, um dieses Argument zu bekräftigen. Warum sonst sollte das Angebot an älteren, tendenziell günstigeren Wohnungen plötzlich um fast 50 Prozent einbrechen?

Dazu kommt, dass Wohnungen in Berlin aktuell fast immer mit zwei Mietpreisen im Vertrag vermietet werden: gedeckelt und ungedeckelt. Mit dieser Drohung, rückwirkend die höhere Miete zu verlangen, werden Mieter*innen mit geringerem Einkommen abgeschreckt. Eine solche „Schattenmiete“ ist kein Einzelfall, sondern hat den Segen der Vermieter*innen-Verbände.

Angesichts des lukrativen Geschäfts mit Wohnraum werden sicher noch weitere Geschütze aufgefahren, um eine Deckelung der Profite zu verhindern. In diesem Sinne wird die Kampagne „DW enteignen!“ von ihren Gegner*innen durchaus ernst genommen. Um trotzdem genug Druck aufzubauen, beschränken sich die Unterstützer*innen der Kampagne nicht auf eine reine Unterschriftensammlung: Von Anfang an waren Demonstrationen für die Enteignung Teil des Konzepts – und brachten zum bisherigen Höhepunkt mehrere Zehntausend Menschen auf die Straße.

Es wird allerdings noch weit mehr Druck brauchen, wenn das Ziel tatsächlich erreicht werden soll. Denn das Volksbegehren allein wird keinerlei bindende Wirkung haben. Ganz im Sinne der neoliberalen Doktrin von der „Schwarzen Null“ ist es nicht erlaubt, in einem Volksbegehren über Gesetzesvorschläge abzustimmen, die „die Haushaltssouveränität beeinträchtigen“ – die also zu viel kosten würden. Und insbesondere die Kritiker*innen des Vorhabens schätzen die Kosten der Enteignung auf 40 Milliarden Euro. Schließlich sollen die Investor*innen von Deutsche Wohnen ja ausbezahlt werden. Deshalb wird die Abstimmung formell nur beratenden Charakter für den Senat haben.

Dabei wäre eine kostengünstigere Lösung viel naheliegender: Die Großaktionär*innen von Deutsche Wohnen haben bereits genug Geld mit lebensnotwendigem Wohnraum gemacht. Sie sollten entschädigungslos enteignet werden! Aber das gilt nicht nur für die größten Immobilien-Konzerne: Wer mehr Immobilien als den selbstgenutzten Wohnraum besitzt und diese vorsätzlich dem Markt entzieht – sei es zur Spekulation oder als Teil einer Kampagne gegen den Mietendeckel – sollte ebenfalls zu Gunsten der Allgemeinheit enteignet werden.

Doch auch das wäre natürlich mit viel Widerstand seitens der Kapitalist*innen und ihres Staates verbunden. Deshalb werden Demos und Unterschriften allein nicht ausreichen. Gerade angesichts der Corona-Krise sollten die Gewerkschaften den Kampf für bezahlbaren Wohnraum aufnehmen und die Kampagne mit allen Mitteln unterstützen – auch mit politischen Streiks.

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