Deutsche Politik: US-Wahl egal, Hauptsache Aufrüstung?

05.11.2020, Lesezeit 6 Min.
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Der Ausgang der Wahlen in den USA hat auch Einfluss auf die deutsche Politik. Vertreter:innen der führenden Parteien stoßen dabei ins selbe Horn: Egal ob Trump oder Biden; Deutschland müsse außenpolitisch mehr Verantwortung übernehmen.

Die Wahlen in den USA lösen auch in Europa heftige Reaktionen unter bürgerlichen Politiker:innen aus. SPD-Vizekanzler Olaf Scholz betonte im Falle der Wiederwahl von Trump, dass es eine „europäische Souveränität [brauche], wenn wir über die Politik der Zukunft diskutieren“. Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger äußerte sich ähnlich, nachdem der slowenische Ministerpräsident Trump vorzeitig zum Wahlsieg gratulierte. Er mahnte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk die Einheit Europas an. Gleichzeitig warnt er davor, dass auch die Wahl von Biden kein „transatlantisches Paradies“ herbeischaffen würde.

Besonders skandalös ist, dass auch der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, Omid Nouripour, eine größere außenpolitische Verantwortung Deutschlands und der EU fordert:

Man muss davon ausgehen, dass gerade nach diesem knappen Rennen und nach dieser massiven Polarisierung in den Vereinigten Staaten, sich Biden massiv um die sozialen Verwerfungen im eigenen Land kümmern muss. Das heißt, diese Wahl sollte der letzte Weckruf sein, nicht nur für uns in Deutschland, sondern für uns in Europa, dass wir auf eigenen Beinen stehen müssen, dass wir zusammenstehen müssen, um im Zweifelsfall auch ohne die Amerikaner Außen- und Sicherheitspolitik zu machen.

Nouripours Position unterscheidet sich kaum mehr von der Position der Bundesregierung. Seit Jahren schwört diese uns darauf ein, dass Deutschland international eine größere Rolle spielen müsse. Die Folge sind höhere Rüstungsausgaben und mehr Kriegseinsätze im Ausland in den letzten Jahren. Lediglich die schönfärberische Behauptung, Biden wäre als kommender Präsident schlicht zu abgelenkt, um zu einem engeren Bündnis mit den ehemals engen Verbündeten zurückzukehren, hebt ihn ab.

Die Grünen zeigen dabei immer wieder, dass sie als willige Helfer:innen für den deutschen Imperialismus – und damit als „verantwortungsvolle“ Regierungspartei – zur Verfügung stehen. So unterstützen sie seit Jahren Bundeswehreinsätze wie den in Mali und sind sich nicht einmal zu schade, offen für mehr Bundeswehreinsätze zu trommeln – natürlich gekleidet in humanitäre Phrasen, die in der Realität nicht einmal das Papier wert sind, auf dem sie stehen.

Wenn deutsche Politiker:innen von mehr Europa reden, reden sie vor allem von mehr deutscher Verantwortung in der Welt. Die EU ist für Deutschland immer noch eines der wichtigsten Instrumente, um den eigenen politischen und wirtschaftlichen Einfluss in der Welt auszubauen. Ein Auseinanderbrechen der EU, vor dem Ischinger und Co. warnen, würde damit auch eine Schwächung des deutschen Imperialismus zur Folge haben. Denn trotz höherer Ausgaben für das Militär steht Deutschland immer noch im Schatten von militärischen Großmächten wie den USA. Die US-Wahl stellt die deutsche Politik deshalb vor eine große Zerreißprobe.

Es existieren sicherlich weiter unterschiedliche Einschätzungen, über das anzustrebende Maß an außenpolitischer Eigenständigkeit – auch innerhalb der Regierungsparteien. So steht wie sein Parteikollege Scholz auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich dafür, dass sich Europa – natürlich unter Führung Deutschlands – „emanzipieren und zusammenrücken“ müsse.

Während Mützenich jedoch für den Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen plädierte, zeigt die CDU-Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer auch hier klare Kante für den US-Imperialismus: Trotz der “anti-amerikanischen Stimmung“ in der deutschen Bevölkerung sei es wichtig, die transatlantische Kooperation auch auf diesem Feld zu stärken – und somit die Atomwaffen auf deutschem Boden zu belassen, während gleichzeitig die von der NATO geforderte Militärbudgeterhöhung schnell vorangetrieben werden solle.

Die CDU unter AKK und Merkel hält also an der Idee des transatlantischen Bündnisses fest, nimmt jedoch trotzdem Kurs auf größere Eigenständigkeit. Trotz der gescheiterten Verhandlungen des Handelsabkommens zwischen EU und USA (TTIP), welches Trump abblies, sollte Deutschland „ambitioniert sein, ein US-EU-Handelsabkommen abzuschließen.“ Hierbei könnte eine demokratische Präsidentschaft für die deutschen Unternehmen nützlicher sein.

Eine besonders absurde Position zu den Wahlen nimmt Linkspartei-Politikerin Sahra Wagenknecht ein. Sie lobt Donald Trump für seine angebliche friedensstiftende Rolle: „Er ist immerhin seit dem Ende des Kalten Krieges der erste US-Präsident, der nicht selber einen neuen Krieg angefangen hat. Er hat ja auch aus anderen Konflikten Truppen zurückgezogen.“ Weiterhin unterstützt sie Trumps „konsequente Industriepolitik“, die „Dumpingimporte“ verhindere und fordert solch eine Ausrichtung auch für Deutschland. Ihre Antwort auf die sozialen Probleme ist eine noch chauvinistischere Politik, die auf einer Rückeroberung nationaler Souveränität beruht – wobei sie die rassistische Stimmung anfeuert, deutsche Arbeiter:innen gegen Migrant:innen auszuspielen.

Klar ist: weder die etablierten Parteien in Deutschland noch in den USA werden in dieser Krise freiwillig Zugeständnisse an die Arbeiter:innen und Unterdrückten machen. Auch Biden, der als Obamas Vize die größte Zahl an Abschiebungen in der Geschichte der USA zu verantworten hat, wird im Gegensatz zu liberalen Wunschvorstellungen keine Politik für die Schwarzen, Jugendlichen und Arbeiter:innen machen, die in diesem Jahr die größten Proteste in der Geschichte des Landes anführten.

Armut und Prekarisierung nehmen in der Krise weiter zu und der parlamentarische Zirkus in den Vereinigten Staaten und hierzulande ist nicht darauf ausgelegt, diese Probleme zu lösen, sondern den größtmöglichen Anteil für die jeweiligen Unternehmen zu sichern. Es wird höchste Zeit, eine unabhängige revolutionäre Kraft der Arbeiter:innen aufzubauen, die international gegen den Imperialismus und seine Machenschaften kämpft.

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